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Updated: 18.12.2012 15:51 |
4 Jahre Betriebsrat im Markt der Einschüchterung - 4 Jahre Horrortrip Erlebnisbericht eines Metro-Mitarbeiters (Name der Redaktion des LabourNet Germany bekannt) V. 2005: Das "Tribunal" und die "Unternehmenskultur" 1. "Tribunalkultur" Im "Tribunal" gab es noch ein paar Personen, die eigentlich einfache Mitarbeiter waren wie wir auch, aber lieber die ihnen gebotenen Privilegien genossen, als sich für die Arbeitnehmerrechte einzusetzen. Die hatten in den Bereichen, in denen sie arbeiteten, die richtige Eingruppierung, was ja selten ist, und sogar noch ein paar Euro darüber und revanchierten sich natürlich beim Geschäftsleiter, indem sie so abstimmten, wie er es wollte. Also in der Regel z.B. bei Entlassungen mit "Ja". Oder bei Betriebsvereinbarungen so, wie es der Kettenhund vom Geschäftsleiter, nämlich der Betriebsleiter, von ihnen wollte. Und der eine rannte teilweise so vier Stunden im Markt herum, um zu sehen, was die Leute im Betrieb so sagten bzw. dachten - um dann der "Tribunalvorsitzenden" Bericht zu erstatten. Die ließ sich ja kaum im Betrieb sehen, als Freigestellte, sondern machte immer ihre Frühschicht. In der Spätschicht hat die sich eigentlich nie sehen lassen und in der Nachtschicht vielleicht ein bis zwei Mal im Jahr. Und für mich war das schon langsam ätzend, wenn ich mich dann rechtfertigen sollte, warum ich bei den Leuten schlecht über den Betriebsrat gesprochen hätte, oder warum ich Leuten geraten hätte, bei Probleme ver.di anzurufen oder einem Kollegen geraten hätte, er solle Tagebuch führen über die Schikanen in seiner Abteilung, von denen er mir berichtet hatte. Zum Beispiel: Wenn er sich mit einer Kollegin mal kurz unterhielt, wurde ihm gesagt, er sei zum Arbeiten hier und nicht zum Unterhalten. Auch wurde er ständig befragt, wenn er sich mit mir unterhielt, was er denn mit mir zu reden hätte. Und ein paar Tage später erfuhr ich dann von einem mir nahe stehenden Kollegen, das "Tribunal" hätte ihn in einer Art Verhör befragt, was ich ihm denn geraten hätte, und er solle sich nicht so auf mich fixieren, das könne richtig Ärger bedeuten. Er solle froh sein, dass er hier Arbeit hätte. Deshalb war ich darauf vorbereitet, als er fast heulend zu mir kam und mir sagte, er wolle nur noch seine Ruhe hier und ich solle vergessen, was er mir gesagt hatte. Seitdem bin ich auch da vorsichtig geworden und richtig diskutiert über die Schweinereien hier haben wir eigentlich nur noch in der Gruppe. Wenn jemand kam, den ich nicht gut kannte, dann war ich vorsichtig und einige in den Abteilungen, die auf meiner Seite waren, gaben mir schon immer Hinweise, wenn da jemand auf die krumme Tour versuchte, sich bei mir einzuschleichen, um dann dem "Tribunal" zu erzählen, was ich/wir machten. Eine andere Frau vom "Tribunal" war eigentlich mehr der Typ Mitläufer, die schon länger im Betriebsrat war und die SIE irgendwie weich gekocht hatten. Sie schaute immer rechts und links und stimmte dann so ab, wie DIE es brauchten, ab und zu enthielt sie sich auch der Stimme und wenn wir uns auf den Sitzungen mit dem "Tribunal" stritten, hielt sie sich meistens raus. Sie hatte halt auch etwas mehr Kohle als wir und deshalb ging sie nach dem Motto: "Nur nicht auffallen und kein Ärger mit dem `Tribunal`" in die Sitzungen. Der andere "Tribunaltyp", bei dem musste ich immer lachen in den Sitzungen, der quatschte der "Tribunalvorsitzenden" alles nach, wie eine Art Bauchredner bzw. als hätten DIE eine Art Gehirnwäsche mit dem gemacht. Wenn DIE gesagt hätten, der Himmel sei eine Banane, dann hätte der das auch noch nachgequatscht. Ich kann mich noch erinnern, wie DIE eine Diskussion hatten wegen Arbeitsplatzvernichtung, bei der ich darauf hinwies, dass sich die Arbeitgeber immer mehr die Taschen voll machen und dass die gar nicht interessiert, wie es uns geht, sondern nur ihre Profite. Da bekam ich es von allen Seiten, ich müsse auch bedenken, dass die Unternehmen keine Gewinne mehr machen würden und deshalb Leute entlassen müssten. Und dann kam der "Tribunaltyp" mit der Meinung, es gehe uns nur gut, wenn es dem Unternehmer gut ginge und "deshalb, in der jetzigen Lage", meinte er an mich gewandt, "da müsst ihr halt auf ein paar Euro verzichten. Und wenn ihr das nicht macht, dann werden die Unternehmer noch mehr Leute entlassen." Ich erwiderte nur, dass er dann erst mal bei sich anfangen solle und den blauen Anzug, den er trug, solle er dann doch besser mit einem Boss-Anzug tauschen. Da ging es dann natürlich wieder hoch her, aber diese Meinung war bei diesem "Tribunalbetriebsrat" da, sich selbst die Taschen voll zu machen und die Kolleginnen und Kollegen auszubeuten bzw. ausquetschen lassen wie Zitronen. Und so machte ich mich immer "beliebter" beim "Tribunal", weil ich ihre Lügen und Intrigen, ihre menschenverachtende Politik nicht mitmachte. Was ich jedoch verkannte, und das ist das Wichtigste überhaupt, ist die Rhetorik. Da waren und sind DIE geschult und die können dadurch gewissenlos ihre Schweinereien, die sie gemacht haben, verdecken. Jede/r sollte, wenn er/sie in Auseinandersetzungen mit "Tribunalbetriebsräten" ist, unbedingt (!) Rhetorik-Kurse besuchen, um hier dem Gegner ebenbürtig zu sein. Gerade in Auseinandersetzungen vor der Belegschaft ist das wichtig. Ich machte keine Rhetorik-Kurse und das war ein Fehler. 2. Alle Jahre wieder: Betriebsfest So kamen dann wie jedes Jahr das Betriebsfest und die Betriebsfestvorbereitungen. Diesmal sollte es kein warmes Essen, nur belegte Brötchen geben, das war wohl so vom Gesamtunternehmen beschlossen worden. Einige kamen zu mir und fragten mich, warum es dieses Jahr kein warmes Essen gibt und ob sie es sich beim gegenüberliegenden Restaurant bestellen und es sich bringen lassen könnten, sie würden es auch selbst bezahlen (das Restaurant hatte einen Lieferservice). Ich sagte, ich werde mich bei der "Tribunalvorsitzenden" erkundigen, ob das machbar sei. Also rief ich sie an. Sie sagte mir dann auf meine Anfrage, dass sie der Meinung sei, das ginge nicht, da es ja belegte Brötchen und eine kalte Platte gebe und wir dann nicht noch einen Lieferservice kommen lassen könnten. Ich erklärte ihr, dass die Leute das Essen aus eigener Tasche bezahlen wollten, es ginge lediglich um ein warmes Essen und die Kollegen seien ja auch einige Stunden hier. Die Antwort war "Nein". Ich gab das so weiter an die Kolleginnen und Kollegen und dachte, damit sei die Sache erledigt. Was ich dann erlebte, war der Beginn einer diesmal direkt vom Geschäftsleiter ausgehenden Kampagne gegen mich, die bis heute anhält. Wir, also einige Kolleginnen und Kollegen von mir und ich, gingen zusammen zum Betriebsfest. Ich holte mir noch eine Cola und ein Brötchen, die anderen auch. Auf einmal kam mit feuerroter Osrambirne der Geschäftsleiter um die Ecke mit einem Schnittchen auf dem Teller, knallte den Teller an meinem Gesicht vorbei auf den Tisch: "Das habe ich für Sie serviert", um den Teller dann wieder an meinen Gesicht vorbei mitzunehmen: "Na dann nicht", sagte er und verschwand wieder zu seinen Betriebsleitern, in deren allgemeinem Gelächter. Meine Kolleginnen und Kollegen, die mit am Tisch saßen, und ich fanden das gar nicht mehr lustig und so machte ich den Vorfall auf der nächsten Betriebsratssitzung zum Thema. Ich hatte vorher auch schon einige Ansprechpartner außerhalb des Betriebes informiert, mit ver.di brauchte ich ja gar nicht zu reden, weil mein Vertrauen zu denen eh bei null war. Ich hatte auch mit meinen anderen KollegInnenen im Betriebsrat über den Vorfall gesprochen und wir waren der Meinung, dass diese Sache protokolliert gehöre, um sie bei weiteren Vorfällen greifbar zu haben. Was uns natürlich auch noch brennend interessierte, war, wie der Geschäftsleiter an die Info kam, da ich doch nur mit der Vorsitzenden telefoniert hatte. Natürlich konnten wir uns denken, von WEM er die Information über das Gespräch hatte, aber wir wollten es von der Vorsitzenden direkt hören, wer denn die Details über das Telefongespräch, das ich mit ihr geführt hatte, dem Geschäftsleiter mitgeteilt hatte. Also gingen wir dann auf die Sitzung. und wir waren natürlich gespannt. Also gab ich zu Protokoll, dass ich das gar nicht so lustig fand, sondern eigentlich schon diskriminierend, was der Geschäftsleiter da gebracht hatte. Das "Tribunal" war natürlich anderer Meinung und fand es nicht so schlimm. Da der Geschäftsleiter vor der Sitzung schon wie ein aufgescheuchter Habicht hin und hergelaufen war und wahrscheinlich dachte, ich würde ihn zur Sitzung holen wollen, schob ich dem gleich einen Riegel vor. Das dachte ich zumindest zu dem Zeitpunkt. Ich gab nämlich ausdrücklich zu Protokoll, dass ich verlangte, dass dem Geschäftsleiter aus dem Protokoll nicht vorgelesen würde. Auch, dass der Geschäftsleiter wegen dieses Sachverhalts zu einer Sitzung eingeladen werden solle, dürfe nicht vorgelesen werden. Dann fragten wir die Vorsitzende - da sie ja als einzige von mir die vertrauliche Frage wegen der warmen Essen bekommen hatte - wie diese Information zum Geschäftsleiter gekommen sei. Sie könne es sich nur so vorstellen, bekamen wir zur Antwort, dass der Betriebsleiter, der in ihrer Nähe war, das Gespräch mitbekommen haben könnte. Den Betriebsleiter wollten wir dann hören, das wurde aber auf die nächste Sitzung vertagt, weil er an diesem Tage angeblich keine Zeit hatte. So befragten wir ihn eine Woche später. Ja, er habe neben der Vorsitzenden gestanden und habe dem Geschäftsleiter dann berichtet. Als wir ihm darlegten, dass so etwas verboten ist, wandte er sich Hilfe suchend an die Vorsitzende und die stellte dann das Verhalten des Betriebsleiters als eine Lappalie dar; so schlimm sei ja alles gar nicht gewesen und wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Ich ließ auch das protokollieren. Aber die Sache war damit noch nicht vorbei, der Geschäftsleiter wollte wohl unbedingt seinen Auftritt. Es gab hier keine Monatsgespräche und alles was im Betrieb anlag, wurde in der Regel zwischen Geschäftsleiter und Vorsitzender ausgehandelt. So wunderte ich mich, als mich kurz danach die Vorsitzende ansprach, als hätte sie Kreide gefressen. Sie wolle ein Gespräch mit dem Geschäftsleiter im Betriebsrat führen und ihn nächste Woche dazu einladen. Ich fragte, um was es denn dabei ginge und sie sagte mir, es gehe um die Vorfälle bei der Inventur. Ich machte ihr nochmals klar, dass ich schon bei der Protokollierung der Vorfälle gesagt hatte, dass aus dem Protokoll nichts vorgelesen werden dürfe, und dass ich keinerlei Interesse daran hätte, mit dem Geschäftsleiter über die Betriebsfest-Vorfälle zu diskutieren. So sahen das auch meine KollegInnen, doch die Mehrheit sah es natürlich wieder mal anders, und so kam dann der Geschäftsleiter zu seinen Auftritt. Als er kam, hielt er erst mal einen Vortrag, was seiner Meinung nach ein Betriebsrat alles zu machen hätte. Klar hätte der Betriebsrat Pflichten gegenüber der Mehrheit der Belegschaft, aber auch dem Unternehmen sei der Betriebsrat verpflichtet, und an mich gewandt fragte er: "Wann begreifen Sie das endlich, Herr XY? Wir können nicht