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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Vom Fordern und Fördern - ein Erlebnisbericht Oder, warum man als Erwerbslose/r bei der kostenpflichtigen Hotline der Agentur für Arbeit anruft und zu normalen Dienstzeiten keinen erreicht. Herne. Sicher, wir wissen, von "den" Erwerbslosen wird immer gefordert, alle Fristen einzuhalten, alle Unterlagen beizubringen, alles zu tun, um dem Zustand der Erwerbslosigkeit zu entkommen. Das alles bei Androhung von Sanktionen, sollte die/der ArbeitnehmerIn diese Forderungen nicht einhalten. Diese Sanktionen sind in vielen Fällen geradezu existenzbedrohend. Wird nun aber im Gegenzug a l l e s von der Agentur für Arbeit, die auch von den vorher Erwerbstätigen unterhalten wird, getan, um Arbeitsangebote zu unterbreiten? Konkreter Fall: Eine Arbeitnehmerin, deren befristeter Vertrag zu Ende ging. Sie meldete sich bei der Agentur für Arbeit Herne, um zu erfahren, welche Schritte sie zu unternehmen habe, damit von ihrer Seite aus alles Erforderliche rechtzeitig in die Wege geleitet würde und sie - bestenfalls gar nicht arbeitslos würde . Denn nach neuester Gesetzgebung muss man sich drei Monate vor Ende eines befristeten Arbeitsverhältnisses arbeitssuchend melden - unter Androhung einer Arbeitslosengeldssperre, sollte man denn, evtl. bedingt durch dienstliche Belange, diese Meldefrist versäumen. Die telefonische Auskunft lautete, ja, Herne ist zuständig, sie solle mit Personalausweis dort ohne Termin erscheinen. Das tat sie. Dort stellte sich heraus, dass sie doch nach Bochum zum Hochschul-Team müsse, das hatte sie aber bei der telefonischen Kontaktaufnahme ausdrücklich erwähnt. Auch die Daten für die Weiterbearbeitung konnten nicht von der Sachbearbeiterin aufgenommen werden, da keiner erwähnte, dass die vor einigen Jahren schon erfassten Daten des bisherigen Lebenslaufs inzwischen gelöscht wurden. Auf Nachfrage, ob denn von der Arbeitssuchenden nun noch etwas zu tun sei, wurde geantwortet, sie erhielte Bescheid von der Agentur. Vier Wochen später - Daten nicht erfasst In der Tat gab es dann einen Termin zur Nocharbeitszeit der Nochangestellten in der Agentur. Dort wurde festgestellt, dass die Daten der Arbeitssuchenden noch nicht erfasst waren, mittlerweile einen Monat später. Eine ebenfalls noch angestellte Kollegin hatte inzwischen schon die Drohung erhalten, dass ihr im Falle des Eintretens der Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld gesperrt würde, da sie sich eine Woche "zu spät" gemeldet hatte - Stellen gab es aber auch für sie nicht. Zwölf Wochen später - Daten immer noch nicht erfasst - Eigeninititative scheitert an Arbeitsamtssoftware Die Nochangestellte hatte also einen Termin zur Nocharbeitszeit, der vollständig unproduktiv war. Daraufhin sendete sie ihren Lebenslauf per Fax an die Agentur, damit dort inzwischen die Daten eingegeben werden konnten. Zum nächsten Termin, drei Monate später - vier Monate nach der Meldung, dass sie Arbeit suchen würde, nun tatsächlich arbeitslos, erfuhr sie, dass die Daten mangels Personal immer noch nicht erfasst waren. Aber sie könne dies selbst tun per Internet. Alle Möglichkeiten nutzend, tat sie dies - und stellte dabei fest, wie bedienerunfreundlich die Software des Internetauftritts der Arbeitsagentur ist. Die Eingabe eines so genannten "Bewerberprofils" des auf Grund vieler unterschiedlicher Berufe und Erfahrungen, die ältere ArbeitnehmerInnen mittlerweile auf dem Arbeitsmarkt ansammeln, umfangreichen Lebenslaufes, dauerte nahezu sechs Stunden! Denn die Software weigerte sich bestimmte Bezeichnungen anzunehmen, kannte Berufsbezeichnungen nicht und war umständlich in der Menüführung. Auf Nachfrage per Email kam Tage später die Bestätigung, ja, auf Grund neuer Berufsbezeichnungen gäbe es hier Schwierigkeiten bei der Eingabe. Vergleichen mit anderen Jobbörsen, in denen einfach ein Lebenslauf, der per Textverarbeitung erfasst ist, in ein Feld kopiert werden kann, hielt diese Eingabemaske nicht stand. Sanierung der Agentur für Arbeit auf Kosten der Erwerbslosen? Nun wurde der Erwerbslosen klar, warum die SachbearbeiterInnen mit der Erfassung dieser Daten nicht zurecht kamen. An einigen Positionen der Eingabemaske hatte sie Fragen, was denn nun gefordert sei. Ein Anruf bei ihrer Sachbearbeitung der Agentur half nicht weiter, diese verwies sie an die spezielle technische Hotline, die dafür zuständig sei. Immer noch alles tuend, um eine Arbeitsstelle im hart umkämpften Arbeitsmarkt zu erhalten, rief die Erwerbslose dort an. Zu ihrer Überraschung kam sie aber nicht etwa an einen Menschen, der ihr über die Hürden einer komplizierten