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Updated: 18.12.2012 15:51
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Kein Höhenflug

Gaston Kirsche* und Thomas Seedüvel* im Gespräch über Airbus, Erdbeereis und Kohlefasern

Im Zuge des sogenannten Plans »Power8« will der Flugzeugkonzern Airbus in den nächsten vier Jahren 10000 Stellen streichen, davon 3700 in den deutschen Airbus-Werken. Die Werke in Varel und Laupheim sollen verkauft werden an Zulieferer, von denen man die dort produzierten Module billiger zurückkaufen will. In Frankreich sollen 4700 Stellen wegfallen, in Großbritannien 1600 und in Spanien 400.

Im Gerangel um Standorte und Arbeitsplätze sind nicht nur auf Regierungsebene nationalchauvinistische Töne zu vernehmen – Schuld an den Entlassungen sei ein unfähiges französisches Management, so der Tenor. Auch auf der Produktionsebene scheinen diese Töne auf fruchtbaren Boden zu treffen, eine »Vogel-Strauß-Mentalität« vorzuherrschen und das bei Airbus schon in den 70er Jahren etablierte Gegeneinander-Ausspielen von Leih-, Fremd- und Festarbeitskräften zu wirken, so berichtet Thomas Seedüvel*, Leiharbeiter im Werk Hamburg-Finkenwerder, im folgenden Interview mit Gaston Kirsche.

Wie ist Dein Status als Arbeiter bei Airbus?

Ich bin Leiharbeitskraft bei Airbus in Hamburg und arbeite dort über einen »Sklavenhändler«. Bei Airbus wird differenziert zwischen Leih- und Fremdarbeitskräften. Leiharbeitskräfte werden als Person an Airbus »ausgeliehen«, Fremdarbeitskräfte arbeiten bei Airbus im Zusammenhang mit einer bestimmten Dienstleistung, bei der es letztendlich egal ist, von welchen Personen diese ausgeführt wird. Hauptsache, der Auftragnehmer, der oft eine Verleihfirma ist, erledigt seinen Auftrag. Ganz Airbus-offiziell gibt es Leiharbeitskräfte und Fremdarbeitskräfte, und die heißen auch so.

Als Leiharbeitskraft bin ich privilegiert gegenüber Fremdarbeitskräften, denn nach drei Monaten bei Airbus bekomme ich, jedenfalls zur Zeit noch, das selbe Geld als Lohn oder Gehalt wie ein festangestellter Kollege von Airbus. Und das bei einer 35-Stunden-Woche, was nicht schlecht ist, wenn du deine Arbeitskraft über einen »Sklavenhändler« in der Industrie verkaufst.

So genannte Fremdarbeitskräfte bekommen das, was ihr »Sklavenhändler« ihnen zahlt. Und arbeiten auch so lange, wie der »Sklavenhändler« will und die Kontrolle des Betriebsrates es zulässt. In dem Bereich, in dem ich arbeite, habe ich ein ganz klar umrissenes Aufgabenfeld. Das ist zwar umfangreich, wurde aber nicht weiter erweitert. Ich bin im Bereich Standortdienstleistungen tätig. Ich habe keine Ahnung, wie viele Leih- und Fremdarbeitskräfte zurzeit bei Airbus in Hamburg ihre Brötchen verdienen. Die Rede ist von rund 12000 Festangestellten und rund 5000 Leih- und Fremdarbeitskräften.

Wie ist die Lage bei Airbus in Finkenwerder?

Zur Zeit hat Airbus in Hamburg das Problem mit einem großen Haufen Leute, die eigentlich den Riesenflieger A380 fertig stellen sollten, die aber wegen Konstruktionsfehlern nicht arbeiten können. Das betrifft Festangestellte genauso wie Leih- und Fremdarbeitskräfte.

