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Updated: 18.12.2012 15:51
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Eine Bilanz von ERA

Wer in einem Entgeltsystem gerecht eingruppiert werden will, bekommt die Folgen zuspüren: wie das Unternehmen mit Bewertung, Zuordnung, Eingruppierung, Bezahlung sein Interesse an rentabler Beschäftigung durchsetzt

2002 schließen die Tarifparteien in der Metall- und Elektroindustrie ein Entgeltrahmenabkommen (ERA) ab.
Die IG Metall erreicht mit den Arbeitgebern einen Vertrag, durch den Arbeiter und Angestellte gleichgestellt werden. Auch Gesamtmetall, der Arbeitgeberverband, beurteilt das Abkommen so, dass damit die Zweiklasseneinteilung, bei der Arbeiter Lohn und Angestellte Gehalt verdient haben, beseitigt wird.
Die Einführung von ERA muss dabei "dem von den Arbeitgebern geforderten Schlüsselkriterium der Kostenneutralität genügen. "Denn die tariflichen Personalkosten dürfen durch das ERA-Entgelt ...nicht steigen."
Für die Tarifparteien folge "daraus die Herausforderung, die Mitarbeiter gemäß ihrer jeweiligen Arbeitsaufgabe in neue, gemeinsame Tarifgruppen einzugruppieren".

Jetzt, während die Zuordnung der Eingruppierung im Gang ist, hat sich die IG Metall hat sich offensichtlich etwas Anderes von ERA erwartet, als die Unternehmen daraus machen. Beide meinen denselben Vertragstext. ERA hält also einen Gegensatz der Interessen fest, der mit und nicht gegen den Vertragstext umgesetzt wird.

Was steht also im ERA drin und welche Interessen machen sich drin geltend ?

Für die Gewerkschaft verlieren Arbeiter durch ERA ihren bisherigen minderwertigen Status gegenüber Angestellten. Indem Beschäftigte ab jetzt alle gleich gestellt sind ,- bei 17 verschiedenen Entgeltgruppen !- wird klar, dass alle in gleicher Weise einer neuen Lohnhierarchie unterworfen werden. Auch in Zukunft wird nach neuen Bewertungsmerkmalen ungleich verdient. Ob man davon vernünftig leben kann, war nicht die Frage. Es kam auf die Unterschiede der neuen Entgelte an und ob diese Unterschiede dazu passen, wie jemand arbeitet und was er dafür bezahlt bekommt.

Arbeitgeber wollen für das neue Entgeltsystem nicht mehr bezahlen als bisher. Sie sind interessiert daran, neue Tätigkeitsmerkmale für ihre Arbeitsaufgaben zu beschreiben und diesen Niveaubeschreibungen dann Punktewerte, diesen Punktwerten dann Entgeltgruppen, diesen Entgeltgruppen dann ihre hart erwirtschaftete Kohle zuzuordnen. Und bevor diese Arbeitsaufgaben in Geldgrößen bewertet worden sind, wissen sie bereits, dass das Ganze nicht mehr kosten darf ! Auch eine schöne Widerlegung ihrer Behauptung, dass sie mit dem neuen Entgeltrahmenabkommen leistungsgerecht bezahlen wollen.

Abgesenkte Entgeltlinie

Daß ERA Geld kostet, war der IG Metall klar. Damit "Spielraum" für neue Auf- und Abgruppierungen entstand, musste man von der Gesamtlohnsumme für die Arbeitgeber etwas abziehen und ihnen in einem "ERA-Topf" belassen. Diese 2,79 % Entgeltabsenkung ist vertragsgemäß übrigens schon durch. Die "abgesenkte Entgeltlinie" heißt: ab dem 1.1.2007 gelten 2,79 % weniger.

