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Updated: 18.12.2012 15:51
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"Das geht besser"? Wir meinen: Das geht nur anders. Aber nicht mit dem DGB

Kommentar von Mag Wompel zum gewerkschaftlichen Co-Management des Sozialabbaus

Die DGB-Broschüre zum Aktionstag am 21.10.2006 externer Link pdf-Datei gibt einen guten Ausblick, worauf wir uns bei dem "heissen Herbst" einzurichten haben (DGB: "Der DGB und die Gewerkschaften machen jetzt Druck") und darf nicht unkommentiert bleiben.

Dabei bedarf es nicht sehr vieler Worte, denn:

  1. Gibt es bereits einige Kommentare zu diesem Aufruf (siehe die LabourNet-Rubrik "DGB ruft zum Protest - wer kommt?");
  2. Reicht eigentlich die Äußerung von Michael Sommer (DGB-Vorsitzender) auf der Auftakt-Pressekonferenz am 7. September 2006: ". Es gibt Gerüchte, wir wollten mit den Kundgebungen der Regierung schaden oder gar eine andere Koalition herbeiführen. Genau das ist nicht unsere Absicht ." Dieses Zitat bewegt sich voll auf der Linie seiner Äußerung " Das können wir kritisieren, ändern werden wir es nicht mehr " im Spiegel-Interview (7/2005)
  3. Weisen sowohl das Protest-Motto "Das geht besser" - obwohl es z.B. an den Hartz-Gesetzen absolut nichts zu verbessern gibt - als auch das o.g. Zitat auf eine Fortführung des seit Jahren sattsam kritisierten "Protestverhaltens" der DGB-Gewerkschaften hin (siehe allein die LabourNet-Rubriken "Proteste und die Gewerkschaften", "Debatte über Protestformen: Arbeitnehmerbegehren" sowie "Nach der Demo am 1.11.03 - wie weiter?")

Für die nun kurzfristig anstehenden Entscheidungen, ob und wie der gewerkschaftliche Aktionstag begleitet werden soll, sei dennoch anhand des Aufrufs klargestellt:

1. " Viele haben gedacht: Dicker kann es nicht kommen ". Mag sein, dass dies viele in der Gewerkschaftsbürokratie gedacht haben. Diese grenzenlose politische Naivität würde die seit Jahren praktizierte Politik erklären, sich mit den erreichten Verschlechterungen zu arrangieren und nur die jeweils nächsten - ganz überraschenden - verbal zu bekämpfen. Sollte es nicht politische Dummheit sein, dann ein bewusstes Co-Management des Sozialabbaus. Dies wird offensichtlich an der darauf folgenden Bilanz des Aufrufs:

a) " Gesundheitsreform: Schlechtere Leistungen drohen. Versicherte werden belastet durch Zusatzbeiträge. Immer mehr Zwei-Klassen-Medizin ."

Korrekt: Noch schlechtere Leistungen und noch höhere Zuzahlungen (auch eine Form der Privatisierung and Aushöhlung der Parität!) drohen und wir haben längst und schon immer eine Zwei-Klassen-Medizin. Kein Wort jedoch davon, dass die Abschaffung von unsolidarischen Privatversicherungen schon allein an der ver.di-Lobby gescheitert wäre. Ebenso kein Wort von dem aktiven Lobbyismus der IG BCE für die - nationale - Pharmaindustrie.

b) " Rente mit 67: Ein Großteil der Beschäftigten hält schon heute nicht bis zur Altersgrenze durch. Renten werden weiter gekürzt. "

Auch hier kein Wort von den schon immer nur zaghaften Protesten gegen die bisherigen Rentenkürzungen und schon gar kein Wort von der aktiven Teilhabe an dem Einstieg in die Privatisierung der Rentenversicherung (Stichwort Riester).

c) " Steuerpolitik: Die Mehrwertsteuer wird auf 19 Prozent erhöht. Insgesamt werden 30 Milliarden Euro bei der Bevölkerung abkassiert. Den Konzernen fünf Milliarden geschenkt ."

So richtig die Kritik ist, ist ihr Anlass nicht neu. Und der Missbrauch der Menschen als Träger der Kaufkraft, um mit angeblich sozialen Forderungen auch der nationalen Wirtschaft zu helfen, nimmt dieser berechtigten Kritik jede notwendige Spitze und Glaubwürdigkeit.

d) " Arbeitslosengeld II: Jugendliche unter 25 Jahren erhalten nur noch 276 Euro. Davon kann man nicht leben. Jetzt drohen weitere Kürzungen ."

Auch von 345 Euro kann niemand menschenwürdig leben! Es fehlen aber Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen und Schikanen, denen die erwerbslosen Menschen nicht erst seit dem ersten Hartz-Gesetz ausgesetzt sind. Kein Wort von der harmonischen Mitwirkung in der Hartz-Kommission, kein Wort von der aktiven Hilfe bei der Umsetzung dieser menschenverachtenden Gesetze (Stichwort ver.di und die Arbeitsagenturen, siehe dazu im LabourNet: "AgenturSchluss - mit oder gegen AmtskollegInnen?)

e) " Kündigungsschutz: In den ersten 24 Monaten eines neuen Jobs heißt es: Arbeit ohne Kündigungsschutz. Jeden Tag kann man entlassen werden. Das ist Willkür! "

Richtig, das ist Willkür. Doch kein Wort davon, dass auch der bestehende Kündigungsschutz nicht das Papier, auf dem das Gesetz gedruckt wurde, wert ist. Kein Wort von ausbleibenden Protesten gegen breit praktizierte krankheitsbedingte Kündigung. Und wer kümmert sich eigentlich um die befristeten KollegInnen oder "Fremdfirmenarbeiter" (!) als Opfer der Sklavenhändler? Nein, letztere werden mit Niedriglohntarifen aus der Schmuddelecke geholt.

2. Fazit: Wer " Für sichere und mehr Arbeitsplätze " auf die Strasse ruft, kann nicht gleichzeitig der nationalen Wettbewerbsfähigkeit schaden wollen. Wer einen Mindestlohn von nur 7,50 Euro fordert, will dies ebenso nicht. Wer nur der "schrankenlosen Ausweitung der Arbeitszeiten Grenzen setzen" will, will nur die "schrankenlose" Profitgier bekämpfen.

Es bleibt also alles beim Alten und dafür sollen wir - sofern noch arbeitsfrei - den Samstag (!) opfern, um dem DGB zurück an den Katzentisch der Macht zu helfen. Es bleibt also alles beim Alten: Wer mehr will, als die SPD und/oder den "Standort" zu retten, darf nicht "gute Arbeit" fordern, sondern ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Durchaus auch am 21. Oktober. Auch dann.


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