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Updated: 18.12.2012 15:51
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Solidaritätskomitee für Opel Rüsselsheim: Ist die Niederlage schon vorprogrammiert?

Suppenküchen und Seelsorge statt Widerstand?

Rund 300 Opel-Beschäftigte und mit ihnen solidarische Bürger der Opelstadt hatten sich am Dienstag in der Stadthalle Rüsselsheim versammelt, um ein Solidaritätskomitee zu gründen und das weitere Vorgehen zu besprechen. Hierzu hatten das evangelische Dekanat, die katholische Betriebsseelsorge und die zuständige IG Metall-Verwaltungsstelle Darmstadt eingeladen.
Dass über die von Arbeitsplatzverlust betroffenen Opel-Beschäftigten hinaus die ganze Stadt vom Kahlschlag bei der deutschen GM-Tochter Opel betroffen wäre, brachten Grußadressen der Schulsprecherin Ann-Catrin Bielefeld („mit Opel geht Vergangenheit und Zukunft verloren“) des Betriebsrats beim IT-Dienstleister Imtech, Reiner Mangler zum Ausdruck.

Als Hauptredner zum Thema „GM, GME, OPEL ... Das globale Unternehmen – Spieler und Schiedsrichter zugleich?!“ trat Professor Friedhelm Hengsbach aus Frankfurt auf. Der Jesuit und Sozial-Ethiker beklagte die vorherrschende Sozialabbau- und Umverteilungspolitik wie auch die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich im Lande und den Trend zur Individualisierung der Lebensrisiken bei gleichzeitiger Aushöhlung der solidarischen Sicherungssysteme. Er setzte sich kritisch mit Hartz IV und dem vorherrschenden Argument auseinander, der „demographische Faktor“ erfordere Rentenkürzungen.

Im Zusammenhang mit der aktuellen Krise der Automobilindustrie plädierte Hengsbach für alternative Produktionsmodelle und nannte dabei das „Ein-Liter-Auto“ ebenso wie neue Verkehrsleitsysteme jenseits des rein auf das Auto fixierten Individualverkehrs. Alternativen für neue Arbeitsplätze seien auch in personenbezogenen Dienstleistungen und im Bildungsbereich zu entwickeln. Die heutige Autoindustrie berge bereits das Know-how für neue umweltverträgliche Systeme in sich.

Doch wer aus diesem Vortrag vielleicht sogar klassenkämpferische Schlussfolgerungen ziehen wollte, bekam gleich darauf einen Dämpfer verpasst. An die Adresse der Unternehmer richtete Professor Hengsbach den Appell, sie sollten endlich auch Gegenleistungen bringen und fair mit den Arbeitnehmern umgehen. Die Nagelprobe für die Unternehmen seit noch nicht bestanden, mahnte der Jesuit. Sie müssten jetzt zeigen, ob sie es ernst meinten, wenn sie von mündigen Mitarbeitern reden. Und sie sollten respektieren, dass Menschen eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Freizeit und deshalb auch entsprechende Arbeitszeiten wünschten.

Mehr noch als in den allgemein gehaltenen Ausführungen Hengsbachs zeigte der Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz Verständnis für die betriebswirtschaftlichen „Sachzwänge“ des GM-Konzerns. Verluste in Höhe von zwei Milliarden Euro seien nun mal nicht wegzudiskutieren, und ohne massiven Stellenabbau könne Opel aus der wirtschaftlichen Schieflage nicht herauskommen. Ohne Hengsbachs Ausführungen über die Möglichkeiten alternativer Produktion mit den bestehenden Produktionsanlagen und dem vorhandenen Know-how aufzugreifen, vermittelte der Betriebsratsvorsitzende ein düsteres Bild europaweiter und weltweiter Überkapazitäten in der Autoindustrie. Während europaweit 25% der Kapazitäten nicht genutzt würden, bauten die Konzerne derzeit in Osteuropa riesige neue Kapazitäten auf. Bald sei auch in China auf dem Automobilsektor mit 50% Überkapazitäten zu rechnen. Der Druck speziell auf Konzerne wie Ford, General Motors/Opel und VW würde stark zunehmen. In Deutschland sei bestenfalls noch mit einem stagnierenden Automarkt zu rechnen.

Klaus Franz sprach sich für den Ausbau gewerkschaftlicher Netzwerke in Osteuropa aus. Von einem kämpferischen Netzwerk mit der Bochumer Belegschaft, die er noch beim GM-Aktionstag im Oktober in Rüsselsheim wegen ihrer spontanen Arbeitsniederlegung öffentlich kritisiert hatte, war in dieser Veranstaltung allerdings weniger die Rede. Dabei sind gerade die Werke in Rüsselsheim und Bochum mit einem geplanten Stellenabbau von 4400 bzw. 4100 Beschäftigten die Hauptleidtragenden des GM-Kahlschlagsprogramms.

Insgesamt vermittelte der Betriebsratsvorsitzende ein pessimistisches Bild der Lage. Selbst wenn es gelinge, die gegenwärtigen Probleme zu überstehen, werde für Opelaner die Krise zum Dauerstress. GM werde künftig bei jedem Modellwechsel einen brutalen Konkurrenzkampf fördern und versuchen, Standorte gegeneinander auszuspielen: „Wenn es uns nicht gelingt, 2008 die neue Mittelklasse nach Rüsselsheim zu holen, gibt es keine Perspektive mehr.“

Dass der Betriebsratsvorsitzende Franz mit solchen Worten wenig Aufbruchstimmung und schon gar keine Alternativen vermitteln konnte, zeigte auch der verhaltene Beifall im Saal. Sein Vorgänger Rudi Müller hatte als Versammlungsleiter die Veranstaltung eingangs unter das Motto gestellt „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren“.

Allerdings – wenn Franz und sein Betriebsrat weiterhin den Kampf von vornherein für aussichtslos erklären und die Belegschaft nicht noch das Ruder herumreißen kann, dann könnte dem neuen Solidaritätskomitee früher oder später nur noch eines einfallen: Suppenküchen, Kinderfreizeiten und kirchliche Seelsorge für die Betroffenen organisieren. Massenhaft verteilt wurde an diesem Abend übrigens ein Flugblatt, das „Existenzgründer-Seminare“ anbot und den besorgten Opelanern Mut machte, sie könnten damit endlich ihr „eigener Chef“ werden.

Hans-Gerd Öfinger

Dieser Artikel ist die Langfassung eines Berichts, der am 2.12.2004 in der jungen Welt erschienen ist


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