Das wurde durch den ERA-Anpassungsfond erreicht. Schon 2002 konnte das Unternehmen 0,9 % der Lohn- und Gehaltserhöhungen behalten. Es gab eine Tariferhöhung minus diesem ERA-Geld. Stattdessen erhielt man Einmalzahlungen in Höhe von 0,9 %. Aber einmal ! Dagegen fehlten diese 0,9 % ab 2003 für die Berechnungsgrundlage der neuen Tariferhöhungen; sie waren nicht "sockelwirksam", also mussten sie nur einmal bezahlt werden, wirken aber dauerhaft a ls Absenkung der Entgeltbasis. Das wiederholte sich 2003 mit 0,5 %, 2004 mit 0,7 %und 2005 mit 0,7 %. So wurde das Lohn- und Gehaltsniveau in 4 Jahren um 2,79 % dauerhaft abgesenkt und einmalig 2,79 % im Verlauf von 4 Jahren ausbezahlt.

Ab 2007 gilt jetzt das um 2,79 % abgesenkte Entgeltniveau. Nicht einfach so, dass ab sofort weniger gezahlt wird. Die neuen ERA-Eingruppierungen liegen aber insgesamt unter und über, also um die neue Entgeltlinie herum; und die liegt 2,79 % unter der bisherigen. Dass vorübergehend ein TIB, eine Besitzstandswahrung, vereinbart wurde, verwandelt die Absenkung ja bloß in einen Anpassungsprozess nach unten.

Die Arbeitgeber haben mit der abgesenkten Entgeltlinie von ERA nicht nur weniger Personalkosten im Allgemeinen, sie versuchen außerdem, mit neuen Eingruppierungen die einzelnen Arbeitsplätze billiger zu machen; in der Summe verbilligt das den Beschäftigten ein zweites Mal. Das hat seine Notwendigkeit. Sie liegt schon in der Frage, ob man richtig eingruppiert ist. Wer sich so fragt, hat sein Interesse daran, dass ihm sein Geld zum Leben reichen soll, aufgegeben. Das Unternehmen hat schon von vornherein gewonnen, weil es nämlich voll und ganz der Standpunkt des Unternehmens ist , die Leute überhaupt unterschiedlich einzugruppieren. Diese Konkurrenz unter den Beschäftigten erspart ihm eine Menge Personalkosten. Durch die Hierarchie der Entgelte, die von oben nach unten immer schlechter für die Lebenshaltungskosten ausreichen, wird bei den Beschäftigten ein unerbittlicher Wille erzeugt, eine höhere Einstufung zu erreichen oder unter allen Umständen zu vermeiden, finanziell abzurutschen. Die gesteigerte Leistung, die er dafür bringen muss, bringt er nicht wegen seiner Arbeit und Leistung für den Betrieb, sondern weil er davon leben muss. Die Sorge um sein Einkommen muss er also als Konkurrenzstreit mit den Kollegen um die richtige Eingruppierung führen.

Was ist los, wenn man gerechte Bezahlung fordert

Die Konkurrenz, unter die das Unternehmen die Beschäftigten stellt, verbilligt ihm seine Leute. Das ist die Seite des Unternehmens. Die Art und Weise, wie er es macht, ist der Beitrag, den sich die Gewerkschaft als ihre Leistung dazu anrechnet. Sie verlangt vom Unternehmen, dass es seine Entgeltunterschiede begründet. Anstatt willkürlich die Konkurrenz unter seinen Mitarbeitern anzuheizen, soll es sachlich die unterschiedliche Bezahlung an den unterschiedlichen Arbeitsaufgaben nachweisen. Es soll objektiv begründen, warum es Entgeltgruppe 7 für frisch ausgelernte Sekretärinnen zahlt. Und für die Leute in der Montage aber ebenfalls Entgeltgruppe 7,- dasselbe Geld für verschiedene Arbeiten. Ein Widerspruch also, wenn die Bezahlung derselben Geldmenge der Qualität unterschiedlicher Tätigkeiten entsprechen soll. In diesem Widerspruch wird die Technik des angemessenen Bezahlens der Leute deutlich: indem als objektiv behauptet wird, mit dem Geld würde die Arbeit bezahlt, setzt das Unternehmen sein Interesse am Bezahlen durch, nämlich die Arbeit so zu bezahlen, dass damit Gewinne erwirtschaftet werden.

