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Updated: 18.12.2012 15:51
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Offener Brief von Gewerkschaftsmitgliedern aus verschiedenen Orten in Ostwestfalen-Lippe

Lieber Kollege Sommer,

Mit Sorge, Empörung und Wut, haben wir Deine jüngsten Äußerungen auf der Neujahrspressekonferenz am 12. Januar in Berlin sowie kürzlich im Interview mit dem 'Spiegel' zur Kenntnis genommen.
Es ist zynisch zu behaupten, bei Hartz IV handele es sich um "Schlachten der Vergangenheit". Hartz IV ist aktueller denn je. Nämlich für Millionen Erwerbslose, darunter einige hunderttausend Gewerkschaftsmitglieder. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Arbeitslosengeld II-Bezieher!

Auch in der Vergangenheit, hat sich der DGB in der Auseinandersetzung um den Sozialabbau nicht gerade hervorgetan. Noch zu gut haben wir die "Sommer-Pause" von 2003 in Erinnerung, als der Protest abgewürgt wurde, noch ehe er richtig begonnen hatte. Erst nachdem - ohne Unterstützung der Gewerkschaftsspitzen - im November 2003 hundertausend Menschen in Berlin gegen die Agenda 2010 demonstrierten, wurden dann 500.000 Menschen zum 03.04.2004 mit Hilfe des DGB mobilisiert. Es wurde jedoch nicht der geringste Versuch unternommen, dieses Potential weiter zu nutzen. Stattdessen wurde halbherzig ein Arbeitnehmerbegehren initiiert, ohne jeden Biss und somit eher als Ersatz für widerständige Aktion. Als im Spätsommer vergangenen Jahres die Montagsdemonstrationen im Osten begannen, zeigte sich die DGB-Spitze vor allem über vermeintliche oder tatsächliche Demagogen von links und rechts besorgt - weniger über die drohenden Hartz IV-Gesetze selbst.

All das ist vielleicht zu ertragen, solange es Hoffnung auf Besserung gibt. Doch sollten sich Deine Zukunftsvorstellungen tatsächlich durchsetzen, würden Gewerkschaften schlicht überflüssig werden! Man muss sich das klar machen: Mindestlohn - Fehlanzeige. Ausbildungsabgabe - wollen wir nicht mehr.

Im 'Spiegel' legst Du dann nach: Für die wohlwollende Tolerierung der Gesundheitsreform und weiterer Einschnitte ins soziale Netz ziehst Du ausgerechnet die demographische Entwicklung heran. Dieses Niveau reicht vielleicht für 'Sabine Christiansen'. Außer acht lässt Du aber, dass es sich hierbei um ein Rechtfertigungsargument für die Interessen der Kapitalseite handelt. Und deren Ansprüche gehen zu Lasten der abhängig Beschäftigten und der Erwerbslosen. Lese bitte die Publikationen der wirtschaftspolitischen Abteilung von ver.di zum selben Thema!
Um Deine Ideen sozial gerechter zu machen, möchtest Du die Finanzarchitektur der sozialen Absicherung ändern und die Steuern für Großunternehmen erhöht wissen. Eine schöne Idee, die aber nicht funktionieren kann, wenn nicht einmal Hartz IV verhindert werden konnte.

Doch wir wollen nicht nur Kritik üben. Immerhin verdanken wir Dir jetzt große Klarheit darüber, auf wessen Unterstützung wir in den zukünftigen Auseinandersetzungen nicht hoffen dürfen. Die DGB-Spitze möchte offensichtlich in die große Koalition aus Wirtschaft, Politik und Medien eintreten. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir wissen, Gewerkschaften waren noch nie so notwendig wie heute - richtige Gewerkschaften, die die Interessen der Lohnabhängigen und Erwerbslosen verteidigen.

Dafür werden wir uns einsetzen !
Sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Gewerkschaften ...

Ostwestfalen-Lippe / Bielefeld im Februar 2005

Weitere Unterzeichner aus OWL können sich unter schwarzer.bielefeld@gmx.de unter Angabe von Name/Organisation/Ort melden.


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