Auslagerung (Outsourcing)

Bericht über den Stand unserer Diskussion
in der "Standorte-Gruppe" bei Opel/GM-Bochum
November 1999

Opel-Bochum beschäftigt im September 1999 noch 14 200 Leute . Im April 1992 waren wir noch 19 200. "In den nächsten Jahren, bis 2004, 2005 will Opel die Beschäftigtenzahl in Bochum auf 7 bis 8000 reduzieren, also etwa die Hälfte der Arbeitsplätze abbauen."

So die einhellige Auskunft von den Vorsitzenden des Bochumer Betriebsrats und der IGM-Vertrauensleute, beide Aufsichtsratsmitglieder der A. Opel AG. Selbst wenn Opel diese Zahlen so bisher nicht bestätigt und gerne anfangs höhere Abbau-Zahlen angeben mag, damit dann bei eventuell geringerem Abbau "alles nicht so schlimm" und "wir sind ja kompromissbereit und reduzieren nur auf 9000" oder Ähnliches verkündet werden kann: wir haben die Pläne ernstzunehmen, umfassend zu analysieren und unsere Position, unsere Vorschläge zur Gegenwehr zu erarbeiten. Neben der laufenden Produktivitätssteigerung (GM-Anweisung : 6% jährlich) ist "outsourcing" die wichtigste Methode zur Realiserung des geplanten Personalabbaus, nicht nur bei Opel.

A Zur Analyse dieser Kapitalstrategie und ihrer Auswirkungen

1. Strategie seitens der Unternehmer allgemein und des GM/Opel-Managements

Zu den Zielen und Formen der Auslagerungsstrategie einige Diskussionspunkte und Beispiele:

a) Bei den Methoden müssen wir wegen gewerkschaftspolitisch und rechtlich unterschiedliche Auswirkungen und Gegenwehr-Möglichkeiten unterscheiden:

b) Weltweit für die Autokonzerne "musterhafte" Auslagerungsprojekte:

c) Zur Opel/GM Strategie Bo Andersson, ehemals Opel-Vorstandsmitglied, jetzt GM-Chefeinkäufer Europa(3):

d) Zur Lage und Entwicklung der Zulieferer-Unternehmen:

e) Wir haben bei Opel in Bochum schon zahlreiche Auslagerungsmaßnahmen erlebt, über die wir in der Gruppe und in der Belegschaft diskutiert und Auseinandersetzungen geführt haben:

2. Zur Analyse der Outsourcing-Strategie seitens der IG Metall

a) In unserem Papier zur "Standort"-Ideologie vom September 1995 (12) haben wir den falschen und auf nationalen "Sieg im Konkurrenzkrieg" ausgerichteten Ansatz der Gewerkschaften bei ihrer Analyse der "Schlanken Produktion" und der Globalisierung ausführlich kritisiert. Dies Papier ist in unsere Debatte einzubeziehen!!

b) "Arbeitsplatzabbau, Lohndumping und immer mehr Leistungsdruck" beklagt die IGM(13) angesichts der neuen Zulieferer-Beziehungen. "Die Entwicklung kann dazu führen, dass in der Autofabrik bald gar nichts mehr produziert wird, sondern nur noch die fertigen Systeme montiert werden." Die Autokonzerne "sehen ihre zukünftige Rolle vor allem als Marketing- und Vertriebsgesellschaften: Sie entwerfen die neuen Produkte und statt selber zu produzieren wachen sie nur über die Produktionsabläufe... Von den neuen Hersteller-Zulieferbeziehungen erwarten die Konzerne Kostensenkungen um 20 bis 50 %"... und ..."setzen ihre direkten Zulieferer immer stärker unter Druck...und die wiederum pressen ihre Unterlieferanten. ... Je mehr Firmen bei der Produktion eines Autos mitmischen, desto unübersichtlicher und schwieriger werden die betriebliche und gewerkschaftliche Interessenvertretung." Die IGM zitiert zum Schluß dieses metall-Artikels den Opel-GBR-Vorsitzenden Rudi Müller: "Wo deutsche Zulieferer dem Verdrängungswettbewerb zum Opfer fallen, stehen dann Anbieter aus Osteuropa oder Asien bereit."

