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Updated: 18.12.2012 15:51 |
»Um der letzten Patrone willen«. Rechenschaftsdebatte beim Transnet-Gewerkschaftstag: Kritik am Börsengang / Pfiffe für Hansen Appelle zur Geschlossenheit und Kontinuität waren eine zentrale Botschaft des Transnet-Vorstands beim Auftakt des 18. Ordentlichen Gewerkschaftstages am Montag in Berlin. Bei Redaktionsschluss waren die für Montag vorgesehenen Wahlgänge noch nicht eröffnet. Allerdings galt die Wahl des bisherigen Vize-Vorsitzenden Alexander Kirchner zum neuen Gewerkschaftschef als sicher. Zu Beginn der Tagung rief der scheidende Transnet-Vorsitzende Lothar Krauß die Delegierten seiner Gewerkschaft dazu auf, »den Streit zu beenden«. Es sei falsch, wenn Bahnchef Mehdorn den Börsengang »wie eine Monstranz vor sich herträgt und nun zum Ende seiner Laufbahn um der letzten Patrone willen unser Volksvermögen an Saudis, Russen oder chinesische Staatsfonds verscherbeln« wolle, kritisierte Krauß. Alexander Kirchner, bislang Vizechef der größten der drei Bahngewerkschaften, der in Berlin aller Voraussicht nach zum neuen Transnet-Vorsitzenden gewählt werden wird, hielt sich in der Frage eines Börsengangs der Deutschen Bahn AG allerdings alle Türen offen. »Ich bin nicht für und nicht gegen den Börsengang«, erklärte er. Zentrale Frage der Bahn sei vielmehr die Bereitstellung von Investitionsmitteln für die Schiene. Den Seitenwechsel seines Vorgängers Norbert Hansen, der im Mai überraschend DB-Personalvorstand geworden war, habe »unserer Organisation tief geschadet und Wut, Enttäuschung und Trauer ausgelöst«, betonte Krauß. Anders als Hansen werde er jedoch »nicht zur Bahn AG flüchten, denn dort hätte ich einen Personalchef, den ich schon einmal hatte und den ich nicht mehr will«. Bei der Eröffnungsveranstaltung war Hansen mit Buhrufen und Pfiffen etlicher Delegierter begrüßt worden. In der Rechenschaftsdebatte gab es auch kritische Töne. »Transnet ist durch die Unterstützung der Privatisierung in die Krise geraten«, beklagte der Berliner Delegierte Peter Polke. Alle von den drei Bahngewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge seien im Endeffekt Absenkungstarifverträge. »Unter Hansen hat Transnet den Kurs von einer klaren Ablehnung der Privatisierung zu einer Zustimmung des Börsengangs gewandelt«, bemängelte auch Larsen Röver aus Halle. Dadurch sei die Kampagnefähigkeit der Gewerkschaft geschwächt worden. Nach Hansens Abgang stehe Transnet die Beseitigung des »Systems Hansen« noch bevor, erklärte Alfred Lange und verlangte: »Weg von den Billigachsen und den Mehdorn-Prestige-ICEs hin zu einer Bahn für die Menschen in diesem Lande.« Der neue Vorstand solle nicht länger gemeinsam mit Mehdorn die Bahnwelt erobern, sondern »endlich mit unseren Kolleginnen und Kollegen in ganz Europa für starke europäische Staatsbahnen unter demokratischer Kontrolle eintreten«. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee bekannte sich vor den Delegierten zur Zielsetzung eines Bahn-Börsengangs. Wenn der Erlös jedoch nicht einem Betrag von mindestens fünf Milliarden Euro entspräche, werde es keine Teilprivatisierung geben. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer hingegen stellte klar, dass die große Mehrheit im DGB entschieden die Privatisierung der Bahn ablehnt. Die Absetzung des Börsengangs biete die politische Chance, die Privatisierung grundsätzlich zu überprüfen: »Die Bahn ist und bleibt für die Menschen in unserem Land und für unsere Volkswirtschaft das mit Abstand wichtigste Transportmittel.« Michael Sommer forderte Tiefensee und die Bundesregierung auf, die Deutsche Bahn als öffentliches und integriertes Unternehmen zu erhalten und mit dem notwendigen Kapital auszustatten. »Es sage niemand, dass der Bund nicht in der Lage wäre, dafür die notwendigen Mittel aufzubringen.« Gemäß Rechenschaftsbericht hat Transnet in den letzten Jahren unterm Strich starke Mitgliederverluste erlitten. Zudem machen Rentner, Pensionäre, Hinterbliebene und Arbeitslose bereits rund die Hälfte der Mitgliedschaft aus. Die Unruhe an der Basis war vor der Eröffnung des Gewerkschaftstags deutlich wahrzunehmen. »Es muss eine neue Richtung her«, forderten Berliner Transnet-Vertrauenspersonen, die sich vor dem Tagungshotel mit eigenen Schildern postierten und die ankommenden Delegierten begrüßten. »Von TRANSnet(t) zu TRANSfrech«, »Die Gewerkschaft sind wir« oder »Härte statt Kuschelkurs« stand auf ihren Plakaten. Mit dem Schild »Wir müssen draußen bleiben«, beklagten gestandene Transnet-Basismitglieder am Eingang zum Kongressbereich die Tatsache, dass ihnen trotz leerer Stühle im Saal der Zugang verwehrt worden war. Artikel von Hans-Gerd Öfinger, zuerst erschienen im ND vom 25.11.2008 - wir danken für die Freigabe! Der Autor ist Sprecher der Initiative »Bahn von unten« |