Home > Diskussion > Gewerkschaft > ver.di > verdi-linke > forumnrwkritik
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

ver.di, Hartz und ver.di-Linke

Das "Anti-Hartz Bündnis NRW" hatte Ende Mai 2004 in einer Rundmail eines Autoren namens Gunnar eine Veranstaltung des ver.di Bezirks Düsseldorf heftig kritisiert, und die Frage gestellt - und beantwortet, wie es den eigentlich aussähe mit einer Gewerkschaft, die sich die Umsetzung der Umgestaltung der "Arbeitsagentur" und der "Zusammenlegung" von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Thema mache.

Diese Kritik wurde sowohl im LabourNet als auch auf der Mailingliste der ver.di-Linken Bund verbreitet - bei letzterer mit dem Hinweis, dass es sich dabei um eine wichtige Frage handele, deren Diskussion bestimmte wiederkehrende Fragestellungen widerspiegele - nicht nur, aber insbesondere - einer Dienstleistungsgewerkschaft, deren Mitglieder eben an vielen Punkten in direktem Kontakt zur Bevölkerung arbeiten.

Da sich diese Diskussion mit bereits 4 Beiträgen in kurzer Zeit einigermassen intensiv entwickelt und sie durchaus von allgemeiner Bedeutung sein kann, dokumentieren wir hiermit (nochmals) die ursprüngliche Kritik des Anti-Hartz Forums, sowie die bisher eingegangenen Diskussionsbeiträge.

ver.di und Hartz: die Kritik des Anti-Hartz Bündnis NRW

(Die folgende Mail des Anti-Hartz Bündnis NRW leite ich einfach so weiter, wie sie reinkam - Denksportaufgabe für verdi-Linke zwecks "Verhaltensoptimierung"... )

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Freudinnen und Freunde!

Am Mittwoch, den 26.Mai, ab 10 Uhr macht ver.di in Düsseldorf (Karlstrasse, ganz in der Nähe vom Hauptbahnhof) eine Veranstaltung:"Gestaltung von JobCentern und Umsetzung von ALG II"

Statt also den Widerstand gegen die Streichung der Arbeitslosenhilfe zu organisieren, statt sich einzusetzen, die Arbeitslosenhilfe zu erhalten, wirkt ver.di aktiv mit bei der Umsetzung der Hartz-Pläne! Dabei ist es noch längst nicht ausgemacht, daß ALG II tatsächlich kommt! Immer mehr Kommunen merken, daß damit statt der versprochenen finanziellen Entlastungen erhebliche Mehrbelastung auf die Städte und Gemeinden zukommen. Und in genau dieser Situation, wo breiter Widerstand gegen die Hartz-Gesetze durchaus Erfolg haben kann, kommt ver.di daher - und trägt mit dazu bei, die Hartz- Pläne umzusetzen!

Wenn das Arbeitsamt so eine Veranstaltung machen würde, oder die Stadt Düsseldorf, dann wäre nichts dagegen einzuwenden. Aber eine Gewerkschaft wird aus Mitgliedsbeiträgen finanziert und hat die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten! Hier tut ver.di genau das Gegenteil! ver.di trägt mit dazu bei, daß hunderttausende von ver.di-Mitgliedern arm gemacht werden durch die Streichung der Arbeitslosenhilfe!

Der Geist der Veranstaltung geht deutlich aus der Ankündigung hervor, wo die verharmlosenden offiziellen Sprachregelungen voll übernommen werden: "Zum 1. Januar 2005 werden Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende, dem Arbeitslosengeld II (AlG II) zusammengeführt." Kein Wort darüber, daß damit die für die Arbeitslosen deutlich bessere und höhere Arbeitslosenhilfe gestrichen wird! Kein Wort darüber, daß damit den Arbeitslosen pro Jahr viele Milliarden Euro genommen werden, die dann umverteilt werden, nämlich in Form von Steuervergünstigungen an die Reichen! Was ist das für eine Gewerkschaft, die solche Sprache so voll übernimmt? Was ist das für eine Gewerkschaft, die sich am Sozialkahlschlag aktiv beteiligt, statt die Arbeitslosenhilfe und die sozialen Errungenschaften zu verteidigen!

