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Updated: 18.12.2012 15:51
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Krankenversicherungsschutz und Gesundheitskosten im Alg II-Bezug sind geregelt!

Kleine Handlungshilfe

BezieherInnen von Arbeitslosengeld II (Alg II) sind per Gesetz krankenversichert (also pflichtversichert), es sei denn, sie sind familienversichert. Pflichtkrankenversichert ist also, wer als erwerbsfähig eingestuft ist und Alg II - Leistungen erhält. Waren Sie in 2004 freiwillig versichert und beziehen nun Alg II, sind Sie ab dem 1. Januar 2005 pflichtversichert. Für Sie erfolgt eine automatische Meldung von der Agentur für Arbeit (im Folgenden: AA) an die jeweiligen Krankenkassen. Falls es Unklarheiten gibt, gehen Sie mit dem Alg II - Bescheid zur Krankenkasse und klären Sie, ob die Registrierung schon vorliegt.

Vorläufiges Fehlen einer Versicherten-Karte

Da noch nicht alle Alg II-Bescheide zugestellt sind oder die Datensätze von der AA noch nicht alle an die Kassen weitergereicht wurden, kann es durchaus vorkommen, dass eigentlich pflichtversicherte Personen bei den Kassen noch nicht als Versicherte geführt werden. Ihren Versicherungsstatus können Sie zum Beispiel durch die Vorlage des Alg II-Bescheides bei den Krankenkassen klären lassen. Haben Sie Alg II-Ansprüche, aber aufgrund der häufigen Datenpannen noch keine neue Krankenkassenkarte, dann können Sie getrost zum Arzt oder Krankenhaus gehen und auf die Kostenübernahme vertrauen. Wollen Sie sich zusätzlich absichern, dann lassen Sie vom Arzt bzw. vom Krankenhaus vor der Behandlung ein Fax an die jeweilige Sozialverwaltung/ Arbeitsagentur schicken. Beantragen Sie mit dem Fax formlos unter Angabe Ihres Namens die Übernahme der Behandlungskosten; ist der Alg-II – Anspruch nicht sicher, dann beantragen Sie dies über die Krankenhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII). Sind sich Arzt oder Krankenhaus unsicher, weisen Sie selbige auf ihre Verpflichtung zur Behandlung von Akutfällen und auf die neue „Nothelfer-Regelung“ im SGB XII hin, nach der sie in der Regel nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Denn erbringt ein Dritter Leistungen, die bei rechtzeitiger Zahlung der Sozialhilfe - in diesem Fall Krankenhilfe - nicht zu erbringen gewesen wären, hat er Anspruch auf Aufwendungsersatz. Ärzte und Krankenhäuser müssen den Anspruch auf Behandlungskostenersatz binnen Dreiwochenfrist selbst geltend machen (§ 25 SGB XII).

Familienversicherung und freiwillige Versicherung

Achtung! Ihre bisherige freiwillige Krankenversicherung endet nicht automatisch: Sie müssen sie selbst kündigen! Zudem muss die Aufnahme in die Familienversicherung beantragt werden! Zwar sind Verheiratete in der Regel familienversichert, das heißt aber nicht pflichtversichert. So gibt es oft Missverständnisse, da auf dem Alg II - Bescheid richtig vermerkt sein kann, dass der/die Ehepartner/innicht mehr versichert sind. EhepartnerInnen von Pflichtversicherten sollten sich daher umgehend bei ihrer Krankenkasse melden und einen Antrag auf Familienversicherung stellen! Bei der Wahl der „Hauptversicherten“ sollte zudem noch beachtet werden, dass im Krankheitsfall nach 6 Wochen ein Krankengeld in Höhe des bisherigen Alg II – Betrages gezahlt wird. Krankengeld gibt es nicht für Familienversicherte; sie würden dann nach 6 Wochen aber wei-ter Sozialgeld (SGB II) erhalten. Erhalten PartnerInnen aus eheähnlichen Gemeinschaften kein Alg II wegen zu hohen PartnerInneneinkommens, müssen sie und deren Kinder einen Antrag auf freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung bei der Krankenkasse stellen..

