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Updated: 18.12.2012 15:51
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Provokation & Pleite

G 8-Treffen in Heiligendamm - von Winfried Wolf

Der Ort, an dem sich Anfang Juni die sieben wichtigsten westlichen Staats- und Regierungschefs und der russische Präsident zum G 8-Gipfel treffen, und die Art, wie sich dort das Gruppenbild mit Dame zusammenfindet, haben einigen Symbolwert.

Heiligendamm rühmt sich „Deutschlands erstes Seebad“ zu sein. Die Frage lautet: War Heiligendamm im Jahr 1793, als Mecklenburgs Großherzog Friedrich Franz I. diesen Anspruch begründete, und in den Jahren danach, wirklich das Seebad der Nation? Tatsächlich war es – die DDR-Zeit ausgenommen – immer ein exklusiver Ort der Herrschenden und der Wohlhabenden, von dem die gewöhnliche Bevölkerung weitgehend ausgeschlossen war.

Und so ist es auch beim G-8-Gipfel. Die Staats- und Regierungschefs der G 8 rühmen sich, „den Gipfel der Welt“ zu repräsentieren. Doch die G-7-G-8-Treffen waren von Anfang an, so bereits beim ersten Treffen am 15. bis 17. November 1975 im Schloss Rambouillet bei Paris, eine arrogante Anmaßung. Denn in den G-7- bzw. in den G-8-Staaten leben gerade mal 12 bis 15 Prozent der Weltbevölkerung. Das kommende Treffen der G 8 in Heiligendamm ist bereits deshalb eine Provokation, weil die VR China nicht am Treffen beteiligt wird, obgleich in diesem Land ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt und obgleich China im Welthandel im Jahr 2006 auf Rang drei rückte und damit dicht hinter den USA und Deutschland und noch vor Japan rangiert.

Die Staats- und Regierungschefs der G 8 werden beim Gipfel im Juni ein Kommuniqué verabschieden, in dem die Verantwortung der Staatengemeinschaft für den Frieden beschworen wird. Doch Millionen Menschen in der Welt sehen gerade diese Runde als einen Verschwörerclub an, der den Weltfrieden bedroht. Und so werden diese sieben Herren und diese eine Dame in Heiligendamm nur deshalb einigermaßen in Ruhe tagen können, weil sie von den Protesten Zehntausender strikt abgetrennt werden, weil um den Tagungsort herum ein 12 km langer Sicherheitszaun errichtet wurde, den 16.000 Polizisten und Soldaten beschützen und wofür die Steuerzahlenden mit 150 Millionen Euro belastet werden.

Die Protestierenden haben recht, wenn die da sstelldichein in Heiligendamm als den „Gipfel der Ungerechtigkeit“ und wenn sie die Herren und die Dame, die sich dort besprechen, als „masters of war“, als Leute, die die Militarisierung der Welt betreiben, bezeichnen. Denn welche Art friedfertige Gemeinschaft trifft sich denn dort?

Da sind die Herren George W. Bush und Anthony Blair, der US-Präsident und der britische Premier: Diese sind hauptverantwortlich dafür, dass der Irak, die Wiege der Zivilisation, in Terror, Trümmern und Elend versinkt.

Da ist der kanadische Ministerpräsident tephen Harper, der seine Regierung in enger Verbundenheit mit derjenigen von George W. Bush sieht und, wie er es nennt, „eine aktive Rolle im Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ spielt, u.a. mit der Beteiligung am Nato-Krieg in Afghanistan.

Da ist der Chef der italienischen Linksregierung, Romano Prodi: Dieser hat vor wenigen Wochen ein Vertrauensvotum im Parlament verloren. Die Mehrheit im Parlament und die Mehrheit in der Bevölkerung sind gegen Prodis Zusage, dass das US-Militär den Stützpunkt in Vicenza massiv ausbauen darf und dagegen, dass noch mehr italienische Truppen nach Afghanistan entsandt werden.

Da ist der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe: Dieser will Japan eine neue Verfassung geben und damit die nach dem Zweiten Weltkrieg gewählte Verfassung, die auf den Pazifismus verpflichtet und jegliche Auslandseinsätze japanischer Militärs verbietet, aushebeln. Shinzo Abe ist ein Nationalist der schon oft den Yaasukuni Schrein besuchte und dort den Massenmördern huldigte, die für die japanische Kriegführung im Zweiten Weltkrieg verantwortlich waren.

