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Updated: 18.12.2012 15:51
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Doch Finanzmärkte regulieren: "Volcker-Regel" für die USA und die europäischen Regierungen kämpfen dagegen

In den USA tut sich etwas zur Finanzmarkt-Regulierung: eine "Volcker-Regel" statt des 1999 aufgehobenen "Glass-Steagall-Acts", der 1933 in der letzten großen Weltwirtschaftskrise zur  Trennung von Investmentbanken und Geschäftsbanken geführt hatte. Eine hochrangig besetzte Untersuchungskommision des Repräsentantenhauses der USA zur Krise hatte genau diese Aufhebung  des "Glass-Steagall-Acts" unter der Clinton-Regierung als eine der wichtigen Ursachen für die Krise der Jahre 2008 ff. festgehalten. (Ein Link zu dieser US-Kommission befindet sich auf der Seite 2 (= im Abschnitt "...kein Gedanke...." ) von  www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl4.html)

Und jetzt am Montag war der letzte Tag, an dem die Lobbyisten (Interessengruppen) Einsprüche gegen diese Regel anmelden konnten - und diese Einsprüche kamen "tonnenweise" - auch von den Regierungen aus Europa! Und jetzt muss der Kongress darüber entscheiden. Gelingt es den Gegnern, die Gesetzgebung bis nach der Wahl am 6. November hinauszuzögern und die Republikaner gewinnen dann eine Mehrheit in beiden Häusern, dann ist die Regel tot  - d.h. die "Volcker-Regel" liegt auch für alle Leute in den USA "inmitten" des gesamten Wahlkampfgeschehens in diesem Jahr 2012 in den USA.

Einführend dazu zunächst einmal ein - wegen seiner bankenkritischen Haltung - doch recht interessanter Kommentar von Nikolaus Piper in der Süddeutschen Zeitung: Warum Volcker recht hat: Eine Einschränkung des Eigenhandels tut dem Finanzsystem gut - Eindämmung des spekulativsten Elementes (SZ: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/einschraenkung-im-wertpapierhandel-warum-volcker-recht-hat-1.1285353 externer Link).

Europas Politiker sind widersprüchliche Wesen. Seit Jahren klagen sie über die spekulativen Finanzmärkte, die ihnen die Rettung der Gemeinschaftswährung so schwer machen. Und nun ,da die Amerikaner das spekulativste Element in diesen Märkten tatsächlich eindämmen wollen, ist es auch wieder nicht recht.

Europäische Regierungen unterstützen ihre Finanzinstitute - und damit gleichzeitig die Lobby der Wallstreet - in ihrem Kampf für den Status quo.

Die Rede ist von der Volcker-Regel. Die Regel - sie trägt den Namen ihres Erfinders, des früheren US-Notenbankchefs und Obama Beraters Paul Volcker - wird Großbanken künftig daran hindern, auf eigene Rechnung mit riskanten Wertpapieren zu handeln... Von einem ordnungspolitischen Standpunkt aus ist die Sache glasklar:  Alle großen Banken dieser Welt genießen implizite staatliche Subventionen. Sie halten Kundeneinlagen, die im Ernstfall staatlich garantiert werden. Und die werden bevor es zum Schlimmsten kommt, von den Regierungen gerettet (= "too big to fail"). Das zeigte die Finanzkrise, es zeigt die Eurokrise tagtäglich.

Mit indirekt subventionierten Kapital aber sollen die Banken nicht mehr spekulieren, weil sie sonst übersteigerte Risiken eingehen. Auch das hat die Finanzkrise gezeigt.
Tatsächlich wird die Volcker-Regel in der Praxis kompliziert und bürkratisch werden. Aber das ist nur die Konsequenz aus der Tatsache, dass Finanzprodukte so komplex sind. Und eine geringere Liquidität für die Märkte - ein Argument der Gegner - sollte nicht schaden, denn gehörte nicht ein Übermaß an Liquidität zu den Dingen , die die Finanzkrise ausgelöst haben?
Aber Schwierigkeiten sind unvermeidbar, wenn man den gefährlichen Status quo überwinden will. Gerade Europäer sollten sich darüber eigentlich freuen - und Volcker unterstützen.

Das offizielle politische Täuschungsmanöver "für" eine Regulierung der Finanzmärkte

Es gehört doch gerade zum offiziellen politischen Spiel in Europa, die zu dieser von Nikolaus Piper beobachteten "Schizophrenie" der Politiker hier führt - öffentlich gegen die Finanzmärkte wettern und Schritte zu ihrer Regulierung ankündigen - und "hinter den Kulissen alles tun, damit der um die Jahrtausendwende - meist von den gleichen Politikern - herbeigeführte deregulierte Status quo für die Finanzmärkte "glasklar" erhalten bleibt.

