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Updated: 18.12.2012 15:51
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»Es geht um mehr Gerechtigkeit«

Über die anstehende Tarifrunde, die Kampagne zur gewerkschaftlichen Organisierung von Leiharbeitern und die strategische Ausrichtung der IG Metall. Ein Gespräch mit Detlef Wetzel, Zweiter Vorsitzender der IG Metall


Der Vorstand der IG Metall hat für die anstehende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie eine Lohnforderung von acht Prozent beschlossen. Wie begründen Sie das?

Der bisherige wirtschaftliche Aufschwung war von Ungerechtigkeit geprägt. Die Beschäftigten haben hart gearbeitet, waren hoch belastet, doch von dem Boom ist– auch wegen der drastischen Preissteigerungen bei Energie, Lebensmitteln und anderem – relativ wenig bei ihnen angekommen. Deshalb gibt es ein enormes Bedürfnis nach Gerechtigkeit, danach, etwas von dem Erwirtschafteten abzubekommen.

Bei der Aufstellung der Forderung legen wir klare Parameter zugrunde: die gesamtwirtschaftliche Produktivität von 1,5 und die gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate von 2,5 Prozent, aus denen zusammen der verteilungsneutrale Spielraum berechnet wird. Darüber hinaus sagen wir: Es geht in dieser Tarifbewegung um mehr – um mehr Geld, aber auch um mehr Gerechtigkeit. Wir wollen mit Einkommenssteigerungen einen Beitrag zur Stabilisierung der Konjunktur leisten. Denn unser größtes wirtschaftliches Problem ist die schwache Binnennachfrage. Und hierfür sind die Löhne und Gehälter der abhängig Beschäftigten natürlich ein zentraler Faktor.

Für die kürzlich vereinbarte Neuregelung der Altersteilzeit müssen die Beschäftigte 0,4 Prozent der Entgeltsumme aus künftigen Lohnerhöhungen abzweigen. Wollen Sie versuchen, diesen Betrag in der anstehenden Tarifrunde zusätzlich herauszuholen?

Nein, das steht in dieser Runde gar nicht an. Denn diese Kostenbelastung wird ohnehin erst ab dem Jahr 2010 wirksam. Bis Ende 2009 läuft die staatliche Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit weiter. Das ist also erst ein Thema für spätere Tarifrunden.

Die gewerkschaftlichen Vertrauensleute in vielen Betrieben, vor allem in den Großkonzernen, haben sich für deutlich höhere, zum Teil zweistellige Forderungen ausgesprochen. Warum hat der Vorstand das nicht aufgenommen?

Weil wir nicht nach dem Motto verfahren: Wer die höchste Forderung stellt, gewinnt. In der Vielzahl von Diskussionen innerhalb der IG Metall, in den Betrieben, Verwaltungsstellen und Bezirken, wurden auch andere Positionen und Aspekte aufgeworfen. Die Aufgabe des Vorstands ist es, bei der Forderungsfindung möglichst alle mitzunehmen. Dem einen ist das dann vielleicht zu wenig, dem anderen zu weitgehend. Es soll sich aber ein möglichst großer Teil unserer Mitgliedschaft in der Forderung wiederfinden. Und deshalb muß man die ganze Bandbreite der Diskussion zur Kenntnis nehmen. Ein weiterer Aspekt ist, daß die IG Metall auch eine orientierende Funktion für andere Branchen hat. Deshalb haben wir nicht nur die einzelbetriebliche Ebene, sondern auch gesamtwirtschaftliche Erwartungen für die kommende Phase zu bedenken.

Wie beurteilen Sie denn die wirtschaftlichen Aussichten? Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser hat die Forderung der IG Metall unter Verweis auf die lahmende Konjunktur ja bereits zurückgewiesen, als diese noch gar nicht gestellt war. Ist das nur die übliche Schwarzmalerei vor Tarifrunden oder mehr?