c) Lapidar wird von IGM-Experten zur Methode der weltweiten Kostenvergleiche festgestellt: "Benchmarking ist ein Baustein für eine lernende Organisation, die der Schlüssel zum Überleben im globalen Wettbewerb ist ... Betriebsräte werden sich also auch zukünftig mit Benchmarking-Auslagerungen auseinanderzusetzen haben."(14)

3. Unsere Diskussion der Auslagerungsstrategie und ihrer Auswirkungen

a) Vorüberlegungen

Erste Vor-Überlegung: Was finden wir das eigentlich Schlimme an den neuen Unternehmerangriffen? Was wollen wir erreichen? Von unseren eigenen Zielvorstellungen hängen ja auch Analyse und Kritik ab.

Also heißt die eigentliche Forderung der Kolleginnen und Kollegen zunächst nur: "Wir wollen unseren jetzigen Lebensstandard mindestens halten, unsere jetzigen Arbeitsbedingungen nicht noch verschlechtern!"

Wir von der Standorte-Gruppe kritisieren seit je aber den durch die geschichtliche Entwicklung zu verstehenden Zwang, dass die Masse der Menschen auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft an die kleine Klasse der Produktionsmittelbesitzer angewiesen ist und dass deren Produktionsmethoden- und ziele nicht auf die Bedürfnisse der Menschen sondern auf die Kapitalverwertung ausgerichtet sind. Beispielsweise haben wir bei der Einführung der Roboter im Rohbau 1984 samt der Beseitigung von 500 Jobs dort auch nicht mit der Forderung reagiert, die schlimmen Arbeitsplätze an den Schweißzangen müssten erhalten bleiben. Damals gingen wir in die heiße Phase des Kampfes um Arbeitszeitverkürzung. Damit wollten wir verhindern, dass durch die Rationalisierungseffekte unsere Einkommensmöglichkeiten beschnitten würden (zum Beispiel durch Entlassungen) und gleichzeitig wollten wir für uns mehr Zeit zum Leben gewinnen...

Zweite Vor-Überlegung: So können wir auch die Diskussion um die neuen Rationalisierungsangriffe nicht einfach mit der Zielvorstellung führen, "Hauptsache die Arbeitsplätze bleiben erhalten". Sogenannte "Realpolitiker" wollen uns damit an eine dümmliche, illusionäre Politik binden. Nachweisbar real ist, dass wir, die Masse der Lohnabhängigen, erst mal nichts anderes wollen, als unseren Lebensstandard zu erhalten und möglichst zu verbessern. Und nachweisbar real ist, dass das kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem "sichere Arbeitsplätze" nicht bieten kann. Für den Erhalt und die Verbesserungen unseres Lebenstandards sind wir gezwungen zu kämpfen.

Beziehen wir daher weitreichende Überlegungen in unsere Analyse der Auslagerungsstrategie und von möglicher Gegenwehr ein:

Die Kolleginnen und Kollegen machen heute im Produktionsprozess viele neue Erfahrungen. Die enge Anbindung der Produktion der Zulieferer-Belegschaften an unsere Arbeit bei Opel, just in time, alles per EDV miteinander verknüpft, erleben wir tagtäglich. Fast Hand in Hand arbeiten wir mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Betrieben innerhalb des Werkes zusammen. Falls Opels Pläne aufgehen, arbeiten wir bald noch enger mit Zuliefer-Belegschaften auf dem Opel-Gelände und auch in größeren Entfernungen zusammen. Viele von uns sind per PC mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Produktionsbereichen und anderen Unternehmen bei der Arbeit in Kontakt. In einer riesigen vernetzten Produktionskette stellen wir gemeinsam Produkte her. Die kann man bald per Computer so auswählen und bestellen, wie wir sie dann produzieren sollen. Kann solch eine Gesamtproduktion nur so organisiert sein, dass wir uns bei der Arbeit fertigmachen? Ständig Angst haben müssen vor Einkommensverlust oder Verschlechterung unserer Arbeitsbedingungen? Brauchen wir bei der Arbeit all die gut bezahlten Aufpasser, all die Oberbosse, die mit ihren Profit-Köpfen die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Belegschaften bloß behindern? In der Gruppen-Arbeit können wir unsere Gruppensprecher wählen und wieder abwählen . Kann man sich das nicht auch mit Meistern, Betriebsleitern usw vorstellen, mit Leuten, die eine Zeitlang bestimmte Organisationsaufgaben in unserer betriebsübergreifenden Zusammenarbeit zu regeln hätten? Haben wir nicht gelernt, uns weiterzuqualifizieren? Will man nicht andauernd in den Gruppengesprächen, den KVPs , durch Verbesserungsvorschläge an unsere Erfahrungen und Ideen ran? Muss das mit dem Ergebnis enden, dass wir noch mehr ausgemistet werden?

