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Updated: 18.12.2012 15:51
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Nationalismus als Integrationsideologie

Das Beispiel Arbeitslosigkeit in der gegenwärtigen politischen Debatte

Von Guenther Sandleben

Nach Meinung der Spitzenpolitiker besitzt die hohe Arbeitslosigkeit mittlerweile die Qualität eines „nationalen Unglücks“, das zur Stärkung der Nation behoben werden soll. Zu diesem Thema hielt der Bundespräsident Horst Köhler am 15. März 2005 eine viel beachtete Rede, Bundeskanzler Gerhard Schröder gab zwei Tage später eine Regierungserklärung mit dem bezeichnenden Titel „Aus Verantwortung für unser Land. Deutschlands Kräfte stärken“, worauf die CDU-Opposition einen „Pakt für Deutschland“ anbot. Schließlich der mediale Höhepunkt: Der Beschäftigungsgipfel zwischen der Regierung und den größeren Oppositionsparteien. Die „Stunde der Patrioten“, so ein entsprechender Kommentar in der FAZ, schien gekommen.

1. Die Rede von Horst Köhler

Herr Köhler, der sich zuerst an seine Nation wandte und als Bundespräsident über dem kleinlichen Parteiengezänk zu stehen meint, zielte ohne viel Umschweife auf den nationalen Kern der Sache. „In Deutschland“, so begann er seine Rede, „sind offiziell 5,216 Millionen Menschen arbeitslos. Sie werden daher von mir keine Festrede erwarten“. Die versteckte Drohung galt der großen Masse der Bevölkerung, den Lohnabhängigen und Arbeitslosen. Demgegenüber gab es am Ende der Rede starken Applaus vom Arbeitgeberlager, vor deren Repräsentanten sich Herr Köhler lächelnd verneigte. „Gut gemacht Herr Präsident“. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt fand die lobenden Worte, Köhler habe „der Wirtschaft“ – gemeint war selbstverständlich das eigene Unternehmerla-ger – „in vielen Punkten aus dem Herzen gesprochen“.

Tatsächlich hatte der Bundespräsident Schröders Agenda 2010 als ein „mutiges“ Reformsignal gelobt und darauf aufmerksam gemacht, dass es falsch sei, den Profit der Unternehmen moralisch zu verachten. „Nur wer Gewinne erwirtschaftet, kann (...) seine Mitarbeiter weiterbeschäftigen und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen“. Natürlich begriff „die Wirtschaft“ gleich, dass Köhler an Sen-kung der Löhne, an Verlängerung der Arbeitszeit, an eine Vielzahl „notwendiger Arbeitsmarktre-formen“, wie Einschränkung des Kündigungsschutzes, dachte, um die Schlüsselgröße des nationa-len Glücks, die Profite „der Wirtschaft“, kräftig zu steigern.

Die Gewerkschaften wurden in diesem Zusammenhang für ihre „Lohnzurückhaltung“ gelobt. Mögli-cherweise sieht Herr Köhler im DGB bereits eine gelbe Gewerkschaft, die ihre patriotische Rolle überzeugend spielt. Jedenfalls hätten die Gewerkschaften „einen „wichtigen Beitrag zur Verbesse-rung der Wettbewerbsfähigkeit geleistet“. Das verdiene Anerkennung. „Dieser Pfad muss fortge-setzt werden“. Köhler warnte vor „taktischen Reformpausen“ der Parteien. Denn: Regierung und Opposition ständen in „patriotischer Verantwortung“. Die spezifischen Interessen „der Wirtschaft“, ihre Profite, Zinsen, Managergehälter durch Lohnsenkungen weiter zu steigern, waren mit nötiger Klarheit formuliert.

Als Zielgröße taucht aber nicht die Vermehrung solcher Einkommen sondern die Einschränkung der Arbeitslosigkeit auf, wobei in der Profitvermehrung und deren Voraussetzungen (Lohnsenkung, längere Arbeitszeit, höhere Arbeitsintensität, Senkung der Unternehmensbesteuerung) der eigent-liche nationale Kraftakt gegen die Arbeitslosigkeit gesehen wird.