Die wirtschaftliche Situation verändert sich. Wir hatten in der vergangenen Phase ein extrem dynamisches Wachstum in der Exportindustrie, während die fehlende Binnennachfrage den Aufschwung eher gedämpft hat. Die exorbitanten Zuwachsraten der letzten zwei, drei Jahre wird es im kommenden Jahr nicht mehr geben, aber die konjunkturelle Entwicklung wird weiterhin auf einem sehr ordentlichen Niveau verlaufen. Und es wird Bereiche geben, in denen sich gar nichts verschlechtert: Zum Beispiel der Schiff- und Maschinenbau sowie die Luftfahrtindustrie. Diese Branchen sind zum Teil bis zum Jahr 2013 ausgelastet. Da besteht eher das Problem, daß neue Aufträge gar nicht bearbeitet werden können.

Wenn von den Unternehmerverbänden jetzt allerdings in einer interessensgeleiteten Diskussionen alles kaputtgeredet wird, könnte das zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden. Wenn ständig gesagt wird, morgen gehe die Welt unter, dann werden sich nur wenige ein neues Auto oder ein neues Möbelstück kaufen.

Dennoch ist es eine Tatsache, daß in einigen Betrieben und Bereichen, zum Beispiel in den großen Autokonzernen, die Produktion bereits jetzt wegen Absatzproblemen zurückgefahren wird. Könnte es den Unternehmen in dieser Situation nicht gelegen kommen, wenn die IG Metall im Rahmen der Tarifrunde zu Warnststreiks oder gar Streiks aufruft? Denn dann würden die gestrichenen Schichten schlicht aus dem Streikfonds der Gewerkschaft bezahlt.

Ob wir streiken, wird sich noch zeigen. Und wenn wir es täten, würden wir im Rahmen eines Streikkonzeptes berücksichtigen, wo Warnstreiks und wo weitergehende Arbeitskampfmaßnahmen stattfinden. Über die Gefahr, die Sie da beschreiben, brauchen wir uns keine Gedanken zu machen.

Sie haben immer wieder für eine stärkere Einbeziehung der Beschäftigten und der Mitglieder in die Entscheidungsprozesse der Gewerkschaft plädiert. Wie soll das in dieser Tarifauseinandersetzung aussehen?

Tarifrunden sind schon ein hochgradig beteiligungsorientierter Prozeß. Ich mache diesbezüglich Defizite eher in anderen Handlungsfeldern der IG Metall aus. Im Rahmen dieser Tarifrunde haben wir bereits eine sehr breite Diskussion in den Betrieben und Verwaltungsstellen geführt. Und die ursprüngliche Forderungsempfehlung des Vorstandes mit einem Korridor zwischen sieben und acht Prozent macht genau diesen Beteiligungsaspekt deutlich. Hätten wir sofort eine konkrete Zahl festgelegt, wäre das mehr oder weniger das Ende der Diskussion gewesen. Auch dadurch haben wir deutlich gemacht: Wir sind an Debatten interessiert und wollen erfahren, was unsere Mitglieder denken. Und falls es zu Warnstreiks, Urabstimmung und einem Arbeitskampf kommen sollte – ein höheres Maß an Beteiligung gibt es ja nicht.

Das Statistische Bundesamt hat jüngst erneut die drastische Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse bestätigt. In der Metall- und Elektroindustrie nimmt das vor allem die Form von Leiharbeit an. Welche Auswirkungen hat es auf die Kampffähigkeit der IG Metall, wenn größere Teile der Belegschaften als Leiharbeiter anders behandelt werden als die Stammbelegschaft?

Das ist ein riesengroßes Problem. Ich halte diese für eine der Existenzfragen der IG Metall. In den großen industriellen Zentren werden die Stammbelegschaften immer weiter ausgedünnt, während Randbelegschaften größer werden. Das Thema Leiharbeit ist nur eine Facette dieser Entwicklung. Werkverträge und Ausgliederung industrieller Dienstleistungen sind weitere. Das wird langfristig zu einer Schwächung der Gewerkschaften führen, falls es uns nicht gelingt, einen neuen – gewerkschaftspolitischen, nicht juristischen– Betriebsbegriff zu entwickeln. Nach wie vor werden die Stammbelegschaften bei Mobilisierungen unsere sicherste Bank sein. Aber wir kommen nicht umhin, auch in den Randbelegschaften Durchsetzungsmacht zu entwickeln, Betriebsräte aufzubauen, tariffähig zu sein und Gestaltungsmöglichkeiten zu haben. Wenn wir das nicht schaffen, sind wir künftig nur noch für die Hälfte der Welt zuständig.