Mit Veranstaltungen solcher Art ist diese Gewerkschaft keine Interessenvertretung der Arbeitslosen und auch nicht der Beschäftigten: Denn die Streichung der Arbeitslosenhilfe betrifft auch die Beschäftigten! Arbeitslose, die sich zu jedem noch so niedrigen Lohn verkaufen müssen, werden gegen die Beschäftigten ausgespielt! Darum, und für den Fall der eigenen Arbeitslosigkeit, haben auch die Beschäftigten ein großes Interesse an einer guten materiellen Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit! Wir brauchen eine andere Gewerkschaftspolitik! Wir brauchen Widerstand gegen die Hartz-Gesetze! Die Veranstaltung findet statt am Mittwoch, den 26. Mai 2004, von 10 bis 16 Uhr im ver.di-Haus, Karlstr.123 - 127, Düsseldorf. Das ist ganz in der Nähe vom Düsseldorfer Hauptbahnhof. (...) Anmeldeschluß ist der 21.Mai!

Schöne Grüsse, Gunnar vom Anti-Hartz-Bündnis NRW

 

Eine Antwort von Dieter Schäfer (verdi-Berzirksvorsitzender Oberhausen, Mitglied im verdi - Gewerkschaftsrat)

Hallo,

mir liegt die Mail von Gunnar zur verdi-Veranstaltung zur Gestaltung von JobCentern und Umsetzung von ALG II vor. Nicht nur bei diesem Thema erscheint mir ein Vorgehen in der Reihenfolge Information - Rückkopplung der Information - Analyse - Bewertung außerordentlich vorteilhaft. So werden Missverständnisse vermieden, es gelangt weniger Sand ins Getriebe und es bleibt ein größerer Anteil an Energie, um den Widerstand gegen die neoliberale Politik kraftvoll weiter zu entwickeln.

Die grundsätzliche verdi-Position zur Agenda-Politik ist klar. Sie ist veröffentlicht und auch den Internetseiten www.verdi.de und www.verdi-nrw.de zu entnehmen. Ich erspare mir daher Einzelheiten an dieser Stelle. Dem Gewerkschaftrat, höchstes verdi-Gremium zwischen den Bundeskongressen, liegt für seine Sitzung am 02./03.06.2004 ein Antrag "Wie weiter nach dem Europäischen Protesttag am 3. April 2004?" vor.

Auszüge aus diesem Antrag:

1. Kampagne zur Durchsetzung von vier konkreten Forderungen. Wir halten es für sinnvoll, eine Kampagne anzustoßen, die sich auf vier konkrete Forderungen konzentriert. Diese müssen dazu geeignet sein, sowohl Beschäftigte sowie weitere Bevölkerungsgruppen anzusprechen und zu mobilisieren, als auch ganz oder teilweise durchsetzbar sein. Wir schlagen folgende Themenfelder vor:

- Wiedereinführung der Vermögensteuer und Reform der Unternehmensbesteuerung (bzw. Rücknahme der letzten)
- weg mit den Praxisgebühren und Zuzahlungen bei der Gesundheitsreform (evtl. Krankengeld und Zahnersatz/Zahnbehandlung mit einbeziehen)
- weg mit den Zumutbarkeitsverschärfungen für Arbeitslose und Beibehaltung der Arbeitslosenhilfe
- keine weiteren Verschlechterungen der gesetzlichen Altersversorgung

Entscheidend ist, dass hierzu schnell ein Kampagnenkonzept entwickelt wird. Im Prinzip müsste diese Kampagne eine Zuspitzung der Aktivitäten für Oktober/November vorsehen. Die Gewerkschaften und die mit ihnen verbündeten Organisationen könnten in der Lage sein, hier eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung zu repräsentieren bzw. zum Ausdruck zu bringen. Basis dieser Kampagne müssten neben den Gewerkschaften die regionalen Bündnisse gegen Sozialabbau sein. Diese müssten von Anfang an in die Entwicklung und Umsetzung eines solchen Konzepts mit einbezogen werden.