Sämtliche Bevölkerungsteile scheinen von der Einschränkung der Arbeitslosigkeit zu profitieren: Die Arbeitslosen hoffen auf Arbeit, die lohnabhängig Beschäftigten hoffen auf sichere Arbeitsplät-ze, die Unternehmer hoffen auf mehr Profit und auf eine beschleunigte Akkumulation ihres Kapi-tals, die Hauseigentümer hoffen auf steigende Mieteinnahmen, die Rentner hoffen auf sichere Ren-ten. Wegen dieser Allgemeinheit, worin sich das spezielle Kapitalinteresse ausdrückt, taugt das Beschäftigungsziel vorzüglich als ein nationales Ziel.

2. Die Rede von Gerhard Schröder

Wie der Bundespräsident lobte auch Gerhard Schröder in seiner Rede die Agenda 2010, die er zwei Jahre zuvor unter dem Beifall „der Wirtschaft“ verkündet hatte. Nach den schweren Angriffen auf die Arbeitslosen und Beschäftigten meint Herr Schröder „Deutschlands Kräfte“ nun dadurch stärken zu müssen, dass er jetzt mehr für den „inneren Frieden“ und den „sozialen Zusammenhalt“ tut, denn auch dies sei, so die Erkenntnis, „eine Voraussetzung dafür, erfolgreich und effizient zu produzieren.“ Deutschlands Kräfte stärken beinhaltet für Schröder ein Mehr an Beschäftigung.

Die nationale Aufgabe ist schlicht formuliert. Bereits im Patriotismus-Streit vom Herbst vorigen Jahres handelte sich Schröder den Vorwurf mangelnder Verbundenheit zur Nation ein, worauf er erwiderte, dass für ihn Patriotismus das sei, was er an täglicher Arbeit für Deutschland tue. Er wol-le mit all seinem Handeln dafür sorgen, dass Deutschland nach vorne kommt. „Das ist patriotisch, auch wenn es zu Unrecht manchmal als Ökonomismus kritisiert wird“.

Schröder bewies mit seiner Rechtfertigung nur, dass er die Kritik überhaupt nicht verstanden hatte. Die Opposition war einfach unzufrieden, dass er zu wenig nationale Phantasie entwickelte, als es darum ging, der breiten Masse Opfer abzuverlangen. Ehrende Ziele müssen da schon her, um den ökonomischen Schmerz geduldig zu ertragen.

Die nationale Phantasie, die ganz offensichtlich dem Kanzler fehlte, versuchte Herr Köhler nachzu-holen, als er in seiner Rede eine Anekdote aus den USA aufgriff: John F. Kennedy habe oft Cape Canaveral besucht und bei dieser Gelegenheit einen Arbeiter angesprochen, der gerade eine Halle fegte. „Was ist ihr Job“, soll Kennedy gefragt haben, worauf der Arbeiter antwortete: „Einen Men-schen auf den Mond bringen, Mr. President“.

Hier soll nicht der Zynismus des „kleinen Mannes“ thematisiert werden, der in einem Gefühl der Ohnmacht auf seine Weise dem höchsten Amtsträger antwortete. Herrn Köhler beeindruckt daran „die Kraft, die hinter dieser Antwort steckt“. Er scheint die „Kraft“ zu meinen, die der Arbeiter ge-zwungen war aufzubringen, nicht von seinen Bedürfnissen sondern stattdessen von den Interessen der amerikanischen Nation zu sprechen. Ein solcher Verzicht beeindruckt natürlich jeden Reprä-sentanten des Staates. Vielleicht hätte Kanzler Schröder die Sozialeinschnitte und die damit ver-bundenen Lohnkürzungen mit einem vergleichbaren nationalen Abendteuer, wie es einst die Mond-fahrt war, in Verbindung bringen sollen. An der nationalen Verpackung wird er gewiss nachbessern müssen.
Der Kanzler lehnte in seiner Rede weitere Einschränkungen des Kündigungsschutzes und der Tarifautonomie zum jetzigen Zeitpunkt ab. Er tat dies nicht, weil er den Lohnabhängigen und Ar-beitslosen eine Verschnaufpause gewähren will, die durch seine Agenda 2010 arg gebeutelt wor-den waren, sondern weil er meinte, dass die bisherigen gesetzlichen Regelungen ausreichen wür-den, um mehr Arbeit bei gleichzeitig weniger Lohn aus den Beschäftigten herauszupressen. Für ihn scheint das Optimum gesetzlicher Regulierungen erreicht zu sein, alles Weitere mögen die Zwangsmechanismen des Arbeitsmarktes besorgen.