wegen 40 oder 50 Leuten ein warmes Essen vom Restaurant kommen lassen und die Mehrheit war doch auch so zufrieden." Dann fragte er, an die Vorsitzende gewandt, um was es hier denn noch ginge. Die Vorsitzende fing dann an, aus dem Protokoll zu lesen und er ging mich wieder an, das mit dem Schnittchen sei doch ein Gag gewesen und ich solle genau überlegen, ob ich diese Art von Betriebsratsarbeit, wie ich sie mache, weiter fortführen wolle: "Wenn Sie das tun sollten, dann werden Sie sich wundern. Sie sind lange genug im Markt und wissen, dass wir auf die eine oder andere Art jeden auf unsere Linie gebracht haben. Und auch mit den Äußerungen gegenüber dem Betriebsleiter wäre ich an Ihrer Stelle vorsichtig." Ich sagte, dass ich bei so viel Sorge um mich nichts mehr zu den Ausführungen des Geschäftsleiters zu sagen hätte. Ich war innerlich empört, dass die Vorsitzende dem Geschäftsleiter ohne meine Zustimmung alles, was ich hatte protokollieren lassen, vorgelesen hatte - ihre Schweinereien sind stets Betriebsratsgeheimnis. Eigentlich hätte ich da schon vor das Arbeitsgericht gehen müssen, aber da ich eigentlich von Gerichten nicht viel halte und von ver.di eh keine Unterstützung erwarten konnte, ließ ich es bleiben. Als der Geschäftsleiter weg war, wollten DIE von mir wissen, warum ich nicht "konstruktiv" mit ihm diskutiert hätte. Ich machte darauf aufmerksam, dass nicht ich, sondern die "Tribunalmehrheit" das Gespräch gewollt hatte. Ich fände, es sei eine Sauerei, dass hier die Vorsitzende bei weitem ihre Kompetenzen überschritten hatte, indem sie aus dem Protokoll vorlas. "Sie wollen doch hier gar nicht mehr mitarbeiten", fuhren DIE mich daraufhin an und es kam wie so oft mal wieder zu einer Grundsatzdiskussion, was Betriebsratsarbeit eigentlich sein sollte. Ich dachte dann, die Sitzung sei beendet, doch - als wäre das Ansporn für so manchen vom "Tribunal" gewesen, dass der Geschäftsleiter mir direkt gedroht hatte - schrie eine vom "Tribunal", ich würde nur destruktiv arbeiten und außerdem sei die Sitzung noch nicht beendet. "Dann stellen sie mal den Ausschlussantrag", sagte eine Kollegin von mir, "jeder Arbeitsrichter wird sich freuen, wenn er so einen Antrag wie den Ihrigen auf den Tisch bekommt." Da zog die dann ihren Antrag wieder zurück. Eine Woche später ließ ich auch diesen ganzen Nerventerror protokollieren. Um was es hier dem Geschäftsleiter und dem "Tribunal" ging, ist klar: Sie wollten mich mundtot machen, mich dazu bringen, dass ich von selbst die Brocken hinschmeiße und aufgebe. Aber den Gefallen tat ich denen nicht. Ich muss aber sagen, dass ich schon öfter ein blödes Gefühl hatte, wenn ich zu den Sitzungen ging, denn du weißt genau, du gehst da hin und hast laufend Ärger und Streitereien mit Leuten, mit denen du unter normalen Umständen noch nicht einmal ein Bier zusammen trinken gehen willst. Am schlimmsten war es, wenn meine anderen KollegInnen nicht da waren und ich DENEN alleine gegenüber stand; dann bin ich manchmal total frustriert raus. Dann gab mir aber die Unterstützung Kraft, die ich von Außen hatte. Denn es tut gut, wenn du weißt, draußen sind auch noch welche, die so wie du denken und die für die gleiche Idee kämpfen. Ich glaube trotzdem nicht, dass es eine/r alleine vier Jahre in einem "Tribunalbetriebsrat" durchsteht, ohne dann reif zu sein für die Insel. 3. Ärger, von beiden Seiten Ich hatte dann natürlich auch wieder Ärger bei der Arbeit. Der Betriebsleiter verfolgte mich auf Schritt und Tritt. Eines Tages sagte ich einer Kollegin Bescheid, dass ich für ein paar Minuten weg und mit einer Kollegin vom Betriebsrat reden müsse. Also ging ich zur Kollegin, um mit ihr über die immer mehr um sich greifende Erpressung der Mitarbeiter bei den Personaleinsatzplänen zu reden. Die Pläne sahen nämlich vor, dass Leute pro Woche in drei verschiedenen Schichten arbeiten mussten und dass Leute mit den Worten "Denkt an Karstadt" vom Betriebsleiter gezwungen wurden, drei oder auch alle Samstage im Monat zu arbeiten. Dem Geschäftsleiter und seinem Betriebsleiter ging es nämlich darum, den vorderen Platz als Arbeitsplatzvernichter im Gesamtunternehmen zu halten, also mit immer weniger Personal den Standard zu halten, der vorher mit mehr Personal erreicht wurde. Und da war jedes Mittel der Erpressung der Belegschaft recht, denn die betreffende Betriebsvereinbarung, die wir hatten, sprach von höchstens zwei Samstagen im Monat, an denen wir arbeiten sollten. Der "Tribunalbetriebsrat" hier schaute auch da zu. Wir wollten die Dinge zur Abstimmung bringen; deshalb war ich an diesem Tag bei meiner Kollegin. Ich war gerade wieder auf den Weg zurück in die Abteilung, als mir auf einmal wie aus dem Nichts der Betriebsleiter entgegen kam und fragte, was ich denn bei der Kollegin zu suchen gehabt hätte. Ich sagte, ich sei wegen Betriebsratsangelegenheiten da gewesen. Der Betriebsleiter fragte, ob ich mich denn abgemeldet hätte. "Ja, bei der Kollegin", sagte ich. Das zähle nicht, meinte er, ich müsse mich beim Abteilungsleiter und, wenn der nicht da sei, bei seinen Stellvertreter abmelden. Sich bei einem Kollegen abzumelden, reiche nicht aus. Und da ich dagegen verstoßen hätte, "werde ich eine disziplinarische Maßnahme gegen Sie einleiten", sagte er mir dann. Als ich schon Feierabend hatte, rief mich der Betriebsleiter. noch einmal in sein Büro und ich bekam einen Eintrag in die Personalakte. Ich schrieb auch hier eine Gegendarstellung direkt an den Betriebsleiter, in der ich ihn aufforderte, den Eintrag zurückzunehmen. Deshalb musste ich dann ein paar Tage später zu einem Gespräch mit dem Betriebsleiter, der "Tribunalvorsitzenden" und weiteren "Tribunalmitgliedern" kommen, bei dem es um meine Gegendarstellung ging. Sie legten mir dar, dass es nun mal in diesem Markt so sei, dass, wenn jemand die Abteilung verlässt, er sich beim Abteilungsleiter bzw., wenn der nicht da ist, bei seinem Stellvertreter abmelden müsse. Mein Schreiben sei eine Unverschämtheit, sagten sie dann zu mir, da ich verlange, den Eintrag in die Personalakte rückgängig zu machen. Das würde der Betriebsleiter nicht tun. Ich verließ dann den Raum und auch hier war wieder deutlich geworden, dass DIE mich klein kriegen wollten. Somit war ich der Einzige in der Abteilung, der sich beim Abteilungsleiter bzw. beim stellvertretenden Abteilungsleiter abmelden musste. Das galt auch, wenn ich auf Toilette ging oder wenn ich in die Pause ging oder Ware in andere Abteilungen bringen musste. Der Betriebsleiter fragte fast jeden Tag nach, wenn ich nicht in der Abteilung war, wo ich mich aufhalte. Die meisten meiner Kollegen schüttelten nur den Kopf, wenn der Betriebsleiter wieder kam und nachfragte. Wenn ich mit jemanden sprach oder Anrufe oder auch Anfragen vom Kunden im Markt kamen, kam der Betriebsleiter plötzlich um die Ecke und stand auf einmal neben mir um zu horchen, mit wem ich redete. Wegen der Vorfälle und dem Eintrag in die Personalakte war ich natürlich auch wieder Thema beim "Tribunal" und DIE wollten natürlich wissen, ob ich weitere Schritte, also evtl. eine Gerichtsverhandlung für die Gegendarstellung, anstrebe. Ich sagte nur, dass ich das offen lasse. Die "Tribunalvorsitzende" sagte dann nur, dass der Eintrag in die Personalakte nicht herausgenommen werde, das sei ja lediglich ein berechtigter Hinweis an mich, meine Einstellung zu ändern. Es kam dann alles zu Protokoll und einer der "Tribunaltypen" verlangte auch noch eine Aussprache wegen mir und meinen anderen KollegInnen wegen der Vorfälle am Ende letzten Jahres (Zur Erinnerung: Auseinandersetzung wegen der nicht eingehaltenen Betriebsvereinbarung zu verlängerten Öffnungszeiten). Erneut wurde mir vorgeworfen, ich riefe laufend bei externen Betriebsräten und ver.di-Mitgliedern an. Ein mit den "Tribunalleuten" befreundeter Betriebsrat aus einem anderen Markt, in dem ich mehrere Ansprechpartner hatte, hatte mitbekommen, dass wir Infos austauschten und auch über die Zustände, die in unseren Markt herrschten, sprachen. Wir haben das schnell herausgefunden und dementsprechend wurden alle Sachen, die wir dann im Laufe der Zeit noch besprachen, an dieser Person vorbei gemacht. In dieser Zeit hatte auch ein "Tribunal"-Typ Ärger bekommen. Er arbeitete in einem Bereich, in dem sehr teure Waren standen, und wenn du den verlässt, dann musst du sehen, dass dich jemand ablöst. Er hatte den Bereich einfach verlassen, ohne jemandem Bescheid zu sagen, und auch nichts unter Verschluss gehalten, alles offen gelassen. Ein Betriebsleiter sah das und machte sich eine Notiz, teilte es Tags darauf einem dem Betriebsleiter mit, woraufhin der "Tribunal"-Typ ein paar Tage später eine Abmahnung erhielt. Wir waren da erst mal sehr überrascht, dass überhaupt jemand von DENEN eine Abmahnung erhielt, und waren gespannt, was das "Tribunal" denn jetzt tun würde. Auf der nächsten Betriebsratssitzung hieß es dann, die Abmahnung sei wieder zurückgenommen, durch ein Gespräch mit dem Geschäftsleiter sei die Sache geklärt worden. Der Betriebsleiter habe den Sachverhalt nicht richtig weitergegeben, denn der "Tribunal"-Typ habe sehr wohl alles unter Verschluss gehabt, hieß es lapidar. Hier hatte das "Tribunal" wieder mal gezeigt, über welche Macht es im Betrieb verfügt. Der betreffende Betriebsleiter erzählte uns in einem Gespräch, dass der "Tribunal"-Typ sehr wohl nichts unter Verschluss hatte. Der Betriebsleiter, der die Abmahnung unterschrieben hatte, musste beim Geschäftsleiter antreten und ihm wurde klar gemacht, dass sie diesen Typ aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit in Ruhe zu lassen hätten. Wenn noch mal was wäre, sollten sie erst zu ihm kommen, bevor etwas schriftlich gemacht würde. Von da an wurde eigentlich dieser Betriebsleiter zu einem Fan von uns und gab uns auch öfter mal einen Tipp, wenn der Geschäftsleiter und seine Kettenhunde irgendwelche Dinge anordneten. Seinen Posten als Betriebsleiter legte er dann auch einige Zeit später nieder, weil er sich nicht länger zu einem Werkzeug des Geschäftsleiters machen lassen wollte. Natürlich ist auch er mittlerweile heruntergestuft worden und als Substitut tätig. 