Ende des Auszuges

Neben der Weiterentwicklung des Widerstandes im Rahmen Sozialer Bündnisse auf allen Ebenen hat ver.di allerdings auch noch einen anderen Job: sich um die Interessen der Beschäftigen in der Sozialversicherung und bei den Kommunen zu kümmern. In diesem Zusammenhang ist die kritisierte Veranstaltung zu sehen. Es gibt nicht die Alternative, bis zum 28.12.2004 nichts zu tun in der Hoffnung, der eigene Abwehrkampf könne nur Erfolg haben. Ein noch größeres als das ohnehin zu erwartende Chaos in der Umsetzung würde nicht nur die Beschäftigen, sondern wieder die ohnehin gebeutelten Leistungsempfänger treffen. Ich brauche die Folgen einer chaosbedingten längeren Nichtzahlung von Leistungen an dieser Stelle wohl nicht weiter ausführen. So muss ver.di dass tun, was sich offensichtlich nicht jeder vorstellen kann: kämpfen auf der einen Seite und sich inhaltlich einbringen auf der anderen Seite. Das muss kein Widerspruch sein. Ich werde mich in der nächsten Woche im Gewerkschaftsrat dafür aussprechen, im Rahmen der oben beschriebenen Kampagne in einem konkreten Zeitfenster im Herbst bundesweit regionale und örtliche Aktivitäten der bestehenden Bündnisse mit dem Ziel anzustreben, im Sinne des Antrages (siehe oben) deutlich werden zu lassen, dass die Mehrheit der Bevölkerung diese Politik nicht will. Wir sollten unsere Kräfte bündeln.

Gruß, Dieter Schäfer

 

Eine Stellungnahme von Helmut Born (BR Kaufhof Düsseldorf)

Zu der Geschichte mit der ver.di Veranstaltung möchte ich kurz einmal meine Meinung bekannt geben. Zuerst fiel mir auf, dass der Stil in dem die Erklärung des Anti - Hartz Bündnis geschrieben ist, ziemlich denunziatorisch daher kommt. Das mag daher kommen, dass Gunnar sich bisher noch nicht an Gewerkschaftsarbeit beteiligen konnte oder wollte.

Dabei geht es nicht darum ob an der Politik von ver.di Kritik zu üben ist oder nicht. Aber wäre Gunnar in der Diskussion, wüsste er sicherlich, dass es viele unterschiedliche Positionen in ver.di zu den Hartz Gesetzen oder zur AGENDA 2010 gibt, und vor allem wie damit umzugehen ist.

Da würde er mit uns versuchen, dass ver.di einen konsequenten Kampf gegen die Politik der grossen Koalition der Sozialräuber in Bund und Land führt. Aber so wie die Situation nun mal ist müssen wir uns jeden nächsten Schritt wieder neu überlegen und versuchen, dafür Mehrheiten zu gewinnen. Das war am 1.11. so und auch am 31.1, ganz zu schweigen vom 3.4. der ja beim ESF in Paris auf die Schiene gebracht wurde.

Wenn der Gewerkschaftsrat nun dem Stuttgarter Antrag folgt, können wir, so glaube ich, die nächsten Schritte angehen. Diese ganze Problematik hat D.Schäfer in seinem Beitrag ganz gut beschrieben. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass wir im Kampf gegen die Politik der Sozialräuber weitere Schritte voran kommen.

Mit solidarischen Grüssen Helmut Born

 

Stellungnahme von Peter Ridder-Wilkens

Zum Beitrag des Kollegen Schäfer kann ich nur sagen, dass das Interesse unserer Gewerkschaft zur Verhinderung des ALG II minimal ist. Im Grunde hat man sich damit abgefunden. Dies kann man auch dem Interview der letzten Publik vom Herrn Kempe mit Müntefering entnehmen.

