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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Aktuelle Ergänzung zum Artikel «General Motors in Strasbourg: Druck auf die CGT»

« Kompromiss » zwischen Werksleitung und CGT erfolgreich eingefädelt - «Verzicht» durch die Lohnabhängigen, zwecks Senkung der Lohnkosten und « Standort-Rettung », auch bei Continental in Frankreich in Aussicht.

Am Mittwoch, den 28. Juli berichteten wir über den Versuch am « Standort » des US-amerikanischen Automobilherstellers General Motors (GM) im ostfranzösischen Strasbourg, Erpressung gegenüber der Minderheitsgewerkschaft CGT zu üben. Das Ziel war es dabei, selbige zur Unterzeichnung eines betrieblichen Abkommens zu bewegen, das zwar den « Standort » rettet, aber Verzichtsmaßnahmen für die Lohnabhängigen (bei den Themen Lohn, Gewinnbeteiligung und arbeitsfreie Tage im Jahr) enthält. Hingegen erklärte die CGT - die als einzige von vier örtlichen Gewerkschaften gegen die Vereinbarung opponierte -, dass es "nicht Aufgabe einer Gewerkschaft sei, ihre Unterschrift für soziale Rückschritte zu leisten". (Vgl. den Artikel von Bernard Schmid: «General Motors in Strasbourg: Druck auf die CGT»)

An diesem Mittwoch lief das Ultimatum, das die Unternehmensleitung für die Unterschrift der CGT gesetzt hatte, aus. Diese drohte damit, für den Fall, dass die CGT weiterhin gegen die Vereinbarung Position beziehe, sich selbst nicht an die Vereinbarung gebunden zu fühlen (obwohl diese dennoch, aufgrund der Unterschrift der drei anderen Gewerkschaften vom Freitag, den 23. Juli, voll rechtsgültig war). Dies beinhaltete die Drohung, spätestens ab dem Jahr 2013, möglicherweise auch erheblich früher, den "Standort" in Straßburg zu opfern.

Am Ende unseres Artikels vom Mittwoch früh prognostizierten wir, dass sich diesbezüglich für diesen Mittwoch ein "Kompromiss" abzuzeichnen scheine. Eingefädelt hatte ihn die "Départements-Direktion für Arbeit, Beschäftigung und Berufsbildung" (DDTE) im nördlichen Elsass - dem Département von Strasbourg -, eine Art Regierungspräsidium, das zu "Vermittlungs"zwecken eingeschaltet worden war.

Genau so wie angekündigt, ist es auch gekommen. Am Mittwoch Nachmittag gegen 17 Uhr wurde bekannt, dass die CGT bei General Motors in Strasbourg im Laufe des Tages schriftlich garantiert hatte, dass sie zwar das oben zitierte betriebliche Abkommen nicht unterzeichnet - wohl aber dessen Legitimität nicht in Abrede stellt. Demnach hat die CGT mit der Unternehmensleitung eine Art "Abkommen über das (Nicht-)Abkommen" abgeschlossen, in welchem festgeschrieben wird, dass zwar zwischen beiden Seiten über den Inhalt der betrieblichen Vereinbarung kein Einverständnis besteht; dass die CGT aber in den nächsten drei Jahren nichts unternehmen wird, um dieselbe anzufechten, zu bekämpfen oder ihre Aufkündigung zu erreichen. De facto hat die CGT also einer Art dreijähriger "Friedenspflicht" - unter Druck - zugestimmt, ohne aber den Inhalt der Vereinbarung selbst zu unterstützen.

Auch bei Continental wird über Senkung der Lohnkosten zur "Standort-Rettung" verhandelt

Bei den Filialen des deutschen Reifenfabrikanten Continental in drei südwestfranzösischen Städten (Toulouse und Boussens, beide im Bezirk Haute-Garonne, sowie Foix/Ariège in den Pyrenäen) wird ebenfalls um eine Absenkung der "Kosten" für die Lohnabhängigen zwecks "Rettung" der jeweiligen "Standorte" verhandelt. Auch hier darf die Krise als Generalrechtfertigung für Alles herhalten.

