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Updated: 18.12.2012 15:51
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"Hohe Qualität zu günstigen Preisen"

ALDI-Schnäppchen entstehen unter übelsten Arbeitsbedingunen

All die Textilschnäppchen - nur recht und billig?
"Arbeitsbedingungen bei Aldi-Zulieferern in China und Indonesien "Discountunternehmen stehen mittlerweile an der Spitze des Textileinzelhandels. Jede zweite Kundin kauft Bekleidung bei Discountern wie Aldi, Plus und KiK. Der Autorin der Studie (Ingeborg Wick vom SÜDWIND Institut) ist es gelungen, über die Zulieferer des Familienunternehmens, das seine Geschäftsdaten gerne völlig unter Verschluss hält, Skandalöses herauszufinden. Ergebnis: Bei chinesischen und indonesischen Aldi-Zulieferern werden Arbeitsrechte in bisher kaum bekannten Ausmaß verletzt! So müssen z.B. in China Beschäftigte wochenlang auf ihre Löhne warten. Schulen kassieren von den Fabriken Gelder für die Vermittlung von minderjährigen Beschäftigten. Ein kleines, handliches informatives Buch über ein beliebtes Alltagsprodukt, dessen Herstellung den Käuferinnen meist nicht im geringsten bewusst sind. Aufklärung pur für ganze fünf Euro." Aus der Pressemitteilung des Südwind-Instituts

ALDI, der 1960 gegründete erste Billig-Lebensmittel-Discounter der Republik, macht seit geraumer Zeit auch mit Textilien eigener Handelsmarken Profite. Dabei sind die ALDIbrüder mit einer Milliarde Euro Umsatz bundesweit nicht nur die achtgrößten Textilhändler (nach Tengelmann mit Plus und KiK und vor Tschibo und Lidl) sondern auch die verschwiegensten. Über die Herkunft ihrer Waren hüllen sich Karl und Theo Albrecht in Schweigen und eine komplizierte, schwer durchschaubare Unternehmensstruktur ermöglicht ihnen, auch die üblichen Geschäftsdaten geheim und Gewerkschaften außen vor zu halten. Still und leise stiegen die Brüder zu den reichsten Männern der Welt mit einem geschätzten Vermögen von 40 Milliarden Euro auf.

Intensive Recherchen des kirchlichen SÜDWIND Instituts haben jetzt erstmals Textil-Zulieferer des ALDI-Konzerns in Asien ausfindig gemacht. Ergebnis: Billigste Klamottenschnäppchen für besserverdienende Deutsche (die machen fast die Hälfte der ALDI-Kunden aus!) bezahlen Näherinnen in China und Indonesien mit Arbeit unter brutalen, menschenunwürdigen und gesetzeswidrigen Bedingungen. Arbeiterinnen aus fünf Fabriken in der chinesischen Provinz Jiangsu haben in Befragungen ihren Arbeitsalltag geschildert. Und zwar anonym, um die Informantinnen vor staatliche Übergriffen zu schützen.

Frauen - sie sollten nicht älter als 22 Jahre sein - müssen für einen neuen Arbeitsplatz eine Kaution in Höhe eines Monatslohnes bis zu drei Monate beim Unternehmen hinterlegen. Damit werden sie an die Firma gebunden, denn bei Kündigung würde das Geld einbehalten. Die Näherinnen schuften bis zu sieben Tage die Woche und je nach Hersteller bis zu 336 Stunden im Monat. Weil sie nach Stücklohn bezahlt werden, kommen sie auf gerade mal die Hälfte oder sogar nur ein Drittel der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlöhne., die überdies oft mit großer Verzögerung ausgezahlt werden. Überstundenzuschläge gibt es nicht. Die Frauen sollen von umgerechnet rund 60 Euro oder gar nur 30 Euro im Monat überleben. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie die Betroffenen erzählen. Dieser Hungerlohn reiche weder für Ernährung noch für zusätzliche Ausgaben wie Schulgeld oder Medikamente.

Nach einem 13-Stunden Arbeitstag (mit zwei Stunden Pause) bleibt in manchen Fabriken nicht einmal Zeit, das Gelände kurz zu verlassen, da die meisten Wanderarbeiterinnen in den unternehmenseigenen Schlafsälen neben der Fertigungshalle hausen. Diese werden kurz nach Arbeitsende geschlossen und von Sicherheitsdiensten bewacht. Besuch ist nicht erlaubt. So könne man das Privatleben der Arbeiterinnen besser kontrollieren und überwachen, schreibt die Autorin der Studie, Ingeborg Wick. So halte man die Frauen davon ab, sich mit anderen Arbeiterinnen auszutauschen und sich wohlmöglich gewerkschaftlich zu organisieren. Auch Schwangerschaften würden so verhindert, weil Schwangere nicht so leistungsfähig sind und ihnen Rechte zustehen, die in allen untersuchten Fabriken nicht gewährt werden: Ablehnung von Überstunden, Mindestlöhne - und Kündigung.