Was hindert uns an einer vernünftigen Zusammenarbeit, an gut erträglichen Arbeitsbedingungen, an sinnvoller Planung der notwendigen und gewünschten Produkte und Dienstleistungen?

Trauen wir uns ruhig an solche Diskussionen ran. Über den krassen Unterschied von Reichtum und Armut bei uns und auf der Welt regen sich fast alle auf. Wir machen "vor Ort" genug Erfahrungen, wie und mit welcher Zielvorgabe der Reichtum einiger weniger tagtäglich von uns erarbeitet wird. Wir können uns das auch anders vorstellen.

b) Die unmittelbaren Profitwirkungen der Auslagerungsstrategie haben wir vielfach angeprangert:

c) Was bleibt bei den Herstellern außer der immer weiter reduzierten "Kerngeschäft"-Produktion ? Marktforschung, Modell-Entwicklung samt -Forschung, globaler Einkauf und Vermarktung, Preis- Profitkalkulation.

Die Autokapitalisten erreichen also, ihr Kapital nicht mehr an so teure Anlagen und Riesenbelegschaften gebunden zu haben, sondern flexibler, breiter einsetzen, in andere Bereiche (Finanzgeschäfte) lenken zu können, (obwohl weltweit der Auto-Bedarf und die Profitmöglichkeit noch hoch bleiben...) Hier zeigt sich der ungeheure von der Weltmarktentwicklung bestimmte Druck auf die Manager, kurzfristige Profit-Erfolge im Sinne des Shareholder-Value vorweisen zu müssen...

Dabei handelt es sich insgesamt um einen Prozess der Zentralisierung, Konzentration. Bei scheinbarer "Dezentralisierung" durch Zergliederung bleibt in Wahrheit die zentrale Regie bei immer weniger Multis. Diese arbeiten wie "Virtual Companies", fraktale Fabriken, ziehen ihre Shareholder Value-Unternehmungen als zeitlich befristete und auskalkulierte Projekte durch wie eine Filmproduktion...

Die Autohersteller steuern den globalen Verwertungsprozess ihres Kapitals. Sie erpressen auch die Zulieferer (wie die Belegschaften, wie auch kommunale, Landes- und nationale Regierungen...). "Wir sind doch keine Erpresser", wies Opel-Vorstandsmitglied W. Strinz auf einer Belegschaftsversammlung in Bochum diese Kritik zurück, "der Markt zwingt uns doch zu diesem Vorgehen." Immerhin sind diese Manager aktive Vollstrecker der marktwirtschaftlichen Systemzwänge..., nicht zuletzt auch im ureigenen Karriere-Interesse; Teile ihrer Spitzen-Gehälter sind meist auch direkt ertragsabhängig...

d) Auswirkungen auf die Lohnabhängigen insgesamt, die Gesellschaft...

f) Weitere, unmittelbare Auswirkungen auf die Beschäftigten in den Autofabriken.

Beispiel: unsere "Standorte-Extra" vom 19.8.98: "Opels GmbH-Planung für die Logistik muss vom Tisch": "Das ist ein Angriff auf uns alle!