Es ist gut möglich, dass so genannte Standortdienstleistungen wie Kantinen, Werkschutz, Feuerwehr, Betriebshandwerker, Hausmeister und weitere Bereiche an externe Dienstleister vergeben werden.

Wie ist die Betriebsversammlung bei Airbus Finkenwerder am 2. März verlaufen?

Kämpferisch ist die Stimmung keinesfalls. Während der Betriebsversammlung gab es zwar Störungen der Rede von Dr. Kutzim aus der Geschäftsführung. Aber die gingen nicht von sonderlich vielen KollegInnen aus und wurden auch nicht von wirklich vielen aufgegriffen. Für die meisten hatten die Störungen einigen Unterhaltungswert angesichts von Kutzims Erklärungsversuchen, aber das war’s auch schon. Zudem waren von den rund 17000 Beschäftigten keine 8000 bei der Versammlung. Sofort nach den Beiträgen von Geschäftsführung und Betriebsrat standen schon mal an die 1000 KollegInnen auf und gingen wieder an die Arbeit. Der dritte angekündigte Beitrag, der von einem Vertreter der IG Metall gehalten werden sollte, und die angebotene Diskussion bzw. Fragerunde spielten für diese KollegInnen ganz offensichtlich keine Rolle. Die hatten wohl nur Interesse an der reinen Information, und die war dürftig. Während der Diskussions- und Fragerunde waren ständig KollegInnen mit ihrem Aufbruch zur Arbeit beschäftigt, was auch kein sonderlich solidarisches Verhalten zu den Problemen Einzelner oder aus einzelnen Abteilungen ist.

Für den 1. März hatte der Betriebsrat eigentlich eine ganz gute Idee: Um Punkt elf Uhr sollten alle KollegInnen vor das Gebäude kommen, wo Betriebsrat und die Standortleitung ihre Büros haben. Dort sollte man schon mal Fragen für die Betriebsversammlung aufschreiben und beim BR abgeben. Und man sollte mit seiner Unterschrift auf großen Transparenten seiner Solidarität mit den KollegInnen in Varel, Nordenham und Laupheim Ausdruck verleihen. Das Recht, jederzeit den Betriebsrat aufzusuchen, haben zumindest alle Festangestellten. Was wäre das für eine schöne Warteschlange gewesen, wenn sich nur die 12000 festangestellten KollegInnen daran beteiligt hätten. Und was hätte das gedauert ... – und wäre doch kein Solidaritätsstreik gewesen, zu dem ein Betriebsrat ja auch nicht aufrufen darf. Um es kurz zu machen: Die ganze Aktion hat keine halbe Stunde gedauert, was einiges über die Anzahl der solidarisch handelnden KollegInnen und die Verbundenheit mit den zur der Zeit noch bestreikten Airbus-Werken aussagt.

Letztes Jahr gab es im Hamburger Werk ja bereits Entlassungen von Leiharbeitern. Um wie viele Leute ging es dabei, gab es Proteste?

Weder gab es Proteste, noch ist es für mich nachvollziehbar gewesen, welche Verträge mit den Verleihern entweder nicht verlängert oder sogar gekündigt worden sind. Eine wichtige Frage wäre: Wie bekommt man es hin, dass die Leih- und Fremdarbeitskräfte bei Airbus eine öffentlich wahrnehmbare Stimme bekommen? Die gehen nämlich in der ganzen öffentlichen Diskussion völlig unter. Und wie kriegt man es dann hin, dass man auch handlungsfähig wird?

Wie entwickeln sich Deine Arbeitsbedingungen?

