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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Wie können wir dem Kahlschlag an Arbeitsplätzen in der Metallindustrie entgegentreten? Rede von Mustafa Efe auf der Delegiertenversammlung der IG Metall Verwaltungsstelle Berlin am 24.06.09 Liebe Kolleginnen und Kollegen, Arno hat es zu der Thema Krise in der Geschäftsbericht wichtige Aspekte angesprochen. Daher möchte ich auch meine Meinung zu der Krise sprechen und einen Vorschlag machen. Wir sind uns einig: die zentrale Frage, die wir, die IG Metall, beantworten müssen ist: wie können wir dem Kahlschlag an Arbeitsplätzen in der Metallindustrie entgegentreten? Die Demonstrationen am 28. März und 16. Mai waren ein Anfang. Aber wie geht es jetzt weiter? Welche Strategie ist nötig, um in der tiefsten kapitalistischen Krise seit 1929, die Arbeitsplätze von Zehntausenden von KollegInnen zu verteidigen? Seit Jahren sind in der Autoindustrie weltweit Überkapazitäten aufgebaut worden. 90 Millionen Autos können weltweit gebaut werden - 45 Millionen werden wahrscheinlich 2009 verkauft. Es wäre naiv, davon auszugehen, dass diese Absatzkrise ein paar Monate anhält und dann wieder alles beim alten sein wird. Deshalb ist die Kurzarbeit keine Antwort auf diese Krise. In Wirklichkeit wird mit Kurzarbeit aber nur eins erreicht: Wir verzichten, die Profiteure werden mit Staatsgeldern - unseren Steuern - für ihre Profitjagd und Abzockerei belohnt. Massenentlassungen, die Schließung von Standorten stehen trotzdem auf der Tagesordnung. Dasselbe gilt für Zugeständnisse bei Löhnen. Nach dem Pforzheimerabkommen 2003 wurden viele Standortvereinbarungen oder Beschäftigungsicherungs-Tarfiverträge abgeschlosen. Trotzdem sind Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut worden. Lohnverzicht schafft keine Arbeitsplätze! Jedes einzelne Zugeständnis, auch in den Boom-Jahren, wurde dazu genutzt, die Profite weiter zu steigern. Warum sollte das ausgerechnet jetzt in der Krise anders sein?! Kurzarbeit und Verzicht sind keine Lösung - sie helfen den KollegInnen in keiner Weise. Die Kolleginnen und Kollegen haben Angst und sind verunsichert. Wir, die IG Metall, müssen klar sagen - wir kämpfen gemeinsam und zwar um jeden einzelnen Arbeitsplatz. Wir müssen eine Perspektive aufzeigen, wie der Kampf um die Verteidigung aller Arbeitsplätze erfolgreich sein kann! Damit meine ich Arbeitskampf. Demonstrationen an einem Samstag reichen nicht aus. Es ist schwer, die Kollegen dafür zu mobilisieren, das haben wir gemerkt. Das ist, weil die Kollegen nicht sehen, dass das etwas bringt. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Monaten eine Welle von Entlassungen auf uns zurollt. Opel wird kein Einzelfall bleiben. Auch bei uns in Marienfelde bei Daimler sind die Arbeitsplätze bedroht durch die Verlagerung der Bereiche und Stückzahlreduzierung der Hauptmotoren. Der Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze muss kollektiv geführt werden. Wenn es den KollegInnen bei Opel an den Kragen geht, dann sind sie doch nur die ersten. Die Antwort muss sein, dass alle KollegInnen in der Metallindustrie bundesweit gegen Entlassungen mobilisiert werden. Wir müssen gegen Massenarbeitslosigkeit die Forderung nach radikaler Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn setzen. Es war auch ein ursprüngliche Forderung der Gewerkschaften. Die Kollegen sind wütend, denn sie sehen, dass die Konzernchefs sich ihre Rettungsboote bereits mithilfe der Regierung gesichert haben. Sie haben Milliarden abgezockt- die Gewinne privatisiert - die Verluste sozialisiert. Nur darum geht es ihnen - ihre eigene Haut zu retten. Was mit der Masse der Beschäftigten passiert, wie viele Familien ihre Existenzgrundlage verlieren, dass Hunderttausende von jungen Menschen keine Arbeit finden, das ist ihnen egal. Kolleginnen und Kollegen, was ist die Konsequenz daraus? Die Schließung von Standorten kann nur durch kollektiven Widerstand verhindert werden. Wodurch kann der Abtransport oder die Verschrottung von Maschinen verhindert werden? Nicht durch