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Updated: 18.12.2012 15:51 |
4 Jahre Betriebsrat im Markt der Einschüchterung - 4 Jahre Horrortrip Erlebnisbericht eines Metro-Mitarbeiters (Name der Redaktion des LabourNet Germany bekannt) Teil 2 - 2002/2003: Das "Tribunal" und die Gewerkschaft Damit komme ich jetzt zu den Ereignissen, die im September 2002 begannen und sich bis Mitte 2003 hinzogen. Bei uns war etwa im Herbst 2002 die Idee gewachsen, eine Betriebsgruppe aufzubauen und mit Hilfe der zuständigen ver.di die Probleme, die hier im Betrieb anlagen (also Diskriminierung von Leuten, weil sie ihre Meinung äußerten, Maßregelungen, Verstöße gegen die Betriebsverfassung und den Manteltarifvertrag), mit der Gruppe anzugehen. Da wir im Betriebsrat auf Grund unserer Minderheitenfunktion bei Abstimmungen eh keine Mehrheit hatten, dachten wir, mit der zuständigen ver.di zusammen diese Dinge angehen und auch ändern zu können. Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen nach den Vorkommnissen wegen der Zulagen. Aber naiv wie ich war, und immer an das Gute im Menschen glaubend, warb ich einige, die noch nicht bei ver.di waren, für unsere Organisation an und versprach auch, dass wir uns irgendwann im Winter bei ver.di treffen und über Probleme im Betrieb und auch über die Lohn- und Gehaltstarifrunde 2003 diskutieren würden. Es waren etwa neun Neue, die dann bei uns mitmachten. Auch diskutierte ich über all das mit einer weiteren Kollegin. Sie wollte noch mehr Material über die Arbeit bei ver.di haben und bat mich auch, ihr doch eine Telefonnummer von ver.di zu besorgen, wo sie etwas über die dortige Frauengruppe erfragen wollte. 1. Versuch der Kontrolle An einem Freitag im November 2002 kam diese junge Kollegin mir dann auf dem Weg zur Pause entgegen und ich übergab ihr die Telefonnummer. Ein Betriebsleiter hatte das wohl beobachtet. Jedenfalls wurde ich ein paar Tage später auf der "Tribunalsitzung" von einem "Tribunalmitglied" befragt. Es liege eine Anfrage der Betriebsleitung beim "Tribunal" vor und man wolle von mir wissen, ob ich Gewerkschaftsmaterial verteilt hätte. Ich sagte daraufhin, dass ich keinen Bedarf sehe, auf solch eine Frage zu antworten und außerdem sei das Verteilen von Gewerkschaftsmaterial - soweit mir bekannt - auf dem Weg zur Pause auch nicht verboten. Um die Kollegin zu schützen, sagte ich aber noch, dass ich in diesem Falle kein Gewerkschaftsmaterial verteilt hätte. Dann erklärte mir das "Tribunal", dass Gewerkschaftsmaterial ohne seine Zustimmung nicht verteilt werden dürfe und dass ich jetzt mit Ärger rechnen müsse. "Die Tribunalvorsitzende" meinte, dass sie als Mitglied der Tarifkommission des Landes wissen müsse, wenn jemand Gewerkschaftsmaterial verteilt, denn es gebe auch Flugblätter, die man nicht unbedingt an die Belegschaft weitergeben müsse. Womit wir übrigens wieder bei der Grundsatzdiskussion ankamen, warum Flugblätter hier nur im Personalbüro ausgelegt werden - wenn überhaupt - und nicht zumindest in einer Ablage am Schwarzen Brett. Das ginge, wenn überhaupt, nur mit Genehmigung des "Tribunals". Durch unendliche Anrufe bei der Landes-ver.di konnten wir zumindest erreichen, dass auch ich Flugblätter zugeschickt bekam, die ich entweder in der Ablage oder durch Verteilen in der Pause an die Kollegen weiter geben konnte. Das war allerdings erst Mitte 2003 so. Doch zurück zum damaligen Vorwurf. Ich konnte mir schon denken, dass da was nachkommen würde. Ein paar Tage später auf der Arbeit wurde ich von einem Vorgesetzten schon vorgewarnt. Er sagte mir, der Betriebsleiter hätte bei ihm angefragt, ob er mich beim Verteilen von Gewerkschaftsmaterial beobachtet hätte und dass er dies verneint hätte. Dann kam ein Anruf, ich solle mich beim Betriebsleiter melden. Ich bat ein Betriebsratsmitglied meines Vertrauens, als Zeuge an dem Gespräch teilzunehmen. Als wir warteten, wurde