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Updated: 18.12.2012 15:51
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Zuerst die "Herrschaft der Finanzmärkte" brechen - oder doch erst einmal mit Keynes zu einem Wachstum zur Rettung Griechenlands aus dem Jammertal?

Erst einmal Griechenland durch Wachstum "retten", bevor dann doch auch noch die "Herrschaft der Finanzmärkte" gebrochen wird? Ein pragmatischer Vorschlag von Dennis Snower (IfW)

Wenn ich das richtig verstehe, sieht man die Finanzmarktregulierung als die Voraussetzung an, um einen Ausweg aus "dieser" Krise zu finden? (Vgl. dazu auch "Doch Finanzmärkte regulieren: "Volcker-Regel" für die USA und die europäischen Regierungen kämpfen dagegen":  www.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/volcker.html )

Aber vielleicht gibt es - ganz pragmatisch - erst einmal doch noch einen Ausweg - was z. B. für Griechenland  in dieser Krise sehr entscheidend werden könnte? (Wer weiß, wie weit dieser "Ausweg" reicht? Ich persönlich wäre da eher skeptisch)

Dieses m.E. durchaus interessante Interview mit Dennis Snower aus der SZ ist nicht im Netz: Herrschaft der Finanzmärkte - und dann auch noch Keynes zur Rettung - nicht nur - Griechenlands? - möglicherweise neue Horizonte für einen Paradigmenwechsel - oder ein Ausweg aus der aktuellen Krisen-Misere durch "Zwischen-den-Stühlen-Sitzen".

Geht das Beides zusammen? Bisher habe ich angenommen und der These gehuldigt, dass zuerst die Herrschaft der Finanzmärkte gebrochen werden müsse - und dann könnte ein - gemeinsames europäisches? - Programm für Wachstum in Griechenland - sozusagen keynesianische Politik gegen das gegenwärtige Spardiktat für Griechenland, das dessen Ökonomie in den "freien Fall" schickt - durchgesetzt werden. (Vgl. Niels Kadritzke: www.nachdenkseiten.de/?p=12298  externer Link - auch noch "Im freine Fall" die Ziff. 5 a ) bei www.nachdenkseiten.de/?p=12286#h05 externer Link - sowie "Bei Insolvenz Griechenlands geriete Krise im Euro-Raum außer Kontrolle": www.nachdenkseiten.de/?p=12305#h04 externer Link)

Die neoliberale Theorie der "Marktradikalität" sieht es so vor - und so erscheint es geradezu geboten, dass die Änderung dieser Marktradikalität als vorherrschendes Steuerungselement für "alles" wirtschaftliche Geschehen nur durch "Zähmung" gerade der Finanzmärkte  verändert werden kann, z.B. Heiner Flassbeck "Kopflose Politik und führungslose Märkte")

Eine weiter bestehende Abhängigkeit von dem "Diktat" der Finanzmärkte müsste einen Wachstumsweg aus der Krise entweder unmöglich machen oder doch so stark behindern , dass diese Abhängigkeit - mit Ratingagenturen und Spekulation gegen die Staaten bzw. deren Staatsschulden - erst einmal aufgehoben werden müsse! (Vgl. zum Beispiel Bundesbankpräsident Weidmann: "Es wäre fatal , die Disziplinierungswirkung steigender Zinsen (erg.: durch Spekulation auf die Staatsanleihen) völlig auszuhebeln" (www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/bundesbankpraesident-weidmann-lobt-gipfelbeschluesse-11557487.html externer Link - oder auch weiter noch die Seite 1 unten ff. "Muss die eigentliche "Herrschaft der Finanzmärkte tabu bleiben" bei  www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl22.html )

                          
Unter der Herrschaft der Finanzmärkte für Wachstum für Griechenland!? Eine pragmatische angelsächsische Denke?