Gespräche an gläsernen Tischen in den Konzernzentralen. Wenn die Konzernchefs eine solche Entscheidung getroffen haben, dann kann die Durchführung nur durch eine Besetzung des Betriebes verhindert werden - so wie es Ansätze dazu gab bei Mahle und Federal Mogul oder in Bellinziona in Schweiz. Wir brauchen eine Arbeitskampfstrategie für die Verteidigung unserer Arbeitsplätze. Und wir brauchen ein Programm. Was fordern wir von der Regierung? Bürgschaften und Kredite vom Staat wandern in die Taschen der Profiteure, danach bauen sie trotzdem Arbeitsplätze ab. Aktuelles Beispiel sind die Werften in Rostock und Stralsund - hunderte Millionen Euro an öffentlichen Geldern sind reingeflossen, trotzdem wurde dann die Insolvenz angemeldet. Dasselbe droht bei uns in den Metallbetrieben. In unsere Satzung der IG Metall steht die Forderung nach der Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien. Genau diese Forderung ist jetzt aktueller denn je. DAS muss unsere Antwort sein, wenn die Konzernchefs mit Massenentlassungen und Betriebsschließungen drohen. Unter Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten könnte auch die Diskussion über eine Umstellung der Produktion begonnen werden. Ich vermisse diese Diskussionen, Kolleginnen und Kollegen, die es in den 80iger Jahren doch gegeben hat. Meine Vorschläge mögen radikal klingen. Aber wenn wir diese Diskussion nicht führen, dann werden die Unternehmer radikal sein - indem sie zehntausende Kolleginnen und Kollegen auf die Straße setzen. Noch ein letzter Punkt. Am 16. Mai stand die Gewerkschaftsführung an der Seite von Müntefering und Trittin - an der Seite derselben Parteien, die für die Agenda 2010 und dem massiven Anstieg der Leiharbeit verantwortlich sind. Es ist schon eine Tragödie, wenn diese Agenda-Partei unterstützt werden, während DGB-Ordner bei der Demo am 16. Mai die Infotische von anderen Parteien und Organisationen, die auf der Seite der Kolleginnen stehen, rabiat abgebaut haben. Die DGB Ordner sind beauftragt und bezahlt um stände von linken Organisationen zu zerstören. Das finde ich nicht richtig, dass unsere eigene Gewerkschafter Kollegen unter einander so einen Hass aufbauen und unsere Gewerkschaftseinheit gefährden. Am 16.06 gab es die Bildungsstreiks, an denen sich 250.000 Tausend Studenten und Schüller beteiligt haben. Die DGB hat es zwar unterstützt, aber leider nur verball. Es gab keine praktische Mobilisierung in den Betrieben, zumindest nicht in unserem Betrieb. Im Herbst soll es fortgesetzt werden, daher ist es wichtig, dass wir für unsere Kinder die Bildungsstreik unterstützen. Nach der Wahl am 27. September droht, mit oder ohne SPD in der Regierung, eine Agenda 2020. Jetzt schon wird bei Anne Will über eine Praxisgebühr von 25 Euro geredet. Diese neue Agenda wird die letzte an sozialer Brutalität in den Schatten stellen. Für hunderte Milliarden von Bürgschaften und Krediten für marode Banken werden wir, die abhängig Beschäftigten, nach dem 27. September zur Kasse gebeten werden. Anstatt auf die Wahl der SPD zu orientieren, müsste jetzt mit betrieblichem Widerstand begonnen werden - müsste jetzt die Diskussion in den Betrieben und IG Metall Untergliederungen auf Hochtouren laufen, wie wir den Widerstand gegen die nächste Kürzungswelle gemeinsam mit Beschäftigten anderer Branchen und im öffentlichen Dienst organisieren können. Wo bleibt die Debatte über politischen Streik in der IG Metall? Wie können wir uns auf den drohenden Generalangriff von Regierung und Kapital vorbereiten? Vor 2 Wochen waren Kollegen aus der Schweiz hier und haben in der Verwaltunsstelle über ihren Erfolg mit der Betriebsbesetzung berichtet und uns kritisiert, was wir gegen die voraus zu sehende Gefahren in der Krise als Gewerkschafter tun? Kolleginnen und Kollegen, wir befinden uns in einer Situation, in der Zehntausende von KollegInnen mit Arbeitslosigkeit bedroht sind. Es ist eine dramatische Lage. Wir müssen uns endlich auf diese Situation einstellen. Anstatt stillzuhalten, müssen wir die KollegInnen darauf vorbereiten, zu kämpfen wie in Frankreich. |