uns mitgeteilt, der Betriebsleiter hätte jetzt keine Zeit. "Na," dachte ich, "wird dann wohl morgen weitergehen". Als ich dann Werbeschilder holen ging, bekam ich ein Telefongespräch mit, das die Vorsitzende mit jemanden führte: "Ja, gib dem eine Aktennotiz, dann wird der schon kapieren, was hier los ist". Ich konnte mir zusammenreimen, was hier abging: der, um den es sich in dem Gespräch handelte, war ich, wie sich auch im Laufe des Tages herausstellen sollte. So gegen 16:00 Uhr nachmittags wurde ich zum Betriebsleiter zitiert. Der Kollege aus dem Betriebsrat hatte Frühschicht und war schon nicht mehr da und vom "Tribunal" wollte ich niemanden dabei haben, also ging ich alleine. Dann ging es los. Der Betriebsleiter fing an, ob es nicht am besten wäre, wenn ich mein Betriebsratsmandat niederlegen würde. "Das erspart Ihnen eine Menge Ärger. Ich war bisher immer zufrieden mit ihren Arbeitsleistungen, aber ihre Arbeit im Betriebsrat gefällt einigen maßgebenden Leuten hier nicht und ein paar fühlen sich ganz schön auf den Schlips getreten. Ich muss Ihnen deshalb diese Aktennotiz wegen Verteilens von Gewerkschaftsmaterial im Betrieb aushändigen. Betrachten sie es als eine Warnung unsererseits. Wir wollen nicht, dass einfach so alles Gewerkschaftsmaterial im Betrieb verteilt wird, weil da manchmal Sachen dabei sind, um die Belegschaft aufzuwiegeln, und die müssen ja nicht unbedingt verteilt werden. Sprechen Sie sich mit der Vorsitzenden ab, wenn Sie was verteilen wollen. Und außerdem möchte ich Sie nicht noch einmal während der Arbeitszeit beim Verteilen von Gewerkschaftsmaterial sehen." Ich erwiderte, dass ich das so nicht stehen lassen würde und eine Gegendarstellung schreiben würde. Ich war echt empört, wie das "Tribunal" hier auch noch bei gewerkschaftlicher Arbeit seine Kontrollmechanismen zur Geltung kommen ließ. Und die Kollegin, mit der ich beobachtet wurde, bekam natürlich auch noch jede Menge Ärger. Also, was da abging, war eine richtige Verfolgungsjagd. Ich rief bei der zuständigen ver.di an, um dort gewerkschaftlichen Beistand anzufordern, aber die sagten mir, dass ich mich zurückhalten solle, eine Aktennotiz wäre ja nicht so wild und das wäre ja auch kein Grund, um einen Anwalt einzuschalten. Jetzt dämmerte es mir schon ein bisschen: ver.di macht nichts, wenn hier Interessen von Leuten mit anstehen, die in Fachgruppen bei ver.di tätig sind, denn das waren und sind zwei Leute aus dem "Tribunal". Durch meinen Anruf kam zumindest ein bisschen Bewegung ins "Tribunal" und so luden sie zu einer außerordentlichen Sitzung ein. Da ging es dann noch mal um das Verteilen von Gewerkschaftsmaterial und die Übergabe von Material an die Kollegin. Ich blieb bei meiner Aussage, dass ich ihr auf dem Weg zur Pause etwas Persönliches übergeben hätte und dass ich nicht nachvollziehen könne, wie ich wegen so etwas eine Aktennotiz bekommen könne. Der Betriebsleiter sah das natürlich alles anders und seine Darstellung war gegliedert nach Beobachtungen, die er an diesen Tag gemacht hätte. Dann lud das "Tribunal" die betroffene Kollegin vor, mit seiner Stimmenmehrheit wurde unser Argument, man solle sie in Ruhe lassen, einfach ignoriert. Ich kam mir an diesem Tage wieder mal vor wie auf einer Gerichtsverhandlung. Also kam sie dann. Ich dachte schon, DIE machen sie jetzt fertig. Die "Tribunalvorsitzende" legte gleich damit los, ob sie Flugblätter und Prospekte von ver.di erhalten hätte, da konterte die Kollegin mit der Gegenfrage, warum sie das wissen wolle, ob denn ver.di eine kriminelle Vereinigung wäre. Die "Tribunalvorsitzende" kochte vor Wut. Die Kollegin sei doch mit mir zusammen beobachtet worden, wie ich ihr Material übergeben hätte. Da konterte sie wieder, dass sie niemanden Rechenschaft ablegen müsse, wenn ihr jemand etwas Persönliches übergebe und sie kenne eine solche Art von Befragungen aus dem Land aus dem sie