Der Kündigungsschutz, verkündete der Kanzler stolz, existiere bereits in einigen Bereichen schon gar nicht mehr und Arbeitnehmer, Gewerkschaften und Betriebsräte seien „sehr wohl in der Lage, betriebliche Bündnisse zu schließen, wenn es die Notwendigkeit dazu gibt, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten. Sie sind zum Verzicht immer noch bereit gewesen. Ich würde mir wünschen,“ setzte der Kanzler sein nettes Komplement fort, „die gleiche patriotische Einstellung, wie sie die Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer haben, wäre auf der anderen Seite auch gegeben.“

Der Kanzler dachte an die zahlreichen betrieblichen Bündnisse, die in letzter Zeit geschlossen worden waren und die tarifvertraglichen Regelungen für etliche Betriebe außer kraft setzten. Län-gere Arbeitszeiten bei niedrigerem Lohn – eine Traumkonstellation für die Unternehmer – hatten die Gewerkschaften gegen das leere Versprechen mitgetragen, dass die Unternehmer auf be-triebsbedingte Kündigungen vorerst verzichten würden. Des Kanzlers Dank galt auch dem Verzicht der Gewerkschaften, ihren anfänglichen Widerstand gegen die Agenda 2010 rasch wieder aufge-geben zu haben. Eine Hand wäscht eben die andere.

Weshalb also die Gewerkschaften durch einen zusätzlichen Zwang verärgern, wenn die freiwillige Unterwürfigkeit genügend weit reicht? „Lasst uns auf die Einsichtsfähigkeit der Beschäftigten, ihrer Betriebsräte, ihrer Gewerkschaften setzen“, fuhr der Kanzler fort, „die diese Einsichtsfähigkeit nachgewiesen haben, und lasst uns – es ist ja üblich geworden, sich auf Montesquieu zu beziehen – auch in diesem Fall sagen: Ein Gesetz, das nicht notwendig ist, unterbleibt besser.“

Die Tarifautonomie braucht also gar nicht gesetzlich weiter eingeschränkt zu werden, da sie von den Gewerkschaften freiwillig eingeschränkt wird, der Kündigungsschutz muss nicht vollständig verschwinden, da er an Wirksamkeit bereits genügend eingebüßt hat.

3. Die Rede von Angela Merkel

An dieser Stelle nun sah die Opposition eine günstige Gelegenheit, sich mit der Regierung um die Effizienz weiterer gesetzlicher Mittel zu streiten. Bei gleicher strategischer Ausrichtung forderte Frau Merkel in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag weitergehende gesetzliche Maßnahmen zur Lockerung des Kündigungsschutzes und zur Ausweitung der betrieblichen Bündnisse. Sie schlug vor, das Günstigkeitsprinzip von Tarifverträgen – eine Existenzvoraussetzung heutiger Ge-werkschaften – dem Kern nach zu beseitigen, damit Betriebsräte und Unternehmensleitung auf Betriebsebene längere Arbeitszeiten und Lohnkürzungen vereinbaren könnten. Den offensichtli-chen Nachteil für die abhängig Beschäftigten münzte sie in einen Vorteil um; endlich dürften die Lohnabhängigen länger bei weniger Lohn arbeiten, um ihren Job zu sichern.