4. Kein Entrinnen Dann trauerten wir noch um eine Kollegin, die mit noch nicht mal 50 tragisch verstorben war. Sie hatte schwere gesundheitliche Probleme und war in einen total stressigen Bereich versetzt worden, in dem sie viel mit Kunden zu tun hatte. Dem Geschäftsleiter passte wohl ihre Arbeitsweise nicht, also musste die Kollegin öfter beim Geschäftsleiter oder Betriebsleiter antreten und kam öfters fix und fertig von diesen Gesprächen zurück. "Jetzt holen DIE mich schon wieder", oder "Ich musste mich schon wieder rechtfertigen für Dinge, für die ich eigentlich nichts für kann", sagte sie dann. Und mit den Worten "Jetzt geh ich erst mal noch in die Imbissbude und noch nicht nach Hause", sah ich sie immer öfter gehen. Interventionen von mir und meinen Kollegen im Betriebsrat verhallten mit den Worten "Ach, die fühlt sich doch wohl in dem Bereich", und so war die Kollegin eigentlich mit den Problemen auf sich allein gestellt. Ich riet ihr, eine Mobbing-Beratungsstelle aufzusuchen und sich dort helfen zu lassen, aber sie wollte nicht. Ihre gesundheitlichen Probleme wurden immer größer. Ich sah sie noch einen Tag, bevor sie starb, und wir unterhielten uns über die unmenschlichen Zustände hier im "Markt der Einschüchterung", wie wir den Betrieb nannten. Als ich am nächsten Tag hörte, dass sie an ihrem Leiden verstorben sei, da musste ich an mich halten, um nicht laut los zu Schreien. "Das System hat hier einen kranken Menschen, ohne Rücksicht auf ihn zu nehmen, fertig gemacht", waren meine Gedanken, die ich aber nur in der Gruppe so weitersagte. Aber viele im Betrieb dachten so wie ich, und es war wirklich auch eine richtige Betroffenheit da, aber keine/r traute sich natürlich offen zu sagen, wer denn mit Schuld am Tod der Kollegin hatte. Und so sammelten wir dann und es kam eine ganz schön hohe Summe zusammen, auch der Geschäftsleiter wollte einen Kranz hinbringen. Der Mann der Kollegin und ihre Familie wollten jedoch nichts mehr mit "diesem Laden" zu tun haben und auch niemanden sehen. Das war natürlich wieder Betriebsgeheimnis, uns wurde allen ein Maulkorb gegeben. Einer von uns, der mit dem Mann der verstorbenen Kollegin telefoniert hatte, erzählte, dass er die Spenden von uns schon entgegen nehmen wolle, aber mit den Vorgesetzten seiner Frau wolle er nichts mehr zu tun haben. Jetzt stehe er da mit den 2 kleinen Kindern, die keine Mutter mehr haben, sagte er wohl noch. Also fuhr dann einer von uns hin und überbrachte die Spenden. Den Kranz vom Geschäftsleiter musste jemand anders mitnehmen und niederlegen. Und im "Tribunal" wurde uns dann gesagt - speziell zu mir - dass diese ganze Angelegenheit mit der Familie nicht im Betrieb erzählt werden dürfe, denn das würde Unruhe reinbringen. Außerdem sei sie ja eh an ihren persönlichen gesundheitlichen Problemen gestorben, sagte die Vorsitzende lapidar, um dann gleich wieder zur Tagesordnung überzugehen. Für mich und für viele im Betrieb bleibt die Kollegin immer als eine von uns, die vom System fertig gemacht worden ist, in Erinnerung. Und es erinnert mich an unsere Aufgabe als Kollege, Gewerkschafter oder Betriebsrat, dass wir bei solchen Dingen, wenn sie in Betrieben passieren und Kolleginnen oder Kollegen systematisch fertig gemacht werden, dazwischen gehen müssen, und dass wir die Verantwortlichen gleich von Anfang an, wenn wir so etwas mitbekommen, ansprechen und sie auffordern müssen, solche Handlungen zu unterlassen. § 87 des Betriebsverfassungsgesetzes gibt uns das Recht dazu. Für mich bleibt der Tod der Kollegin als Erinnerung und als Auftrag zurück, so etwas nie wieder zuzulassen. 5. "Tribunal"-Alltag Teil 4 Kurz darauf wurde ein Kollege wegen Diebstahls entlassen, bei dessen Beobachtung und dann Überführung auch Leute vom "Tribunal" mitgewirkt hatten. Und sie hatten natürlich panische Angst, dass irgendwo ihre Namen auftauchen würden. Deshalb waren alle Spitzel im Einsatz, um zu sehen, was denn so geredet wurde. Mir wurde dann vorgeworfen, ich hätte in einen Gespräch mit befreundeten KollegInnen über den Dieb Namen von Leuten aus dem "Tribunal" genannt, die dabei waren, als er überführt wurde. Zu diesem Vorwurf wurde mir auch ein Name der Person genannt, die das Gespräch belauscht haben soll. Ich fragte zurück, ob die "Tribunal"-Leute sich nicht erinnern könnten, dass wir das Thema "Belauschen von Gesprächen" schon einmal hatten und dass das verboten sei. Das war ein willkommener Anlass für eine erneute - wie sie es nannten, Aussprache. Da ging es dann wieder mal um meine Betriebsratsarbeit, aber auch um die meiner KollegInnen in der Minderheit. Mir wurde vorgeworfen, dass ich Informationen, die nur diesen Betrieb beträfen, an externe Betriebsräte aus anderen Märkten weitergeben würde. Was ich dazu zu sagen hätte, wollten sie wissen; auch, was ich dazu zu sagen hätte, dass ich wegen der wegen nicht gezahlten und im Manteltarifvertrag vereinbarter Zulagen den Landesvorstand von ver.di angerufen hätte. Also fragte ich zurück, von wem diese Info käme, und da mussten sie natürlich passen, um ihre petzerische Quelle nicht preis zu geben. Und: "Der Anruf beim ver.di Landesvorstand hat doch wenigstens gebracht, dass die Leute mit Wechselschichtvertrag jetzt zumindest die im Manteltarifvertrag festgelegten 55 Prozent Zulage bekommen, und das ist doch ein Erfolg auch für die Belegschaft", sagte ich. Mit einem Seitenhieb auf die "Tribunalvorsitzende" fügte ich hinzu: "Da hat sich dann auch ihre Sekretärin von der zuständigen ver.di getäuscht." Daraufhin fingen erneut Hetzereien gegen mich, wegen der belauschten Gespräche, und gegen meine KollegInnen - wir würden die Leute gegen das "Tribunal" und die Vorsitzende aufhetzen. Eine von uns wurde vom "Tribunal" gerügt wegen einer Veränderung, wie sie es nannten, die mit ihr vorgegangen wäre. In letzter Zeit könnten sie gar nicht mehr normal mit ihr reden. Sie antwortete darauf, dass, wenn sie sehe, was hier mit mir veranstaltet würde und in fast jeder Sitzung meine Gesinnung auf der Anklagebank stünde, dann könne sie sich nicht mehr raushalten und so tun, als wäre das alles richtig, was hier gemacht würde. Sie sei nicht bereit zuzusehen, wie hier von einer Mehrheit versucht werde, einer Minderheit ihre Meinung aufzuzwingen. Und deshalb habe sie gegenüber den meisten der "Tribunalmitglieder" eine andere Sprache angeschlagen als bisher. Da merkten sie, dass ihr Versuch, mich zu isolieren und die anderen auf ihre Seite rüberzuziehen wieder mal gescheitert war. Eigentlich hätten wir zu dem Zeitpunkt schon beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Auflösung des Betriebsrates stellen müssen, ließen es dann aber doch wieder bleiben, weil wir der Meinung waren, das Jahr bis zu den regulären Betriebsratswahlen würden wir auch noch durchhalten. In uns reifte in dieser Zeit immer mehr die Meinung, dass wir dann über eine Listenwahl versuchen sollten, das "Tribunal" abzuschaffen. Einige Tage später ist wieder einem Mitarbeiter gekündigt worden wegen angeblichen Diebstahls. Er wurde - natürlich wieder ohne Betriebsratsbeschluss - per Video überwacht und hätte angeblich Werkzeug gestohlen. Eine eidesstattliche Versicherung brachte die Vorsitzende natürlich dann auch noch mit, in der der Kollege zugab, dass er gestohlen habe. Ich verlangte, den Kollegen zu den Vorfällen zu hören. Das ginge nicht, wurde mir gesagt, der Fall sei ja klar. "Für mich ist gar nichts klar", sagte ich und stellte zur Abstimmung, den Kollegen zu hören. Die Mehrheit wollte natürlich nicht. Jemand von uns fragte noch, warum denn erst jetzt über die Videoüberwachung berichtet würde und vorher keine Information an den Betriebsrat gegangen sei. Die Vorsitzende erzählte dann, sie sei erst am Tag vorher informiert worden über die Überwachung und da sie da schon auf den Weg nach Hause war, hätte sie ja niemanden erreichen können. Und wieder kam dann ihr Standardspruch, dass sie für jede Art der Überwachung sei, denn nur wer was zu verbergen hätte, würde gegen Überwachung sein und die Sache hier sei ja wohl eindeutig. Und so bekam sie von der Mehrheit ihre "Ja"-Stimmen für die Kündigung; von mir und meinen KollegInnen jedoch nicht. Wobei das "Tribunal" dann Gerüchte im Betrieb streute, ich hätte dafür gestimmt, dass der Kollege, der geklaut hat, weiter hier arbeiten könne. Also erklärte ich jedem, der mich fragte, ob sie denn dabei gewesen wären und ob sie es gut fänden, wenn sie einfach so mal überwacht würden? Da gaben mir dann doch einige Recht; andere waren dabei, die hätten sich sogar illegal überwachen lassen. 6. Erneute Verlängerung der Ladenöffnungszeiten Dann stand nach langer Zeit auch mal wieder eine Betriebsversammlung an. Also, vier Mal im Jahr, wie im Betriebsverfassungsgesetz vorgeschrieben, das gab es hier ja nie. Es sollte höchstens eine stattfinden wegen der neuen Öffnungszeiten, die anstanden: Samstags statt bisher bis 18 Uhr nun bis 20 Uhr. Die Betriebsvereinbarung dazu war schon zwei Wochen vor der Betriebsversammlung von der Mehrheit der Betriebsratsmitglieder mit "Ja" abgestimmt und auch schon unterschrieben worden. Ich war gegen die Samstagsöffnungen bis 20 Uhr, "weil wir dadurch die Arbeitsplatzvernichtung hier und anderswo nicht stoppen können, Mehrbelastungen auf die Kolleginnen und Kollegen zukommen und die Betriebsvereinbarung hier eh nur ein Fetzen Papier sind, der nichts wert ist", sagte ich und so stimmte ich mit "Nein". Die Vorsitzende wollte jedoch eine Betriebsversammlung machen um das zu verkünden und natürlich waren auch wir der Meinung, dass die Belegschaft darüber informiert werden sollte, was an Mehrbelastung auf sie zukommt. Wir gingen davon aus, dass ver.di auch jemand schicken würde, um die Gewerkschaftsposition zur Samstagsöffnung zu erläutern. Aber was dann auf der Betriebsversammlung lief, war eine Selbstdarstellung vom Geschäftsleiter sowie der Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzender des "Tribunals", die an rhetorischer Begabung, Lügen als Wahrheit darzustellen, kaum noch zu überbieten war. Der Geschäftsleiter kam als Erstes mit Videos über die immer mehr um sich greifende Arbeitslosigkeit, auch hier im Betrieb habe man einige Stellen abbauen müssen. Er erzählte dann von einem kleinen Zuliefererbetrieb, der dem Markt angegliedert war, den man hätte zumachen müssen und die Leute seien in anderen Zulieferbetriebe untergebracht worden. Dann sprach er davon, dass auch so einige Stellen hier abgebaut worden seien. Aber da wir ja ein Betrieb seien, dem es noch relativ gut gehe, sei der Arbeitsplatzabbau bei uns nicht so gravierend. Durch Altersteilzeit, Verrentungen und durch Verlagerungen von Vollzeit in Teilzeit sei es gelungen, betriebliche Kündigungen gering zu halten. Darauf folgte natürlich eisiges Schweigen und was ich daraufhin erlebte, bestätigte mich in meiner politischen Meinung: Von ver.di war überhaupt niemand anwesend und die "Tribunalvorsitzende" wurde vom Geschäftsleiter dargestellt, als wäre sie die Vorsitzende von ver.di: "Also, wenn Ihr Fragen habt wegen der Tarifrunde 2005: Die Vorsitzende klärt euch darüber auf; sie ist ja auch in der Tarifkommission." Dann fing die Tribunalvorsitzende an mit der Betriebsvereinbarung "Samstag länger arbeiten bis 20.00 Uhr"; sie frage jetzt die Leute auf der Betriebsversammlung, was sie denn machen solle, die Betriebsvereinbarung unterschreiben oder nicht unterschreiben? Das wolle sie jetzt von den "Kollegen" wissen. "Ihr habt ja vom Geschäftsleiter gehört, wie die Lage momentan ist auf den Arbeitsmarkt." Also, an Lüge war sie kaum noch zu überbieten, diese Vorstellung, denn die Betriebsvereinbarung war ja schon längst von der Mehrheit des Betriebsrats abgesegnet. Das war echt eine skrupellose Vorstellung und eine Darstellung ihrer Macht. Wenn der Geschäftsleiter dabei ist und wenn kein ver.di-Vertreter da ist, dann ist klar, dass die Belegschaft natürlich nichts sagt und sich in betretenes Schweigen hüllt. Und wir/ich, ja, wir haben auch geschwiegen, ohne die Auseinandersetzung zu suchen. Das war ein Fehler, muss ich im Nachhinein sagen. Hier hätten wir mit unserer Meinung zur längeren Öffnung und dass die Betriebsvereinbarung schon unterschrieben war, der Belegschaft klar