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Updated: 18.12.2012 15:51
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Prekäre Superhelden vor Gericht?

Prekäre Superhelden vor Gericht?Ende April 2006 haben etwa 30 prekäre Superhelden Delikatessen aus einem Gourmet-Supermarkt in Hamburg entwendet und anschließend verteilt. Die Staatsanwaltschaft glaubt nun, eine an der Aktion beteiligte Superheldin ausfindig gemacht zu haben. Deshalb findet am Dienstag, dem 19. Juni um 9 Uhr im Amtsgericht Altona (Max-Brauer-Allee 91) im Saal 101 ein Prozess gegen sie
statt. Mittlerweile wagen sich immer mehr prekäre Superhelden an die Öffentlichkeit.

Zur Erinnerung: Am Vormittag des 28. April 2006 entnahmen prekäre Superhelden Champagner, Hirschkeulen und andere Delikatessen aus dem Gourmet-Supermarkt "Frische Paradies" an der Großen Elbstraße in Hamburg. Anschließend machten sich Spider-Mom, Superflex und ihre Mitstreiterinnen an die Umverteilung. Die Delikatessen wanderten diskret in die Hände von Erzieherinnen, Praktikanten, Putzfrauen und Ein-Euro-Jobbern. Warum sollten prekär Beschäftigte, von denen es immer mehr gibt, nicht auch etwas von dem Reichtum haben, der in Hamburg im
Überfluss vorhanden ist?

Prekäre Superhelden vor Gericht?Die Polizei reagierte „auf den wahrscheinlich lustigsten Coup in der deutschen Kriminalgeschichte“ (The Guardian) mit ziellosen und rechtlich zweifelhaften Hausdurchsuchungen und versuchte die Superhelden des prekären Alltags erneut in die Unsichtbarkeit zu drängen. Doch sie unterschätzten die außergewöhnlichen Fähigkeiten, die zahllose Prekäre in ihrem gemeinsamen Widerstand mit Arbeitskollegen, in ihrem alltäglichen Leben ohne deutschen Pass und in den
Auseinandersetzungen mit der Agentur für Arbeit entwickelt haben. Spätestens jetzt ist überdeutlich geworden, dass die Polizei mit ihrem Vorhaben gescheitert ist. Hunderte von prekären Superhelden haben sich auf der Euromayday-Parade in Hamburg an das Licht der Öffentlichkeit gewagt. Beim G8-Gipfel tauchten zahlreiche Superhelden auf den Straßen und Feldern rund um
Heiligendamm auf. In Barcelona kämpft Supervivienda gegen die anhaltende Wohnungsnot. Immer mehr Superhelden setzen ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten ein, um ein schönes Leben für alle möglich zu machen. Und sie haben prominente Unterstützung gewonnen.

Die Sängerin Bernadette LaHengst macht deutlich: „Obwohl mein provisorisches Künsterlinnen-Leben im selbst gewählten Prekariat stattfindet, ist es doch für die meisten MigrantInnen, PraktikantInnen, Ein-Euro JobberInnen und sonstigen an Rand unserer Gesellschaft Gedrängten kein Spaß, zuzusehen, wie der Kaviar an ein paar Auserwählte verteilt wird. Ich war es, du warst es, wir alle können zu SuperheldInnen werden, wenn wir die große Umverteilung wollen.“

Prekäre Superhelden vor Gericht?Frank Spilker von der Hamburger Band Die Sterne fügt hinzu: „In unserer Gesellschaft werden Menschen anerkannt, deren wesentliches Verdienst darin besteht Grosseltern zu haben, die zB. auf die Idee gekommen sind Stärke und billige Aromen zu vermischen und diese geschickt zu vermarkten. Wenn andere Leute aus entsetzen darüber, dass man als unglücklicher grosselternloser Mensch, von den Almosen, die einem die Nichtanerkennung der Gesellschaft läßt kaum noch Leben kann, beschließen einen Luxusmarkt auszurauben und dafür das Risiko eingehen in den Knast zu kommen - dann ist das doch superheld.“

Dennoch hält die Staatsanwaltschaft an dem Verfahren fest. Die Anklage stützt sich dabei im Wesentlichen darauf, dass sowohl eine Superheldin vor dem „Frische Paradies“, als auch die Angeklagte einen dunkelbraunen Pferdeschwanz tragen. Angesichts dieser „Beweislage“ hebt Toni Kracht vom Peter Parker-Unterstützerkreis hervor: „Wenn das als Basis für einen Prozess ausreicht, könnte die Anklage uns alle treffen.“ Und weiter: „Letztendlich bestätigen Polizei und Staatsanwaltschaft unfreiwillig, dass in uns allen Superheldenkräfte stecken.“

Pressemitteilung des Euromayday Hamburg vom 18.6.07

Siehe dazu auch:

  • Gehts der "Superheldin" an den Kragen?
    "Die Aktion war der vermutlich lustigste Coup in der Hamburger Kriminalgeschichte: Am 28. April 2006 überfielen 30 Männer und Frauen in Superheld-Kostümen das "Frischeparadies Goedeken" an der Großen Elbstraße, erbeuteten Delikatessen von Hirschkeule bis Champagner - und entwischten der Polizei. Später verkündeten sie schriftlich, sie hätten die Luxus-Leckereien an "Erzieherinnen, Praktikanten, Putzfrauen und Ein-Euro-Jobber" verteilt. Heute steht eine 30-Jährige Aktivistin der linken Szene vor dem Amtsgericht Altona. Die Anklage lautet auf gemeinschaftlichen Diebstahl, die junge Frau soll durch Zeugen als eine der "Superhelden" identifiziert worden sein." Artikel von Stephanie Lamprecht in der Hamburger Morgenpost vom 19.6.07 externer Link
  • "Oute Dich als SuperheldIn!" - Bilder von der Euromayday-Parade externer Link

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