Den fest angestellten KollegInnen werden mehr und mehr Aufgaben aufgedrückt, weil einfach keine neuen Leute eingestellt werden. Da werden dann auch noch jede Menge Überstunden gekloppt. Teilweise beauftragen in einzelnen Abteilungen fest eingebundene Leiharbeitskräfte sogar externe Dienstleister mit der Ausführung irgendwelcher Arbeiten. Diese externen Firmen wiederum holen sich, wenn sie den Auftrag nicht schaffen, dann wieder Leute von »Sklavenhändlern«, um den Auftrag auch wirklich ausführen zu können, um somit langfristig im Geschäft mit Airbus bleiben zu können. Standortdienstleistungen, die früher einmal von Airbus-Leuten ausgeführt wurden, werden heute mehr und mehr an externe Firmen vergeben, die sich im Zweifelsfall dann ihre Leute wieder von Verleihfirmen holen, und derjenige, der den Auftrag vergeben hat, war manchmal selbst nur eine Leiharbeitskraft – und musste die Ausführung des durch Fremdarbeitskräfte abgearbeiteten Auftrags dann auch noch kontrollieren. Total absurd.

Was bedeutet das Projekt A350xwb für Dich?

Der A350xwb ist ein zukunftsträchtiges Projekt, will heißen auf die nächsten Jahrzehnte ausgerichtet. Die deutschen Standorte sind an der Einführung dieser neuen Leichtbau-Technologie interessiert, um sich eine langfristige Existenzberechtigung zu sichern. Die massenhafte Abnahme des Airbus-Standard-Fliegers A320 ist zwar gut und schön, aber in absehbarer Zeit ist das ein Auslaufmodell. Es muss also nicht nur ein neues Design, sondern auch eine neue Technologie an den Start kommen, wenn mehr Flugzeuge verkauft werden sollen.

Dass der klassische A320 und seine Schwestermodelle A318, A319 etc. langfristig für das Geschäft von Airbus nicht wirklich von Bedeutung sind, beweist doch auch der Bau einer Airbus-Fabrik zur Fertigung dieser Flieger in China. Das Zukunftsgeschäft liegt beim A380, beim A350xwb und bei einem völlig neuen A320, der dann sicherlich auch im Zusammenhang mit der Kohlefaser-Technologie gebaut werden wird.

Wirkt sich diese Umstellung auf Kohlefaser-Technologie schon auf Ihren Arbeitsalltag aus?

Auf meinen jedenfalls nicht. Von mir aus könnten die in den Hallen auch Erdbeereis produzieren. Was allerdings die langfristige Absicherung meines Lohnarbeitsverhältnisses angeht, ist natürlich die Umsetzung der Kohlefasertechnologie für die Airbus-Standorte in Deutschland wichtig. Dass die Einführung dieser neuen Technologie für die Jobs bei Airbus in Deutschland von Bedeutung ist, das wissen auch alle KollegInnen, die nicht nur bis morgen denken.

Und ich selbst bin natürlich auch scharf darauf, dass Airbus in Hamburg diese Technologie fahren kann, einschließlich Forschung und Entwicklung, denn dann rutsche ich vielleicht irgendwann mal von einem völlig prekären Leiharbeitsjob in eine Festanstellung bei Airbus.

Es sei denn, ich fliege sowieso raus, weil jede Form von interner Dienstleistung nur noch von externen KollegInnen ausgeführt werden soll.

Ich arbeite nicht bei Airbus, weil ich Flugzeuge klasse finde oder weil ich mich bei der Arbeit selbst verwirkliche, sondern weil ich meine Miete und mein Essen und das eine oder das andere ganz persönliche Interesse finanzieren kann. Die Dinge, auf die ich Lust habe, mache ich nach Feierabend.

Sind die Beschäftigten zum kollektiven Handeln gegen die Werksleitung oder die Konzernleitung bereit?