Auswirkung auf den Arbeitsprozess (Arbeiter u Angestellte):

 

B Gegenwehr, Aufgaben und Möglichkeiten

1. Zu den Vorschlägen und zur Praxis der IG Metall

a) In der "metall"-Zeitung(15) empfiehlt die IGM folgende Forderungen:

Keine betriebsbedingten Kündigungen! Bei Auslagerungen gilt Rückkehrrecht zum ehemaligen Arbeitgeber! Fremdfirmen müssen bestimmte Bedingungen erfüllen wie Tarifbindung, kein Sozialdumping, keine Leiharbeiter!
Notwendig sei stärkere Kooperation zwischen BR der Hersteller- und Zulieferfirmen. "Betrifft IGM: Flächen-TV verteidigen! Mit anderen DGB-Gewerkschaften verbindliche Absprachen treffen über gemeinsame Standards, wenn Arbeitnehmer unterschiedlicher Organisationsbereiche zusammenarbeiten ...Tariffreie Räume und Unterbietungskonkurrenz verhindern!..." - Von einer entsprechenden Praxis in irgendeinem Autokonzern wissen wir bisher nichts.

b) Für die praktische Ausrichtung der IGM-Politik vor Ort sind eher folgende IGM-Vorschläge kennzeichnend:

"Es darf nichts geben, was wir nicht besser als externe Anbieter können. Wo andere unsere Leistung übertreffen, müssen wir selbst noch besser werden, könnte eine Antwort auf den vorherrschenden Trend lauten: auf Teufel komm raus outzusourcen.", so in der IGM-Broschüre "Handlungshilfe für Betriebsräte".(16)

Diese Antwort auf die Auslagerungsangriffe macht den Kampf um Einkommens- und Arbeitsplatzsicherung abhängig vom aktiven Einsatz für Erhalt und Verbesserung der "Wettbewerbsfähigkeit" sprich Profitmaximierung des jeweiligen Unternehmers. Entsprechend loben die zwei IGM-Delegierten im Opel-Aufsichtsrat "Der Gesamtbetriebsrat konnte bei Opel erreichen, dass Outsourcingentscheidungen nicht nach einer abstrakten Definition Kern-, Nicht-Kernbelegschaft, sondern ausschließlich nach Wirtschaftlichkeitsaspekten vorgenommen werden."(17)

Also es ist nicht einfach so, daß sich die Gewerkschaft als "hilflos" erweist, sondern sie treibt die von uns beklagte Wettbewerbsideologie massiv durch diese Art von Anleitungen in die Köpfe der Beschäftigten und sorgt durch diese Art Gewerkschaftspolitik mit dafür - neben all den anderen ideologisch-politischen Propagandamächten -, daß sich auch kein Blick öffnet für eventuelle andere Möglichkeiten, mit den Auslagerungs-Angriffen umzugehen.

c) Wie wir in unserem "Standorte"- Papier im September 1995 beschrieben haben, orientiert uns die offizielle Gewerkschaftspolitik auf sog. "betriebliche Lösungen" und damit auf enge Anbindung an betriebswirtschaftliche Rentabilitätszwänge, und nicht auf Festlegung gewerkschaftlicher Gesamtziele- und -strategien. Statt auf gewerkschaftliche Gegenwehr setzen unsere führenden Funktionäre auf "Gestaltungsmacht" , und selbst bei allgemeinen gewerkschaftlichen Forderungen wie Arbeitszeitverkürzung wird die Umsetzung schnell auf "betriebliche Lösungen", auf die von den Betriebsräten zu erzielenden Vereinbarungen geschoben...

d) Folgende Entwicklung müssen wir sorgfältig beobachten: derzeit bieten viele sich als "gewerkschaftsnah" ansehende Beratungsinstitute und WissenschaftlerInnen Schulungskonzepte für Betriebsräte in logistischen Produktionsketten an, versuchen also Hersteller- und Zuliefer-Betriebsräte an einen Seminartisch zu bekommen. Dabei wird oft ausdrücklich Co-Management gelehrt im Sinne von einer für den Unternehmer "effizienten BR-Arbeit", die gleichzeitig Humanisierungszielen dienen soll. Auf dieser Grundlage sollen die Betriebsräte helfen, die gesamte Kette der Produktion störungsfreier und "effizienter" zu machen. Betriebsräte bieten also durch ihre engen Kontakte mit den Betriebsräten der anderen Werke den Managern an, bei Problemen des Arbeitsablaufs und der Zusammenarbeit mit den anderen Firmen behilflich zu sein und dafür dann auch bestimmte Forderungen für die Belegschaft geregelt zu bekommen - sofern "wirtschaftlich vertretbar..."