Ein letztes so eklatantes öffentliches Täuschungsmanöver haben diesbezüglich die deutsche Bundeskanzlerin Merkel mit dem französischen Staatspräsidenten gerade wieder "inszeniert -  zur Unterstützung einer Wiederwahl von Sarkozy - und gleichzeitig zur Täuschung der französischen Wähler. (Vgl. "In Frankreich geht es jetzt um die berühmte Wurst" - das Brechen der Herrschaft der Finanzmärkte: www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl22.html)

Dabei ist es nicht nur die Frage, inwieweit - allein! - eine Finanztransaktions-Steuer in der Lage ist, diese Herrschaft der Finanzmärkte zu brechen, sondern diese bloße  "Börsensteuer" von Staatspräsiden Sarkozy ist nicht einmal eine richtige "Finanztransaktionssteuer", sondern bloß ein ganz kleiner "Torso" davon, wie es  Stephan Schulmeister so schön in einem ausführlichen Interview erklärt (man/frau sollte sich die Zeit nehmen, diese gut zehn Minuten sich anzuhören!: http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2012/02/16/drk_20120216_1610_a3e13f79.mp3 externer Link Audio).

...und zwischendurch wieder ein Täuschungsmanöver mit der "Merkozy`schen  Mogelpackung Börsensteuer

Mit dieser Steuer von Sarkozy würde überhaupt nur ein ganz kleiner Bruchteil der Transaktionen erfasst - und damit könnte das wichtige Ziel, wenigstens etwas mehr "Ruhe und Gelassenheit" in die wilde Spekulation zu bringen - also eine "Sedierung" der Finanzmärkte -, überhaupt nicht erreicht werden. Dafür geht es dann umso "drakonischer" gegen Griechenland weiter: "Merkozy ... das Duo infernale für Europa und Griechenland" (www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl25.html).

Politik weiter fest im Griff der Finanzoligarchie

Werfen wir doch noch einmal einen Blick auf Deutschland, um dieses Täuschungsmanöver der Politik uns zu erklären: die politischen Mehrheitsverhältnisse sind doch immer noch durch eine "Vier-Parteien-Konstellation" definiert, die die Finanzmärkte zu ihrer "heiligen Kuh" erklärt haben (siehe dazu noch einmal "Schon 2003 und in Kenntnis einer heraufziehenden Finanzkrise hatte eine große Koalition von CDU/CSU/SPD/FDP/Grüne mit der Förderung des Finanzkasinos weitergemacht": www.nachdenkseiten.de/?p=4130 externer Link) - und Rot-Grün hatte der schon unter Kohl begonnen Deregulierung der Finanzmärkte mit einer Einladung an die "Heuschrecken" - auch indem sie steuerfrei gestellt wurden - noch einmal den Gipfel aufgesetzt (www.nachdenkseiten.de/?p=545 externer Link).    

Dazu kann man bei dieser Politik den "Finanzplatz Deutschland stärken" - sozusagen als Überblick -  auch noch einen Blick auf die gesamten Deregulierungsmassnahmen der Bundesregierung werfen (www.nachdenkseiten.de/?p=3692 externer Link). 

Aus diesem Grunde kam es auch in diesem Deutschen Bundestag nie - ganz im Gegensatz zu den USA - dazu, das Krisengeschehen in einem Untersuchungsausschuss aufzuarbeiten (Vgl. dazu auf der Seite 3 "Keine parlamentarische Krisenaufklärung in Deutschland"  bei  www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl13.html) - und so brauchte man hierzulande auch keinen Gedanken an die Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken verschwenden (vgl. dazu die Seite 2 bei www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl4.html)
Ja, es wurde eigentlich im Interesse der Finanzmärkte noch weiter rum-getäuscht, indem aus dem früheren Bundesfinanzminister Peer Steinbrück einfach ein erfolgreicher Retter der Finanzmärkte gemacht wird.  (www.nachdenkseiten.de/?p=6777 externer Link) Ja, er wird darüber hinaus auch immer weiter als zukünftiger Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2013 gehandelt (www.nachdenkseiten.de/?p=9830 externer Link) - einfach weil er doch der ideale Kandidat für die Finanzindustrie bleibt. Und so bleibt es - leider immer noch -  dabei, dass die Finanzwelt die Politik weiter fest im Griff hat (www.nachdenkseiten.de/?p=7415 externer Link). 

Muss jetzt diese Finanzmarktregulierung in den USA für Europa weitgehend totgeschwiegen werden?

Und nun werden diese "scheinheiligen" Europäer mit ihren ganzen Versäumnissen zu einer Re-Regulierung der Finanzmärkte doch über die USA  wieder eingeholt - und hilflos unreflektiert - oder besser Finanzlobby gesteuert - versuchen sie auch - nur im Interesse "ihrer" Banken -  noch dagegen zu kämpfen. Schon ziemlich bescheuert - oder muss man doch einfach sagen korrupt: Mathew D. Rose hat dieses politische "System" der Bundesrepublik in seinem Buch "Korrupt", nach ausführlichen Recherchen von vielen einzelnen Fällen,  so charakterisiert: "Den Staat beherrschen als Parteien getarnte Konzerne. Alle paar Jahre darf das Volk zwischen Polit-Unternehmen entscheiden, die alle Teile desselben Netzwerkes sind. So beschreibt "Korrupt" wie sich die deutsche politische Elite Ende der 90-er Jahre in einen Wirtschaftszweig verwandelte." Neben den vielen Einzelfällen betrachtet er für diese Feststellung  die Steigerung der Sponsoring-Einnahmen der Parteien um 800 Prozent als wichtigen Indikator. (www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/
?ressort=pb&dig=2012%2F02%2F18%2Fa0053&cHash=58aaed97b3
externer Link).