Was für eine Frage. Ich bezweifele, dass der Begriff »kollektives Handeln« für mehr als fünf Prozent der Belegschaft – Festangestellte, Leiharbeitskräfte, Fremdarbeitskräfte, ganz egal – irgendwie zum Wortschatz gehört. Jeder ist sich ganz offensichtlich selbst der Nächste, schließlich muss die neue Einbauküche, das Auto oder das Häuschen abbezahlt werden... Angst vor persönlichen Konsequenzen spielt natürlich für die meisten KollegInnen auch eine große Rolle – also irgendwas zu tun, wofür man hinterher eventuell persönlich abgestraft werden könnte. Da geht es zunächst um den Bestand des eigenen Jobs – und der hängt von der Existenz der Abteilung ab, in der man arbeitet. Dann geht es um den Erhalt des Standortes, an dem man beschäftigt ist. Aber dafür ist man nicht selbst zuständig, dafür gibt es einen Betriebsrat. Der macht das schon – und wenn er es nicht richtig macht, dann bestätigt das mal wieder, dass »die« – der Betriebsrat – sowieso nur heiße Luft produzieren.

Danach geht es vielleicht um Airbus-Deutschland. Und ganz zum Schluss um das europäische Konstrukt Airbus als Tochter von EADS. Von EADS ist übrigens meiner Ansicht nach viel zu wenig die Rede.

Gibt es denn Kritik daran, dass EADS der größte europäische Rüstungskonzern ist, oder sind alle stolz auf den A400m?

EADS als großer Rüstungskonzern ist für die meisten erstmal ganz weit weg. Du würdest, wenn überhaupt, die Antwort bekommen »Airbus ist der zivile Part von EADS«.

Und im Nachsatz, dass der oder die KollegIn nicht wegen irgendeines Fliegers hier bei Airbus arbeitet, sondern um seien oder ihren Lebensunterhalt zu den bestmöglichen Konditionen zu verdienen. Das ist bei mir selbst nicht viel anders.

Ich habe ein Problem damit, eigentlich für einen Rüstungskonzern zu arbeiten. Aber ein größeres Problem wäre es für mich, meine Miete nicht mehr zahlen zu können. Also verkaufe ich mich. Notfalls auch bei einem Rüstungskonzern – und sehe da zu, was man eventuell so reißen könnte. Ich würde gern etwas anderes sagen, aber leider sind solche Fragen den allermeisten KollegInnen vollkommen egal. Die machen sich über so was gar keine Gedanken. Hier wird gebaut, wonach gefragt wird. Ob nun Erdbeereis oder Flugzeuge. Da setzt sich niemand mit auseinander oder fragt sein oder ihr Gewissen. Das ist zumindest mein Eindruck.

Wen vertritt der Betriebsrat, wer dominiert dort?

Gute Frage – mal ganz platt: Jede Belegschaft bekommt den Betriebsrat, den sie auch verdient, also sich selbst wählt. Wenn man sich selbst nicht engagiert und wenn man sich auch nicht großartig für Dinge interessiert, die über die ganz persönliche Belange hinausgehen, dann darf man sich nicht wundern, wenn man einen dementsprechenden Betriebsrat hat. Wobei ich jetzt nicht sagen will, dass der Betriebsrat bei Airbus nur Mist baut. Er könnte aber durchaus ein bisschen kämpferischer auftreten und seine Mittel zur Mobilisierung der KollegInnen weiter ausschöpfen, als er es bislang tut. Aktuell ganz besonders, was seine internationalen Connections angeht. Ich frage mich wirklich, wie lahmarschig man sein muss, wenn man es nicht auf die Reihe kriegt, zu einem Aktionstag wie am 7. Februar VertreterInnen der französischen Gewerkschaften zu Redebeiträgen einzuladen.

Allerdings: Wenn die Belegschaft in Deutschland selbst nicht sonderlich kämpferisch ist, was soll man dann von dem Betriebsrat erwarten, der sie vertritt?

An der Betriebsratswahl 2006, vor der »Airbus-Krise«, haben sich nur knapp 45 Prozent der KollegInnen in Hamburg überhaupt beteiligt, das spricht doch schon Bände.