Die IG Metall hat, erst in Nordrhein-Westfalen und Berlin-Brandenburg, dann bundesweit mit einer Kampagne zur Organisierung von Leiharbeitern auf diese Problematik reagiert. Diese wird gleichzeitig in der Öffentlichkeit und in den Betrieben geführt. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie?

Das ist genau das Bild, das wir von den Kampagnen der IG Metall haben. Wir müssen für uns wichtige Fragen in der Öffentlichkeit zum Thema machen, zugleich aber eine betriebliche Verankerung in diesen Feldern entwickeln. Das ist uns bei den Fragen Leiharbeit und prekäre Beschäftigung vortrefflich gelungen. Neben dem Mindestlohn ist dies das erste Thema, das die Gewerkschaften von sich aus auf die Tagesordnung der öffentlichen Debatte setzen konnten. Das ist der eine Grund, warum wir eine positive Zwischenbilanz ziehen können. Der zweite ist, daß wir einen betrieblichen Handlungsrahmen in dieser Frage entwickelt haben. Wir hatten zu Beginn der Kampagne das Ziel, in 200 Entleihbetrieben Vereinbarungen zur Besserstellung von Leiharbeitern zu erzielen. Mitte dieses Jahres haben wir diese Marke auf 400 Vereinbarungen verdoppelt, die wir bis Ende 2008 erreichen wollen. Da sind wir auf einem mehr als guten Weg: Wir konnten die soziale Lage Zehntausender Leiharbeiter verbessern. Und was genauso wichtig ist: Wir haben eine Brandmauer eingezogen, damit Leiharbeit nicht in dem Maße wie bisher Stammarbeitsplätze ersetzt.

Die Änderung Ihrer Taktik, die Organisierung von Leiharbeitern nicht mehr in erster Linie in den Zeitarbeitsfirmen selbst, sondern über die Entleihbetriebe voranzutreiben, hat sich also ausgezahlt. Gilt das auch quantitativ? Wie viele Leiharbeiter sind der IG Metall tatsächlich beigetreten?

Wir hatten das Ziel, 10000 Mitglieder in diesem Bereich zu gewinnen. Bereits 9000 Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen sind in die IG Metall eingetreten. Ich bin zuversichtlich, daß wir unser Ziel nicht nur erreichen, sondern übertreffen.

Eine reine Erfolgsstory ist dieses Thema aber doch nicht. So ist zum Beispiel im neuen »Zukunftsvertrag« bei Opel Bochum vorgesehen, daß im Werk eingesetzte Leiharbeiter nicht mehr nach dem untersten Opel-Tarif, sondern deutlich schlechter bezahlt werden. Bei BMW trifft der Abbau von 7500 Stellen vor allem die Leiharbeiter. Konterkariert so etwas nicht die Kampagne der IG Metall?

Wenn in Unternehmen Vereinbarungen getroffen werden, die von dem Grundsatz »gleiche Arbeit – gleiches Geld«, bzw. von wichtigen Zwischenschritten dorthin abrücken, dann findet das nicht unsere Zustimmung.

Wie kann die IG Metall in solch einem Fall auf die Betriebsräte Einfluß nehmen?