komme, aber dass es so etwas auch hier gebe, sei ihr neu. "Also stellen Sie sich gegen die Beobachtungen und Erkenntnisse, die uns der Betriebsleiter mitgeteilt hat?" "Ja", antwortete sie ganz trocken, "kann ich jetzt endlich gehen?" Das konnte sie dann, aber das "Tribunal" glaubte natürlich den anderen mehr. Die Aktennotiz wurde weiter aufrechterhalten, weil ich mich für die Gewerkschaft anders einsetzte als die "Tribunalgrößen", die ja ihrer Ansicht nach das Monopol über ver.di haben und am liebsten gar keine oder nur angepasste Arbeiter dort vertreten haben wollen. Die Kollegin hatte danach, wie ich auch, riesigen Ärger am Arbeitsplatz. Ich rief auch noch mal die zuständige ver.di an, aber die konnten, wie sie sagten, in der Angelegenheit nichts machen. 2. Ausbleibende Unterstützung bei einer Versetzung So, wie sie auch in der Angelegenheit eines Kollegen aus Algerien nichts machen wollten. Der war mal eben von der Kasse in die Fleischabteilung versetzt worden und wehrte sich dagegen. Er unterschrieb den Vertrag nicht und bekam dann natürlich kurze Zeit später eine Abmahnung, weil er angeblich seine Arbeit nicht mehr richtig machte. Auch er rief die zuständige ver.di an, die ihn zur "Tribunalvorsitzenden" schickten, die würde ihm weiterhelfen. Er ging dann zu ihr und teilte ihr sein Problem mit. "Da kann ich gar nichts machen und wenn Sie Ihre Arbeit nicht richtig machen, müssen Sie mit einer Abmahnung rechnen", lautete ihre Antwort. Er kam danach zu mir und fragte, was er denn machen solle. Da ich langsam einen Durchblick hatte, was zwischen der zuständigen ver.di und dem "Tribunal" vorging, riet ich ihm, einen Anwalt zu konsultieren und zu versuchen, über diesen die Versetzung wieder rückgängig zu machen. Das tat er dann auch und ist seitdem wieder an der Kasse, durch ein Schreiben des Anwalts an den Geschäftsleiter, in dem ganz klar auf die Verstöße bei der Versetzung hingewiesen und mit einem Prozess vor dem Arbeitsgericht gedroht wurde, den das Unternehmen mit Sicherheit verloren hätte. Was bei dieser und auch anderen Willkürmaßnahmen des "Tribunals" auffällt, ist, dass die zuständige Ver.di immer mit dabei war und auch heute noch ist, wenn Arbeitnehmerrechte bei uns im Markt mit Füßen getreten werden. Dann wird versucht, mit dem "Tribunal" zusammen diese Willkürmaßnahmen noch mit zu stützen. Und das nicht nur aus Bequemlichkeit, sondern da steckt System dahinter, nämlich unbequeme Meinungen und Einstellungen zu isolieren. Auch gilt offenbar das Motto: "Der/die setzen sich zu stark für die Leute ein und bringen uns weniger Beitrag als ein Abteilungsleiter oder Substitut, also unterstützen wir dann lieber "Tribunale", wo Abteilungsleiter und Substitute in der Mehrheit sind, und schauen, dass wir die dann auch bei ver.di mit in führende Funktionen bringen. Was im Betrieb mit den Arbeitern passiert, ist dann erst einmal zweitrangig; sollte sich jemand - wie hier der Kollege - durch Willkürmaßnahmen schikaniert fühlen, dann rufen wir das "Tribunal" an und die werden den/die dann schon zur Ruhe bringen." Dabei wird darauf spekuliert, dass die meisten Angst haben vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und klein beigeben, was der Kollege nicht tat. Er ging dann zur zuständigen ver.di und brachte der dortigen Sekretärin den Kostenübernahmeschein für den Anwalt. Wie er mir erzählte, fiel die wohl aus allen Wolken, als sie sah, dass er einen Anwalt eingeschaltet hatte. Sie hätten doch auch weiter helfen können und er hätte doch nicht gleich zum Anwalt rennen müssen, waren so die Floskeln, die er sich anhören musste. Er bedankte sich dann für die Übernahme der Kosten und wollte seitdem mit ver.di eigentlich nichts mehr zu tun haben. Das konnte ich aber verhindern, indem ich ihm den Unterschied zwischen Uns und Denen erklärte. Auch, wenn wir im Betrieb eine Minderheit sind mit unserer Meinung, die Idee von einer solidarischen Bewegung im Betrieb muss immer das Ziel bleiben. Wenn wir alle austreten würden, wären solche reaktionären Kräfte noch mehr in den Gewerkschaftsinstitutionen vertreten als jetzt. Wo wir hin müssten, sei, dass wir noch mehr Gleichgesinnte im Betrieb finden und dann über eine starke Betriebsgruppe Druck auf das "Tribunal" und die zuständige ver.di ausüben müssten. Das war so meine Idee in der Zeit; der Kollege blieb in ver.di. Es gelang mir in dieser Zeit immer wieder, ein paar neue Mitglieder für ver.di zu gewinnen. 