Da ist der französische Staatspräsident Jacques Chirac, der jüngst erklärte, der Abwurf einer Atombombe auf Teheran sei „kein Problem“. Die französische Regierung hat, ähnlich wie die britische, jüngst beschlossen, das Atomwaffenpotential zu modernisieren und massiv auszubauen. Dabei verlangt der Atomwaffensperrvertrag, auf den sich all diejenigen berufen, die das iranische Atomprogramm kritisieren, eine allgemeine atomare Abrüstung.

Da ist der russische Präsident Wladimir Putin: Seine Regierung ist mitverantwortlich für den unmenschlichen Krieg, der in Tschetschenien geführt wird

Und schließlich ist da die Kanzlerin Angela Merkel. Sie hat erklärt, sie werde „den Werten der Nation mit freundlichen Worten und mit Marschflugkörpern dienen“. Sie trat bei den Münchner Sicherheitskonferenzen der Jahre 2006 und 2007 in ausgesprochen scharfmacherischer Weise gegen den Iran auf und zog Parallelen zwischen der iranischen Rüstung und den ersten Jahren der Nazi-Herrschaft. Damit propagierte sie indirekt einen Angriffskrieg. Frau Merkel hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der militärische Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan deutlich erweitert wurde und dass in Bälde deutsche Tornado-Flugzeuge direkter Bestandteil der militärischen Angriffe auf echte oder vermuteten Taliban-Kämpfer sind. Während die Kanzlerin und ihr Außenminister Steinmeier auf diese Weise einen wirksamen Beitrag dafür leisten, dass es auch hierzulande zu terroristischen Aktionen kommt, bereitet ihr Innenminister Schäuble einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren vor.

Eine Weltmacht sind die g 8-Staaten ohne Zweifel in Sachen Rüstung. Von den gesamten Rüstungsausgaben in der Welt entfallen rund 50 Prozent auf die USA, weitere knapp 20 Prozent auf die G-8-Staaten Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien. Die japanischen Rüstungsausgaben machen 5 Prozent der weltweiten aus und die russischen 3 Prozent. Zusammen machen die Rüstungsausgaben der G-8-Staaten rund 75 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben aus. Nochmals: In diesen Ländern leben nur 15 Prozent der Weltbevölkerung.

Richtig: In Heiligendamm wird zwar viel zum Thema Krieg geredet. Dort wird auch versucht werden, eine gemeinsame Politik zu entwickeln, wie gegen den Iran auch militärisch vorgegangen werden kann. Doch es handelt sich natürlich vor allem um einen Weltwirtschaftsgipfel. Im Abschlusskommuniqué des G-8-Gipfels werden wir wegweisende Worte über die Stabilität und Solidität der Weltwirtschaft finden. Bereits die regelmäßigen Beben an den Weltbörsen und die hochriskante Finanzierung des US-amerikanischen Konsumbooms über US-Anleihen, die überwiegend von der Zentralbank in Peking aufgekauft werden, sind Indizien für die Labilität der internationalen Ökonomie. Diese kann jeder Zeit einen Kollaps erleiden. Womit wir wieder den Ort des Treffens in Augenschein nehmen sollten. Denn die Weltwirtschaft ist ein ähnlich solides Gebäude wie der Tagungsort, das Grand Kempinski Heiligendamm. Die Fundus-Kapitalgruppe hat das Hotel einschließlich der sieben Villen am Ostseeufer, auch als „Perlenkette“ bekannt, 1996 für lächerliche 16 Millionen Euro erhalten. Sie kassierte sodann 50 Millionen Steuermittel aus EU-Töpfen, von denen jedoch nur ein Teil in die Sanierung des eigentlichen Hotelgebäudes floss. Die klassizistischen Villen lässt man verfallen. Im Vorfeld des G 8 Gipfels wurde bereits eine Villa abgerissen – um Platz für die Pressetribüne mit den Journalisten zu schaffen. Die Villen stehen unter Denkmalschutz. Doch es heißt: „Der Investor hat den Denkmalschutz aufheben lassen.“ Das hätte man zu Kaisers Zeiten nicht autoritärer formuliert. Doch der Höhepunkt scheint nach dem Gipfel zu kommen: Das gesamte Projekt Hotel Heiligendamm soll aufgegeben werden. Dem Investor ist die Rendite nicht hoch genug.

Das allerdings dürfte dann einmalig und symptomatisch für den modernen Kapitalismus sein: Ein G-8-Gipfel als Eröffnungsveranstaltung für den Konkurs.

Artikel von Winfried Wolf exklusiv aus der Zeitung gegen den Krieg Nr. 25


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