2. Zur offiziellen Betriebsratspolitik bei der A. Opel AG

a) Dazu hier zur Erinnerung die beiden wichtigsten Betriebsvereinbarungen zum Thema Auslagerung:

1) Leitfaden zur Handhabung von MSR/MOB-Verfahren(18)

2) Auslagerung und "Standortsicherungsvertrag II"(19)

  • Arbeitszeitverkürzung gem. Beschäftigungsicherungs-TV .
  • Interne Versetzungen/Versetzung in andere Werke...
  • Ausgliederungen (dazu die Anmerkung 19: "Ziffer F.II.2 = Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen= findet keine Anwendung, sofern ein von der Ausgliederung betroffener Mitarbeiter dem Betriebsübergang ohne sachlichen Grund widerspricht. Auf die Rechtssprechung des BAG, Az.:10 AZR 553/96 wird Bezug genommen.")

Zum Standortvertrag II folgende praktische Erfahrung: Brief vom GBR-Vors. Rudi Müller an den Vorstandsvors Bob Hendry, 3.9.99: Der GBR erinnert "nach eineinhalb Jahren" an "zusätzliche Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung" und beklagt "Nach Auffassung des GBR sind dazu bisher keine entsprechenden Anstrengungen erkennbar. Vielmehr gibt es Tendenzen, die genau in die umgekehrte und damit vertragswidrige Richtung weisen."

Allerdings unterschreibt der BR Rüsselsheim am 15.07.98 eine "Absprache" über das neue ("Leanfield-")Werk in Rüsselsheim u.a. fest: "9. Schlußbestimmung. Diese Rahmenabsprache ist an die Realisierung des neuen Werkes mit einem überarbeiteten Karosseriebau, einer neuen Lackiererei und Montage sowie einem Lieferantenpark gebunden"...

b) Praktisch erleben wir von führenden Betriebsräten eine knallharte Ausrichtung sämtlicher Überlegungen auf die Frage "Wie können wir im Konkurrenzkampf am besten mitbieten ?" "Machen wir uns nichts vor. Wir treten auch in Konkurrenz zu den Kollegen in den Zulieferwerken!" verkündet der BR-Vorsitzende, u.a. auf der Belegschaftsversammlung am 11.9.99. "Wir brauchen konkrete Vorschläge!" wird gefordert und gedroht, "sonst sind Tausende von Arbeitsplätzen weg!". Und diese Vorstellung von "konkreten Vorschlägen" klebt an der betriebswirtschaftlichen Forderung des Managements nach kosten- sprich profitgünstigen "Lösungen", die eben besser aussehen müssen als die "Angebote" von außen.... Jede Überlegung betrieblicher und überbetrieblicher, gewerkschaftlicher Gegenwehr wird belächelt und als "unrealistisch" und "alternativlos" abgewürgt... (Gleichzeitig wundert man sich darüber, dass die KollegInnen sich fragen, wozu sie dann noch in der IG Metall sind...

Typische Redensart der Konkurrenz-orientierten Betriebsräte ist auch: "Die Rüsselsheimer oder die Kaiserslauterner freuen sich, wenn..." sie "uns" was "wegschnappen" können etc. Gemeint sind gewisse Rüsselsheimer oder Kaiserslauterner (oder Antwerpener oder oder) BETRIEBSRÄTE, die ebenfalls an der Leine "ihres" Managements beim Erpressungswettbewerb "mitbieten". Gemeint sind nicht die KollegInnen in den anderen Betrieben, unter denen es sicher auch genug gibt, die diese Ausspielerei durchschauen und für ausweglos halten...