machen können, das sie belogen wurde. Wir machten es nicht und gaben somit dem "Tribunal" ein Forum. Wobei dann natürlich auch der Punkt "Wahlen vor Ende der normalen Amtszeit" ein Thema geworden wäre. Also hörte ich mir auch noch die Lügerei der stellvertretenden Vorsitzenden an, die dann sagte, wer was dagegen hätte, das "wir" diese Betriebsvereinbarung unterschreiben, der solle sich zu Wort melden und natürlich meldete sich niemand. Anschließend, nach der Versammlung, machte sich das "Tribunal" noch lustig über uns: "Na, wo sind denn ihre Leute, die gegen die Verlängerung sind? Nicht ein einziger hat dagegen etwas einzuwenden gehabt. Merken Sie denn nicht, dass Sie mit Ihrer Meinung hier isoliert sind?" Es war brutal, aber sie hatte in diesem Fall recht: Mit Lügen und mit dem Geschäftsleiter im Rücken ist es möglich, eine Belegschaft so zu manipulieren, dass sie in der Mehrheit alles mit sich machen lässt, denn wenn mit Verlust des Arbeitsplatzes gedroht wird, verfallen die meisten in Panik. Für mich war das eine menschenverachtende und aufgrund der Angst vor Arbeitslosigkeit manipulierte Betriebsversammlung, um die Stellung des Geschäftsleiters zusammen mit dem "Tribunal" zu festigen. Die zuständige ver.di hatte hier feige niemanden geschickt, um Flagge zu zeigen. Jetzt war ver.di in meinen Augen und auch bei unserer Gruppe zu einer Art Statthalter der menschenverachtenden Politik hier im Betrieb geworden. Einige von uns überlegten sogar, ganz auszutreten, aber wir kamen dann zu der Einschätzung, dass ein Austreten niemanden weiterbringe und dass wir weiter gegen die Strukturen hier bei ver.di vor Ort kämpfen müssten. Gut, ein paar Leute, die neu eintreten wollten, sagten mir klipp und klar bei einem unserer Treffen, mit so einem Bonzenverein wie ver.di wollten sie nichts zu tun haben und man sehe doch gerade hier im Betrieb, dass nur Leute bei ver.di gefördert würden, die die Interessen des Geschäftsleiter vertreten und sie hätten keinen Bock, dafür Beitrag zu bezahlen. Ich verstand diese Kolleginnen und Kollegen nur allzu gut, versuchte zu erklären, dass ver.di nicht gleich ver.di sei und erntete in dieser Zeit nur Kopfschütteln. In mir reifte immer mehr der Entschluss, entweder auszutreten oder mich einen anderen ver.di-Bezirk anzuschließen. Denn die örtliche zuständige ver.di hatte sich im Laufe der Jahre immer mehr zu einer Art Filiale vom "Tribunal" entwickelt. Ruhigen Gewissens konnte man niemanden mehr da hinschicken, wenn er/sie Probleme hatte, weil dann immer damit zu rechnen war, dass diese Leute noch mehr Ärger im Betrieb bekamen als sie vorher hatten, weil ver.di die Namen an die Vorsitzende und somit ans "Tribunal" weitergab. 7. Kranke Zustände Dann kam in diesem Zeitraum ein Kollege zu mir, er war auch schon einige Jahre im Markt und war versetzt worden, weil er angeblich ihre Arbeit nicht mehr korrekt machte. In der neuen Abteilung musste er auch öfters in einen Bereich, in dem es zehn Grad minus war. Er klagte über Gliederschmerzen und wurde immer öfter krank. Ich schlug ihm vor, einen Brief an ver.di und an den Betriebsrat zu schreiben, in dem er auf die unerträglichen Zustände, denen er seit der Versetzung - der er nie zugestimmt hatte - ausgesetzt war, hinweisen sollte. Dann kam der Brief an und es wurde diskutiert und natürlich war der Kollege wieder mal an allem Schuld. So wurde sogar das ärztliche Attest angezweifelt, der Arzt sei angeblich als "Krankschreiber" bekannt und der Kollege sei auch schon öfter zu spät gekommen. Versetzungen gebe es keine mehr in diesem Bereich, da ja alles Food sei, und er müsse halt in dem Bereich, wo er jetzt sei, mit weniger Geld auskommen, denn die höhere Lohngruppe, die er vorher hatte, sei da nicht drin. "Das ist halt ein niedrigerer Bereich", sagte die "Tribunalvorsitzende", und ver.di sei derselben Meinung. Dass dieser Bereich ihn krank mache und eine Sorgfaltspflicht ihm gegenüber bestehe, machte ich geltend, und außerdem hätte ich gerne mal eine Begründung von seinen Vorgesetzten dazu gehört. Des Weiteren könne man nicht ohne seine Zustimmung mal eben die Eingruppierung ändern. Also bekamen wir durch, dass er dazu gefragt werden müsse, und das im Beisein von mir und einem meiner BetriebsratskollegInnen. So mussten DIE, um nicht gegen das Betriebsverfassungsgesetz zu verstoßen, der Anhörung zustimmen. Das "Tribunal" tobte, das merkte ich an den Reaktionen. Zum Glück hatten sie es ausnahmsweise mit einem Kollegen zu tun, der sich nicht weich kochen ließ. Also kam er dann und sagte, er wolle weiter das Gehalt, das er vorher hatte und dieselbe Eingruppierung. Außerdem wolle er gerne wieder zurück in die Abteilung, in der er vorher war. Wir vereinbarten ein Gespräch mit dem Betriebsleiter und dem Abteilungsleiter der Abteilung, in der er vorher beschäftigt war. Und auch ich hatte im Vorfeld schon mit ehemaligen Kollegen von ihm gesprochen. Die erzählten mir, dass er eigentlich sehr kollegial sei und das Problem bestünde nur darin, dass er nicht fast jeden Samstag arbeiten würde und deshalb rausgedrückt wurde vom Abteilungsleiter und Betriebsleiter. "Auf wessen Anweisung, kannst Du dir ja denken." Die, die sie jetzt für seine Arbeit genommen hatten, die sagte nichts und arbeitete fast jeden Samstag. Es ging hier darum, eine Person, die sich nicht alles gefallen lässt und nicht nur Lohnsklave, sondern auch Subjekt bleiben möchte, abzuschieben, weil sie nicht bereit war, die aufgrund der Personalknappheit hier entstandenen Engpässe bei der Samstagsarbeit zu schließen. So war er auf einmal nicht mehr gut genug für die Abteilung. Und das hörte sich dann im Gespräch so an: Seine Leistungen hätten im Laufe der Jahre nachgelassen und er sei nicht mehr so zuverlässig wie zu Anfang. Außerdem fing der Betriebsleiter noch an, der Kollege sei nicht mehr tragbar für die Abteilung gewesen, weil er angeblich Ärger mit verschiedenen Kunden verursacht hätte, und deshalb sei er in die andere Abteilung verlegt worden. Eine Versetzung sei das nicht, da ja alle Bereiche in einem Oberbegriff festgehalten seien (Food). Ich machte noch einmal darauf aufmerksam, dass trotzdem nicht einfach das Gehalt gekürzt werden dürfe. Zudem sei jetzt noch eine chronische Erkrankung zu den Gliederschmerzen hinzugekommen, die er wegen der eisigen Temperaturen hatte. Der Betriebsleiter sei gefordert, das aufgrund seiner Sorgfaltspflicht sofort abzustellen. Dieser blickte sich dann Hilfe suchend nach der "Tribunalvorsitzenden" um, die ihm natürlich zur Seite sprang: Es ginge nicht an, jemanden, der sich mit den Kunden anlege, weiter in der Abteilung zu beschäftigen. Wenn er denn eine chronische Krankheit wegen der Kälte hätte, dann müsse halt jemand die Ware aus diesem Bereich holen und ihm bringen. Und außerdem, nach ihren Informationen solle er ja gar nicht in diesem kalten Bereich arbeiten. Nach dieser Vorlage sagte auch der Betriebsleiter, er hätte davon nichts gewusst, und werde den Vorgesetzten in diesem Bereich Anweisung geben, dass der Kollege nicht mehr in den Bereich rein müsse. Wegen der Eingruppierung kamen wir überein, uns noch einmal zusammenzusetzen. Es wurde darauf spekuliert, dass der Kollege im Laufe der Zeit klein beigibt. Und die erste Abmahnung ließ nicht lange auf sich warten: Er würde seine Arbeit nicht korrekt machen und außerdem würde sein Verhalten nicht gerade zu einen guten Arbeitsklima in der Abteilung beitragen. Er kam zu mir und ich gab ihm den Rat, sich einen Anwalt zu nehmen und erst ver.di aufzusuchen, wenn der Anwalt schon geschrieben hätte, und dort den Schein zur Kostenübernahme einzureichen. Er sagte mir dann im Vertrauen, dass er den "Markt der Einschüchterung" demnächst verlassen wolle. Ich versuchte ihn zu überreden, es seien ja bald Betriebsratswahlen und dann könnten wir hier die Zustände verändern. "Hier kannst du gar nichts verändern, da die Mehrheit alles mit sich machen lässt. Durch die Androhung von Verlust des Arbeitsplatzes bekommen die meisten weiche Knie und lassen alles mit sich machen," sagte er aber und erzählte mir dann von der einen Kollegin in seiner Abteilung, die mit einer Handgelenkentzündung arbeiten gegangen war und sich nur noch mit Schmerzmitteln fit halten konnte. "Und so sind die meisten hier." Er nahm sich dann einen Anwalt und es gelang ihm, dass die Abmahnung wieder aus der Personalakte entfernt wurde. Auch sein Zeugnis ließ er noch einmal überprüfen und auch das war OK. Dann kündigte er selbst und jetzt geht er in einer anderen Fabrik arbeiten, wo, wie er mir vor kurzen sagte, menschenwürdigere Bedingungen herrschen als hier. Aber das ist ja auch nicht schwer, da wir hier nicht weit weg von den Zuständen sind, die bei Lidl herrschen. Wir hatten wieder jemanden aus der Gruppe verloren und auch bei den Betriebsratswahlen hätten wir ihn gut gebrauchen können. Ein Mitstreiter war gegangen und in diesen Falle ein sehr aktiver Kollege. Die Freude im "Tribunal" war unverkennbar, als bekannt gegeben wurde, dass der Kollege den Markt verlassen hatte. 8. Mindesthaltbarkeitsdatum oder gewissenlose Gewinnsucht Es kam auch öfters mal die interne Lebensmittelkontrolle, also die vom Unternehmen eingesetzt wurde, vorbei. Da waren dann alle am rotieren, alles was 2 Arme und 2 Beine hatte, wurde in die betreffenden Abteilungen geschickt, um eventuell abgelaufene Ware schnell noch aus dem Regal zu nehmen. Vor allem die Betriebsleiter waren dann immer am rotieren, denn wenn die Lebensmittelkontrolle abgelaufene Ware fand, gab es richtig Ärger. Und die Sündenböcke waren dann natürlich die Mitarbeiter, die in diesen Abteilungen arbeiten mussten. Auch die Abteilungsleiter und Substituten, die in diesen Abteilungen des Food-Bereiches arbeiten, sitzen in einer Art Schleudersitz, denn die müssen dem Geschäftsleiter und dem Betriebsleiter Rede und Antwort stehen, wenn nicht genug Einnahmen in diesen Bereichen erzielt werden. Das heißt, der Abteilungsleiter bestellt zu viel Ware und die Hälfte der Ware ist abgelaufen und muss als Belastung (Belastungsvereinbarung) abgeschrieben werden, dann bekommt er Ärger direkt mit dem Geschäftsleiter und wenn er zu wenig bestellt hatte, passierte das gleiche. Entsprechend standen dann diese Abteilungen - also die dort tätigen Mitarbeiter - unter Druck. Und wie es dann in einem hierarchisch geführten Markt aussah, kann sich jede/r denken. Drohung mit Verlust des Arbeitsplatzes, Drohung mit Versetzung, Drohungen über Drohungen. In einigen unserer Märkte soll daher auch passiert sein, dass ein Haltbarkeitsdatum geändert wurde oder Ware, die abgelaufen war, also deren Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten war, trotzdem weiter verwendet wurde. Worum es hier ging war einfach Kohle machen und das wurde vom Geschäftsleiter natürlich auch inoffiziell den Verantwortlichen in der Abteilung deutlich gemacht. Er selbst machte sich da ja die Hände nicht schmutzig. Aber wenn einer der Verantwortlichen zu viele Belastungen auf Artikel mit Mindesthaltbarkeitsdatum schrieb, schickte er dann seinen Kettenhund, den Betriebsleiter, und ließ ausrichten, dass sich das sofort ändern müsse und ob der Verantwortliche nicht fähig sei, seine Abteilung richtig zu führen. Es könne nicht angehen, dass die Abteilung solch hohe Belastungen mache und wir seien hier, um Gewinn zu machen und nicht, um ins Minus zu kommen. Und was das heißt, wenn der Geschäftsleiter den Betriebsleiter schickt, das kann sich jeder Vorgesetzte ausrechnen: Versetzung bzw. Runterstufung, wenn er nicht in den nächsten Wochen eine Verbesserung herbeiführt. Also bestellt er weniger und wenn er auf einmal ein leeres Lager hat, bekommt er/sie Ärger, weil er/sie so wenig bestellt hat; bestellt er/sie zu viel, bekommt er/sie Ärger, weil er/sie zu hohe Belastungen schreiben muss. Wenn die interne Lebensmittelkontrolle kam, hatten die meisten hier in unserem Markt schon eine Info. Und wenn die interne Kontrolle doch was fand und Angelegenheiten über abgelaufene MHD (Mindesthaltbarkeitsdatum) zur Sprache kamen, so fiel das unter "Betriebsgeheimnis". Es wurde immer wieder argumentiert, dass es wichtiger sei, Arbeitsplätze zu erhalten, als wegen abgelaufener MHD etwas zu unternehmen. Meine Meinung dazu war und ist, dass wenn es irgendwo solche Märkte gibt, wo es den Geschäftsleitern nur um Kohle und Gewinne geht und die Menschen, die z.B. in Abteilungen mit MHD arbeiten, ständig unter Druck gesetzt werden und vielleicht sogar durch diesem ständigen Gewinnsuchtsdruck einen Fön in die Hand gedrückt bekommen um das MHD-Datum zu ändern, dass dann nicht diesen Menschen gekündigt gehört, sondern den Geschäftsleitern, denen Geld und Gewinne über alles gehen. Diese Meinung vertrat ich auch im Betriebsrat, wo sich allerdings die wenigsten Gedanken gemacht haben über diese gewissenlose Gewinnsucht. 