Wie kann man Herrn Müntefering nur so befragen und Aussagen so stehen lassen, dass das Schonvermögen jetzt höher ist für Sozialhilfeempfänger. Richtig und doch falsch, weil jetzt alle in die Sozialhilfe gedrängt werden und es vorher bei Alhi-Empfänger höher war. Dann der Essay (lächerlich) von einer Mitarbeiterin aus dem Bundesvorstand, Frau Gauper, die neolieberale Politik im Europaparlament bei den Konservativen verortet, damit implizit zur Wahl von Rot/Grün/PDS aufruft, ohne zu bemerken das die neoliberale Politik von Rot-Grün in der BRD mit dem größten Verarmungsprogramm (Hartz-Gesetze, Rente, Gesundheitsreform) exekutiert wird.

Kein Wunder, das Verdi 20000 Mitglieder pro Monat verliert und die Basis in Lethargie verfällt, bei diesem blöden Geschwätz von Wichtigtuern und FunktionärInnen. Auch wenn von der IG-Metall die scharfe Waffe der Unterschriftenaktion eingesetzt wird, der DGB hat die Arbeitslosen schon der Konkursmasse zugeführt und abgeschrieben. Ich gebe euch heute schon Bescheid, dass Verdi und der DGB 2006 uns Rot-Grün als Wahlalternative offeriert.

Mit solidarischen Grüßen, Peter Ridder-Wilkens

 

Hartzanfall?

(Stellungnahme von 3 KollegInnen ver.di FB 8 Dortmund)

Zu der Diskussion um ver.di und die Hartz Umsetzung wäre sicher viel mehr zu sagen, als wir es in aller Knappheit versuchen wollen - und dabei auch manches verkürzt ausführen werden.

1. Wir finden nicht, dass wir über Ton und Stil reden sollten. Wir meinen: wir können viel über betriebliche Verschlechterungen usw diskutieren, und noch besser dagegen was organisieren - Tatsache aber ist, dass am 1. Januar 2005 für hunderttausende von Menschen das Ende dessen erreicht ist, was viele fälschlich Sozialstaat nannten. Da finden wir den "Ton" ungefähr siebtrangig.

2. Und wir gehören ehrlich gesagt, auch nicht zu denen, die finden, die Beschlusslage von ver.di bezüglich Hartz wäre völlig klar - wozu uns das Wort "Mitwirkung" einfällt, und zwar bei der Ausarbeitung...und wer da alles inne Kirche saß...

3. Wir finden auch nicht, dass sozusagen nur "mitreden" kann, wer in ver.di aktiv ist. Mitreden kann darüber erst mal jede und jeder - vor allem die, die davon betroffen sind. Wir denken: Auch wenn "Hartz" reibungslos funktioniert, ist 0,0 gewonnen: es käme sehr darauf an, wie sich die Kolleginnen und Kollegen verhalten, die bei der "Agentur" arbeiten.

4. Denn wir hoffen sehr, dass wir uns darauf einigen können, dass GewerkschafterInnen keine "guten" Hartz UmsetzerInnen sein können. Es ist halt nicht irgendein Job, den man macht, sondern "Hartz" umsetzen bedeutet nun mal: Menschen verfolgen - und das formulieren wir ganz bewusst so krass. Warum zur Hölle bietet keine ver.di Einheit Seminare an etwa zum Thema "Wie kann ich Hartz unterlaufen?" wenns konkret sein soll?

5. Wenn in Wuppertal zum Beipiel mal Erwerbslose den Spiess umdrehen, und die "Agentur" Mitarbeiter öffentlich bewerten, dann läuft ver.di Amok, nahe dem Hartzanfall. Warum? Polemisch gefragt: Weil die ver.di Mitglieder so viel zu befürchten haben? Oder weil sie halt (ohje) "nur ihre Arbeit tun"? Also, so einfach ist das alles nicht. Das ist alles nicht nur irgendwie "Stoff für Debatten", wir können auch über Borussia Dortmund debattieren, wenns darum geht (von uns aus sogar über Fortuna Düsseldorf) - das sind Fragen, wie sie in der Art immer wieder und immer öfter auftreten werden, und wo sich ver.di Linke, wenn sie irgendwie wirksam sein wollen, früher(!) oder später(?) auf bestimmte Grundzüge des Verhaltens einigen müssen. Sonst wird uns der Hartzanfall auch treffen.

Meinen Michael Banos, Anne Eberle und Helmut Weiss , Fachbereich 8 ver.di Dortmund

 


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang