Der Streik in der Automobilfabrik Smart ist vorbei. Am Mittwoch um 14.35 Uhr begann bei allen Internehmen in "Smartville" in Hambach die Produktion wieder. Die Barrikaden waren abgebaut. Jeder kam ungehindert zu seinem Arbeitsplatz. Ein Dutzend Unentwegter verteilte noch Flugblätter, aber äußerlich trat in Smartville wieder Normalität ein. In Wirklichkeit beginnt am Donnerstagnachmittag eine interne "Stunde der Wahrheit": Der Betriebsrat bei Micro Compact Car (MCC), Hersteller des Stadtminis Smart, trifft von 13.30 Uhr bis 17. Uhr mit der Werkleitung zusammen. Den heutigen Vormittag wollen die Gewerkschaftsvertreter zu einer internen Diskussion nutzen.
"Wir sind in einer schwierigen Situation", sagt Patrice Wilhelm, 
  Geschäftsführer des Betriebsrates. 600 Autos sind nicht gebaut worden. 
  "Das kann nicht ohne Weiteres aufgeholt werden, weil die Arbeitszeit kaum 
  noch zu dehnen ist", so Wilhelm. Samstag-Schichten würden nur unter 
  großen Schwierigkeiten möglich werden. "Da müssten wohl 
  Zulagen gezahlt werden." 
  Nahezu ausgeschlossen ist, die verlorenen Arbeitsstunden in die Jahresarbeitszeit 
  einzubauen. "In unserem Unternehmen hat fast jeder Mitarbeiter ein Minuskonto 
  von 130 Arbeitsstunden, die im März/April entstanden sind", so Wilhelm. 
  Damals hatte das Unternehmen seine Mitarbeiter in einen vorgezogenen Urlaub 
  geschickt, weil die Autos nicht verkauft wurden. Wilhelm: "Das war ein 
  Vorschuss. Der muss abgearbeitet werden. Der Vorschuss ist damals überwiegend 
  positiv betrachtet worden, aber die Rückzahlung macht natürlich keinen 
  Spaß. Wenn die Streiktage hinzukommen, dann haben wir zwar formal die 
  35-Stunden-Woche bei Smart. Tatsächlich wird dann aber bis Mitte 2000 die 
  39-Stunden-Woche gelten." Die Leute sind nicht glücklich, wenn sie 
  auf ihren Lohnabrechnungen sehen, dass die Zahl der nachzuarbeitenden Stunden 
  kaum sinkt, hört man an den Produktionsbändern.
Die Gewerkschaftsvertreter spüren eine Situation bei MCC, die von der Belegschaft so nicht mehr lange akzeptiert wird. Eine Abwesenheitsrate von sieben Prozent - die der in deutschen Unternehmen gleicht, aber in Frankreich unüblich ist - bringt stillen Protest zum Ausdruck. Wilhelm: "Wir werden mit der Werkleitung darüber reden müssen, wie wir aus der Situation wieder herauskommen und die Jahresarbeitszeit besser verwalten, ohne dass die Arbeiter noch mehr belastet werden."
Das Schöffengericht in Saargemünd hat die Blockade der Fabrik "Smartville" am Dienstagabend für illegal erklärt. Die Streikenden, die wohl ahnten, dass ihre Aktion nicht ganz haltbar war, haben unmittelbar vor der Bekanntgabe der Verfügung des Gerichtes ihre Barrikade abgebaut. Das Urteil bescheinigt indirekt der Gendarmerie, dass sie eine illegale Vorgehensweise bewachte und duldete. Die österreichisch-kanadische Firma Magna muss sich einer Expertise stellen, die das Gericht angefordert hat. Darin sollen Lohnstruktur und -entwicklung bei Magna dargestellt werden.
Eine Einigung gab es bei dem Teil von Magna, der die Smart-Türen herstellt. Dort erhalten die Mitarbeiter eine einmalige Zulage von 400 Francs für November und eine an die Abwesenheitsquote gebundene Prämie von maximal 400 Francs für Dezember. Ursprünglich hatten sie eine Lohnerhöhung von 1450 Francs gefordert. Bei Magna-Karrosseriebau wird noch verhandelt. Die Hardlinerin auf Gewerkschaftsseite, Arlette Perray aus Metz, Sekretärin von Force Ouvrière, soll an den Verhandlungen nicht mehr bestimmend beteiligt sein.
Nach dem Ende des Konfliktes denken die Gewerkschaften darüber nach, dass in Zukunft sowohl auf Arbeitgeber- wie auf Gewerkschaftsseite die Strukturen verändert werden müssen, um einen Konflikt nicht mehr ausufern zu lasen. wy
Saarbrücker Zeitung vom 18.11.99