Die Gewerkschaft beteiligt sich daran, indem sie auf ein gerechtes Entgeltsystem dringt. Ihr Interesse, der Arbeitstätigkeit einen angemessenen Geldbetrag zuzuordnen, entsteht gar nicht aus einem tatsächlichen Verhältnis zwischen Sekretärin, Gießerei und Entgelt; das Interesse entspringt dem Verhältnis, dass der Lohn für den Profit hat. Weil dieser Lohn gerecht bezahlt sein soll, wird den Veränderungen in der Arbeitstätigkeit nachgespürt und wie diese Veränderungen dann entsprechend bezahlt werden sollen. Die Konkurrenzlogik, mit der Unternehmen ihre Beschäftigten unterschiedlich bezahlen, wird so zu einer Logik und Systematik unterschiedlicher Stellenbeschreibungen. Dass Kapitalisten Profite erwirtschaften wollen, wenn sie Leute beschäftigten, taucht in der gerechten Bezahlung der Arbeit dann einfach nicht auf!

Ebenso umgekehrt für den Beschäftigten: dass Leute von dem verdienten Geld leben müssen und zwar mit regelmäßigen Mietkosten, PKW, Lebensunterhalt + Monatskarte für den Schulweg der Kinder, - auch das taucht ebensowenig auf: weil nur die Arbeit bezahlt wird und nicht der Mensch, der die Arbeit macht, kann der Mensch auch nur für die Arbeit etwas verlangen und nicht für sein Arbeits-Leben.

Irgendwie abgesichert für sich ein Leben führen zu können und dass Tag für Tag an seiner Arbeitsleistung für den Betrieb beweisen zu müssen, kann so gar nicht gehen, weil es dem Interesse des Betriebs unterworfen ist . Damit es trotzdem gehen soll, besteht die Gewerkschaft auf einem Entgeltsystem wie ERA. Durch Eingruppierung und Zuordnung einer Arbeitsaufgabe zu einem Entgelt, entsteht für den Beschäftigten der Eindruck, durch seine selbst erworbene Berufsqualifikation, Erfahrung, Ausdauer oder Schleimerei könne er sich auf ein bestimmtes Einkommen hinarbeiten und dadurch seinen Lebensstandard absichern. Sein Interesse am regelmäßigen und ausreichendem Einkommen findet er an einem eingerichten Entgeltsystem bestätigt und aufgehoben.

Ein Abgruppierungsschutz, - im neuen ERA der TIB, verrät, dass der Grund fürs Geldverdienenmüssen gar nicht weg ist. Geschützt wird das bisherige Einkommen, gemessen an der neuen Arbeitsaufgabe wäre das Geld sofort weg. So wird ein Abgruppierungsschutz, weil systemfremd,im wahrsten Sinne des Wortes zur verschwindenden Größe.

ERA regelt den TIB, den tarifdynamischen individuellen Besitzstand. Die "Überschreiter", diejenigen, die bisher mehr als jetzt bei ERA verdient haben, wissen, dass ihr TIB, ihr persönlicher Ausgleich, in den nächsten Jahren auf die abgesenkte Entgeltlinie abschmilzt. Solche Anpassungsfristen zeigen, wofür man bei seiner Gewerkschaft froh sein soll: erst brockt sie einem ein abgesenktes Entgeltniveau ein, dann hilft sie einem dabei, dass einen die Absenkung nicht so hart trifft.

Auch die "Unterschreiter", solche, die jetzt höher eingruppiert werden und mehr Geld erhalten, kommen an mehr Geld nur im Rahmen dieser abgesenkten Entgeltlinie.

Den Arbeitgebern war eben vor allem wichtig, dass ihre gesamte Belegschaft für sie billiger wird.