Typisch auch zuletzt der Vorstoß des Opel-BR-Vorsitzenden Ende November in Presse/Radio/TV: um den geplanten Stellenabbau von 4000 in Bochum "zu verhindern", - so heißt es zum Beispiel in der Frankfurter Rundschau vom 26.11.99 - "ist die Arbeitnehmervertretung bereit, bei Neueinstellungen über Lohneinbußen von maximal einem Drittel zu verhandeln."

Ohne Diskussion und Beschluss in der Arbeitnehmervertretung, noch erst recht in der Belegschaft und im Vertrauensleutekörper, prescht der BR-Vorsitzende mit einem Lohnverzichtsangebot voran, lenkt damit alle Hoffnung wieder auf "Kostensparen", spaltet zwischen Neueingestellten und jetziger Opel-Belegschaft, und leistet insgesamt damit seinen Privat-Beitrag zur vieldiskutierten Entwicklung eines Niedriglohnsektors in der Bundesrepublik und damit zum Angriff auf unser gesamtes Lohnniveau...

3. Andere Gewerkschaften mit vorbildlichen Erfahrungen im Kampf gegen die Auslagerungsstrategie?

a) Kanada, CAW-Gewerkschaft (Canadian Automobil-Workers):

Die gewerkschaftsoffizielle Ausrichtung hört sich anders an als bei der IGM: "...Das Argument der ´Wettbewerbsfähigkeit´ zu akzeptieren bedeutet, uns auf eine Tretmühle einzulassen, auf ein Rennen, das wir nicht gewinnen können. ... Es zwingt uns dazu, mit Ländern zu konkurrieren, deren Lebensstandard unter dem bleibt, wo wir bereits vor Jahrzehnten waren. Und es führt zu Vergleichen mit politischen Regimen, die den Lebensstandard niedrig halten, indem sie wesentliche Menschen- und Gewerkschaftsrechte negieren. Es bedeutet heute Konzessionen und noch mehr Konzessionen morgen, da andere Beschäftigte ebenfalls glauben, in die Abwärtsspirale eintreten zu müssen."(20)

Als praktisches Beispiel für die CAW-Politik haben wir in "Standorte" (21) von der Besetzung des GM-Betriebs in Oshawa berichtet "GM-Beschäftigte erreichen Vertrag zum Schutz vor Arbeitsplatzabbau mittels Auslagerungen und Fremdvergabe - durch 21tägigen Streik und Betriebsbesetzung..."

b) USA, UAW-Gewerkschaft:

Präsident Yokich hat Fremdvergabe und Modular assembly kritisiert und gefordert: :"Keine Verlagerung von UAW-Betrieben in Nicht-UAW-Zulieferer", sonst "werden wir an der Basis gekillt!" "Mindestens 51% der unit (der Produktionseinheit) müsse erhalten bleiben" (22)

Insgesamt gibt es zwischen Worten und Taten der offiziellen UAW-Führer jedoch viele von der Basis kritisierte Widersprüche...

c) Für unseren Kampf wichtige und zu diskutierende Aktionen und Erfahrungen gibt es aktuell in vielen anderen Betrieben und Ländern, so z.B.:

Seit Mittwoch rollen keine bunten Smarts mehr aus der Fabrik im französischen Ort Hambach. Ein Streik bei Subunternehmen, die unter anderem die Karosserien für das zweifarbige Kleinstauto produzieren, schnitt binnen weniger Tage den Nachschub ab. Gestern nachmittag berieten die Streikenden, die 450 Mark Lohnerhöhung und ein Ende des Missbrauchs mit Zeitarbeitsverträgen verlangen, über eine Fortsetzung ihrer Proteste in der nächsten Woche.