Wenn die meisten die Wahl boykottiert hätten, weil sie irgendeine Alternative zur »Einheitsgewerkschaft« DGB bzw. zur IG Metall im Kopf gehabt hätten, dann wäre das klasse. So ist es aber nicht. Das war einfach Lethargie – eine Scheißegal-Stimmung, die bei den Angestellten stärker ausgeprägt ist als bei den Gewerblichen.

Was ein Betriebsrat zu tun oder zu lassen hat, war im Betriebsverfassungsgesetz von 1952 geregelt. Schon dieses Gesetz machte den Spielraum eines Betriebsrates ziemlich klein. Seit 2004 ist es durch das so genannte Drittelbeteiligungsgesetz abgelöst worden, was die Situation nicht eben vereinfacht hat, wenn man sich im legalistischen Rahmen bewegt.

Abgesehen davon, was man vom Betriebsverfassungsgesetz gehalten hat – auch über dessen Verabschiedung und was die Rechte und Pflichten eines Betriebsrates angeht, gab es einst große Kämpfe. Wir leben aber im Jahr 2007, und diese Kämpfe sind vergessen. Bei so etwas wie Eigeninitiative, Selbstorganisation, Bildung von Räten zur Kommunikation, Absprache oder Verständigung über ein daraus folgendes Handeln gilt: absolute Fehlanzeige!

Im Betriebsrat dominieren natürlich Mitglieder der IG Metall. Aber es gibt auch »Die FREIEN«, die ein bisschen die »gelbe Rolle« spielen, die früher einmal der DAG nachgesagt wurde. Sie verstehen sich als ein Zusammenschluss von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Airbus, die mehrheitlich gewerkschaftlich nicht organisiert sind. Sie wollen sich »betriebs- und standortbezogen« für die KollegInnen einsetzen, sagen sie. Immerhin bekamen sie bei der Betriebsratswahl im März 2006 fast 30 Prozent der Stimmen – von denen, die überhaupt abgegeben worden sind.

Eine wirklich linke Alternative stellte sich nicht zur Wahl. Ich wüsste auch nicht, wo die herkommen sollte und wie ich dazu beitragen könnte, um so etwas zu organisieren. Wenn Du in der IG Metall organisiert bist, wie ich, giltst Du ohnehin schon als Linker unter den KollegInnen. Der Organisationsgrad liegt bei irgendetwas um die 30 Prozent. Wenn das stimmen sollte, ist das für einen Industriebetrieb in der Metallbranche ziemlich wenig.

Also von linker Politik ist links von der IG Metall nichts zu sehen. Vielleicht mit Ausnahme von ein paar wackeren Kämpen der MLPD, die zumindest ab und an morgens vor den Werkstoren noch Flugblätter verteilen. Ich finde das ziemlich respektabel.

Von dem Club an sich halte ich zwar gar nichts, aber sie sind als Linke zumindest wahrnehmbar. Und was sie so in ihren Flyern verbraten, hat in der Regel auch Hand und Fuß – abgesehen davon, dass sie Dich natürlich für ihre Partei des »echten Sozialismus« einspannen wollen. Und es ist keinesfalls so, dass diese Flyer niemand liest.

Welche Rolle spielt die nationale Karte bei den Protesten?

Der Betriebsrat klagt immer wieder die Beteiligung von mehr Deutschen im europäischen Management von Airbus ein. Ich denke aber, dass es auf der Ebene des Managements völlig egal ist, welche Nationalität ein Manager hat. Ihr Job ist es, dafür zu sorgen, dass Flugzeuge gebaut und verkauft werden. Und das so billig wie möglich, weil die Konkurrenz zu Boeing das Geschäft ständig zu neuen Herausforderungen treibt. Und dann müssen sie sich auch noch mit irgendwelchen nationalen RegierungsvertreterInnen herumschlagen. Airbus ist kein ganz normales kapitalistisches Unternehmen, sondern ein Konstrukt.