Das ist jetzt mit vielen Belegen die Analyse zur "Postdemokratie" des britischen Soziologen Colin Crouch sozusagen auf die Bundesrepublik runtergebrochen. (Vgl. auch sein letztes Buch "Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus")

Die "Affäre Wulff" könnte so also  die Spitze eines Eisbergs sein und damit auch der Anfang einer Aufarbeitung unserer politischen Verhältnisse - um am Ende doch noch eine "Wende" herbeiführen zu können? Aber vielleicht merken wenigstens jetzt es auch ein paar Menschen bei uns, wie sie an der Nase herumgeführt werden?  Die Franzosen jedoch stoßen auch in ihrem Präsidentschafts-Wahlkampf  immer stärker auf dieses Thema.

Wahlkämpfe werden ein Ort der "Wahrheitsfindung" sein können - zunächst in Frankreich

Und so thematisierten diese ungebrochene - auch von der EZB geförderte - Herrschaft der Finanzmärkte Michel Rocard und Pierre Larrouturou in "Le Monde": "Warum sollen Staaten 600-mal mehr zahlen als die Banken?" (www.nachdenkseiten.de/?p=11860 externer Link)  Darüber wird ja - Piper sprach es nicht so direkt an - das Kapital auch über die EZB "subventioniert" - völlig unberechtigt, wie ich finde.

Aber in der größten Not sieht sich die EZB jetzt gegenüber Griechenland doch noch in der Lage, auf "ihre" Gewinne aus den Griechenland-Anleihen zu verzichten. (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kehrtwende-in-der-griechenlandhilfe-ezb-sagt-athen-unterstuetzung-zu-1.1285340 externer Link, wobei die ökonomischen Toren aus Deutschland - entgegen einem weltweiten Konsens der Ökonomen sonst - sich auch noch den Anleihekäufe von Griechenland  entgegenstellen wollen: www.fr-online.de/schuldenkrise/kommentar-zu-ezb-bundesbakchef-weidmann-torpediert-anleihekaeufe,1471908,11639278.html externer Link

Und so darf man gespannt sein, inwieweit die Presse in Deutschland ihre "Wächterfunktion" für eine angemessene Finanzmarktregulierung zur Überwindung der Krise wahrnimmt?

Von einer angemessenen Diskussion über eine Ende der Herrschaft der Finanzmärkte sind wir in Deutschland wohl noch weit entfernt - auch wenn die Süddeutsche  jetzt erstaunlicherweise mit der Unterstützung der Volcker-Regel - für die USA! - einen Einstieg gewagt hat. Dabei lagen unserem Bundestag doch schon recht klare und systematische Vorstellungen durch Regulierung der Finanzmärkte zu einer neuen Konstellation wieder vorzudringen: einer Finanzwirtschaft im Dienste der Realwirtschaft (www.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/bahl3.html in Verbindung mit www.nachdenkseiten.de/?p=10011#h05 externer Link oder auch noch mit Stephan Schulmeister www.nachdenkseiten.de/?p=9845#h02 externer Link (= dort die Ziff. 2c) oder jüngst www.nachdenkseiten.de/?p=12182#h08 externer Link: "Vorwärts in die 1930-er Jahre!" Warum wir jene Fehler wiederholen, welche Anfang der 1930-er Jahre in die Weltwirtschaftskrise führten: Die Depression der 2010-er - ein Rückblick aus der Zukunft).

Aber vielleicht kommt jenseits der eingefahrenen "Politikschienen" die Diskussion zu Regulierung der Finanzmärkte  doch noch - auch bei uns in Deutschland -  ein wenig in Gang, nachdem sich der DGB Frankfurt mit einem hochkarätig besetzten Podium (16. Febr. 2012) kritisch mit den Finanzmärkten auseinandersetzt - und Rudolf Hickel gerade ein Buch herausbringt "Zerschlagt die Banken - Für eine Zivilisierung der Finanzmärkte".  Siehe dazu ein Interview über sein Buch mit Rudolf Hickel in Radio Bremen, wo er auch den Schumpeter mit der "schöpferischen Zerstörung"  für eine Zerschlagung der Banken entdeckt, damit die Finanzmärkte wiederum ihre zerstörerische Kraft für die Krise verlieren können (www.radiobremen.de/nordwestradio/sendungen/nordwestradio_
journal/audio80978-popup.html
externer Link Audio und noch eine Besprechung im "Neuen Deutschland" von Hermannus Pfeiffer: Rudolf Hickel macht die Vorschläge, wie die nächste Krise verhindert werden kann: www.neues-deutschland.de/artikel/218944.streitschrift-fuer-schoepferische-zerstoerung.html externer Link).

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 20.02.2012


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