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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Annäherungsversuche Betriebsrat bei Daimler Untertürkheim: Oppositionsgruppe »Alternative« und IG-Metall-Fraktion unterzeichnen Grundlagenpapier. Politische Unterschiede weiterhin großDie IG Metall versucht, die zerstrittenen Fraktionen in der Belegschaftsvertretung des Daimler-Werks Stuttgart-Untertürkheim zusammenzubringen. Nach einem mehr als einjährigen Diskussionsprozeß haben Vertreter der mit zehn Mandaten im Betriebsrat vertretenen Oppositionsgruppe »Alternative« und der IG-Metall-Mehrheitsfaktion ein Grundlagenpapier unterzeichnet. Damit wird eine umfassende Demokratisierung der Entscheidungsprozesse sowie das Ziel angestrebt, bei künftigen Betriebsratswahlen auf einer gemeinsamen Liste zu kandidieren. Der politische Konflikt zwischen der am Co-Management orientierten Betriebsratsmehrheit und den linken Kritikern besteht bei Daimler Untertürkheim schon seit Jahrzehnten. Nach Gewerkschaftsausschlüssen von Aktivisten der in den 70er Jahren entstandenen »Plakat-Gruppe« gab es Anfang der 90er eine Annäherung und die Wiederaufnahme in die IG Metall. Mit den diversen Verzichtsverträgen, die von den Betriebsrats- und IG-Metall-Spitzen seit Mitte der 90er abgesegnet wurden, verschärften sich die Konflikte allerdings wieder. Die 2004 geschlossene »Zukunftssicherung 2012« führte schließlich zur Eskalation. Die in der »Alternative« zusammengeschlossenen Oppositionellen begannen, eine Betriebszeitung unter gleichem Namen zu veröffentlichen, in der die Unternehmenspolitik und die Zugeständnisse der Betriebsratsmehrheit offen kritisiert werden. Bei der Betriebsratswahl 2006 stellte die IG Metall eine Bedingung für die Kandidatur auf der Gewerkschaftsliste: Zukünftig sollte ausschließlich die Mehrheitsmeinung öffentlich vertreten und die Publikation der Alternative eingestellt werden. Das war für die linken Kritiker unannehmbar. Sie stellten eine eigene Liste auf und gewannen auf Anhieb zehn der 45 Mandate. Es folgte der Ausschluß sämtlicher »Alternative«-Betriebsräte aus den betrieblichen Gremien der IG Metall, obwohl fast alle von ihnen langjährige Mitglieder und Funktionäre der Gewerkschaft sind. Mehr als 1000 Daimler-Arbeiter unterzeichneten daraufhin eine Protestresolution, mit der der IG-Metall-Vorstand zum Eingreifen aufgefordert wurde. Auf dessen Veranlassung hin organisierten die örtlichen Verwaltungsstellen den Diskussionsprozeß, der nun zur Unterzeichnung einer Grundlagenvereinbarung geführt hat. In dem Papier heißt es, Minderheitsmeinungen dürften »nicht mundtot gemacht werden«. Ziel sei es, jede Auseinandersetzung »mit den mittelbar und unmittelbar betroffenen Beschäftigten und Vertrauensleuten von Anfang bis Ende gemeinsam zu bestreiten und zeitnah zu einem Ergebnis zu führen«. Zudem soll ein neues Betriebszeitungskonzept der IG Metall auch für kritische Beiträge offen sein. Die Gewerkschafter im Betrieb sollen künftig zum Betriebsrat auf einer gemeinsamen, vom Ortsvorstand der IG Metall anerkannten Liste kandidieren. Ob all das allerdings tatsächlich umgesetzt wird, steht in den Sternen. Die Vertreter der »Alternative« betonen, zunächst müsse sich die Praxis der Mehrheitsfraktion tatsächlich ändern. »Wir werden sicher erst nach einem längeren gemeinsamen Erleben zusammenkommen können - wenn das überhaupt möglich ist«, erklärt »Alternative«-Betriebsrat Michael Clauss auf jW-Nachfrage. Und er stellt klar: »Wir werden unsere Zeitung auf keinen Fall einstellen, solange die versprochenen Veränderungen nicht auch tatsächlich über lange Zeit überprüfbar umgesetzt werden.« Bei der Auseinandersetzung um die Produktion des Doppelkupplungsgetriebes im Oktober dieses Jahres sei das jedenfalls nicht der Fall gewesen. Die Betriebsratsvorsitzenden hätten in Spitzengesprächen mit dem Management einer weitreichenden Arbeitszeitflexibilisierung zugestimmt, ohne die Beschäftigten ausreichend einzubeziehen. »Die erneut über die Köpfe der Kollegen hinweg gemachten Zugeständnisse öffnen die Tür für weitere Erpressungsversuche in der Zukunft«, ist sich Clauss sicher. Sollte die Betriebsratsspitze diese Politik und die undemokratischen Methoden beibehalten, sei ein Zusammengehen kaum vorstellbar. Das meint auch »Alternative«-Betriebsrat Martin Bott, der betont: »Von unserer Kritik an dem Co-Management der Mehrheitsfraktion rücken wir kein Jota ab.« Daß diese Haltung in weiten Teilen der Belegschaft Unterstützung findet, haben die Wahlen zur Delegiertenversammlung der IG Metall in der vergangenen Woche gezeigt: Nachdem die Mehrheitsfraktion die regulären Wahlen im Werkteil Mettingen im Februar einseitig abgebrochen hatte, wurden sie im Oktober wiederholt. Dabei errangen die Kandidaten der »Alternative« sieben der 13 Mettinger Mandate. Artikel von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in der jungen Welt vom 04.11.2008 |