Wir haben keine Machtmittel im klassischen Sinne, aber wir können mit den Kollegen diskutieren und versuchen, sie zu überzeugen. Denn die Gleichstellung von Leiharbeitern ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, ein Menschenrecht. Das können wir nicht nur in der ganzen Welt einfordern, daran muß sich auch unser eigenes Handeln orientieren. Natürlich gibt es innerhalb der IG Metall unterschiedliche, auch verständliche Anforderungen. So müssen Betriebsräte sich auch um Standortsicherung kümmern und Wirtschaftlichkeitsfragen bedenken. Wir sagen aber klar: Das nützt alles nichts, wenn wir die Frage der Gerechtigkeit nicht ernst nehmen. Deswegen fordern wir gleiches Geld für gleiche Arbeit. Die Belegschaften, die die Kraft haben, das sofort durchzusetzen, tun das. Aber auch diejenigen, die dazu noch nicht in der Lage sind, müssen Schritte hin zu diesem Ziel machen. Das ist unsere Philosophie. Und wer zurückgeht, der geht in die falsche Richtung.

Die Ereignisse bei BMW sind allerdings etwas anders gelagert. Hier zeigt sich das, was wir immer gesagt haben: Prekär Beschäftigte sind die ersten, die dran glauben müssen. Deswegen wollen die Unternehmen sie ja haben. Und genau aus diesem Grund treten wir für eine Regulierung der Leiharbeit ein.

Auf der politischen Ebene, insbesondere bei der Forderung nach Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), hat Ihre Kampagne bislang aber keine sichtbaren Fortschritte gebracht.

Es würde mich auch sehr wundern, wenn diese Regierungskoalition in der Lage wäre, ein für die Menschen wirklich wichtiges Thema positiv zu gestalten. Mit solchen Qualitäten ist die Politik in den vergangenen Jahren nicht gerade aufgefallen. Wir haben es aber wie gesagt geschafft, dieses Thema in der öffentlichen Debatte zu plazieren. In der Erklärung der Menschenrechte heißt es: »Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.« Wir sagen: Es reicht nicht, sich um Menschenrechte in China zu kümmern und deren offenkundiger Verletzung im eigenen Land tatenlos zuzusehen. In diese Debatte werden wir die Regierenden weiterhin verwickeln. Und ich bin mir sicher, daß dies auch im Bundestagwahlkampf ein wichtiges Thema sein wird.

Zur strategischen Ausrichtung der IG Metall: Nach jahrelangen, dramatischen Mitgliederverlusten hat sich die Gewerkschaft zuletzt etwas gefangen. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?

Die IG Metall ist hier und jetzt ordentlich aufgestellt. Wir sind in vielen Bereichen sehr durchsetzungsfähig, obwohl es auch Schwächen, Probleme und weiße Flecken gibt. Manche Bereiche betreuen wir nicht. In anderen haben wir noch keinen zufriedenstellenden Durchdringungsgrad. Unsere Mitgliederentwicklung kann man vielleicht heute noch als hinreichend ansehen. Dennoch haben wir enormen Veränderungsbedarf. Denn so, wie wir heute aufgestellt sind, sind wir nicht zukunftsfähig. So werden wir in zehn, 15 Jahren keine handlungs- und durchsetzungsfähige Gewerkschaft in Betrieb und Gesellschaft mehr sein. Deshalb arbeiten wir mit Hochdruck an dem notwendigen Veränderungsprozeß.

Wie sollte dieser aussehen?

Im Grunde haben wir drei Schlußfolgerungen gezogen. Die erste ist: Wir müssen mitgliederorientierter werden. Das heißt, das wichtigste ist die Entwicklung unserer Mitgliedschaft. Sind wir in den Betrieben gut verankert, haben wir hohe Organisationsgrade, dann sind wir auch durchsetzungsfähig. Dabei geht es nicht nur darum, wie wir am besten Mitglieder werben, sondern darum, wie wir unsere Politik gestalten, so daß es zu einer guten Mitgliederentwicklung kommt. Das ist keine rein organisatorische, sondern eine eminent politische Frage. Daran schließt die zweite Schlußfolgerung an, nämlich daß wir bei den Themen ansetzen, die die Mitglieder beschäftigen. Deshalb spielt neben der Mitgliederorientierung die Beteiligungsorientierung eine zentrale Rolle. Wenn wir den Mitgliedern nicht die Möglichkeit geben, direkt Einfluß zu nehmen auf die Strategie und auf die Konzepte der IG Metall, dann wird es nichts werden.