Bundespräsident und Bundeskanzler sind natürlich sehr für solche Mehrarbeit bei niedrigeren Löh-nen. Während aber Herr Schröder eine Regulierungspause einlegen will, möchte Frau Merkel die alte Politik des Kanzlers ohne Unterbrechung fortsetzen. Solche taktischen Unterschiede erhalten im parlamentarischen Spiel um Profilierungen den Schein von prinzipiellen Differenzen.

4. Zur Bedeutung der Öffentlichen Meinung

Warum gibt es leidenschaftlich vorgetragene Kontroversen in solch nebensächlichen Punkten, während bei den strategischen Fragen wie der Verankerung des Beschäftigungsziels und den da-mit einhergehenden Einschränkungen für die breite Masse eine stillschweigende Übereinstimmung besteht. Wie hat es „die Wirtschaft“ geschafft, dass Bundespräsident, Bundeskanzler und Opposi-tion ohne nennenswerte Unterschiede die Interessen des Arbeitgeberlagers vorbringen, nicht aber die der Lohnabhängigen und Arbeitslosen, die doch die große Masse der Gesellschaft bilden?

Tatsache ist, dass die Unternehmer samt ihrer großen Geldgeber die herrschende materielle Macht der Gesellschaft repräsentieren. Indem sie über die Produktion verfügen, bestimmen sie zugleich die geistige Produktion. Die Öffentliche Meinung kann deshalb im Großen und Ganzen bloß Ausdruck ihrer Interessen sein, die dann die Spitzenpolitiker nur aufnehmen müssen, wobei die Interessenverbände „der Wirtschaft“ gern behilflich sind.

Allerdings greifen die Politiker solche Interessen nicht in ihrer rohen, einfachen Gestalt, als Klas-seninteressen auf. Die Meinungsproduzenten (darunter Wirtschaftsverbände, Journalisten, Wis-senschaftler, Sachbuchautoren, „Kulturschaffende“) haben bereits die handfesten ökonomischen Interessen in Meinungen von allgemeinem Interesse umgemünzt. Der spezifische Charakter der Interessen verschwimmt im Meinungsstreit, in einer scheinbaren Sachkontroverse, die schließlich im wissenschaftlichen Streit um Theorien mündet. Statt Interessen werden Argumente von Mei-nungen geprüft, werden die Meinungen ohne ihren materiellen Kern kritisiert, fortentwickelt, relati-viert oder korrigiert. Alles scheint sich nur noch um Ideen und Meinungen zu drehen.

Die für die Öffentlichkeit produzierte Meinung sagt nicht mehr, dass die Löhne und Sozialausgaben gesenkt werden müssten mit dem Ziel, die Profite „der Wirtschaft“ zu erhöhen. Stattdessen sagt sie, dass niedrige Löhne den Lohnempfängern selbst nützlich wären, indem sie zu weniger Arbeits-losigkeit führen würden. Das Profit-Ziel „der Wirtschaft“ besitzt als Beschäftigungsziel nun eine allgemeine, respektable Form. Ohne dass die Politiker etwas tun müssen, entsteht in der Öffent-lichkeit die Vorstellung, als beruhe das Beschäftigungsziel auf einem allgemeinen Willen.

Politiker entnehmen also das Beschäftigungsziel der öffentlichen Diskussion. Als Repräsentanten des Staates geben sie einem solchen Ziel kraft ihres Amtes noch eine politische Form. Sie machen es zu einem Ziel des National-Staates und verleihen der Arbeitslosigkeit die Qualität eines „natio-nalen Unglücks“. Die auf solche Art veredelte Meinung wird natürlich Bestandteil der Öffentlichkeit und erzeugt gegebenenfalls weiteren Diskussionsbedarf.