9. Perfektionierte Ausgrenzung Und dann kamen die nächsten Attacken gegen mich. Da war immer so eine freundliche Kollegin in einer anderen Abteilung, die grinste mich immer an und kam auch öfter mal mit ihren Problemen zu mir. Also, wegen der Eingruppierung und dass sie eigentlich in eine höhere Lohngruppe reingehörte. Sie war noch nicht allzu lange da und noch in dieser Frist, in der DIE ihr jederzeit kündigen konnten. Das erklärte ich ihr auch, dass wir da noch eine Zeit warten müssten, bis wir da was machen. Da wir uns öfters in der Gruppe in einer Kneipe trafen, dachte ich "na, lädst sie halt mal ein und dann können wir ja ihre Probleme in aller Ruhe besprechen", also sagte ich ihr ein Datum und eine Uhrzeit, wo wir uns treffen können. Sie sagte, dass sie sich das überlege, und so verblieben wir. Dann merkte ich auf einmal, wie sie richtig komisch zu mir wurde und mir immer aus dem Weg ging. Ich dachte, dass sie vielleicht irgendwelche Sorgen hat, und ließ sie auch in Ruhe. Doch auf der nächsten Betriebsratssitzung ging es auf einmal los. Da stand mein Name auf der Tagesordnung: Ein Datum und eine Uhrzeit, die exakt mit dem übereinstimmten, was ich der Kollegin gegeben hatte. Und dann mein Name und "Einladung" darauf. Ich dachte zuerst, das wäre irgendeine Einladung für ein Meeting. War es aber nicht, denn es begann vom "Tribunal" aus eine Art Verhör gegen mich. Die "Tribunalvorsitzende" begann mit der Befragung, mit wem ich mich an diesen Termin treffen wolle, denn es wäre ihr zu Ohren gekommen, dass wir uns an diesen Tag in einer Turnhalle treffen und über Probleme im Betrieb reden wollten. Also sei es auch eine Angelegenheit des Betriebsrates, den ich darüber informieren müsse. Als ich ihr erklärte, dass es meine Angelegenheit sei, mit wem ich mich außerhalb von des Marktes treffen würde, kam dann der nächste vom "Tribunal" und befragte mich wegen der Kollegin. Die hätte ich doch zu einem Treffen eingeladen, bei dem über Probleme im Markt geredet werden sollte. Ich verwies noch einmal darauf, dass es niemanden etwas anginge, was ich in meiner Freizeit machen würde und mit wem ich mich treffe. Dann redeten einige meiner KollegInnen und verwiesen auf die im Grundgesetz und in der Betriebsverfassung verankerten Rechte von Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Warum sich denn die Vorsitzende und ihr Anhang auf einmal für private Treffen interessierten? Da legte dann die Vorsitzende los, der Geschäftsleiter hätte mit ihr geredet und hätte sie gebeten, mich zu dem Treffen zu befragen, da er wissen wollte, welche Probleme auf diesen Treffen besprochen werden sollten. Was sie ihm denn jetzt sagen solle, fragte sie. "Sie kennen das Grundgesetz und wissen selbst, dass jede/r in seiner Freizeit machen, kann was er/sie will, also teilen sie das dem Geschäftsleiter mit." Die anderen vom "Tribunal" fingen an loszulegen, so was hätte es im Betriebsrat noch nicht gegeben. Seitdem ich hier dabei wäre, würde nur noch Unruhe im Betriebsrat sein. Anschließend begannen sie wieder von ihren "glorreichen" Zeiten zu erzählen, als sie noch allein waren und alles vor der Belegschaft geheim gehalten wurde. Und jetzt sei ich hier und würde laufend Unruhe reinbringen. Auch meine Positionen seien nicht mit den ihrigen konform. Überall im Betrieb, wenn Probleme auftauchen, falle mein Name im negativen Sinne. Das sei bald nicht mehr tragbar, was ich hier machen würde. Ich verblieb dann mit der Vorsitzenden so, dass sie dem Geschäftsleiter das so sagen solle, wie ich es ihr dargelegt hatte. Ich betonte nochmals, dass es niemanden etwas angehe, was ich in meiner Freizeit mache, und dass ich meine Betriebsratsarbeit sehr wohl als betriebsverfassungskonform sehen würde und somit auch keinen Grund sehe, meine Positionen zu ändern. Für mich stehe nun mal der Mitarbeiter an erster Stelle, dem ich verpflichtet sei, und nicht der Geschäftsleiter. Sonst brauchte ich mich gar nicht hier herzusetzen, wenn ich Stimmenvieh machen sollte. Und wenn hier früher alles geheim gehalten wurde vor der Belegschaft, dann war die Betriebsratsarbeit, die hier geleistet wurde, eigentlich unnütz. Es begann wieder eine Schreierei und natürlich verteidigten DIE ihre verkrusteten Strukturen und was sie schon vor 15 Jahren im Betriebsrat gemacht hätten, das gelte auch heute noch. "Man kann keine Politik gegen den Geschäftsleiter machen, denn er bezahlt uns und nicht die Gewerkschaft", musste ich mich auch wieder zum x-ten Male anhören. Da ich mittlerweile schon fast immun gegen solche Attacken geworden war, stellte ich einfach auf Durchzug. Auch meine KollegInnen waren empört, was DIE hier mit mir machten, und so sagte einer, dass es bei dieser Art von Verhör nur noch fehlen würde, dass ich die Handschellen angelegt bekäme. Und so war auch diese sich mal wieder mit meiner Gesinnung und Einstellung beschäftigende Betriebsratssitzung mit einer handfesten Grundsatzdiskussion zu Ende gegangen. DIE dachten halt immer noch, sie könnten mich mit dieser Art Psychoterror zum Aufgeben bewegen und obwohl es mir immer schwerer fiel, motiviert auf diese Sitzungen zu gehen, hatte ich doch immer die Motivation, nicht aufzugeben und weiterzumachen; auch, weil ich wusste, da sind noch BetriebsratskollegInnen, die denken genauso wie ich und genauso wie ich gegen die Schweinereien, die hier abgehen, sind. Eine Reaktion des Geschäftsleiters ließ nach dieser Sitzung natürlich nicht lange auf sich warten. Der Anruf des Geschäftsleiters kam kurze Zeit später, ich solle mich umgehend bei ihm melden. Das tat ich dann auch. Ich wollte einen Kollegen als Zeugen mitnehmen, aber der war unabkömmlich, wie es hieß, und so ging ich alleine zum Geschäftsleiter und hörte mir den Vortrag an: Also, so könne es nicht mehr weitergehen mit mir und er ließe sich das von mir nicht mehr bieten, was ich hier im Markt bringen würde. Und dann fing er mit der letzten Betriebsratssitzung an und er war sehr gut informiert, wie ich feststellen musste. Ich bekam vorgehalten, dass ich mich in Bereichen aufhalten würde, in denen ich seiner Meinung nach nichts zu suchen hätte, und es ginge ihn sehr wohl etwas an, wenn ich während der Arbeitszeit Leute ansprechen und sie zu Treffen einladen würde. Auch ginge es ihn etwas an, wenn ich mich in den Betriebsratssitzungen negativ über ihn äußern würde. Und: "Sollte sich Ihr Verhalten nicht umgehend ändern, dann lernen Sie mich mal richtig kennen, und wenn ich Sie nochmals in dem Bereich antreffe, in dem die Mitarbeiterin tätig ist, dann bekommen Sie eine Abmahnung von mir höchstpersönlich, es sei denn, Sie haben einen Mehrheitsbeschluss vom Betriebsrat, dass Sie sich dort aufhalten können. Und kommen sie mir nicht mit der Betriebverfassung, die kenne ich selbst." Als ich noch erwähnte, dass ich mich als Betriebsrat überall bewegen könne, wenn jemand mich wegen Probleme anspricht, sagte er noch ein Mal: "Hier nicht, wenn Sie nicht noch mehr Ärger haben wollen." Und zum Abschluss behauptete er, von noch mehr Leuten zu wissen, die ich angesprochen hätte, zu dieser Veranstaltung zu kommen. Er warnte mich, dass ich, wenn ich nicht aufhören würde, hier Stimmung gegen die Strukturen im Markt zu machen, richtig mit Ärger rechnen müsste, und die Zeit, die er noch da sei, würde ich nicht vergessen. Er ließ mich gar nicht mehr zu Wort kommen, sondern tobte rum, als wollte er mich jeden Moment eigenhändig umbringen. Ich merkte, dass ich es hier mit einen Gegner zu tun hatte, dem es skrupellos um seine Macht im Betrieb ging, und der ja die Mehrheit des Betriebsrats in die Tasche gesteckt hatte. Dem passte es nicht, dass sein Prinzip der Arbeitsplatzvernichtung und der Dumpinglöhne von einer Gruppe im Betrieb, womöglich auch noch bei ver.di, öffentlich gemacht und bekämpft werden könnte. Aber die größte Angst musste er ja davor haben, wenn bekannt würde, dass ein "Tribunal" mit ihm zusammen arbeitet und dass er sich dadurch bislang - mit Unterstützung der zuständigen ver.di - sicher sein konnte, dass die ganzen Schweinereien, die hier passierten, nicht weiter angegangen wurden. Also stellte sich nach diesem Gespräch im Endeffekt für mich die Frage, ganz aus ver.di auszutreten oder aber mich einem anderen Bezirk anzuschließen. In mir reifte die Entscheidung, den Bezirk zu wechseln, was ich dann auch tat. Was mich dabei bewegte, beim ersten Gespräch dort, war, dass wir nicht wollten, dass wie bisher Leute, die ein Problem im Markt hatten und sich vertrauensvoll an die zuständige ver.di gewandt hatten, von dort aus gleich der "Tribunalvorsitzenden" gemeldet wurden und dann noch mehr Ärger als vorher hatten. Diese Art der "Betreuung" wollten wir nicht mehr. Dennoch kündigte die Kollegin aus der Haushaltsabteilung nach einem Monat. Mit den Worten, so ein Spitzelsystem wie hier habe sie noch nie erlebt, und sie lasse sich nicht für eine Hetzkampagne gegen mich missbrauchen, verabschiedete sie sich von uns. Ein paar Namen vom Spitzelapparat - natürlich darunter einige Leute vom "Tribunal" - und wie ihr schmackhaft gemacht werden sollte, gegen mich eine Aussage zu machen, erzählte sie auch. Also wusste ich, dass jetzt auch schon versucht wurde, Kolleginnen und Kollegen, die mit ihren Problemen zu mir kamen, einzuschüchtern bzw. dass das Versprechen von Vorteilen dazu benutzt werden sollte, gegen mich vorzugehen. Der Spitzelapparat hatte hier wieder mal seinen Zweck als verlängerter Arm des Geschäftsleiters erfüllt: Alles, was hier besprochen wurde, sollte dem Geschäftsleiter weitergemeldet werden, um