Der Konflikt war ausgebrochen, als am vergangenen Montag 30 Beschäftigte des kanadisch-österreichischen Karosserieherstellers Magna in den Streik traten und mehrere Zufahrtswege zu dem Werk blockierten. Die Arbeiter hatten seit Monaten versucht, ihren Patron auf dem Verhandlungsweg zu einer Erhöhung der Löhne zu bringen. Damit setzte ein Schneeballeffekt in dem erst 1997 eröffneten Werk ein. Bis Mittwoch waren bereits die Mitarbeiter von zwei weiteren Zuliefererunternehmen, die unter anderem Türen des Wagens herstellen, im Streik." Mit einer Barrikade versperrten Arbeiter zeitweilig das Werk. 600 Autos konnten nicht gebaut werden. Erreicht wurde zunächst eine einmalige Lohnzulage.(26)

Die 1.500 Arbeiter der 9 verschiedenen Firmen des Konsortiums von VW-Resende-Brasilien haben am 11. August 1999 einen Streik begonnen, nachdem sie in der Woche zuvor bereits einen zweistündigen Warnstreik durchgeführt hatten. Aufgrund der brasilianischen Gewerkschaftsstruktur gehören alle Arbeiter einer Branche einer Gewerkschaft an, die grundsätzlich auf regionaler Basis organisiert ist. Trotz der zögerlichen Haltung der Gewerkschaftsführer haben die Arbeiter sie gezwungen, zu dem Streik aufzurufen. Der wichtigste Punkt ist die Anhebung von Löhnen, um sie auf dasselbe Niveau der Löhne von

VW-Arbeitern in anderen Niederlassungen zu bringen, die in traditionell gewerkschaftlich organisierten Gebieten liegen. Dieser Streik war damit auch der Vorbote der aktuellen landesweiten Streiks für höhere Löhne in Brasilien..."

4. Unsere Vorschläge und Schritte zur Gegenwehr

a) Umfassende Aufklärung über die Hintergründe und Konsequenzen der Auslagerungsstrategie und über die Notwendigkeit, für uns kurzfristige aber auch langfristige Ziele diskutieren zu müssen, ist im Betrieb und darüber hinaus dringend erforderlich...

b) Halten wir hier fest: Zuerst ist zu diskutieren, wie wir diese Maßnahme verhindern können. Kompromisse haben dann am Ende der zu führenden Auseinandersetzung zu stehen. Es ist falsch, mit der Haltung "das können wir eh nicht verhindern" von vornherein auf angeblich unabwendbare Akzeptanz und "realistische" Verzichtslösungen zu orientieren... Je konsequenter wir uns gegen drohende Nachteile wehren, je weitgehender werden von Unternehmerseite Kompromiss-(meist Spaltungs-)Angebote kommen...

Wir halten es für absolut ausweglos und dumm, unsere Hoffnung auf "Sieg im Konkurrenzkrieg" zu setzen und dabei mitzumachen, wie wir andere Betriebsräte und Belegschaften überbieten können beim Unterbieten bisher erreichter Lohn- und Arbeitsbedingungen. Werden nicht wir, sondern andere arbeitslos, sei es in anderen Opel-Standorten, oder bei VW oder auch in anderen Ländern, sichert das nicht unsere Einkommenssituation, sondern schwächt uns alle, alle Lohnabhängigen. Insofern ist unsere Hoffnung auf Solidarität statt auf "Standortsicherung" nicht "moralisch edel aber praktisch unrealistisch" , sondern lebensnotwendig...

c) Daraus ergibt sich auch die zentrale Aufgabe, in der Gruppe und Kolonne, in der Abteilung wie im Betrieb den Blick auf den notwendigen Zusammenschluss, auch den überbetrieblichen und übernationalen zu lenken. Aktionen auf Betriebsebene gewinnen an Kraft, wenn wir sie darüber hinaus bekanntmachen (auch in Presse, TV, Internet usw.!) und verbreitern. Auch über Aktionen und Erfahrungen in anderen Betrieben und Ländern müssen wir berichten, sie unterstützen und zur Verbesserung unseres Widerstands diskutieren . So müssen wir Gewerkschaftsbewegung ankurbeln statt Standortkonkurrenz.

d) Als wichtigste FORDERUNG bei "sinnvollen" Rationalisierungen müssen wir die nach ARBEITSZEITVERKÜRZUNG (AZV) in der Diskussion halten und voranbringen.