Da der Staat neben und außerhalb der kommerziellen Gesellschaft existiert, tritt der einstige Ur-sprung des Beschäftigungsziels, der Zusammenhang mit dem Klasseninteresse (Bereicherung zulasten der Lohnabhängigen), noch weiter in den Hintergrund. Von seiner realen Basis losgeris-sen, scheint deshalb das allgemeine Beschäftigungsziel auf einer besonderen Einsicht des Staates zu beruhen. Umgekehrt sehen die Unternehmervertreter in dieser politischen Formulierung des Beschäftigungsziels nicht mehr notwendig ihr eigenes Werk, sondern mal mehr mal weniger eine eigenständige Entscheidung des Staates, die Beschäftigungskrise als nationales Ziel anzugehen. Nun sind sie einverstanden, wenn in der Öffentlichkeit kommuniziert wird, Bundesregierung und Bundespräsident hätten der deutschen Wirtschaft ehrgeizige Ziele gesetzt.

Der hier am Beispiel der Arbeitslosigkeit skizzierte Transformationsprozess von handfesten kom-merziellen Interessen bis hin zum nationalen Ziel macht umgekehrt deutlich, welche Inhalte die nationalen Begriffe verbergen: Es sind gewöhnlich die kommerziellen Ziele „der Wirtschaft“, die einen nationalen Ausdruck erhalten, sich also als Ziel des Volkes präsentieren. Diese nationale Form des Interesses verhüllt den eigentlichen Klassenstandpunkt. Indem das besondere Interesse des Kapitals die politische Form eines allgemeinen Volksinteresses bekommt, stellt sich der Klas-senkampf, den die Politiker betreiben, verdreht als ein nationaler Kampf dar.

Ohne einen zumindest „gesunden“ Nationalismus wäre eine derartige Klassenpolitik auch gar nicht durchsetzbar. Daher ist der Nationalismus keine temporäre Angelegenheit einzelner Patrioten. Es hat deshalb keine besondere „Stunde der Patrioten“ geschlagen, wie die FAZ meinte. Regierungs-politik ist per se nationale Politik. Der Nationalismus ist keine exklusive Angelegenheit versprengter rechter Gruppen, auch keine Herzensangelegenheit einiger Patrioten, sondern naturnotwendig für eine Regierung, die Klassenpolitik zu betreiben hat. Nationalismus ist als Integrationsideologie unverzichtbar. Und „die Wirtschaft“ hilft ihn vorbereiten. Ein Wirtschaftspatriotismus ist Vorausset-zung für den Nationalismus der Regierung, welcher eingesetzt wird, um die Politik der Sozialkür-zungen, der Lohnsenkung und der Arbeitszeitverlängerung durchzusetzen. Alle Funktionäre des Staates, der Bundespräsident ebenso wie der Bundeskanzler, sind dem Nationalismus verpflichtet.

Gleiches gilt für die größeren Oppositionsparteien, sofern sie unmittelbar für einen Regierungsein-satz bereitstehen. Indem sie das gleiche „nationale Interesse“ nur auf ihre Weise, eben in der Art einer Opposition, formulieren, liefern sie den Beweis ihrer Regierungsfähigkeit. Wäre dies nicht der Fall, dann hätte die Öffentliche Meinung sie schon längst hinreichend diskreditiert, so dass sie als mögliche Alternative zur Regierung gar nicht mehr in Frage kämen. Sie würden schlicht ihre Wäh-ler verlieren, die in normalen Zeiten, wenn es also keinen spektakulären Widerstand gibt, stumm, verbittert, enttäuscht und „politikverdrossen“ der vorherrschenden Öffentlichen Meinung im großen und ganzen folgen. Ferdinand Tönnies hatte einst auf die „tyrannisch-regulative Kraft“ der Öffentli-chen Meinung verwiesen, die wie ein „übergeordneter Gerichtshof“ wirke und die große Men-schenmassen auf gleichsam unsichtbare Weise lenke. Sie würde in der heutigen Gesellschaft eine ähnliche Ordnungsfunktion wie einst die Religion in den ursprünglichen Gemeinschaften besitzen.


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