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Updated: 18.12.2012 15:51
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Die US-amerikanische Automobilindustrie und ihre Gewerkschaftsstruktur: Geschichte, Struktur, Bedeutung - und Perspektiven?

Die Überarbeitung dieser Seite wurde durch die freundliche Unterstützung der Roa-Luxemburg-Stiftung in Berlin ermöglicht. Wir danken!

Inhaltsverzeichnis:

Einführender Text zu den Linksammlungen

  • Einige geschichtliche Orientierungspunkte
  • Worin lag die Bedeutung der „Big three“?
  • Die Struktur der amerikanischen Autoindustrie: Nord und Süd, Gewerkschaft und keine...
  • Perspektiven? Bankrotterklärung, Neustrukturierung – wohin geht die Reise?

Die kompletten Linksammlungen können als einzelne Dateien aufgerufen gelesen und ausgedruckt werden:


Einführender Text zu den Linksammlungen

In der letzten Woche war es soweit: Am 25. November 2009 rollte der letzte Pontiac vom Band. Seit der New Yorker Automobilshow 1926 war diese Marke von General Motors produziert worden und nun, auf dem Höhepunkt der erneuten und diesmal zum Bankrott führenden Krise, fällt sie der Geschäftskonzentration von GM auf nur noch vier Typen zum Opfer – die noch ältere, Oldsmobile, seit 1895 produziert und bereits 1909 von GM aufgekauft, hauchte bereits 2004 ihre Existenz aus.

Einige geschichtliche Orientierungspunkte

Wie in anderen Ländern auch ist die Geschichte der Automobilindustrie in den USA vor allem eine Geschichte permanenter Konzetrationsprozesse: Die „Big three“ GM, Ford und Chrysler waren keineswegs der Anfang der Autoindustrie, sondern ihre zentrale Rolle für die gesamte US-Ökonomie war bereits Ergebnis eben dieser Prozeße – und langer Jahre extrem profitabler Investitionen. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts gab es insgesamt rund 1.800 Unternehmen, die sich der Produktion von Autos widmeten. Ein zentraler Grund in volkswirtschaftlicher Rechnung: Die Durchschnittsgewinnmarge auf das eingesetzte Kapital betrug über das Jahrzent 1961 – 1970 exakt 13%. Die Rentabilität für Aktionäre von GM schwankte in diesem selben Zeitraum zwischen 16,5 und 25,8%.

General Motors, im wesentlichen im Zeitraum 1903 bis 1908 entstanden aus dem Zusammenschluß zahlreicher kleiner Autounternehmen, überholte 1929 erstmals die Ford Company als weltweit größter Autohersteller – und behielt diesen Platz bis 2008, als Toyota mehr Autos verkaufte. Nach der Neuformierung im Juli 2009 und „in Besitz“ des Bundesschatzamtes, arbeiten bei GM weltweit 235.000 Menschen, davon 68.000 in den übrig gebliebenen 34 US-Werken – 13 Werke weniger, als vor der Bankrotterklärung. Hatte GM in den besonders profitablen 60er Jahren noch rund 50% aller Autos in den USA verkauft, so sank dieser Anteil nach Ölpreisschock und Einführung von Umweltschutzbestimmungen in der ersten Hälfte der 70er Jahre bis 1990 auf rund 35% - und 1999 verkauften erstmals die japanischen und koreanischen Produzenten genauso viele Autos in den USA wie GM – eine generelle Tendenz, die auch die anderen beiden Detroiter Unternehmen betrifft. Alleine bedeutet der Verlust an Anteilen auch in den USA wenig: Bei der bis dahin niedrigsten Verkaufsanteilsrate von 31% in den USA im Jahre 1995 machte GM weltweit den Rekordgewinn von 6,8 Milliarden US-Dollar. Die ganz großen Verluste, über 30 Milliarden im Jahr waren erst Ergebnisse des neuen Jahrhunderts.

Ford steht in der Geschichte der Automobilindustrie vor allem als das Unternehmen da, welches das Fließband einführte. Anders als GM blieb es sehr lange direkt in den Händen der Gründerfamilie. Das Unternehmen verlor seine Führungsposition an GM unter anderem deshalb, weil GM wesentlich mehr technische Neuerungen entwickelte – inklusive etwa dem Automatikgetriebe. Ein Grundzug des Familien-Unternehmens war seine extrem konservative Haltung – von besonderer Gewerkschaftsfeindlichkeit über Sympathien des Patriarchen für das Naziregime bis zur Kollaboration mit der Militärdiktatur in Argentinien reicht diese Heltung bis in die 80er Jahre. Rufschädigend sozusagen die grösste Rückrufaktion der Industriegeschichte weltweit – Fehlbereifung soll etwa 3 Milliarden Dollar gekostet haben.

Chrysler, gegründet 1925 ist nur formal das „jüngste“ Unternehmen der drei, es ist Nachfolge der 1904 gegründeten Maxwell Motors. Von den drei Unternehmen war Chrysler dasjenige, das sich am meisten mit der Entwicklung systemkonformer Alternativen befasste, dem Elektroauto etwa. Nach 10 Jahren Daimlerzugehörigkeit (1998 bis 2007) – ein Zeitraum, der identisch ist mit dem Rückgang der in den USA verkauften Autos von 2,6 Millionen (1999) auf 1,4 Millionen (2008) – ist es nach dem im April 2009 als erstem erklärten Bankrott zu 20% in Besitz von Fiat, mit mehreren Optionen, die es Fiat erlauben würden, bis zu 51% Anteile zu steigern.