Bei den KollegInnen, besonders im gewerblichen Bereich, bekommt man ganz massiv mit, dass bei ihnen die Schiene der Konkurrenz zwischen »den Deutschen« und »den Franzosen« total funktioniert. Der Gedanke, dass es dem Kapital letztendlich egal ist, wer mit welcher Nationalität Waren produziert und damit Profit für irgendwelche Unternehmer schafft, ist nicht sonderlich verbreitet.

Gibt es dazu Kontroversen in der Belegschaft?

Es gibt sie. Allerdings nicht darüber, ob man jetzt Unterschriften zur Solidarität abgibt oder sogar aus Solidarität streikt – oder ob man sogar anfangen sollte zu randalieren, wie es in Frankreich recht beliebt ist. Hier steht die Frage der persönlichen Sicherheit, oder eben auch der Absicherung des Standards, den die eigene Familie oder das individuelle Leben erreicht hat, im Vordergrund. Danach kommt ganz lange gar nichts. Und dann geht es um die Frage, ob man sich individuell rauswursteln kann oder ob man dem Betriebsrat und der Gewerkschaft vertraut und letztendlich das tut, was die vorschlagen oder wozu die aufrufen. Das individuelle Hintertürchen hält sich jede/r offen, man muss sich ja nicht an allem beteiligen. Dass es für viele dieses individuelle Hintertürchen einfach gar nicht gibt, ist kein Thema. Die haben eben Pech gehabt. Seinen eigenen Kopf in Solidarität zu den Problemen anderer auch hinzuhalten, das erscheint den meisten, die ich kennengelernt habe, zumindest als weltfremd.

Welche Rolle spielt die IG Metall bei der Forderung nach mehr staatlicher Kontrolle und Einflussnahme – kommen von ihr nationale Töne?

Die IG Metall hat es nicht gerade leicht bei Airbus in Hamburg. Das hat viele Gründe, z.B. den geringen Organisationsgrad der KollegInnen. Aber auch die Existenz der gelben Organisation »Die FREIEN« ist von Bedeutung und die Lethargie der meisten Airbus-KollegInnen. Die einzigen nationalen Töne von der IG Metall sind die Forderungen nach mehr Deutschen im Management.

Dass die Nationalität eines einzelnen Managers im Zeitalter der Globalisierung eine absolute Nebenfrage ist, weiß eigentlich jede/r, und deswegen halte ich den Inhalt dieser Forderung für ziemlichen Populismus. Mir stellt sich eher die Frage, was eigentlich der Unterschied zwischen einem modernen Imperialismus und so genannter Globalisierung ist.

Gibt es Kritik daran, dass mit staatlichen Geldern für einen Konzern eine aufwendige Infrastruktur geschaffen wurde, wie hier in Finkenwerder durch die Zuschüttung des Mühlenberger Loches, der Konzern dafür aber nur verhältnismäßig wenige Arbeitsplätze neu eingerichtet hat?

Nein, solche Kritik habe ich zumindest noch nicht mitbekommen. Wenn man sich in diesem Zusammenhang an Aktionen beteiligt hat, und das waren viele, dann steht das im Zusammenhang mit der ganz konkreten Absicherung des eigenen Jobs und des Standortes Finkenwerder – und somit der individuellen Absicherung.

Von irgendwelchen Kriegen hört man was in der Tagesschau, und was sind schon ein paar Apfelbäume oder ein Naturschutzgebiet, wie das frühere Mühlenberger Loch, wenn das eigene Häuschen noch nicht abbezahlt ist? Wenn man auf die Straße geht, dann für sein eigenes Haus. War ja schließlich teuer genug. Solidarität ist ein Fremdwort.


* Name von der Redaktion geändert

* Gaston Kirche ist Mitglied der Hamburger gruppe bricolage, gelernter Drucker, hat Ethnologie studiert, in Verlagen gearbeitet und versucht sich derzeit an einer Ich-AG im Dienstleistungssektor.

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 2/07


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