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Updated: 18.12.2012 15:51 |
An den Von Augsburg, d. 23.11.2004 Sehr geehrter Herr Demant, hiermit fordere ich Sie auf, dafür zu sorgen, dass die fristlose Kündigung des Arbeitnehmervertreters Turhan Ersin im Werk Bochum, umgehend zurückgezogen wird. Es ist schon ziemlich anmaßend, dass gerade von Seiten der Opel-Verantwortlichen Herrn Ersin, eine „Nötigung“ zum wilden Streik vorgeworfen wird, wo es doch der Opel-Vorstand war, der versucht hat, die Beschäftigten „durch Drohung mit einem Übel (Standortaufgabe) zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung“ (StGB § 240) zu nötigen. Was der Vorstand als „wilden Streik“ bezeichnet, war rechtlich gesehen nichts anderes als Notwehr gegen diese Erpressung im Sinne von § 227 BGB, d.h. eine „Verteidigung, welche erforderlich (wurde), um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder (....) anderen abzuwehren“. In diesem Sinne ist auch der Versuch, Herrn Ersin nun durch fristlose Kündigung los zu werden, nur als Fortsetzung einer rechtswidrigen Politik des Vorstandes gegen die Beschäftigten zu betrachten. Offenbar sollen die Beschäftigten eingeschüchtert werden, um sich gegen solche Nötigung nicht mehr zu wehren. Eine ähnliche Sichtweise ergibt sich auch auf Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes § 2. Mit der Drohung von Arbeitsplatzvernichtung bei fehlender Bereitschaft der Belegschaft mehr umsonst für andere zu arbeiten, stört der Vorstand erheblich den im Gesetz geforderten Betriebsfrieden, was eigentlich eine fristlose Kündigung der Verantwortlichen zur Folge haben müsste. Der Betriebsrat, also die gewählte Vertretung der Beschäftigten, hat sich eindeutig gegen die Kündigung von Herrn Ersin ausgesprochen. Dass nun gerade die für die Erpressung der Beschäftigten Verantwortlichen sich hinter bestimmte, ang. durch Herrn Ersin „genötigte“ Kollegen, stellen, ist nicht nur lächerlich, sondern enthüllt eine völlige Ignoranz demokratischer Entscheidungen von Seiten der gewählten Vertretung der Beschäftigten. Die Vorliebe für diktatorische Formen in Großbetrieben sollte allerdings mit wachsamen Augen betrachtet werden. Dass dieses Vorgehen eine ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie darstellt, zeigt sich auch darin, dass die für die ganze Aktion Verantwortlichen, die vom Grundgesetz geforderte Sozialverpflichtung des Eigentums nach Artikel 14 Grundgesetz nicht mehr zu kennen scheinen, sich also verfassungsfeindlich verhalten. Hierbei sollten sie bedenken, dass gerade „Anteilseigentum (...) in seinem mitgliedschaftsrechtlichen und seinem vermögensrechtlichen Element gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum (ist)“ (BVerfGE 50,290), es also – nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – nicht ohne Sozialverpflichtung zu betrachten ist. Den Beschäftigten durch Kürzung etwas wegzunehmen, um Kapitalgeber und Aktionäre mehr zu geben bzw. deren Geldanlagen zu sichern, ist eindeutig grundgesetzwidrig. Damit wird inhaltlich die materielle Existenzgrundlage des wertschaffenden Teils zugunsten einer nicht existenziell erforderlichen Wertabschöpfung durch Kapital- und Geldanlage unzulässig beschnitten. Der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz ist verletzt. Die Erpressungspolitik gegenüber den Beschäftigten gefährdet zusätzlich noch deren freie Entfaltung durch mehr Arbeit für andere und weniger freie Zeit. Damit erhält der nicht wertschaffende und nur von Geldanlage lebende Teil ein gesellschaftlich nicht akzeptables Übergewicht, was eine Gefahr für den demokratischen und sozialen Rechtsstaat darstellt. Der antidemokratische Weg, welcher der Vorstand von
Opel hier beschritten hat, ist auch wirtschaftlich kontraproduktiv, wie
die nackten wirtschaftspolitischen Zahlen zeigen. Dass Arbeitslosigkeit
und Staatsverschulden zunehmen, ist einzig Resultat einer fehlenden Der gegenwärtige wirtschaftliche Zustand des Unternehmens spricht vor allem für deutlich mehr Mitbestimmung. Die Beschäftigten müssen offensichtlich mehr in Besetzung und Vergütung von Vorständen eingreifen können. Hier zeigt die wirtschaftliche Situation bei Opel, dass die bisherige Mitbestimmung durch die Belegschaft und ihrer Vertretungsorgane viel zu gering und zu wenig effektiv war. Mehr Demokratie im Betrieb sichert auch eine größere Orientierung auf das Gemeinwohl und wendet deren Belastungen durch Kündigungen und übermäßigen Verschleiß der Arbeitskraft ab. In der bereits zitieren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wurde im Übrigen auch darauf hingewiesen, dass das Grundgesetz keine bestimmte Wirtschaftsordnung geschaffen hat, „sondern es habe sich insoweit bewußt offen gehalten und gerade auf dem Gebiet der Wirtschaftsordnung dem Gesetzgeber weite Gestaltungsfreiheit eingeräumt“ (BVerfGE 50,290). D.h. dass ggf. hier noch einiges notfalls verändert bzw. „reformiert“ werden muss, wenn starke Wirtschaftskonzerne nur noch mit Entlassung und Lohnabbau überleben können. Allerdings bin ich zuversichtlich, dass der Rechtsstaat
sich von antidemokratischer und antisozialer Erpressungspolitik nicht
beeinflussen lässt und die Kündigung von Herrn Mit freundlichen Grüßen (Armin Kammrad) |