nur ja nicht andere Meinungen als die des Geschäftsleiter und des "Tribunals" aufkommen zu lassen. Skrupellos fand ich den Versuch, ein privates Treffen außerhalb des Marktes hinzustellen, als würde eine kriminelle Aktion vorbereitet. Das war schon eine Steigerung gegenüber den Schikanen, die vorher gelaufen waren. Aber damit war natürlich noch lange nicht Schluss. Doch erstmal sollte ich einen Monat später zu einem Treffen fahren, die Zustimmung dazu lag vor. Bei Treffen oder Schulungen, da gab es eigentlich nie Schwierigkeiten. Es war so eine Art stillschweigendes Abkommen, dass immer alle zustimmten, quasi das Zuckerbrot, das DIE versuchten einem immer zu geben, nach dem Motto: "Da schau her wir, sind ja gar nicht so, also denk mal über deine Einstellung nach." Und nach jedem meiner Treffen mit anderen Betriebsräten kamen dann mit dem Standardspruch: "Wir hoffen, Sie haben da etwas dazugelernt und auch mal über ihre Positionen, die Sie hier vertreten, nachgedacht." Was ich bei diesen Treffen kennen lernte, war, dass es viele "Tribunalbetriebsräte" gab, die agierten wie hier und ein paar Betriebe, in denen die Mitarbeiterprobleme im Vordergrund standen. Mit letzteren hielt ich dann auch Kontakt. Aber das Problem ist, dass überall hier im Unternehmen, in dem Vorgesetzte im Betriebsrat die Mehrheit haben, die Interessen der Geschäftsleitung über die der Belegschaft gestellt werden. Diese zu verlängerten Armen der Geschäftsleitung verkommenen Betriebsräte kennen keine Skrupel, die Belegschaft auszupressen wie Zitronen um des eigenen Vorteils willen. Sie versuchen dann, ihre dreckige Rolle mit ihrer hervorragenden Rhetorik, die sie alle gelernt haben, als einzige Möglichkeit darzustellen, damit angeblich keiner in die Arbeitslosigkeit müsse. Und das in Märkten, die zu einem Unternehmen gehören, dem es wirtschaftlich blendend geht. 10. Immer noch keine Unterstützung bei Versetzungen Einen Monat später ging es im Betriebsrat um die Versetzung einer kranken Kollegin in den Konservenbereich, wo sie auch mit technischen Geräten arbeiten musste. Wir diskutierten darüber, dass sie gesundheitliche Probleme hatte. Da ein paar von uns nicht da waren, als die Mehrheit der Versetzung zugestimmt hatte, brachten wir unsere Bedenken ein und verwiesen dabei auf die Krankengeschichte der Kollegin und darauf, dass sie pro Tag mehrere Tabletten einnehmen müsse. Das "Tribunal" war da anderer Meinung als wir. Sie stellten es so dar, dass sie der Kollegin mit der Versetzung nur Gutes getan hätten, und außerdem sei sie ja mit der Versetzung einverstanden. Ich entgegnete, dass wir das ja kennen, wie das mit dem "Einverstanden" in der Praxis laufe. Die Kollegin sei schon über ein Jahrzehnt in der Abteilung tätig gewesen und da ist es ihr mit Sicherheit nicht leicht gefallen, zu sagen, dass sie mit der Versetzung einverstanden sei. Eine Kollegin im Betriebsrat verwies in diesem Zusammenhang auf die verstorbene Kollegin, der man ja mit der Versetzung in einen Stressbereich auch nicht gerade einen Gefallen getan hätte. Ich stimmte ihr zu. "Denkt an den Tod der Kollegin", sagten wir alle zum "Tribunal". Es gab dann, wie immer, eine rege Diskussion und das "Tribunal" war der Meinung, dass die Kollegin diese Arbeit machen könne, sie wäre ja nicht alleine in dem Bereich, und wir gingen auseinander. Wieder einmal hatte das "Tribunal" mit seiner Mehrheit eine Kollegin in die "Ecke" abgeschoben, in einen Bereich, in dem sie - aufgrund von Schichtarbeit, Urlaub, Wochenendarbeit etc. - viel auf sich allein gestellt war. Deshalb auch unsere Bedenken, dass sie durch ihre angegriffene Gesundheit Probleme mit den technischen Geräten haben würde. Aber das "Tribunal" hatte mit seiner Stimmenmehrheit anders entschieden und wir mussten es so akzeptieren. Doch was dann nach dieser Betriebsratssitzung passierte, das war noch eine Steigerung der Vorfälle, die sich einen Monat vorher abgespielt hatten. Der Betriebsleiter machte eine Abteilungsversammlung, zu der er auch noch die Leute aus der Getränke- und der Waschmittelabteilung hinzuholte. Er polterte los, die Betriebsratsvorsitzende sei heute bei ihm gewesen und hätte ihm mitgeteilt, es gebe Bedenken gegen die Versetzung der mit Gesundheitsproblemen behafteten Kollegin. Er hätte angeblich nichts von den Gesundheitsproblemen der Mitarbeiterin gewusst und es erst heute von der Vorsitzenden erfahren, dass es ein paar Leute im Betriebsrat gebe, die der Meinung seien, dass die Mitarbeiterin krank sei. Wieder hatte die Vorsitzende ohne Beschluss Details über interne Gespräche und Einschätzungen aus dem Betriebsrat weitergegeben an den Betriebsleiter, also den Arbeitgeber, und der hatte noch nicht mal mehr Skrupel, das auch vor versammelter Abteilung darzulegen. Also, dass DIE Infos aus Betriebsratssitzungen weitergaben an den Geschäftsleiter, das war eigentlich ein offenes Geheimnis hier, aber dass DIE jetzt schon ohne Skrupel offen zugaben, Infos auszutauschen, das stellte eine neue Dimension dar. Es ging hier darum, die Belegschaft gegen uns aufzuhetzen, nach dem Motto: "Schaut, das ist einer von denen, wegen dem Ihr jetzt noch eine Zusatzbelastung in eurer Tätigkeit bekommt, indem Ihr nämlich in den Konservenbereich zu der Kollegen müsst, wenn die alleine ist." Da mein Name in diesem Zusammenhang auch gefallen war, erklärte ich jedem/jeder, die es wissen wollte, warum ich Bedenken gehabt hatte. Da sagten dann meine Kollegin aus dem Betriebsrat, dass es eigentlich im ganzen Markt bekannt sei, dass die Kollegin Tabletten einnehmen müsse und gesundheitliche Probleme hätte. Das bewog dann den Betriebsleiter zur Behauptung, es gebe auch Leute, die von einer Krankheit geheilt seien. Und dann polterte er los, er hätte der Kollegin ja nur Gutes gewollt und jetzt gebe es ein paar Leute im Betriebsrat, die sich dagegen aussprechen würden. Jetzt müsse halt jedes Mal, wenn die Kollegin alleine in dem Bereich sei, jemand von uns zu ihr hin. An mich gewandt, meinte er: "Sie können ja dann aus Solidarität mit der Kollegin den Anfang machen und als erster zu ihr gehen" und "Warum sagen Sie nicht, dass Sie Bedenken gegen die Versetzung hatten?" Da kam mir dann meine Kollegin aus dem Betriebsrat zu Hilfe, die sagten, dass hier versucht werde, gegen Betriebsratsmitglieder vorzugehen. Der Betriebsleiter ordnete also an, dass jedes Mal, wenn die Kollegin alleine in dem Bereich war, jemand raus müsse, und dass der Vorgesetzte dementsprechend den Personaleinsatzplan ändern solle. Es gab dann noch eine lebhafte Diskussion, warum die Kollegin eigentlich aus dem Bereich, in dem sie schon über ein Jahrzehnt tätig gewesen war, versetzt werden musste. Der Betriebsleiter behauptete, dass es die Kollegin ja selbst so wollte. Obwohl wir wussten, dass es ein bisschen anders gelaufen war, nämlich dass die Kollegin durch unzählige Gespräche überredet wurde, dem Wechsel zuzustimmen, hatten wir hier nichts mehr entgegenzusetzen, denn sie hätte sich nicht hingestellt und das erklärt. Die Infos hatten wir von ihr hinter vorgehaltener Hand bekommen und da sie Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes hatte, bat sie uns, nichts zu unternehmen. Hier hätte eine Versetzung nur verhindert werden können, wenn wir einen in der Mehrheit arbeitnehmerfreundlichen Betriebsrat gehabt hätten. Da das aber hier nicht der Fall war und ein Gespräch mit der Vorsitzenden über das Zustandekommen der Versetzung nur noch mehr Ärger für die Kollegin bedeutet hätte, hatten wir es sein gelassen. 11. Markt der Schikanen Einige Tage nach dem Gespräch im Betriebsrat ließ der Geschäftsleiter gegen Mittag den ganzen Betriebsrat zusammenrufen, um zwei Punkte, wie es hieß, abzuklären: 1. Es gebe in diesem Markt keine Versetzungen ohne Zustimmung des Betriebsrats und 2. Es gebe Leute im Betriebsrat, die behaupten würden, dass leitende Mitarbeiter des Marktes schuld wären am Tod einer Mitarbeiterin. Diese Äußerungen hätten diese Betriebsratsmitglieder in einer Debatte vor zwei Tagen getätigt. Er beabsichtige jetzt im Namen des gesamten Unternehmens, eine Klage gegen diese Betriebsratsmitglieder einzureichen, und, da er ja als Geschäftsleiter verantwortlich für den Markt sei, auch eine Privatklage. Um dann auch meinen Namen zu erwähnen und uns ein schönes Wochenende zu wünschen. Ich war erst mal fassungslos, als ich mit dieser Drohung eines Prozesses konfrontiert wurde. Das war jetzt also die nächste Aktion, um uns mundtot zu machen, und diesmal mit der massiven Drohung, sogar einen Gerichtsprozess anzustreben. Wir blieben dann, als der Geschäftsleiter den Raum verlassen hatte, noch eine Weile sitzen und die "Tribunalleute" - vornweg die Vorsitzende - trumpften auf, dass wir das davon hätten, mit unserer ewigen Diskutiererei im Betriebsrat und: "Wir sind hier nicht in einer kirchlichen Einrichtung, wo Nächstenliebe angesagt ist. Es ist jetzt kurz vor 12 bei Ihnen; überdenken Sie ihre Positionen." Ich fragte, wer denn dem Geschäftsleiter die Inhalte aus dem Gespräch im Betriebsrat verraten hätte. Der oder die solle doch bitte aufstehen, damit ich mit dieser Person über den Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz reden könne. Natürlich stand niemand auf. Also sagte ich der "Tribunalvorsitzenden" meinen Dank für die Weitergabe der Inhalte des Gesprächs vor zwei Tagen an den Betriebsleiter, und da sie sich ja so gut mit ihm verstehe, könne sie es ihm mitteilen. Meine Kollegin aus dem Betriebsrat sagte noch, dass hier versucht werde, uns mundtot zu machen, und dass aus dem Betriebsrat heraus auf die fiese Tour versucht werde, mich zum Aufgeben zu bewegen. Auch sie forderte die feige Person, die interne Gespräche im Betriebsrat an die Geschäftsleitung weitergebe, auf, sich zu erkennen zu geben. Natürlich tat es niemand. Aber der Kreis derjenigen aus dem "Tribunal", die direkte Kontakte zur Geschäftsleitung hatten, umfasste nur einen gewissen Personenkreis. Das war klar, wer wahrscheinlich die Sache mit dem Geschäftsleiter ausgehandelt hatte, aber der Tag war noch nicht vorbei. Einige Tage später kam - kurz bevor ich Feierabend hatte - die Durchsage, ich solle mich im Betriebsratsbüro melden. Anwesend waren die Vorsitzende, einige "Tribunalgrößen" und der Betriebsleiter. Und dass dies nichts Gutes für mich bedeutete, das war mir sofort klar. Es ging um den Personaleinsatzplan für die kommende Woche, er müsse betrieblich bedingt geändert werden. Und ich könne die vom Betriebsrat schon genehmigte Teilnahme an einer ver.di-Veranstaltung in dieser Woche nicht wahrnehmen. Ich verwies darauf, dass der Personaleinsatzplan schon ein paar Wochen vorher erstellt worden sei und deshalb auch bekannt sei, dass ich an dem Termin fahren würde. Da hieß es, ich hätte den Vorgesetzten ja auch nicht informiert, dass ich zu dem Termin fahren würde, und er sagte natürlich, er wisse von nichts und außerdem sei es ja betrieblich notwendig. Die Fahrt zu der Veranstaltung wurde mir also vier Tage vor Antritt verwehrt und der Pakt aus "Tribunal" und Geschäftsleiter hatte seine Macht wieder mal voll ausgespielt. Pro Forma ließ ich diese Vorkommnisse auf der nächsten Betriebsratssitzung protokollieren und da