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Updated: 18.12.2012 15:51
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Befristungsmissbrauch Grenzen setzen

Arbeits- und Klageanleitung für Hochschulpersonal

Im Folgenden dokumentieren wir anlässlich einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine gekürzte Stellungnahme der GEW aus dem Newsletter Hochschule und Forschung vom 20. Oktober 2011 – zur Nachahmung empfohlen:

»Das BAG hat dem völlig aus dem Ruder gelaufenen Befristungsunwesen in der Wissenschaft einen Riegel vorgeschoben«, sagte das für Hochschule und Forschung verantwortliche GEW-Vorstandmitglied Andreas Keller mit Blick auf ein Urteil zum befristeten Arbeitsvertrag einer Lektorin.

Das Gericht habe jetzt entschieden, dass Arbeitsverträge nur dann nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) befristet werden dürfen, wenn die Beschäftigten überwiegend im engeren Sinne wissenschaftlich arbeiten. Zudem müssten sie eine Stelle besetzen, die üblicherweise der wissenschaftlichen Qualifikation – etwa durch eine Dissertation oder Habilitation – dient. In dem Fall einer Lektorin sei der Arbeitsvertrag rechtswidrig nach WissZeitVG befristet worden, sie müsse einen unbefristeten Vertrag bekommen. »Daueraufgaben müssen durch Dauerstellen erledigt werden, diese Position hat das BAG gestärkt«, erklärte Keller mit Blick auf die Urteilsbegründung. »Die Entscheidung bedeutet kräftigen Rückenwind für das ›Templiner Manifest‹, mit dem sich die GEW ... für eine Stabilisierung der Beschäftigung in Hochschule und Forschung stark macht. Ich gehe davon aus, dass die Hochschulen jetzt eine Reihe weiterer rechtswidrig befristeter Arbeitsverträge entfristen müssen«, sagte Keller. (...)
Die Entscheidung des BAG ist von erheblicher Relevanz, da ähnliche Gründe für Kolleginnen und Kollegen zutreffen können. Im Folgenden möchten wir Sie daher informieren über den Inhalt des Urteils des Bundesarbeitsgerichts, die Konsequenzen aus diesem Urteil und das weitere Vorgehen für betroffene GEW-Mit-glieder.

Inhalt des BAG-Urteils

Das Gericht hat am 1. Juni ein Urteil gefällt, zu dem seit wenigen Tagen nun auch die Begründung vorliegt (im Wortlaut unter: http://juris.bundesarbeitsgericht.de/). Klägerin war eine von der GEW betreute Lehrkraft für besondere Aufgaben für Japanisch, die bereits promoviert ist und nach der Promotion nach dem Wiss-ZVG befristet wurde. Das BAG hat nun festgestellt, dass dies unzulässig ist, da der persönliche Geltungsbereich des WissZVG eine solche Befristung nicht zulasse. Dies kann auch nicht durch den Landesgesetzgeber übernommen werden, wie das BAG ausführt: »Die Gesetzessystematik spricht gegen die Annahme, dass die landeshochschulrechtlichen Bestimmungen für den personellen Geltungsbereich des WissZeitVG maßgeblich sein sollen.«
Weiter heißt es im Urteil des BAG: »Auch zeigt der Umstand, dass die Befristungstatbestände des § 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WissZeitVG [...] auf die Qualifikation des befristet beschäftigten Arbeitnehmers vor und nach der Promotion zugeschnitten sind und eine jeweils zulässige Befristungsdauer festlegen, dass als wissenschaftliches und künstlerisches Personal nur solches in Betracht kommt, bei dem die Beschäftigung zu-mindest typischerweise auf eine Promotion und/oder Habilitation zielt. Damit ist eine materiell-inhaltliche Bestimmung des personellen Anwendungsbereichs der Befristungsmöglichkeiten nach dem WissZeitVG getroffen.« Das BAG vertritt demnach in aller Deutlichkeit die Meinung, dass nicht alleine die formelle Bezeichnung der Tätigkeit durch den Landesgesetzgeber eine Befristung nach dem WissZeitVG rechtfertigt, sondern dies materiell-inhaltlich (etwa durch die Möglichkeit einer Qualifizierung) abgeleitet werden können muss. (...) »Der Begriff des ›wissenschaftlichen und künstlerischen Personals‹ bestimmt sich inhaltlich-auf-gabenbezogen. Anknüpfungspunkt ist die Art der zu erbringenden Dienstleistung. Zum ›wissenschaftlichen Personal‹ nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gehört derjenige Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Es kommt nicht auf die formelle Bezeichnung des Arbeitnehmers an, sondern auf den wissenschaftlichen Zuschnitt der von ihm auszuführenden Tätigkeit. Bei Mischtätigkeiten ist erforderlich, dass die wissenschaftlichen Dienstleistungen zeitlich überwiegen oder zumindest das Arbeitsverhältnis prägen. (...) Wissenschaftliche Betätigung ist eine Lehrtätigkeit aber nur dann, wenn dem Lehrenden die Möglichkeit zur eigenständigen Forschung und Reflexion verbleibt; die wissenschaftliche Lehrtätigkeit ist insofern von einer unterrichtenden Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug abzugrenzen.«