Merkwürdig genug - für Kündigungen brauchen die Näherinnen die Erlaubnis des Arbeitgebers. Die Fabriken versuchen unter allen Umständen, die Kosten für die Suche nach neuen Arbeitssklaven zu vermeiden. Wer gehen will, riskiert den Verlust von ein bis zwei (absichtlich ausstehenden) Monatslöhnen. In einer der fünf Werke müssen die Frauen nachts an Sicherheitsbeamten vorbei aus den Schlafsälen schleichen, um den Ort ihrer Qual für immer verlassen zu können. Auch dies verletzt wie fast alle anderen Praktiken chinesische Arbeitsgesetze und -vorschriften.

ALDI hat, mit der Studie konfrontiert, sein übliches Schweigen gebrochen und einen Kommentar geschickt. Man sei sich seiner Verantwortung bewusst, heißt es da: "Dabei ist es uns selbstverständlich ein wichtiges Anliegen, dass die Produktion von Waren unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen erfolgt." Aber ALDI habe keinen "direkten Kontakt zu Produzenten", wolle nun aber neben das Vertrauen in seine deutschen Vertriebs und Importgesellschaften "auch Formen der Kontrolle treten lassen."

Das gleiche Anliegen verfolgt SÜDWIND, das Teil der "Kampagne für Saubere Kleidung" ist: Die Geschäftsbeziehungen zu Textilproduzenten sollen nicht abgebrochen und die Frauen arbeitslos gemacht, sondern die Arbeitsbedingungen menschenwürdig gestaltet werden. Auch damit beschäftigt sich die ALDI-Untersuchung und liefert eine prägnante Bilanz des Booms der "Globalen Sozialverantwortung von Unternehmen", (Corporate Social Responsibility, CRS). Nach fast 15 Jahren internationaler Kampagnen für Verhaltenskodizes in der globalen Lieferkette von Textilien und Bekleidung lautet das ernüchternde Fazit: Dreh und Angelpunkt bleibt die Frage eine unabhängigen Instanz, die die Einhaltung der Standards kontrolliert: "das Gros der weltweiten Unternehmen mit CRS-Konzepten <ist> gegen eine Beteiligung von Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen an unabhängigen Kontrollsystemen" und nutze freiwillige Selbstverpflichtungen als Werbung, um ihr Image aufzupolieren.

Seit dem Auslaufen des WTO-Welttextilabkommens Ende 2004 hat die globale Konkurrenz und der Druck auf Lieferanten sogar zugenommen. Darum, so SÜDWIND, müssen Unternehmen per Gesetz zu einer Berichterstattung über die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards in Produktions- und Lieferketten gezwungen werden, wie es in Großbritannien 2006 bereits geschehen sei.

Ohne weiteren Druck von unten, von Kundinnen und Verbrauchern, werden Unternehmen wie ALDI sich nicht bewegen. Schon Tschibo und Lidl haben auf imageschädigende Kampagnen immerhin mit CRS-Programmen reagiert. Das ist ein erster Schritt.

Die ALDIbroschüre von SÜDWIND gibt erstmals Einblicke in die Geschäftspraktiken von Zulieferern für ALDI, das vor der Veröffentlichung zu jegliche Kooperation ablehnte und sich nun dialogbereit zeigt. Ingeborg Wick ordnet ihre Befunde in den globalen Textilmarkt nach dem Ende des Welt-Textilabkommens ein und liefert dazu alle wichtigen Daten und Fakten. So erhalten LeserInnen nicht nur eine stichhaltige Analyse des deutschen Konzerns und seiner Zulieferer, sondern auch eine sachlich fundierte WTO-Kritik am Beispiel des Bekleidungssektors im globalisierten Kapitalismus, den jede Schnäppchenjägerin beim Einkauf in der ALDI-Filiale nebenan mit Händen greifen kann.

Südwind e.V.: "All die Textilschnäppchen - nur recht und billig." DIN A 4, 96 Seiten. 5 Euro auch als download bei: www.suedwind-institut.de externer Link

Artikel von Ingeborg Wick vom SÜDWIND Institut


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