Hier allerdings sind die praktischen Erfahrungen der letzten Jahre sehr negativ von den meisten erlebt worden (Ausweitung der Betriebsnutzungszeiten in Nacht-, Wochenendarbeiten, Flexibilisierung, Überstunden etc.). Allerdings gibt es auch eine positive Erfahrung: bei Opel in BO die Erreichung des früheren Schichtendes um 22.00 statt 22.45 sowie Erzielung zusätzlich freier Tage - für die wir allerdings nicht gekämpft hatten...

Daher sind Debatte und Mobilisierung sehr schwierig, das Vertrauen in IGM und BR sehr gering...

Trotzdem: 30-Stunden-Woche in 5 Tagen, von Mo bis Fr, voller Lohn- und Personalausgleich bleibt unsere wichtigste Forderung, notwendig dabei der Kampf gegen weitere Flexibilisierung wie Arbeitsverdichtung, wobei wir vor der Illusion warnen müssen, damit dauerhafte "Vollbeschäftigung" erreichen zu können. Ebenso vor der Illusion, dass eine für uns nützliche und den Unternehmerprofit einschränkende AZV ohne massenhaften und harten Kampf erreicht werden könne, da mit so einer Reform der Nerv kapitalistischer Verwertungszwänge getroffen würde...

Diskutiert haben wir gleichzeitig, dass das Festhalten an freiem Wochenende oder an der Bekämpfung von Nachtarbeit dann neu zu diskutieren sein wird, wenn man sich eine AZV auf noch weniger Stunden pro Tag vorstellt, oder wenn man den Arbeits- und Freizeitbedürnissen der Leute bei noch weiter gesunkener Arbeitszeit individuelle Wahlmöglichkeiten eröffnen wollte...

f) Unsere bisherigen Erfahrungen nutzen!

Das heißt nicht, dass alle gesetzlichen Möglichkeiten von uns bisher immer voll ausgeschöpft würden, rechtzeitig umfassende Information zu erwirken, Auslagerungsprojekte hinauszuzögern, möglichst teuer zu machen etc !

Weiter anknüpfen können wir von BR-Seite an

Was tun – noch einige Anmerkungen zum Schluß:

 

Anmerkungen

1. laut Larry Weiss in Modularproduktion. Autohersteller testen in Brasilien Strategien zur Senkung der Arbeitskosten, siehe http://www.labournet.de/branchen/auto/modul-d.html
2. auch im Larry Weiss-Artikel
3. in Automotive News Europe, 16.8.99
4. laut Europ. Vereinigung der Auto-Zulieferer, Clepa
5. FAZ 6.10.99
6. FAZ 14.9.99
7. FAZ 6.10.99
8. laut Rüsselsheimer Echo 13.4.96
9. vgl. Standorte 33, Sept. 98
10 vgl. Standorte 36, Sept.99
11. dazu siehe unten, Pkt. B 2.a
12. http://www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/stratpap.html
13. in metall 11/95
14. IGM-Aufsichtsräte Eller-Braatz/ Klebe, laut WSI-Mitteilungen 7/98
15. 11/1995, S. 3
16. 05/97
17. E.Eller-Braatz, Th.Klebe, in WSI-Mitteilungen 7/98
18. vom 3.9.96. MSR=Manufacturing strategie review = Überprüfung der Herstellungsstrategie; MOB=Make or Buy = Überprüfung selber herstellen oder kaufen
19. (BV 250/98), vom 20.1.98, gültig bis 31.12.2001
20. Broschüre 1994 "Reorganisation der Arbeit", von der DGB-Hans-Böckler-Stiftung übersetzt, allerdings ohne das Schlußkapitel, aus dem wir hier zitieren... (vgl. Flugblatt Info International vom 27.6.97)
21. Nr. 29, Sept. 1997
22. The Wall Street Journal, 29.3.99
23. Siehe Fußnote 1
24. The Wall Street Journal 11.10.99
25. Taz am 13.11.99
26. Saarbrücker Zeitung 18.11.99
27. Nr. 36 vom September 1999