Der dritte Punkt ist eine stärkere Konfliktorientierung: Wenn sich der bisherige Gesellschaftsvertrag der Sozialpartnerschaft auflöst, dann werden die Instrumente, die einst wirksam waren, stumpf. Beispielsweise in einer Auseinandersetzung mit einer Heuschrecke ist Co-Management keine erfolgversprechende Handlungsstrategie. Wenn sich die Bedingungen verändern, funktioniert die Politik des Co-Managements nicht mehr. Die Ergebnisse werden so schlecht, daß die Legitimation der Beschäftigtenvertretungen in den Belegschaften schwindet. Deshalb unsere Schlußfolgerung, daß wir sowohl mitglieder- und beteiligungsorientierter als auch konfliktorischer werden müssen.

Die Betriebsräte sind in der Tendenz stärker am Co-Management orientiert als gewerkschaftliche Strukturen. Muß eine Schlußfolgerung aus Ihrem Konzept deshalb nicht auch die Stärkung der Vertrauensleutearbeit im Betrieb sein?

Bei Betriebsräten gibt es meiner Erfahrungen nach eine sehr große Bandbreite von Handlungsmustern. Für eine veränderte Betriebspolitik sind alle Akteure gleichermaßen wichtig: Betriebsräte, Vertrauensleute, Jugendvertreter und eben auch die Mitglieder. Entscheidend ist, daß wir mit eigenen Konzepten in die Auseinandersetzungen gehen. So machen wir es beispielsweise mit unserer Strategie »Besser statt Billiger«. Statt lediglich die schlimmsten Arbeitgeberforderungen etwas abzumildern, wollen wir unser Betriebsräte, Vertrauensleute und Mitglieder in die Lage versetzen, der Unternehmerlogik mit eigenen Konzepten, eigenen Ideen und einer eigenen Philosophie entgegenzutreten. Wir wollen deutlich machen, daß es gar nichts nützt, hier und da ein bißchen rumzubasteln, sondern daß wir mit eigenen Konzepten und aus eigener Kraft an dieses Thema gehen. Und das geht wiederum – da sind wir erneut bei der Frage der Mitglieder – nur mit gut organisierten Belegschaften.

Ein kürzlich von Ihnen verfaßter Debattenbeitrag zum Thema liest sich stellenweise wie eine Abkehr von einer Bündnispolitik mit sozialen Gruppen und Initiativen. Ist das so gemeint?

Diese Interpretation, die ich an verschiedenen Stellen, unter anderem auch in Ihrer Zeitung, gelesen habe, verstehe ich überhaupt nicht. Wenn ich schreibe, daß sich die IG Metall nicht auf den Status einer Nichtregierungsorganisation (NGO) reduzieren sollte, dann betone ich: Unsere Druchsetzungs- und Machtbasis liegt im Betrieb. Das ist ja gerade der große Vorteil gegenüber den NGO’s. Wir sind nicht nur in der Lage, unsere Themen in der Öffentlichkeit zu popularisieren, sondern verfügen auch über die Instrumente, unsere Forderungen aus eigener Durchsetzungsstärke zu realisieren.

Die Kampagne zur Leiharbeit ist das beste Beispiel: Wir machen dies in der Öffentlichkeit zum Thema und arbeiten dabei mit jedem zusammen, der guten Willens ist. Aber wir sind eben auch in der Lage, hier betriebs- und tarifpolitisch zu agieren. Und das unterscheidet uns von Nichtregierungsorganisationen. Wer denkt, wir könnten unsere eigene Durchsetzungsfähigkeit zugunsten eines allgemeinen öffentlichen Auftritts vernachlässigen – diese Meinung gibt es ja auch bei uns –, der wird scheitern. Es geht also ganz und gar nicht um eine Abkehr von der guten Zusammenarbeit mit anderen, sondern um die Rückbesinnung darauf, daß wir machtpolitisch viel mehr durchsetzen können, als es allein in sozialen Bündnissen möglich ist.

Interview von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in der jungen Welt vom 25.09.2008


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