Die Tariferhöhungen erhält man bei Daimler weiterhin oben drauf. Was die Gewerkschaft tariflich herausholt, soll als Entgeltbestandteil sichtbar bleiben. Die Unternehmen sollen ihre Verfügungsmasse, wie sie die Entgelte senken, aus dem BGE, dem betrieblichen Grundentgelt, das über dem Tarif liegt, nehmen. Was die Gewerkschaft an Lohnerhöhung erstreitet, soll zu mehr Geld führen, dass der Betrieb dann an seinem Lohnbestandteil abziehen darf. Auch so ein gewerkschaftlicher Erfolg für den Gesamtgeldbeutel.

Bei der Eingruppierung der Leute hat der Betrieb auch noch eine Technik mit der Gewerkschaft vereinbart, mit der Eingruppierungen dem Interesse des Unternehmens folgen. Die neuen Tätigkeitsmerkmale wie "Wissen und Können", "Denken", "Verantwortung" oder "Kommunikation" sind gestaffelt. Je weniger Merkmale man davon hat, desto weniger Entgelt gibt es. Im Prinzip: wer alle Tätigkeitsmerkmale in der Arbeit drin hätte, der würde das Super-Geld verdienen. Für alle anderen, real existierenden Beschäftigten, die nur einen Teil der Merkmale haben, heißt das dann, auch nur einen Teil des Geldes zu verdienen. Als würde man den ganzen Tag immer weniger tun, je monotoner die Arbeit ist; als würde monotone Arbeit nicht den ganzen Kerl verschleißen, sondern nur einen Teil.

Mit dieser Art der Begründung, "nur einen Teil" von Tätigkeitsmerkmalen zu besitzen, hat man den Maßstab " weniger " mit eingeführt. Daimler versucht im Verlauf der ERA-Eingruppierung deswegen auch, die Masse der Arbeiten von zu vielen "Tätigkeitsmerkmalen" zu befreien.

Schon neu eingeführte Tätigkeitsmerkmale wie Denken, Verantwortung oder Kommunikation machen deutlich, dass es die "weichen" Tätigkeiten sind, auf die es ankommen soll,- dass also die klassische Fabrikarbeit "entwertet" wird und der alte Arbeiter gleich wieder weiss, wo er unten hingehört. Das Gejammer der Betriebsräte, das ERA den Facharbeiter abschafft und zum Hilfsarbeiter macht, ist inkonsequent: sie teilen die Bewertungsmasstäbe fürs Bezahlen nach der Tätigkeit und nicht nach dem Bedarf der Leute.

Auch dass Belastungszulagen der alten Malocher im großen Maß in die normalen Stellenbeschreibungen hineingepackt wurden, macht deutlich, dass es auf eine Extrabezahlung der Maloche nicht mehr ankommt, seit diese Leute sich alles Mögliche gefallen lassen müssen, weil eine wachsende Zahl Arbeitloser um ihre Jobs mitkonkurriert.

ERA erfindet dazuhin wertigkeitsprägende Inhalte bei den Tätigkeiten, die bewertet werden, als wären ihnen nicht mehr alle Leistungen etwas wert. Dadurch trennt ERA den normalen Arbeitstag, der schon durch seine 8 Stundendauer anstrengt! - auf, um einen Teil davon festzulegen, dem ihm noch wertschöpfend erscheint und einen Teil, der nichts mehr wert ist. Durch Umgruppierungen in Abteilungen werden die weritgkeitsprägenden Inhalte auf weniger Arbeitsplätze verlagert und die Mehrzahl der Arbeitsplätze davon befreit wird. Dadurch wird die Arbeit nicht leichter, für den, der sie macht, sondern monotoner. Sie wird "entwertet" und das gibt die Begründung dafür ab, warum sie weniger bezahlt wird.

Die Produktivitätssteigerung erzeugt dieselbe Wirkung. Der technische Fortschritt im Werk vereinfacht viele Arbeiten, weil die bisherigen Handgriffe und das Hirnschmalz ins technische Fertigungsystem eingebaut werden. Das steigert zwar den Wirkungsgrad der Arbeit, aber nur fürs Unternehmen. Und es gibt ihm auch hier gleichzeitig die Begründung, weniger zahlen zu müssen.