Nur bis zu einem Aufbrechen der Dominanz der Finanzmärkte müsste - schon angesichts der politischen Vorlieben (fast) aller Parteien in Deutschland noch so viel Zeit vergehen, dass die griechische Gesellschaft und mit ihr der griechische Staat schon einmal total ruiniert wäre. Der  Vorschlag des IfW-Präsidenten Dennis Snower scheint daher einen pragmatische Zwischenlösung möglich zu machen: Heute kann man ein Interview mit Dennis Snower, dem US-amerikanischen Präsident des "Instituts für Weltwirtschaft" in Kiel ,lesen, das diese klare Dominanz der Finanzmärkte als allgegenwärtiger Schiedsrichter akzeptiert ("Die Finanzmärkte würden sich darüber nicht aufregen..." oder ".. die Finanzmärkte und Geldgeber überzeugt"…)

Gleichzeitig sagt er in dem Interview in der SZ (Wirtschaft S.23) unter der Überschrift "Griechenland wird kaputtgespart": "In besonders harten Zeiten (und wer wollte leugnen, dass diese gegenwärtig für Griechenland gegeben sind?) muss die griechische Regierung durch Konjunkturprogramme eine Depression bekämpfen können." "Im Stabilitäts- und Wachstumspakt steht eine maximale Schuldenquote von 60 Prozent, Griechenland hat aktuell 160 Prozent. Wenn die Griechen schnell auf 60 Prozent kommen wollen, sparen sie sich kaputt."
Und konkret stellt er sich deshalb diesen Prozess auf einen längeren Zeitraum verteilt vor: "Über einen Zeitraum von 25 Jahren hinweg hat ein Land eine größere Chance sich zu wandeln..." Dazu sieht das Erfordernis einer "Fiskalregel" in der Verfassung aller (europäischen) Länder, damit die Schulden nicht einfach weiter ansteigen - auch jenseits der für weiteres Wachstum dringlich erforderlichen Konjunkturpolitik: "Auf lange Frist wäre in der Verfassung verankert, dass die Fiskalregel einzuhalten ist."

Aber um diesen Prozess auch so langfristig gewährleisten zu können, sieht er eine "unabhängige Schuldenkommission" vor, die "ein Veto-Recht gegenüber dem Staatsetat" haben soll. (SZ)
Und zum bisherigen Vorgehen meint Snower: "Der Punkt ist doch: Die Europäer erstellen einen Plan, und die Griechen sollen ihn umsetzen. Das funktioniert nicht, weil er den Griechen aufgezwungen worden ist. Sie haben wenig Anreiz sich zu beugen" (SZ)

P.S.:   Da dieses Interview nicht im Netz ist, sei noch zu Snower auf ein früheres Interview von 2008  in der SZ verwiesen: "Ich bin immer in der Minderheit" (= unrealistische Weltbilder beiderseits des Ozeans!): www.sueddeutsche.de/wirtschaft/top-oekonom-dennis-snower-ich-bin-immer-in-der-minderheit-1.362722  externer Link 

Fragen an dies auf den ersten Blick faszinierende Konzept zur pragmatischen Überwindung der "Schuldenkrise" - vor allem für Griechenland

So sehr dieses Modell einen Ausweg aus dieser Krise verspricht, habe ich doch mehrere Fragen an diesen Vorschlag von Dennis Snower (IfW):

1.) Würde diese unabhängige Schulden-Kommission nicht nur die öffentlichen Schulden, sondern auch die privaten Schulden mit einbeziehen? Frei nach Paul De Grauwe: Es sind nicht die öffentlichen, sondern die privaten Schulden (der Banken) die uns in diese Krise geführt haben. (Zu Paul De Grauwe vgl. die "Lectures von Paul De Grauwe" auf der Seite 4 ab dem letzten Absatz: www.labournet.de/diskussion/wipo/seattle/davos12_bahl.html siehe auch weiter: Nicht nur die öffentliche auch die private Verschuldung zählt - IMK-Report Nr. 51 www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_51_2010.pdf externer Link pdf-Datei - und vor allem auch "Staatsverschuldung - und gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanz (Stichwort "Öffentliche Armut und privater Reichtum"): www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.364649.de/10-50-1.pdf externer Link pdf-Datei)

Und damit ist auch der enorme gesamtgesellschaftliche Umverteilungs-prozess während der seit bald 40-Jahren währenden (seit Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts) neoliberalen, marktradikalen Periode angesprochen.