3. "Tribunal"-Alltag Teil 2 Dann kam die Sache mit dem Weihnachtsgeld [Gesamtbetriebsvereinbarung zum Weihnachtsgeld liegt der Redaktion des LabourNet Germany vor]. Wir mussten alle beim Geschäftsleiter antanzen und wurde uns gesagt, wer denn Weihnachtsgeldkürzung bekommen sollte und wer nicht. Also, ich kam mir vor wie auf den Jahrmarkt und als wäre hier eine Versteigerung, also echt das Allerletzte. Die eine war eine Verwandte der "Tribunalvorsitzenden" und bekam natürlich nichts gekürzt und der Kollege, der den Anwalt eingeschaltet hatte, der bekam natürlich doppelt gekürzt: einmal wegen der Abmahnung und einmal, weil er länger als 20 Tage krank war während des Jahres. Laut Geschäftsleiter war er ein Problem für den Markt, deshalb die Kürzungen. Dieser Art waren auch die Kriterien bei den anderen KollegInnen. Wer angepasst war, der konnte mit geringer Kürzung rechnen, wenn er/sie länger als 20 Tage im Jahr krank gewesen war. Wer eine Abmahnung kassiert hatte und dann auch noch länger als 20 Tage krank gewesen war, dem wurde doppelt Geld gekürzt, außer er war im Betriebsrat, wie der eine Kollege vom "Tribunal", oder aber war verwandt mit jemanden vom "Tribunal". Das waren die Kriterien, die beim Weihnachtsgeld angewandt wurden. Es war schon echt ätzend, dabeizusitzen und über Menschen zu feilschen und wie viel Geld sie bekommen sollten! Und dann die Unterschiede zwischen denen, die für ihre Rechte einstanden, und denen, die alles für den Arbeitgeber taten. Das sagte ich dann auch auf der nächsten Betriebsratssitzung und bekam wieder Ärger. Diesmal direkt mit der Betriebsleitung, die bekommen ja ihre Anweisungen vom Geschäftsleiter. Da wurde ich dann so im Ende 2002 das erste Mal zur Betriebsleitung gebeten, das war zuerst einmal ein nettes Gespräch. Mir wurde erzählt, wie zufrieden sie seien mit meiner Arbeit in der Haushaltsabteilung. Dann meinten sie, dass es ein Problem gebe, durch meine Arbeit im Betriebsrat sei nämlich der Arbeitsablauf in der Haushaltsabteilung nicht mehr gewährleistet. Ich solle doch aus dem Betriebsrat aussteigen und mich wieder voll auf die Arbeit in der Abteilung konzentrieren. Sie gaben mir eine Woche Bedenkzeit. Als ich ihnen nach der Woche sagte, dass ich weiter in der Abteilung bleiben wolle, weil ich mich durch die jahrelange Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen dort sehr wohl fühle, wurde mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich meine Betriebsratstätigkeit aufgeben müsse, wenn ich weiter da bleiben wolle. Ich sagte, das würde ich nicht tun. Was dann kam, war Schikane: Das Lager sei nicht richtig aufgeräumt, auch in der Abteilung sei nicht richtig aufgeräumt worden und außerdem klappe es auch mit der Verräumung der Ware nicht mehr. Fast jeden Tag kam eine Beschwerde entweder vom Geschäftsleiter oder vom Betriebsleiter. Also, das war schon eine echte Horrorzeit. Vom "Tribunal" kam natürlich gar keine Unterstützung. Die warteten nur darauf, dass ich klein beigab, aber das tat ich auch hier nicht. 