Die IG Metall reklamiert den Umgang der Arbeitgeber mit ERA, als hätte sie die Prinzipien des Vertrages nicht mitunterschrieben

Bei der Einführung von ERA senken die Unternehmen die Bezahlung der Leute gehörig ab. In den neuesten Dezemberausgaben der IG-Metall-Betriebszeitungen bei DaimlerChrysler in Stuttgart wehren sich die Betriebsräte gegen die neuen Eingruppierungen des Entgeltrahmenabkommens ERA: für viele Beschäftigte gibt es in Zukunft weniger Geld.

So wie die ERA-Umsetzung läuft, war das alles nicht abgemacht ?

Die Sindelfinger Werkleitung von DaimlerChrysler sagt "Das ist alles mit dem Betriebsrat und der IG Metall so vereinbart".

Die IG Metall-Betriebsräte treten dem entgegen: Die in den Standardbeschreibungen festgelegten Entgeltgruppenzuordnungen werden ignoriert und niedrigere Entgeltgruppen zugeordnet. Das Thema Belastung wird fast komplett ignoriert. Absprachen wie z.B. für die Sekretariate, dass Entgeltgruppe 7 nur für frisch Ausgelernte Anwendung findet und dass Sekretärinnen bis zur EG 10 zugeordnet werden, werden einfach missachtet."

Die Praxis, wie das Unternehmen ERA umsetzt, entspricht dem Inhalt des Vertrags.

Verträge mit Arbeitgebern werden entscheidend ein Mittel des Arbeitgebers. Mit dem Vertragsabschluß anerkennt eine Gewerkschaft auch immer die Vertragsgrundlage: die Verfügung des Kapitals über seine Produktionsbedingungen. Die Personalkosten,- in ihrer Summe zwar immer dasselbe wie das Einkommen der Leute, sind aber Kapitalinvestitionen, die also Gewinne erwirtschaften müssen.

Wenn ERA vereinbart, dass die Entgeltlinie abgesenkt wird, damit der Rest in einen Anpassungsfond geht, dann besitzt diesen Fond der Arbeitgeber und nicht die Gewerkschaft. Der wird folgerichtig auch vom Arbeitgeber genutzt, die IG Metall will dann noch dabei zustimmen, dass er z.B. zur Hälfte für eine Altersteilzeitregelung verwendet; sie findet ihre Mitwirkung dabei sozialverträglich, wenn der Betrieb die Alten loswerden will.

Wenn ERA vereinbart, das ein neues Entgeltsystem eingeführt wird, dann werden zu Beginn zwar Referenzbeispiele fürs Eingruppieren abgesprochen. Danach aber legt das Unternehmen die Aufgabenbeschreibungen auf die Beschäftigten intern, ohne den Betriebsrat, um. Auch das ist folgerichtig: die Mitarbeiter werden vom Unternehmen bezahlt, nicht von der Gewerkschaft. Und der Standpunkt des Eingruppierens war doch der der Gewerkschaft! Sie will den Beschäftigten dann nur noch raten, die billigere Eingruppierung zu reklamieren. Sie überlässt damit dem Einzelnen dem trostlosen Streit um gerechte Zuordnung, in dem der Streit ums Geld verschwunden ist.

"Absenkung Entgeltniveau verhindern" schreibt der "Scheibenwischer", die Betriebszeitung der IG Metall bei DaimlerChrysler in Stuttgart-Untertürkheim: "Aus dieser Art von Umsetzung kann nur eines geschlussfolgert werden: Ziel der Geschäftsleitung ist die langfristige Absenkung des Entgeltniveaus." Das war doch gerade in ERA vereinbart worden ! So zu tun, als würde Daimler erst jetzt mit der neuen Eingruppierung die Absenkung des Entgeltniveaus durchsetzen, unterschlägt gerade die Mitwirkung der Gewerkschaft dabei: Daimler gruppiert auf dem mit ERA abgeschlossenen abgesenkten Entgeltniveau neu ein u n d senkt auf dieser Basis nochmals unabgesprochen weiter ab. Erst ab diesem zweiten Punkt wird der Betriebsrat hellhörig, weil der erste ja abgesprochen war.