Das Unternehmen möchte die Lohnkosten dort um 8 % abbauen und hat Verhandlungen darüber eröffnet. Dazu sollen mehrere arbeitsfreie Tage im Jahr gestrichen, die Sozialbeiträge und -ausgaben (etwa für Zusatz-Krankenversicherungen) reduziert, die Gewinnbeteiligung der Lohnabhängigen zusammengestrichen und die Lohnzunahme im kommenden Jahr 2011 auf maximal 1,2 % - also voraussichtlich unterhalb des Inflationsausgleichs - beschränkt werden. Eine erste Verhandlungsrunde dazu fand am 22. Juli dieses Jahres statt.

Bislang verweigern jedoch die beiden örtlichen Mehrheitsgewerkschaften CGT und CFDT, die zusammen circa 60 % bei den letzten Betriebsvertretungswahlen erhielten, ihre Zustimmung dazu. Und weisen darauf hin, dass die betroffenen Standorte zusammen im letzten Jahr 38 Millionen Euro Gewinn einfuhren. Auch seien "aufgrund der Krise" bereits 100 Arbeitsplätze verschwunden. (Vgl. auch einen Artikel der Pariser Abendzeitung ,Le Monde', der ebenfalls erwähnt, dass an einem Continental-Produktionsstandort in Bayern ähnliche Verhandlungen liefen externer Link)

Das ganze Spiel ist Bestandteil einer Serie von Vereinbarungen und Kollektivabkommen - besonders in französischen Metallindustrie - zur "Standortrettung", die "Opfer" seitens der Lohnabhängigen beinhalten. Solche Abkommen gab es schon in den neunziger Jahren, und in einem spektakulären Urteil des Sozialsenats am Obersten Gerichtshof vom 19. Februar 1997 (Affäre ,Géophysique' ) erklärten die Obersten Richter sogar, dass sie nach dem Günstigkeitsprinzip als "für die abhängig Beschäftigten günstiger" zu werten seien. Dies bedeutet: Dort, wo der Gesetzgeber vorschreibt, dass zwischen zwei verschiedenen Vereinbarungen jene gilt, die für die Lohnabhängigen günstiger ausfällt, muss demnach jeweils die "Standortrettungs-Vereinbarung" als "besser" bewertet werden. Jedenfalls, sofern sie die Bewahrung von Arbeitsplätzen vorsieht, die sonst gestrichen zu werden drohen. Allerdings hat die spätere Rechtsprechung u.a. des Obersten Gerichtshof diese Auffassung wieder ein bisschen eingeschränkt: Nur wenn nachweislich konkrete, präzise und überprüfbare Maßnahmen zur Aufrechterhaltung (nachweisbar bedrohter) Arbeitsplätze in einem solchen Abkommen enthalten sind, kann es überhaupt den Anspruch auf solche "Günstigkeit" erheben. Wenn es sich hingegen lediglich um allgemeine Formeln zu den Themen "Beschäftigung" und "Gut-für-den-Standort" handelt, ist dies nicht gegeben. Andernfalls wäre nämlich jeglichem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, um soziale Vorteile serienweise abzubauen: Vom Standpunkt des Arbeitgebers aus ist schließlich jede Senkung der Lohnkosten oder jede Erhöhung der Gewinnspanne (vorgeblich) "gut für die Arbeitsplätze".

In jüngerer Zeit von sich reden machte vor allem das (deutsche) Unternehmen Bosch, das im Jahr 2004 in Vénissieux - in der Nähe von Lyon - die Zustimmung der Lohnabhängigen zu Verzichtsmaßnahmen erwirkte. Hier besonders in der Form von Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich. (Vgl. Artikel 1 und Artikel 2 im LabourNet Germany) Das faktische Ergebnis des Ganzen war in diesem Falle, dass dort sechs von sechzehn arbeitsfreien Tagen im Jahr gestrichen wurden; dass die Löhne für drei Jahre - ohne Inflationsausgleich - "eingefroren" wurden; und dass die Zuschläge für Nachtarbeit verringert wurden. Daraufhin hat die Firma tatsächlich 25 Millionen Euro an Investitionen, für die Entwicklung einer neuen Einspritztechnik für Motoren, an den französischen "Standort" (statt in die Tschechische Republik) gelenkt. Derzeit steht das Werk allerdings erneut zur Disposition, da die Produktion aufgrund der Verabschiedung neuer Umweltnormen bezüglich CO2-Emissionen verteuert wird.

Bernard Schmid, 30.07.2010


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