kam es natürlich wieder zu Auseinandersetzungen zwischen dem "Tribunal" und uns. Eine Kollegin ließ zusätzlich protokollieren, dass es sich hier um Willkür und Schikane gegen meine Gesinnung und Einstellung handeln würde, und dass einzig und allein meine Betriebsrats-Politik hier verurteilt worden sei. Sie forderte, dass eine Solidaritätserklärung für mich verfasst werden sollte. Da tobte dann natürlich das "Tribunal2, sie wollten keinen Klassenkampf und das sei genau die Politik, die ich wollte: "Bei Ihrer Einstellung müssen Sie mit solchen Reaktionen der Geschäftsleitung rechnen." Die von der Kollegin geforderte Abstimmung der Solidaritätserklärung wurde dann natürlich mit der Stimmenmehrheit des "Tribunals" abgelehnt. Dennoch stellte ich erneut die Frage, warum die "Tribunalvorsitzende" dem Betriebsleiter ohne einen entsprechenden Beschluss des Betriebsrats Inhalte aus einer internen Diskussion weitergegeben habe. Da schaute sie sich in der Runde um und sagte dann, sie wisse nicht, wer das erzählt hätte. Also ließ ich auch protokollieren, dass es eine oder mehrere Personen im Betriebsrat gebe, die Inhalte von Diskussionen innerhalb des Betriebsrats an die Geschäftsleitung weitergeben würden. Dann brach wieder eine richtige Auseinandersetzung los und die "Tribunalmehrheit" legte los, dass man, wenn jemand solche Dinge zur Diskussion stelle, wie ich es getan hätte, damit rechnen müsse, dass es auch im Betriebsrat Leute geben würde, die empört wären über so eine Meinung und es dann dem Geschäftsleiter mitteilen würden. Meine KollegInnen verwiesen auf die Schweigepflicht und dass der ganze Markt beim Tod der Kollegin verbittert war. Aber das "Tribunal" verwies mal wieder auf seine Sicht der Aufgabe des Betriebsrates in diesem Betrieb, und die sei es nun mal, Stimmungen gegen die Geschäftsleitung entgegenzuwirken. "Denn was hätte es denn gebracht", sagte die stellvertretende Vorsitzende, "wenn es überall im Betrieb bekannt geworden wäre, dass die Angehörigen der toten Kollegin mit niemandem mehr von der Geschäftsleitung was zu tun haben wollten? Das hätte nur wieder die Ruhe und Ordnung im Betrieb durcheinander gebracht, und unsere Aufgabe ist es nun mal, mit für Ruhe und Ordnung im Betrieb zu sorgen". Wir waren jetzt mal wieder mitten in einer Grundsatzdiskussion: Während das "Tribunal" sich als verlängerter Arm des Geschäftsleiters sah, war unser Platz auf der Seite der Unterdrückten, also der Mitarbeiter, denen wir uns verpflichtet sahen, weshalb wir, wie bei der Versetzung des Kollegen, auch unsere Sorgen und Ängste äußerten. Aber auch das sollte jetzt nicht mehr sein. Nicht nur, dass wir die Minderheit im Betriebsrat waren und ohnehin meistens überstimmt wurden, jetzt ging es darum, mich/uns mundtot zu machen, um damit das schlechte Gewissen, das wohl einige von DENEN doch noch hatten, zu beruhigen. Denn die meisten von DENEN - vorneweg die Vorsitzende - hatten schon lange kein Gewissen mehr und wenn sie mal eins gehabt haben sollten, dann ist es hier verloren gegangen. Das waren und sind die Tatsachen. Immer redeten DIE so einen Müll, wenn sie wieder mal jemanden bei der Geschäftsleitung in die Pfanne gehauen hatten, von Störung des Betriebsfriedens oder der Ordnung im Betrieb. Es reichte auch ganz einfach, wenn jemand sich im Betrieb nicht so verhielt, wie DIE es gerne gehabt hätten, da war er/sie dann einfach ein/e Lügner/in, dem/der nicht mehr zu helfen sei - das ist Originalton "Tribunal". Und jetzt war ich natürlich total durch bei DENEN, wegen der Diskussion zur Versetzung, und auch, weil sie endgültig wussten: "Hier ist jemand, der macht nicht mit, wie wir es wollen". Alleine hätten DIE mich wahrscheinlich schon so weit gehabt, dass ich entweder reif für die Insel gewesen wäre oder von selbst die Brocken hingeschmissen hätte. Da hier aber noch weitere KollegInnen waren, die diese Allianz von Geschäftleitung und Betriebsratsmehrheit nicht mitmachten, versuchten sie es jetzt offen nach den Motto: "Wenn Ihr jetzt nicht aufhört und macht, was wir wollen, kriegt Ihr richtig Ärger." So stand ich nach diesen Vorfällen wieder verstärkt unter Beobachtung: Abmelden, wenn ich auf Toilette musste (nur beim Vorgesetzten möglich). Immer wieder fragte der Betriebsleiter nach, wo ich mich aufhalten würde und ob ich mich denn abgemeldet hätte. Auch stand er öfter mal plötzlich hinter mir, wenn ich mich gerade mal mit einem Kollegen unterhielt; aufgrund meiner Funktion als Betriebsrat konnte er diese Gespräche natürlich nicht verhindern. Einmal, als mich ein Kollege bat, ihn zu einem Gespräch zum Betriebsleiter zu begleiten, bei dem es um seine Versetzung in einen anderen Bereich gehen sollte, rief er z.B. auch bei der Vorgesetzten an, ob ich mich denn auch bei ihr abgemeldet hätte. Diese Schikanen gingen dann noch einige Wochen so weiter und auch die anderen Kolleginnen und Kollegen aus dem Betriebsrat bekamen sie zu spüren. So musste z.B. eine Kollegin tagelang verschiedene Reinigungsarbeiten verrichten ein anderer Kollege musste im Außenbereich Leergut arbeiten. Ich wurde dann von meinen bisherigen Bereich auch wieder mal in einen anderen versetzt. Da es in unserem Betrieb aber nur noch zwei Bereiche, nämlich FOOD und NON FOOD gab, war es natürlich keine Versetzung, sondern eine Verlegung, aber das war ich ja schon gewohnt, seitdem ich hier Betriebsrat war. Also trat ich dann die Tätigkeit in dem neuen Bereich an. Ja, und die betriebliche Notwendigkeit bei dem ja angeblich so großen Aufbau, der mich an der Reise hinderte, bestand darin, abends ein paar Paletten hin und her zu schieben. Ein Vorgesetzter aus einer anderen Abteilung sagte, dass diese Tätigkeit auch die andere Kollegin alleine geschafft hätte. "Aber du weißt ja, wie das hier ist, die wollten dir eine Lektion erteilen", meinte der Vorgesetzte, und erzählte mir dann, dass der Betriebsleiter ihm wohl im Vertrauen gesagt hätte, dass ich mich in betriebliche Angelegenheiten reingehängt hätte, die mich nichts angingen. Deshalb sei die Personaleinsatzplanung geändert worden und deshalb durfte ich auch nicht zur Veranstaltung fahren. Natürlich, wie das hier so ist, sagte er mir das im Vertrauen und ich solle seinen Namen raushalten. Es war wieder dieser verdammte Angstvirus, von dem hier die meisten befallen sind, nämlich Angst um den Arbeitsplatz und deshalb: "Nur nicht auffallen!" Es kamen auch noch einige Andere zu mir, die meinten, ich solle doch aufgeben und mich zurückziehen bzw. zurückhalten. Teilweise waren das Leute, die hier schon sehr lange tätig waren. Bei anderen, von denen man nicht genau wusste, ob sie Freund oder Feind waren, war ich natürlich vorsichtig mit meinen Antworten. Das ist ein bitterböser Pakt, der hier zwischen dem "Tribunal" und dem Geschäftsleiter zustande gekommen ist. Beispielsweise kam ver.di-Vertrauensmann zu mir: "Gib doch auf, du siehst doch, was DIE jetzt hier mit dir machen. Du könntest es hier so schön haben, wenn du dich im Betriebsrat zurückhalten würdest." Ich redete dann noch mal mit meinen Kolleginnen und Kollegen über die Situation und wir kamen zu der Übereinkunft, dass ich weitermachen würde im Betriebsrat. Da ich noch nicht vom Virus "Es geht ja doch nichts" befallen war, hieß weitermachen, so wie bisher die Interessen der Mitarbeiter und Mitarbeiterrinnen zu vertreten. Doch einer Klage des Geschäftsleiters war dann auf einmal nichts mehr zu hören. Das wäre ja auch ein Hammer gewesen, wenn das Gesamtunternehmen - und die hätten ja die Klage gegen mich einreichen müssen - da was gemacht hätte. Für eine zivilrechtliche Klage hätte der Geschäftsleiter ja selbst einen Anwalt beauftragen müssen, und dann wären die Personen aus dem Betriebsrat fällig gewesen, die mich bei ihm denunziert hatten. Das konnte DER sich dann doch gar nicht leisten. 12. Markt der Überwachung Teil 2 Wir hatten Probleme mit Diebstahl in größerem Rahmen, in den letzten Monaten waren einige hochwertige Geräte weggekommen. Es ging mal wieder um die hier stattfindende illegale Kameraüberwachung und den dabei zu beachtenden Schutz der Mitarbeiter vor Missbrauch durch den Arbeitgeber. Wir hatten wieder mal in einem Bereich eine Multimomentkamera entdeckt, die es dort gar nicht geben durfte, denn es gab keine Betriebsvereinbarung dazu. Und auch in dem Bereich, in dem die Videoüberwachungsanlage stand, konnten sich die Betriebsleiter bewegen, wie sie gerade wollten, ohne Kontrolle. Und so waren wir wieder bei einer Grundsatzdiskussion mit dem Tribunal und das bedeutete wieder Nerventerror pur. Meine Position war, dass wir nach §87 der Betriebsverfassung da Mitspracherecht hatten, der Einsatz dieser Überwachungskameras unterlag also unserer Mitbestimmung. Das hieß, dass Betriebsvereinbarungen gemacht werden bzw. da sein mussten über die hier stattfindende Überwachung. Und es musste gekennzeichnet sein, welche Räume videoüberwacht werden. Über den Einsatz von Multimomentkameras gab es aber überhaupt noch keine Betriebsvereinbarung und auf Anfrage in anderen Märkten hieß es, dass es dazu einer speziellen Betriebsvereinbarung bedürfe. Solange es noch keine Betriebsvereinbarung gebe, dürften die Dinger überhaupt nicht eingesetzt werden, da mit den Chips, die in diesen Kameras angebracht sind, Missbrauch getrieben werden könne, z.B. Verbreitung von Bildern über einen Computer im Internet. Das hieß also, dass hier dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet waren, und dass deshalb eine ständige Kontrolle für diese Art der Überwachung durch den Betriebsrat notwendig sei. Hier waren die Dinger schon über Jahre im Einsatz, ohne dass sich bisher im Betriebsrat jemand darum gekümmert hatte. Deshalb gerieten wir durch unsere Anfragen und Darlegungen darüber, dass hier Mitarbeiter illegal überwacht würden, ins Kreuzfeuer des "Tribunals". DIE griffen dann zu anderen Mitteln. So wurde z.B. eine Überwachung in einem Bereich mittels eines Aktenordners durchgeführt [Beleg liegt dem LabourNet Germany vor]. Das ging dann so vor sich, dass in einem Büro, wo lauter Aktenordner standen, ein Ordner mit einer Überwachungskamera ausgestattet wurde. Mit dieser Methode wurde ein ganzer Bereich überwacht, ohne dass die Mitarbeiter dort informiert wurden, dass eine Überwachung stattfand. Du gehst in den Bereich, unterhältst dich mit deinen Kollegen und sagst vielleicht auch mal deine Meinung über die Zustände, die hier herrschen, und da sitzt dann einer von der Geschäftsleitung im Überwachungsraum und kann alles mithören, und du weißt gar nichts davon. Durch einen Zufall und Hinweise von uns nahe stehenden Kolleginnen und Kollegen wurden wir darüber informiert. So konnten wir einige uns nahe stehende Mitarbeiter in diesem Bereich warnen und auf diese Art die illegale Überwachung zumindest ein bisschen verhindern. Eine Eingabe im Betriebsrat hätte uns nur noch mehr Ärger gebracht, aber Fakt war, dass hier a) illegal überwacht wird, also ohne die Räume zu kennzeichnen bzw. ohne die dort tätigen Personen über die Überwachung zu informieren, und dass b) auch die Multimomentkameras im Einsatz sind, ohne dass es eine Betriebsvereinbarung dazu gibt. Der "Ordner" wurde einige Zeit später in diesem