Auch folgende Empörung verrät viel über den Umgang der IG Metall mit den gravierenden Folgen für zukünftige Einkommen: . alle Neueingestellten werden zu entsprechend abgesenkten Einkommen eingestellt. Setzen sich die jetzt vereinbarten Zuordnungen durch, wird sich künftig das Einkommensniveau bei DaimlerChrysler gravierend absenken." 2004 hat sie in der Standortvereinbarung bei Daimler unterschrieben, dass neu Eingestellte und fertige Azubis mit ERA nochmals 8% weniger bekommen als die Entgeltlinie sowie schon abgesenkt hat. Den ersten Teil der Absenkung um 8% hat sie mit unterschrieben. Aber auch hier fordert sie eine Sichtweise, bei der es so richtig schlimm erst ist, wenn jetzt das Unternehmen von sich aus zusätzlich auch noch niedriger zuordnet.

"Deine Arbeit ist uns nicht mehr so viel wert", so beschwert sich der Sindelfinger Betriebsratsvorsitzende; als sei das die "Botschaft des Unternehmens", als wäre die wirkliche Härte, dass es dem Unternehmen an "Wertschätzung" fehle, wenn es zukünftig weniger bezahlt. Wenn ein Gewerkschafter so argumentiert, dann will er den notwendigen Streit mit dem Arbeitgeber auf ein Feld verlagern, wo er eine Gemeinsamkeit mit ihm beschwört: mit der Wertschätzung der Mitarbeiter habe man doch ein gemeinsames Ziel, - mit dem man den Anderen in die Verantwortung nehmen kann, weil der doch ein Eigeninteresse an den Mitarbeitern haben müsse! Auf dieser moralischen Gemeinsamkeit will ein Gewerkschafter bestehen, wenn er materiell darauf besteht, es seien "Korrekturen nötig: wir werden bei den Beschäftigtengruppen, bei denen offensichtlich Referenzbeispiele missachtet wurden, als Betriebsrat die Einstufung reklamieren. Auch jeder einzelne Beschäftigte bleibt aufgefordert, seine Aufgabenbeschreibung zu überprüfen und gegebenenfalls zu reklamieren." Diese Tour erlaubt ihm auch, dass er in jedem Fall moralisch der Sieger bleibt und die Arbeitgeber unanständig sind: "Haltung hätten die Verantwortlichen, wenn sie erklären würden: Ja, dem Unternehmen sind bestimmte Tätigkeiten nicht mehr so viel wert wie bisher. Punkt."

Zu diesem "Jahrhundertwerk" hat die IG Metall willentlich und wissentlich beigetragen.

Dass sie die zukünftigen Einkommensabsenkungen vertraglich regeln will, liegt am festen Willen der IG Metall, die kapitalistisch benutzte Arbeit auch noch gestalten zu wollen.

Der Sindelfinger Betriebsratsvorsitzende begründet es so: "..die Entgelte stehen in der gesamten Branche extrem unter Druck. Wäre ERA von den Tarifparteien nicht auf den Weg gebracht worden, dann hätte das Unternehmen auf jeden Fall betrieblich reagiert." Er macht damit klar, dass ERA die Kosten senken soll und zwar mit der Gewerkschaft,- sonst hätten es die Arbeitgeber alleine getan. Wieder einmal hat die Gewerkschaft das Schlimmste verhindert: sie will nicht an ihrer Leistung für schlechtere Bezahlung gemessen werden, sondern an der Vorstellung, ohne sie wäre es katastrophal.

Die Beschäftigten zahlen für ERA einen Preis, der sie teuer zu stehen kommt. Zum einen wird dadurch dauerhaft festgelegt, dass man in Zukunft weniger verdient. Zum Anderen wird man jetzt so "gerecht" eingruppiert, dass man an seinem Einkommen immer nur was aussetzen kann, wenn es zur Tätigkeit passt, - egal, ob es zum Leben reicht oder nicht.

Beitrag von GegenStandpunkt Stuttgart vom 13.02.07


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