4. Ausbleibende Unterstützung bei meiner eigenen Versetzung Ich hatte einer Versetzung in die Warenannahme, die mir angeboten worden war, immer noch nicht zugestimmt. Es gab auch hier im Vorfeld immer wieder Gespräche mit mir. Zum Schluss wurde ich ins Betriebsleiterbüro gebeten - anwesend waren der Betriebsleiter und der Abteilungsleiter der Warenannahme, um mir zu sagen, dass ich ab Anfang 2003 in die Warenannahme müsse, auch ohne Zustimmung. Begründet wurde das damit, dass der normale Arbeitsablauf in meiner bisherigen Abteilung aufgrund meiner Betriebsratstätigkeit nicht mehr gewährleistet sei. Ich sagte, dass ich dem nicht zustimmen und diesen Wechsel nur unter Vorbehalt vornehmen würde. Als dann der Versetzungsantrag auf den Tisch kam, stimmte die "Tribunalmehrheit" der Versetzung natürlich zu und mein "Nein" und das der anderen von uns war da natürlich zu wenig. Die Rolle des "Tribunals" war hier ganz klar zu versuchen, mich freiwillig aus dem Betriebsrat rauszukriegen bzw. mir durch die Versetzung klar zu machen, dass ihnen meine Betriebsrat-Arbeit missfällt. Ein paar Tage nach der Versetzung kam auch der Geschäftsleiter vorbei und sagte mir im Beisein der "Tribunalvorsitzenden", ich solle doch meine Positionen im Betriebsrat überdenken, dann könne man ja auch über alles reden. Ich erwiderte, dass es bei Betriebsrat-Arbeit nichts zu überdenken gebe und dass ich als Betriebsrat in erster Linie den Mitarbeitern verpflichtet sei. Das wollte der natürlich nicht hören und zog mit dem Spruch: "Wir werden ja sehen, wer am längeren Hebel sitzt" ab. Und so verbrachte ich dann die nächsten Jahre in der Warenannahme und da stand ich am Anfang natürlich auch unter ständiger Beobachtung. Wenn ich mal auf Toilette war, musste ich mich für meine Abwesenheit rechtfertigen, und auch wenn ich den Müll wegbrachte, musste ich mich in der Abteilung abmelden und sagen, wo ich gerade hin ging. Das ging dann sogar so weit, dass mir, wenn mich im Vorbeigehen jemand etwas fragte, gesagt wurde: "Reden könnt ihr in eurer Freizeit zusammen". Diese Zeit war schon echt schlimm und auch die Auseinandersetzungen mit dem "Tribunal" kosteten natürlich Kraft und Nerven. 5. Gründung einer ver.di-Betriebsgruppe Wir wollten uns jetzt, da wir ca. zehn neue Mitglieder waren, als Betriebsgruppe zusammentun und vereinbarten deshalb ein Treffen in den Räumen von Ver.di. Es ging uns darum, die teilweise immensen Probleme, die einige im Betrieb hatten, anzugehen. Es ging uns auch darum, dass die zuständige ver.di endlich, wie wir dachen, dazu kommen müsse, mit der "Tribunalvorssitzenden" mal ein ernstes Wort zu reden und uns bei den Repressalien, denen wir uns täglich ausgesetzt sahen, zu helfen. Also trafen wir uns dann an einen Freitag in den Räumen von ver.di. Von uns waren so ca. 15 Leute anwesend und von ver.di zwei. Es ging dann eine Diskussion los über die Zustände in unserem Betrieb. Eine Kollegin berichtete über Probleme in der Multimedia, in der sie arbeitete. Sie habe zwei Kinder, sei alleinerziehend und müsse in der Woche manchmal 3 verschiedene Schichten fahren, wodurch es zu Problemen mit der Versorgung der Kinder komme. Den Abteilungsleiter hätte sie darauf angesprochen. "Seid froh, dass ihr Arbeit habt", hätte der zu ihr gesagt und das mit den Kindern sei ihr Problem. Auch die Betriebsratsvorsitzende hätte zu ihr gesagt, das mit den Kindern müsse sie schon selbst regeln. Es wurde noch mal die gesetzliche Seite besprochen und dass es doch nicht angehen könne, jemanden von Spätschicht den anderen Tag auf Frühschicht zu setzen. Meine Kollegen und ich, die vom Betriebsrat mit dabei waren, versprachen, uns dafür einzusetzen, dass dies geändert werden müsse. Dann erzählte die Kollegin von der Nahrungsmittelabteilung, dass sie schon durch den ganzen Markt versetzt worden sei, zuerst von der Warenannahme an die Kasse und von dort in die Konserven. Sie sei psychisch fast am Ende. Der Ärger sei wohl losgegangen, weil sie sich bei der Betriebsratsvorsitzenden über den Umgangston der Betriebsleitung ihr gegenüber beschwert hätte. Sie wolle doch nur in Ruhe ihre Arbeit machen; wenn das nicht aufhören würde, dann würde sie sich bei ver.di beschweren. Das