Bereich aus dem Verkehr gezogen - um dann zwei Wochen später in einem anderen Bereich wieder aufzutauchen. Auch die Multimomentkameras wurden weiter ohne Betriebsvereinbarung eingesetzt. Wie erwartet kam es wieder zu Auseinandersetzungen mit dem "Tribunal" im Betriebsrat. Die "Tribunalvorsitzende" begann erst einmal, ein Referat zu halten über den, ihrer Ansicht nach notwendigen, Einsatz illegaler Überwachungsmethoden. Das wäre doch in den meisten Märkten des Unternehmens so, nur redeten die nicht darüber, behauptete sie. Nur mit illegaler Überwachung könne man den Diebstahl in den Griff bekommen, was jedoch in unserem Betriebsrat einige nicht kapieren würden. "Ich bin für verdeckte Überwachung", schrie sie dann noch einmal, um dann meinen Namen zu nennen und mich zu fragen, ob ich wüsste, wer denn Betriebsräte von anderen Märkten angerufen und dort erzählt hätte, dass hier verdeckte Überwachung von Mitarbeitern stattfinden würde. Sie zeterte weiter, es gebe hier im Betriebsrat eine undichte Stelle, die interne Infos aus diesem Markt weitergebe, weshalb eine verdeckte Überwachungsmaßnahme hätte abgebrochen werden müssen. Sie kündigte an, sie werde sich jetzt persönlich darum kümmern, dass die hier stattfindenden Überwachungsmaßnahmen nur noch im Betriebsausschuss besprochen würden. Sie brachte das gleich zur Abstimmung und die Mehrheit stimmte einer Änderung der Tagesordnung zu. Natürlich bekam die "Tribunalvorsitzende" mit ihrer Stimmenmehrheit auch das geregelt, der Betriebsausschuss bestand nur aus "Tribunalleuten". Und so waren DIE jetzt unter sich, um die illegale Überwachung unter Ausschluss des Rest-Betriebsrates weiter durchzuführen. Wir hatten aber einige Verbündete im Betrieb, denen auch nicht gefiel, was DIE machten, und so bekamen wir auch weiter Infos. Auf der gleichen Sitzung wurde dann auch noch der Einsatz der Multimomentkameras verteidigt: Wie hervorragend gestochen scharf da die Bilder wären und dass die Multimomentkameras mehr bringen würden als die normalen Überwachungskameras. Dann hatte noch die stellvertretende Vorsitzende ihren Auftritt, als sie behauptete, dass die "undichte Stelle" im Betriebsrat den Diebstählen im Markt Vorschub leisten würde und vielleicht selbst ein potentieller Dieb sei. Als verlangt wurde, diese ungeheuerliche Unterstellung zu protokollieren, schrieen die Vorsitzende und ihr ganzer Anhang, das würde nicht protokolliert. Als ich noch einmal verlangte, dass diese ungeheuren Unterstellungen protokolliert werden sollten, hieß es lapidar "Nein". Es war schon ätzend, wie hier von der Mehrheit des Betriebsrates einfach über die Betriebsverfassung hinweg Arbeitgeberpolitik praktiziert wurde. Gerade in der heutigen Zeit, in der unsere Rechte als Arbeitnehmer immer mehr kaputt gemacht werden von den Herrschenden, also den Kapitalisten, Aktiengesellschaften und den von ihnen eingesetzten Ausbeutern und Kettenhunden in den Märkten und Fabriken, muss, meiner Meinung nach, der Betriebsrat der Unterstützer und Sprecher der ArbeiterInnen sein. Er muss darauf achten, dass unsere Mitbestimmungsrechte, die in der Betriebverfassung verankert sind, gewahrt bleiben. In unserem Betrieb hatten und haben wir nie die Möglichkeit gehabt, diese Rechte durchzusetzen. Gerade bei der für mich illegalen Überwachung von Menschen, die, arbeiten gehen müssen um zu überleben, und die vielleicht auch noch aus Angst um ihren Arbeitsplatz "Ja" sagen würden zu illegaler Überwachung, bin ich als Betriebsrat gefordert, darauf zu achten, dass die Gesetze eingehalten werden. Was hier jedoch abging und auch noch abgeht, ist das Ausspionieren von Menschen, und das ist meiner Meinung nach das Allerletzte, um nicht zu sagen das Diktat einer Arbeitgeberfraktion im Betriebsrat gegen eine Arbeitnehmerfraktion. Es gab noch ein paar wachsame Kolleginnen und Kollegen, die in anderen Bereichen Kameras entdeckten, welche in Gegenständen versteckt waren, und Leute vom "Tribunal" darauf ansprachen, auch die Vorsitzende. Eine Kamera wurde wohl auch außer "Gefecht" gesetzt. Es gab auch Beschwerden von Mitarbeitern, dass wohl auch in ihren Bereichen eine Kamera als Bewegungsmelder getarnt im Einsatz war. Die "Tribunalvorsitzende" kam dann mit dem Argument, die ganzen Einsätze seien schon im Betriebsausschuss besprochen worden. Man hätte das mitteilen wollen, aber durch das Entdecken der Kameras durch Mitarbeiter sei man leider nicht mehr dazu gekommen. In einem Fall wollten sie es der "Tribunalvorsitzenden" nach dem Wochenende mitteilen, aber gerade an diesem Wochenende sei diese Kamera von dem Mitarbeiter entdeckt worden. Ausreden, immer wieder Ausreden. In meiner abschließenden Gesamteinschätzung über mein Wirken und Tun im "Herzen der Bestie" werde ich auch noch mal ausführlich auf diese Schweinereien gerade im Bereich der Überwachung eingehen. 13. Versetzung: Es geht auch anders. Kurz darauf gab es die Auseinandersetzung über eine Kollegin, die hier jahrelang ihre Knochen hingehalten hatte. Die hatten sie im Visier, weil sie durch ihre Tätigkeit in einem Bereich, in dem sie gesundheitliche Probleme bekam und öfter krank war. Sie wurde dann im angeblichen Einvernehmen mit dem Arbeitgeber an eine andere Stelle verlegt. Die "Tribunalmitglieder", die bei dem Gespräch wohl dabei waren, sagten dann, man hätte ihr ja nur Gutes getan und sie sei mit den Gehaltskürzungen einverstanden. Da uns das alles zu aalglatt über die Bühne ging, dachten wir, dass DIE hier mal wieder jemanden weich gekocht hätten, sie mit der Drohung, den Arbeitsplatz zu verlieren etc. gefügig gemacht hätten. Doch dann passierte etwas, was ich in diesen Klima der Angst, das hier herrschte, nie für möglich gehalten hätte. Diese Kollegin fing an sich zu wehren, als sie merkte, dass sie vom "Tribunaltyp" und der Geschäftsleitung über den Tisch gezogen worden war. DIE hatten ihr einen neuen Arbeitsvertrag angedreht, mit dem sie weit weniger verdiente als bisher. Der neue Vertrag wurde ihr mit der Bitte zu unterschreiben vorgelegt. Sie war und ist der deutschen Sprache nicht so gut mächtig. Man hätte ihr detailliert erklären müssen, dass sie weniger Geld bekommt, und man hätte nicht versuchen sollen, sie nach dem Motto: "Na, die wird schon unterschreiben und seinen Mund halten" auf die billige Tour in die Ecke zu stellen. Natürlich kam dann, wie in solchen Fällen, wenn einer von uns kleingemacht werden sollte (und die Kollegin war Mitarbeiter und somit eine von uns!!!), die Standardantwort der Vorsitzenden des "Tribunals": Die Kollegin lüge, mit der wollten sie nichts mehr zu tun haben, der sei ohnehin nicht mehr zu helfen, die könne nichts dafür, es lohne sich nicht, sich für die einzusetzen. Und immer wieder das Argument, dass sie lüge. Die Geschäftsleitung habe doch im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat nur das Beste für sie gewollt. Die Kollegin ist zu einem ver.di-Sekretär, dem sie vertraute, gegangen und als dort wegen der Vorkommnisse ein Schreiben aufgesetzt und dem Geschäftsleiter zugeschickt wurde, waren hier alle am rotieren. Denn diesmal gab es ja keine Vorwarnung von ver.di, die Vorsitzende konnte diesmal nicht auf ihre Leute bei der zuständigen ver.di bauen. Diesmal waren DIE überrascht worden und so gaben DIE sich dann auch. Die Kollegin wurde befragt, ob ich denn den Brief mit verfasst hätte. Dann wurde ihr mitgeteilt, dass sie sich noch wundern würde, was jetzt alles auf sie zukäme. "Viel Spaß" hätte ihr die "Tribunalvorsitzende" noch gewünscht, wie die Kollegin mir glaubhaft versicherte. Was dann auf sie zukam, war das Übliche, das ich hier immer wieder erlebt habe. Sie bekam eine Abmahnung, weil sie ihre Arbeit angeblich nicht mehr korrekt machen würde, und bei der Mehrheit des Betriebsrates wurde sie natürlich als Lügner hingestellt. Als dann die Weihnachtsgeldgratifikation wieder zur Sprache kam (die wurde ja mittlerweile nur noch von der Vorsitzenden und dem Geschäftsleiter ausgehandelt), wurde ihr natürlich bis auf die tarifliche Auszahlung gekürzt. Einmal, weil sie aufgrund ihrer Krankheit über dem vorgegebenen Limit sei und zweitens wegen der Abmahnung. Begründet wurde dies zudem damit, dass sie durch einen Brief an den Geschäftsleiter unangenehm aufgefallen sei. Auch hier wurde wieder klar, wer sich für seine Rechte einsetzt, der/die wird hier in diesem Markt vom Geschäftsleiter und seinen Helfern im "Tribunal" willkürlich bestraft. Der Kollegin wurde das Weihnachtsgeld gekürzt weil, sie sich gewehrt hatte, das war auch in diesem Fall eindeutig zu erkennen. "Wenn das keine Willkür ist, was dann", rutschte mir da heraus. Ich musste mir daraufhin mal wieder anhören, dass ich nicht zu professioneller Betriebsratsarbeit, wie DIE es nannten, fähig sei. Wenn jemand aufgrund seiner Meinung und wegen eines Briefes von ver.di weniger Weihnachtsgeld bekommt, ist die Mehrheit des Betriebsrates mit dem Geschäftsleiter einer Meinung. Und wenn jemand angeblich seine Arbeit nicht mehr richtig macht, ist auch da die Mehrheit des Betriebsrates einer Meinung mit dem Geschäftsleiter. Warum also wählen wir dann überhaupt noch einen Betriebsrat? Warum lassen wir ihn nicht gleich vom Geschäftsleiter einsetzen und warum benennen wir die "Tribunalleute" nicht gleich offiziell als Stellvertreter des Geschäftsleiters? Das sind und waren meine Gedanken zu dem, was dem Kollegen bisher widerfahren ist. Da er momentan evtl. noch in einer Arbeitsgerichts-Auseinandersetzung mit dem Markt steht, will ich hier nicht mehr dazu sagen. Außer natürlich, dass er meine volle Unterstützung und Hilfe bekommen wird. Was noch eine entscheidende neue Dimension eröffnete, ist, dass durch diesen ver.di-Sekretär endlich mal der Ausgebeutete, also der Mitarbeiter, unterstützt worden ist und nicht der Arbeitgeber, wie es ja bei der zuständigen ver.di praktiziert wird. "Endlich ist wieder einhundert Prozent Identifikation mit der Gewerkschaftsbewegung da", waren meine Gedanken. Und natürlich auch, dass es innerhalb von ver.di doch noch Leute gibt, die unsere Interessen vertreten. Nicht überall werden die Leute ausgegrenzt, wenn sie Probleme mit dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat haben, und es wird nicht überall in einer Art Pakt dafür gesorgt, dass diese Leute noch mehr Ärger bekommen als sie vorher schon hatten. Das war jetzt hier schon ein bisschen anders. Wir trafen uns dann auch öfters in den Räumen von ver.di und diskutierten frei heraus mit dem anwesenden Sekretär über das, was uns bedrückte. Wir erörterten Strategien, wie wir die Situation hier ändern könnten. Außerdem bekamen wir jetzt auch Unterstützung in rechtlichen Dingen. Aufgrund des Vertrauens, das jetzt zu ver.di da war, kamen auch neue Leute hinzu. Wir waren wieder handlungsfähig und nicht mehr nur ein Stück Konkursmasse. Ich sehe es als Erfolg an, dass wir unter den Bedingungen, unter denen wir im Betrieb standen (ständige Bespitzelung, Überwachung durch Kameras und den ständigen Repressalien der Betriebsleitung und Geschäftsleitung ausgesetzt), so viel Leute dazu gewonnen zu haben. zurück zu Vorwort und Gliederung Weiter zu Kap. 6: 2005/2006: Wertvolle Erfahrungen auf dem Weg aus dem Betriebsrat |