Privatversicherte

Als Privat Versicherte müssen Sie Ihre Versicherung nicht kündigen, nur weil Sie jetzt Alg II beziehen. Sie können innerhalb der ersten 3 Monate nach Beginn des Alg II - Bezuges einen Antrag auf Befreiung von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung stellen. Dazu gilt gem. § 8 SGB V: Sie dürfen in den letzten 5 Jahren vor dem Leistungsbezug nicht gesetzlich krankenversichert gewesen sein und müssen eine private Krankenversicherung nachweisen, deren Umfang mindestens den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Achtung: Wenn Sie sich als Alg II-BezieherIn einmal für die private Krankenversicherung entschieden haben, kann dies nicht mehr rückgängig gemacht werden. Sie sollten sich daher vorher mit dem zuständigen Amt und der Krankenkasse beraten.

Die Träger des Alg II beteiligen sich auch an den Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Doch sie zahlen nur den Pauschal-Betrag von 140 Euro pro Monat, den sie auch an die gesetzlichen Kassen überweisen. Üblicherweise reicht das nicht aus, um die privaten Beiträge zu decken. Deshalb sollte Sie sich vor Alg II -Bezug überlegen, ob Sie sich mit diesen privaten Beiträgen nicht noch zusätzlich ruinieren. Wägen Sie ab, ob Sie nicht während des Alg II-Bezuges doch zurück in die gesetzliche Krankenkasse gehen sollten. (Dieselbe Rückkehrmöglichkeit haben in Not geratene Freiberufler und Selbstständige. Sie müssen nicht ihr Gewerbe abmelden, sondern ihre Bedürftigkeit nachweisen, um sich wieder gesetzlich krankenversichern zu können.)

(Keine) Krankenversicherung bei Ablehnung von Alg II

Problematisch wird es, wenn Sie als Nicht-Verheiratete wegen zu hohen Vermögens oder verschärfter PartnerInnen-Einkommensanrechnung kein Alg II erhalten. Sie sind dann NICHT krankenversichert über die AA und auch NICHT über die Familien-Mitversicherung (wie bei Verheirateten). Von Ihnen wird erwartet, dass Sie sich freiwillig in der gesetzlichen Kran-kenversicherung oder privat versichern, und dass Sie selbst oder Ihr/e „vermögende/r“ Partner/in dies bezahlen. Sonst stehen Sie ohne jeglichen Versicherungsschutz im Krankheitsfall da. (Sollte Ihr/e Partner/in allein wegen der Zahlung von Beiträgen zu einer freiwilligen, gesetzlichen oder privaten Kranken- oder Pflegeversicherung und/ oder zur privaten Altersvorsorge hilfebedürftig werden, ist in analoger Anwendung des § 26 Abs. 2 SGB II ein Zuschuss zu den Beiträgen der Kranken- und Pflegeversicherung zu gewähren.) Achtung: Die „freiwillige Versicherung“ bei einer gesetzlichen Krankenkasse muss innerhalb von 3 Monaten nach Erlöschen der Pflichtmitgliedschaft erfolgen (also meist 3 Monate nach dem Auslaufen der Arbeitslosenhilfe bei Ablehnung von Alg II-Ansprüchen). Lassen Sie diese Frist verstreichen, dann bleibt nur noch der Weg zu einer meist teureren privaten Krankenversicherung oder eben der gänzliche Verzicht auf Versicherungsschutz.

Befreiung von Zuzahlungen

Dazu gilt generell eine Obergrenze von 2% des Einkommens (bzw. 1% für diejenigen, die unter die Chroniker-Regelung fallen). Bis zu dieser Summe müssen Zuzahlungen zu Krankheitskosten aus eigener Tasche geleistet werden. Wer als einzige Einkommensquelle Alg II bezieht, für den wird die Regelleistung ohne Unterkunfts- und Heizkosten zugrunde gelegt; für alleinstehende Alg II-BezieherInnen ergibt sich eine pauschale Zuzahlungsgrenze pro Kalenderjahr von 82,80 € (2%) bzw. 41,40 € (1% chronisch Kranke). Die Beträge für einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind bei den Leistungsabteilungen der Krankenkassen zu erfragen.