Für Fremdsprachenlektoren verneint das BAG die wissenschaftliche Tätigkeit. (...) Dies wird auch an anderer Stelle im Urteil weiter ausgeführt. Schließlich führt das BAG aus:
»Die Befristungstatbestände des WissZeitVG sind daher im Lichte eines angemessenen Ausgleichs der Interessen zwischen Hochschulen einerseits und dem wissenschaftlichen Personal andererseits zu verstehen (vgl. Preis WissZeitVG Einleitung Rn. 1f.). Dies bedingt gleichzeitig aber auch, den personellen Geltungsbereich des WissZeitVG nur auf das Personal zu erstrecken, bei dem der Gedanke der zur Sicherung der Innovationsfähigkeit notwendigen stetigen Personalfluktuation oder der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung greift. Ob dies der Fall ist, kann nur tätigkeitsbezogen festgestellt werden. Verbleibt dem Lehrenden kein hinreichender Freiraum zur eigenen Forschung, weist eine bloße Vermittlung praktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten im Sinne einer Wiedergabe von gesicherten und damit vorgegebenen Inhalten weder den erforderlichen Qualifikationsbezug auf, noch bedarf sie einer ständigen Fluktuation der Lehrenden zur Gewährleistung neuer Ideen, ohne den jegliche Forschung erstarren würde.«

Konsequenzen aus dem Urteil

Das Urteil des BAG bedeutet zunächst, dass Personen, deren Tätigkeit in der Vermittlung einer Fremdsprache besteht, in der Regel nicht nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz befristet beschäftigt werden können. Zweitens bedeutet das Urteil, dass auch andere Personengruppen, deren Stelle nicht typischerweise zu einer Qualifizierung (Promotion, Habilitation) führt und die nicht überwiegend wissenschaftlich im Sinne der Rechtsprechung tätig sind, in der Regel nicht nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz befristet werden können.

Weiteres Vorgehen für betroffene GEW-Mitglieder

Eine Mitgliedschaft in der GEW kann sich nun auszahlen: Wer zum genannten Personenkreis gehört, Mitglied der GEW ist und im Sinne der Rechtsschutzrichtlinien der GEW berechtigt ist, sollte sich zeitnah mit der jeweiligen Landesrechtsschutzstelle der GEW in Verbindung setzen, um prüfen zu lassen, ob eine Ent-fristungsklage aussichtsreich erscheint. Die Ansprechpartner sind über die GEW-Landesverbände zu erfahren. Die Landesrechtsschutzstellen sind durch uns über das Urteil informiert. Wenn die zuständige Landesrechtsschutzstelle zu der Auffassung gelangt, dass es sich um einen Fall analog dem des o.g. Urteils handelt, kann Rechtsschutz durch die DGB Rechtsschutz GmbH gewährt werden.
Wichtig: Die GEW übernimmt die Kosten nicht, wenn Sie selbstständig tätig werden. Die Kosten werden durch die GEW nur dann übernommen, wenn dies der Rechtsschutz gewährt hat – und auch nur in der durch die Landesrechtschutzstellen gewährten Form. Solche Entfristungsverfahren haben in der Regel einen hohen Streitwert und sind entsprechend teuer.
Achtung: Entfristungsklagen müssen spätestens drei Wochen nach Befristungsende eingereicht werden! Diese Frist ist unbedingt zu beachten und ggf. entsprechend schnell zu handeln.

erschienen im express, Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 12/11
express im Netz unter: www.express-afp.info, www.labournet.de/express externer Link


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