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Updated: 18.12.2012 15:51
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Streik bei Hyundai

Von Wolfgang Pomrehn

Beim südkoreanischen Automobilhersteller Hyundai Motors bahnt sich eine Machtprobe zwischen Gewerkschaften und Management an. Am gestrigen Montag legten die Arbeiter der Tagesschicht in den wichtigsten Werken für vier Stunden die Arbeit nieder. Auch in der Nachtschicht sollte vier Stunden gestreikt werden. Für den heutigen Dienstag und den morgigen Mittwoch ist eine Fortsetzung der Aktion angekündigt. Die Hyundai-Motors-Konzerngewerkschaft ruft zu den begrenzten Streiks auf, da das Management den üblichen Jahresendbonus um ein Drittel gekürzt hatte. Gewöhnlich bekommen die Beschäftigten bei Hyundai Motors zum Jahresende eine Sonderzahlung von 150 Prozent des Monatseinkommens. Doch diesmal soll es nur 100 Prozent geben. Als Begründung gibt die Unternehmensleitung an, die Beschäftigten hätten die Produktionsziele nicht erfüllt. Die Kürzung entspreche den Bestimmungen des Tarifvertrages. Die Gewerkschaft spricht hingegen von einer einseitigen Maßnahme des Managements und verweist darauf, daß die Spitzenmanager zum Jahresende mit Aktienoptionen für das Betriebsergebnis belohnt wurden. Zur Eskalation des Streits trug auch bei, daß der Konzernvorstand formale Verhandlungen mit der Gewerkschaft über die Bonushöhe ablehnte. Stattdessen hat er am Montag bei einem örtlichen Gericht beantragt, die Streiks untersagen zu lassen.

Hyundai ist Südkoreas größter Autohersteller und der sechstgrößte weltweit. Rund 40 Prozent der exportierten PKW kommen aus seinen Werken. 2006 wurden 1,62 Millionen Fahrzeuge, acht Prozent weniger als ursprünglich geplant. Von den rund 50 000 Hyundai-Beschäftigten gehören 44 000 der Gewerkschaft an.

Wegen der Auseinandersetzung gibt es bereits seit dem 28. Dezember einen Überstundenboykott. Doch die Konzernleitung will die Angelegenheit offensichtlich weiter zuspitzen. Der Boykott sei ein illegaler Streik, heißt es in Hyundai-Zentrale in Seoul. Man wolle die Gewerkschaft für den entstandenen Schaden verantwortlich machen. Bisher file die Produktion von rund 15 000 Fahrzeuge aus. Das Unternehmen hat daher am Montag vergangener Woche eine Schadensersatzklage in Höhe von einer Milliarde koreanischer Won (etwa 81 Millionen Euro) gegen die Gewerkschaft eingereicht.

Die Hyundai-Arbeiter gehören mit ihrer Gewerkschaft dem Dachverband KCTU (Korean Confederation for Trade Unions) an, der den kämpferischen Teil der südkoreanischen Gewerkschaftsbewegung organisiert. In ihm sind 744 Gewerkschaften zusammengeschlossen, die etwas über 600 000 Mitglieder repräsentieren. Wie in vielen ost- und südostasiatischen Ländern sind die Arbeiter in autonomen betrieblichen Organisationen Mitglied, die sich dann in Fach- und Dachverbänden zusammenschließen. In Südkorea gibt es seit längerem Bestrebungen, nach deutschem Vorbild Industriegewerkschaften zu organisieren. Ein Teil der Linken zieht jedoch die bisherigen Strukturen vor, weil sie von den Arbeitern besser zu kontrollieren sind.

Derweil bekommt Hyundai Rückenstärkung aus dem Unternehmerlager. Am Sonntag veröffentlichte die Koreanische Handelskammer gemeinsam mit vier weiteren Organisationen eine Erklärung in der eine Asage des Streiks gefordert wurde. Der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes KEF (Korea Employer Federation) Lee Dong-eung meinte bei der Gelegenheit gegenüber der Nachrichtenagentur Yonhap : "Der Streik ist illegal und die Regierung muß gegenüber der Gewerkschaft hart bleiben." Damit stieß er bei Arbeitsminister Lee Sang-soo auf offene Ohren, der Polizeiaktionen und Verhaftungen ankündigte.

Der Angriff auf die Hyundai-Beschäftigten trifft Südkoreas Gewerkschaftsbewegung in einem ungünstigen Augenblick, was die lautstarke Unterstützung aus dem Unternehmerlager erklären könnte: Der Dachverband KCTU wird derzeit von einer Führungskrise geschüttelt. Zu den üblichen, seit Jahren anhaltenden Auseinandersetzung zwischen klassenkämpferischen und eher sozialdemokratischen Strömungen ist in den letzten Monaten ein Korruptionsskandal hinzugekommen. Der Stellvertretende Vorsitzende Kang Seung-kyu soll von der Taxifahrergewerkschaft Bestechungsgelder angenommen. Der KCTU-Vorstand hat daher bereits im Oktober seinen kollektiven Rücktritt angekündigt. Auf einem außerordentlichen Gewerkschaftskongreß soll demnächst eine neue Führung gewählt werden.

Mag sein, daß man daher in der Hyundai-Chefetage den Zeitpunkt für das Begleichen alter Rechnungen gekommen sieht. Südkoreas Metall- und Automobilarbeiter haben in den letzten 20 Jahren nicht nur tatkräftig beim Sturz der Militärdiktatur geholfen, sondern auch wesentliche Verbesserungen der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen durchsetzen können. Kaum ein Jahr vergeht bei Hyundai Motors ohne Streik. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Yonhap hat das Unternehmen durch Streiks seit 1987 immerhin zehn Milliarden US-Dollar (etwa 7,6 Milliarden Euro) verloren. Was den Konzern allerdings nicht davon abgehalten, den Sprung in die Spitze der globalen Automobilindustrie vorzubereiten. Während die US-amerikanische Konkurrenz kränkelt und kaum Profit macht, plant Hyundai die kräftige Ausweitung der Produktion.

Der Artikel erschien zuerst in der jungen Welt vom 16.01.2007


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