Haben Alg II-BezieherInnen im jeweiligen Kalenderjahr noch andere Einkünfte, wird nach Jahresablauf ermittelt, wie hoch das Jahres-Gesamteinkommen war und wo entsprechend die Zuzahlungsgrenze liegt. Bei „1-Euro-Jobs“ zählt die Mehraufwandsentschädigung nicht als Zusatz-Einkommen. Bereits geleistete Zuzahlungen, die diese errechnete Obergrenze überschreiten, werden auf Antrag von den Krankenkassen zurückerstattet. Die Kassen können aber auch umgekehrt weitere Zuzahlungen nachfordern, wenn Sie als Alg II-Beziehende sich frühzeitig nach Erreichen der Obergrenze von weiteren Zu-zahlungen befreit wurden, weitere Kassenleistungen in Anspruch genommen haben, dann aber in den Folgemonaten sonstige höhere Einkünfte erzielt haben (Nachzahlungspflicht!). Gleiches gilt für Geringverdienende mit unregelmäßigen Einkünften!

Nachweis von Zuzahlungen

Viele PatientInnen haben inzwischen Jahr leidvolle Erfahrungen mit der Gesundheitsreform gemacht; denn sie mussten weit über die 2%-Grenze hinaus Zuzahlungen leisten. Nach Gesetz müssten Sie als PatientIn zwar nur maximal 2% ihres Brutto(!)-Einkommens (Chroniker 1%) zuzahlen, doch ist dies leider nur die halbe Wahrheit. Denn zu diesen Zuzahlungen kommen noch weitere Gesundheitsdienstleistungen und -produkte, die sie zu 100% bezahlen müssen ( z.B. fast alle Fahrtkosten und nichtverschreibungspflichtige Medikamente). Als PatientInnen müssen Sie Ihrer Krankenkasse das Erreichen der Zuzahlungsgrenze nachweisen. Das kann auch im Nachhinein erfolgen! Insbesondere beim Medikamentenkauf reichen aber einfache Kassenbons bzw. Quittungen der Apotheke NICHT aus: alle Quittungen müssen neben Datum, Produkt und Preis auch den NAMEN der/s PatientIn enthalten. Der Nachweis kann auch durch eine Quittierung in einem Beleg- oder Quittungsheft geführt werden, in dem sämtliche Ausgaben festgehalten und bspw. in der Arzt-, Physiotherapiepraxis oder der Apotheke abgestempelt werden. Das Quittungs- oder Beleg-Heft ist inzwischen bei den meisten Kassen erhältlich. Sämtliche ApothekerInnen sollten ebenfalls PatientInnen bei der Abgabe eines zuzahlungspflichtigen Medikaments auf die Nachweis-pflicht hinweisen und nur Quittungen mit dem PatientInnennamen ausstellen.

Nehmen Sie Ihre Rechte wahr. Veröffentlichen Sie skandalöse Sachverhalte in den Medien. Teilen Sie Ihre Erfahrungen oder Rechercheergebnisse der Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen e.V (BAG SHI)., Moselstraße 25, 60329 Frankfurt, allex@alg-2.info, Tel.: 069- 26 95 68 94 Fax:069-27 22 08 97 und der bundesweiten Arbeitslosenzeitung ´quer´, Guido Grüner, Postfach 13 63, D-26003 Oldenburg, E-mail: quer.infos@web.de mit.


V.i.S.d.P.: Siegfried Dierke, Berliner Sozialforum (www.sozialforum-berlin.de externer Link), Anne Allex, Berliner Kampagne gegen Hartz IV (www.hartzkampagne.de externer Link); c/o Büro ´anders arbeiten´, Tel. 030 - 695 98 306, (14 – 17 Uhr) und BAG SHI (www.bag-shi.de externer Link)


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