war der Vorsitzenden dann wohl zuviel und sie machte die Kollegin darauf aufmerksam, dass ihr dann noch mehr Ärger entstehen könne. Den bekam die Kollegin dann auch zu Genüge. In der Nahrungsmittelabteilung, in die sie versetzt wurde, wurde kritisiert, sie würde ihre Leistungen nicht bringen und gerade die eine Kollegin, die angeblich gemobbt wurde (s.o.), entpuppte sich hier als Hetzerin. Sie kam freundlich zu ihr und bot ihr Hilfe an, wie die Kollegin uns erzählte. Sie sagte der dann ganz ehrlich, dass sie den Umgangston der Betriebsleitung ihr gegenüber nicht als korrekt empfand und auch, dass man den jetzigen Betriebsrat in der Mehrheit vergessen könne. Ein paar Tage später konnte sie dann beim Betriebsleiter antanzen und wurde verwarnt wegen angeblicher Störung des Betriebsfriedens, da sie ihre Kollegen aufhetzen würde. Es wurde so lange gegen sie intrigiert, bis sie öfter krank war und sich in ärztliche Behandlung begeben musste, weil sie diesen täglichen Schikanen nervlich nicht mehr gewachsen war. So wurde sie dann Anfang 2002 wieder versetzt, diesmal in die Konservenabteilung. Dort fühlte sie sich am Anfang auch wohl, die Kolleginnen und Kollegen dort waren in Ordnung und sie wurde auch eine Zeit lang in Ruhe gelassen. Bei den Betriebsratswahlen unterstützte sie unsere Bemühungen mit, das "Tribunal" zu entmachten und den Interessen der Mitarbeiter Geltung zu verschaffen. Leider konnten wir unser Ziel ja nicht erreichen. Die Kollegin sagte offen im Betrieb, dass sie nicht verstehen könne, wie eine Mehrheit solch ein "Tribunal" wählen könne. Bei dem hier existierenden Spitzelapparat bekam natürlich auch das "Tribunal" davon Wind. Und so bekam sie dann immer mehr Ärger; sie hatte zum Beispiel einen Vertrag, in dem stand, dass sie nur Frühschicht arbeiten müsse. In der Konservenabteilung hieß es dann, sie müsse auch mal Spätschicht arbeiten. Aus dem "Mal" sollte dann auf einmal im Wechsel eine Woche früh und eine Woche spät werden. Da kam sie dann mit ihrem Vertrag und ihr wurde erklärt, dann könne sie in der Konservenabteilung nicht mehr arbeiten. All das und auch die "tolle" Unterstützung, die sie von der "Tribunalvorsitzenden" bei dieser Sache bekam - nämlich noch mehr Ärger als vorher - trug sie auf der Betriebsgruppensitzung vor und auch hier erwarteten wir Hilfe von ver.di. Ich erzählte noch einmal allen, was mir bei der Übergabe einer gewerkschaftlichen Telefonnummer an eine Kollegin passiert war, nämlich, dass ich deshalb eine Aktennotiz bekommen hatte, und die Kollegin erzählte noch einmal, wie das "Tribunal", also der Betriebsleiter und die "Tribunalvorsitzende", sie regelrecht verhört hatten, um sie da hin zu bekommen, dass sie bestätigte, was die Betriebsleitung beobachtet hätte. Ich stellte noch in den Raum, dass hier eigentlich ver.di mehr hätte machen müssen. Und bekam von denen die lapidare Antwort, dass sie nichts gemacht hätten, um unseren Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Ein anderer Kollege, der schon länger bei Metro war, meinte: "Das hier ist eine Schlangengrube und wenn DIE dich da drin haben, gibt es kaum noch ein Entrinnen". Er verwies auch noch einmal auf die Tatsache, dass in unserem Betriebsrat die Abteilungsleiter und Substitute die Mehrheit haben und deshalb immer wieder die Interessen des Arbeitgebers denen der Mitarbeiter vorgezogen werden. Wir diskutierten dann noch über den Umgangston und die Repressalien von Betriebsleitung und auch so manchem Abteilungsleiter gegen die Mitarbeiter. So wurde eine Kollegin gezwungen, ein Stück Papier, das ein ganzes Stück von ihr entfernt lag, aufzuheben. Der neben dem Papier stehende Betriebsleiter sah keine Veranlassung, es selbst aufzuheben. Dann die Schikanen, weil eine Kollegin vergessen hatte, einen Knopf an ihren Kittel zu schließen, und deshalb gleich einen Rüffel bekam mit der Drohung, das nächste Mal dafür