Nur just in dieser Phase des Finanzkapitals ab den siebziger Jahren schnellt die ganze Verschuldungsproblematik so richtig - langsam aber auch stetig - hoch, die ja alle Länder erfasst hat und nicht nur alle (!) Länder der Eurozone. Hier unter dem gemeinsamen Dache des Euro hat sie nur eine spezifische Dynamik noch zwischen  den Euro-Ländern "entfacht".   Alle Länder - eben auch die USA  - schlagen sich mit der Staatsverschuldung - auch schon vor der Krise herum. Und hier kommt ein besonderes empirisches Merkmal zum Tragen, das Stephan Schulmeister für die keynesianische Nachkriegsphase (bis zu dieser Wende Anfang der siebziger Jahre)  kurz so umreißt: " Gleichzeitig lag der Zinssatz permanent unter der Wachstumsrate, bei ausgeglichenem Budget sank die Staatsschuldenquote." (Vgl. z.B. zuletzt  S. 4 unten bei "Vorwärts in die 1930-er Jahre!": www.nachdenkseiten.de/?p=12182#h08 externer Link)

Wenn also empirisch nachgewiesen die gestiegenen Staatsschulden gerade ein Problem des "Finanzkapitalismus" seit den 1970-er Jahren sind, dann wird es - zumindest langfristig! - nicht möglich sein, die Herrschaft der Finanzmärkte unangetastet zu lassen, sondern diese muss doch wieder in eine "Realwirtschaftliche" Phase übergeleitet werden.

2.) Rücken für diese "unabhängige Schulden-Kommission" die ökonomischen Ungleichgewichte auch als Ursache - ja, Hauptursache - für die Krise - und damit auch die Krisenüberwindung speziell der Euro-Krise -  in den Blick? Wenn diese entweder zur Schuldnerposition oder zur Gläubigerposition führenden  Ungleichgewichte nicht auch "wahrgenommen" werden, ist ein gemeinsamer Lernprozess entlang der Linie von 2-Prozent-Ziel-Inflation (wie Heiner Flassbeck es anpeilt - vgl. www.flassbeck.de/pdf/2012/Jan2012/Die%20Mythen%20der%20Krise_Capital.pdf externer Link pdf-Datei: "Deutschland hat in massiver Weise gegen das in der EU vereinbarte Inflationsziel von leicht unter zwei Prozent verstoßen"  - in der gemeinsamen Währungszone) überhaupt nicht möglich - und der Zerstörung von Gesellschaften in der Schuldner-Position - wie jetzt in Griechenland - kann überhaupt nicht Einhalt geboten werden. Eine derartige "unabhängige Schuldenkommission" wäre das Papier nicht wert, durch das sie eingerichtet würde, wenn diese "Ungleichgewichte" außen vor blieben - oder, wie jetzt von Brüssel wieder "diktiert", einseitig festgelegt würden - und damit das deutsche (Exportüberschuss-Lohndumping-)Modell zum Vorbild für Europa erklärt wird (www.nachdenkseiten.de/?p=12236 externer Link).

Aber dann wäre Deutschland im Minus und Griechenland im Plus - beide müssten sich ändern. Dagegen Frankreich läge so ziemlich als einziges Land in der Euro-Zone auf dieser "ausgeglichenen" Linie - oder wie der Wirtschaftsweise Peter Bofinger das einmal ausdrückte: "Lauter Deutschlands in der Euro-Zone wäre schrecklich, aber lauter Frankreichs wäre gut". Nun sollen es aber gemäß der EU - auf den Druck Deutschlands - erst einmal "lauter Deutschlands" in der Eurozone werden! (Vgl. dazu noch einmal den IMK-Report Nr. 31 von 2008: "Frankreich ein Vorbild für Deutschland?" www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_31_2008.pdf externer Link pdf-Datei - mit dem klaren Ergebnis "seit der Währungsunion wächst Frankreich stärker". Nur diesem Frankreich haben die "Finanzmärkte" (Ratingagenturen) das Triple "AAA" entzogen. Aber Märkte können ja nicht irren!???

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 24. Februar 2011      


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