Software helfen konnte, sondern zur besten Dienstzeit sagte ihr ein Sprachautomat, dass sie wohl die richtige Nummer gewählt hätte, aber leider niemand da sei und auch keine Nachricht hinterlassen werden könne. Der Gipfel des Services der Agentur für Arbeit war nun aber, dass diese Hotline 14 Cent pro Minute kostet! Bereichert sich die Agentur hier auch noch zusätzlich an ihren Arbeitgebern, die finanziell nicht gerade sehr leistungsfähig sind? Mehr Zeit für Vermittlung? Da saß sie nun, vier Monate nach Arbeitslosmeldung, die Daten, die einer Vermittlung förderlich wären, waren immer noch nicht von der zuständigen Behörde, die doch alles fördern soll, an den Ort gebracht, wo es etwas bringen würde - nämlich ins Internet. Und obendrein wurde sie noch per Gebührenerhebung für eine nicht in Anspruch genommene Dienstleistung abgezockt! Ist die Agentur für Arbeit, die gerade Millionen Euro, die für die Förderung von Arbeitslosen vorgesehen waren, zurückgegeben hat, auf die Gebühren eben dieser Arbeitslosen angewiesen? Dieser zeigte sich kooperativ. Er erläuterte in einem Gespräch, dass die Hotline der Agentur für Arbeit sehr viel besser sei als noch für einigen Jahren. Denn man würde immer jemanden erreichen, auch bis 18.00 Uhr. Dafür sorge eine Zusammenschaltung der Telefonzentralen der Bereiche Bochum, Dortmund und Hamm. Auch wenn es in einem Bereich einen Überlauf gäbe, würden die Gespräche nach spätestens vier Minuten weitergeleitet. Ein Gespräch koste maximal die Telekomgebühren. Es gäbe außerdem sogar eine Rückrufmöglichkeit, wenn ein Problem nicht gelöst werden könne. Die weitere Frage, wie denn Erwerbslose, die sich mit Computern nicht so gut auskennen, ihre Bewerberprofile ins Internet stellen könnten, war die Antwort: Dieses würde durch die Sachbearbeitung erfolgen. Mit der Erfahrung der schleppend verlaufenen Erfassung der eigenen Daten verwies die Erwerbslose darauf, der Zeitaufwand könne durch Verbesserung der Software doch erheblich verringert, und durch Einstellung von Personal die Vermittlung und Betreuung ebenfalls um einiges gesteigert werden. Das würde auch geschehen, erwiderte Luidger Wolterhoff, allerdings nicht durch Neueinstellungen, sondern durch Umbesetzungen. Einforderung von Stellenangeboten der Erwerbslosen von den SachbearbeiterInnen Ob es denn auch in der Eingliederungsvereinbarung einen Passus gäbe, der die SachbearbeiterInnen der Agentur verpflichte, in einem bestimmten Zeitraum den Erwerbslosen eine gewisse Anzahl von Stellenangeboten zu unterbreiten, war die nächste Frage. Und ob diese Angestellten dann auch wie die Erwerbslosen Sanktionen befürchten müssen, wenn sie dies nicht erfüllen? Denn irgendwie ist die Agentur ja dafür da, Vermittlung von Arbeitsstellen zu betreiben, dafür sind die SachbearbeiterInnen ausgebildet und dafür werden sie von den vorher im Erwerbsleben stehenden Menschen bezahlt. Nein, dies werde so nicht gehandhabt. Außerdem gäbe es auch für Erwerbslose keine Sanktionen, sollten sie ihre Bewerbungsaktivitäten nicht nachweisen, informierte der Agenturleiter. Komisch, dachte sich die Erwerbslose, wieso wurde dann die Kollegin gleich mit Arbeitslosengeldsperre bedroht? Wo ist da die in der Politik vielgepriesene "Waffengleichheit" - besonders, da die Erwerbslosen ja alle "Kunden" sind - der Kunde ist König und wird üblicherweise nicht bedroht... Das Gespräch ging dann auch noch um Zeitarbeitsplätze, Verwendung öffentlicher Gelder, Anpassung von ALG II an Preisentwicklung und Ähnliches, was aber ein anderer Artikel ist. Auf die vor Abschluss dieses Artikel nochmalige Nachfrage bei Herrn Wolterhoff, es sei doch merkwürdig, wieso große Agenturen für Arbeit so gar keinen Einfluss auf die Verbesserung ihrer Arbeitsmittel - Software der virtuellen Stellensuche, Gebühren der technischen Hotline - hätten, kam dann noch die Antwort, nein, so sei es nicht, die lokalen Agenturen für Arbeit würden durch Anregungen und Hinweise an der Entwicklung mitwirken. Und mit gleicher Mail teilte er mit, die Gebühren für die technische Hotline würden ab dem 26.März 2007 bundeseinheitlich 0,039 Euro pro Minute betragen. Erfreulich. Jetzt frage ich mich, gilt das auch für die Hotline der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung "Arbeiten im Ausland"? Deren Hotline heißt 0180-5222023 und kostet laut Prospekt 12 Cent pro Minute... aber die Agentur arbeitet daran. Und nicht vergessen, die Agentur hat Millionen Euro Überschuss produziert - auf Kosten der Erwerbslosen? Übrigens, die Erwerbslose hat nach fünf Monaten Arbeitssuchend-Meldung noch kein Arbeitsangebot erhalten. Fazit - Die Erwerbslosen müssen fordern:
Anette S. Jung, Herne, vom 3.3.07 |