eine Abmahnung zu bekommen. Der Kollege von der Fleischabteilung berichtete, dass sie früher in diesem Bereich drei Leute gewesen seien, dass er jetzt alleine dort arbeite und sich ständig vom Betriebsleiter anhören müsse, das er seine Arbeit nicht richtig machen würde; es sei schon mit Versetzung gedroht worden. Bei den ganzen Repressalien, die wir diskutierten, kamen wir zu dem Schluss, das der eigentlich Verantwortliche der Geschäftsleiter sei, da er ja die Anordnungen für alles, was hier passiert, raus gibt. Da er sich ja der Unterstützung des "Tribunals" sicher sein könne, könne er solche Dinge wie hier auch machen. Als Minderheit im Betriebsrat haben wir schlechte Karten, da etwas zu ändern; wir haben ja selbst Ärger mit der "Tribunalmehrheit". Wir baten die von ver.di anwesenden Sekretäre, unbedingt erst einmal Stillschweigen gegenüber dem "Tribunal" zu wahren, da die heute Anwesenden sonst mit jeder Menge Ärger rechnen müssten. Was danach passierte, war eine ganz schlimme Verfolgungsjagd, die mich an die ganz düstere Vergangenheit der deutschen Geschichte erinnerte. Eine Woche später war Betriebsratssitzung und mein Name stand auf einmal als Tagesordnungspunkt auf der Liste, was nicht das erste und auch nicht das letzte Mal sein sollte. Und zwar hätte ich mich auf einer Betriebsgruppensitzung negativ über die Arbeit des "Tribunals" geäußert und was mir einfallen würde. Ich würde die Leute zu ver.di schicken, um die Arbeit das "Tribunals" in Misskredit zu bringen. Auch die anderen KollegInnen, die mit dabei waren, was ihnen offensichtlich auch bekannt war, bekamen das gleiche zu hören wie ich. Weil wir uns auch noch negativ über den Betrieb geäußert hätten, sprachen DIE uns ihre Missbilligung aus. "Ihr werdet schon sehen, was Ihr von habt." Als ich einwarf, dass es doch auch wirklich eine Menge Probleme hier gebe, gerade mit dem Umgangston der Vorgesetzten und den Personaleinsatzplänen, bekam ich zur Antwort: "Dann sollen doch die Paar, denen das nicht passt, sich eine andere Arbeit suchen". Ich sagte, dass ich, was hier bei diesem "Tribunal" abgehe, das allerletzte finde. Das wurde dann auch protokolliert, soweit ich mich erinnern kann. Und dann wurden die Kollegin aus der Nahrungsmittelabteilung und die Kollegin aus der Multimediaabteilung gegen unseren Protest zum "Tribunal" gebeten. Es wurde ausgerufen, sie müssten (!!) sich beim Betriebsrat melden. Erst kam die Kollegin von der Multimediaabteilung dran. Sie wurde von der Vorsitzenden angeschrieen, was ihr denn einfallen würde, sich ständig bei ver.di zu beschweren und ob ich (!!) sie dazu motiviert hätte, ständig bei ver.di über Probleme hier in Markt zu berichten. Die Kollegin machte darauf aufmerksam, dass sie als ver.di-Mitglied das Recht habe dort anzurufen und über Probleme auf ihrem Arbeitsplatz zu berichten. Sie fragte ganz erstaunt und schaute dabei auf mich, was ich denn damit zu tun hätte, wenn sie Ver.di anrufen würde? Als meine BR-Kollegen und ich sagten, DIE sollten sie doch endlich in Ruhe lassen, legten DIE erst richtig los. "Sie sind doch öfters mit Herrn XY [mir] in der Pause", fragte die Vorsitzende, "und da haben sie doch sicher über die Probleme, die Sie haben, diskutiert, und dass Sie schon bei mir waren. Ist Ihnen da nicht gesagt worden, dass Sie Ver.di anrufen sollen?" Und: "Sie sind doch auch von Herrn XY zu ver.di geworben worden." Da platzte es dann aus der Kollegin heraus, dass es die Vorsitzende nichts anginge, mit wem sie ihre Pausen verbringe und auch nicht, über was sie da spreche. "Sie haben mir doch selbst gesagt, dass Sie nichts machen könnten bei den Personaleinsatzplänen in der Multimediaabteilung. Also habe ich mich an ver.di gewandt, damit mir dort geholfen wird. Gerade als allein erziehende Mutter braucht man eine kontinuierliche Arbeitszeit. Und ich brauche mit Sicherheit niemanden, der mich ans Händchen nimmt und mir sagt, was ich tun soll." Es gab dann Geschrei von der Vorsitzenden, die Kollegin würde lügen und alles was sie sagen würde, stimme nicht; halt die üblichen Sprüche, die vom "Tribunal" immer wieder kommen, wenn jemand um seine Rechte kämpft. Die Kollegin wurde dann aus dem Verhör entlassen mit der Bemerkung der stellvertretenden Vorsitzenden, dass sie demnächst vorsichtiger mit Äußerungen sein solle, die den Ablauf im Betrieb beträfen. Schließlich habe sie ja im Vertrag stehen, dass sie keine Dinge, die den Arbeitsablauf beträfen, nach außen tragen dürfe. Da widersprach ich dann aber doch energisch und sagte, dass es natürlich das Recht der Kollegin sei, sich bei der Gewerkschaft zu beschweren und dass das nichts mit Betriebsgeheimnisse zu tun hätte, wenn sich jemand bei ver.di über den Personaleinsatzplan beschwere. Außerdem sei ihr ja hier offensichtlich nicht geholfen worden. Da bekam ich dann noch einmal eine Moralpredigt zu hören, als die Kollegin raus war, mit meinem Verhalten ermuntere ich ja die Leute geradezu, gegen Entscheidungen von Vorgesetzten zu meutern. Und zum x-ten Male bekam ich zu hören, dass ich mit meinem Verhalten den Betriebsfrieden störe. Dann wurde als nächstes die Kollegin aus der Nahrungsmittelabteilung zum Betriebsrat gebeten. Auch hier wieder die Vorsitzende vorne weg, ihre Geduld mit der Kollegin sei jetzt bald zu Ende. Jahrelang käme sie zum Betriebsrat und immer wieder mit der selben Geschichte, dass sie von den Vorgesetzten schlecht behandelt würde. "Ich kann das nicht mehr hören", sagte sie zu ihr, "und wegen ihres Krankenstandes müssen wir demnächst auch mal ein Perspektivgespräch mit dem Betriebsleiter führen." Sie solle aufhören, bei ver.di über ihre angeblichen Probleme zu berichten: "Es reicht doch aus, wenn sie hier schon fast den gesamten Betriebsrat mit ihren Problemen nerven. Sicher hat Sie Herr XY dazu ermuntert, bei ver.di anzurufen." Auch sie verneinte, dass ich sie dazu aufgefordert hätte, ver.di anzurufen, und sagte, dass sie schon x mal beim Betriebsrat um Hilfe bei ihren Probleme nachgesucht hätte. Aber stattdessen habe sie noch mehr Ärger als vorher gehabt und deshalb habe sie sich an ver.di gewandt. "Sie werden schon sehen, was sie davon haben", sagte die Vorsitzende und entließ sie dann. "Die lügt doch eh nur", sagte die Vorsitzende, als die Kollegin raus war. "Die ist ja eh nicht mehr lange hier", womit sie Recht behalten sollte. Ich bekam dann auch noch mal eine mit, als angeblicher Wortführer auf der Betriebsgruppensitzung. An die Kollegen gewandt, die auch beim Treffen dabei waren, meinte sie, zumindest von ihm hätte sie ja erwartet, dass er die Arbeit des Betriebsrates nach außen positiv darstelle. Eine Kollegin konterte damit, was sie denn Positives sagen solle, wenn es so gut wie nichts Positives vom Betriebsrat zu berichten gebe? "Dann tretet doch aus", bekamen wir dann im Chor zu hören. Den Gefallen taten wie denen dann doch nicht. Was hier und auch bei späteren Auseinandersetzungen auffällt, ist die enge Zusammenarbeit der zuständigen Ver.di mit dem "Tribunal". Meine Kollegin vom Betriebsrat, die schon vor der Betriebsgruppensitzung in den Räumen von ver.di skeptisch war, hatte Recht behalten. Sie hatte mich vorher gewarnt: "Die stecken alle unter einer Decke, glaub es mir". Durch die Verhöre und den anschließenden Ärger, den die beim Treffen Anwesenden im Betrieb bekamen, wurde die Betriebsgruppe in punkto "Zusammenarbeit mit der zuständigen ver.di" erst einmal zerschlagen. Wir trafen uns zwar noch ab und zu in Kneipen und redeten über unsere Probleme, aber mit ver.di-Sekretären wollten wir erst einmal nichts mehr zu tun haben. Das, was passiert war, hatte uns gereicht, und einige von uns überlebten das Jahr nicht mehr im Markt der Einschüchterung. zurück zu Vorwort und Gliederung Weiter zu Kap. 3: 2003: Der "Tribunal"-Alltag geht weiter |