Material zur hier anskizzierten Grundstruktur und Geschichte der US-Autoindustrie

Worin lag die Bedeutung der „Big three“?

Die besondere Bedeutung, die diese drei Unternehmen für die Gesellschaft der USA gespielt haben, ergibt sich aus einer ganzen Reihe von Faktoren.

Zum einen naheliegend – die bloße Größe, die die Region Detroit einst zu einem Motor wirtschaftlicher Entwicklung und einem Zentrum wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Macht werden liessen. Noch 1978 beschäftigte GM in den USA über eine halbe Million Menschen – Ende 2009 sind es weniger als 70.000.

Zum anderen ideologisch – als die Unternehmen, die den Traum persönlicher Mobilität im Sinne eines stark eingeschränkten Freiheitsbegriffs verwirklichten.

Drittens als soziales Modell: Nach heftiger Gegenwehr und großen Auseinandersetzungen in den 30er Jahren wurden die Autounternehmen in der Nachkriegszeit zum Flagschiff der Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften – und die damals mit bis zu 1,5 Millionen Mitgliedern registrierte UAW zur einflußreichsten Einzelgewerkschaft der USA. Das Lohnniveau lag deutlich über dem der gesamten Industrie – und die „Detroiter“ waren die ersten Großunternehmen, die ganz massiv afroamerikanische ArbeiterInnen einstellten.

Viertens aber auch als Bestandteil und Repräsentanten amerikanischer Weltmacht: Vor allem im zweiten Weltkrieg waren die Detroiter Unternehmen zentrale Achse der Militärproduktion und wesentlich für den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland wie das militaristische Japan.

Material zum „Modell Big 3

Die Struktur der amerikanischen Autoindustrie: Nord und Süd, Gewerkschaft und keine...

Die 60er Jahre – bis hinein in die 70er – waren der Höhepunkt der Entwicklung der amerikanischen Automobilindustrie und ihres gewerkschaftsstrukturierten Modells: 1964 zum Beispiel handelte die UAW einen beispielhaften Tarifvertrag über die medizinische Betreung der Rentner aus, 1979 hatte sie mit rund 1,5 Millionen ihre höchste Mitgliederzahl (die 2008 erstmals unter 500.000 fiel).

Seit den fünfziger Jahren begannen europäische (Volkswagen, Käfer) und japanische Firmen in den USA Autos zu verkaufen, bald auch zu produzieren. 1968 erreichten ausländische Marken erstmals einen zweistelligen Anteil: Genau 10%. Im Jahre 1978 eröffnete VW in Pennsylvania die erste Autofabrik der USA in ausländischem Besitz.

In den seitdem vergangenen dreissig Jahren haben sich nicht nur die Verteilung von Marktanteilen und damit auch die Betriebsgrößen massiv verändert, sondern auch die geographische Verteilung der Autoindustrie. Das klassische Konzept aus Detroit, etwa 1910 entwickelt und 1980 in Grundzügen noch gültig, war es, vor allem eben in Südmichigan mit einem Gürtel zwischen Cleveland und Chicago – unter anderem aufgrund der Nähe zur Stahlproduktion und mit Kanada jenseits der Seen als Billiglohnland – Teile zu bauen und diese in regionalen Zentren zwischen Delaware und Kalifornien für den jeweiligen regionalen Markt zusammenzubauen. Heute gibt es an den Küsten beiderseits der USA keine Autofabriken mehr.

Das Schlagwort, mit dem die Auseinandersetzung innerhalb des Kapitals in den Medien der USA behandelt wurde und oft noch wird ist „Detroit gegen Dixie“. Zwar ist der amerikanische Verband der Autohersteller durch einen neuen Verband der Unternehmen abgelöst worden, aber es wurde gerade im Sommer 2009 etwa beim Thema „Regierungskredite“ deutlich, dass bei den „Dixies“ erhebliche Vorbehalte wegen ihrer eigenen Konkurrenzsituation bestanden.

Kritiker haben dabei immer wieder darauf verwiesen, dass es nicht nur so ist, dass vor allem deutsche und japanische Unternehmen in „gewerkschaftsfreien“ Bundesstaaten Produktionsstätten errichten, sondern dass auch die UAW wenig bis gar nichts unternommen hat, dort – Alabama, Kentucky, Georgia zum Beispiel – ernsthafte Organisationsversuche zu unternehmen. Im Gegenteil, über die besonderen Verhandlungen mit (auch den immer wieder aus- und oft auch wiedereingegliederten) Zulieferern zahlreiche Tarifverträge mit Einstiegs- und Kürzungsklauseln unterzeichnete, die den Weg zu den Verzichtstarifen bei den großen Drei ebneten.

Einiges Material zu den Gewerkschaften in der Autoindustrie

Perspektiven? Bankrotterklärung, Neustrukturierung – wohin geht die Reise?

Vielleicht bieten die Zahlen für 2008 einige Hinweise: der zweitgrößte Markt für GM nach den USA (2,9 Mio) war China (1,09 Mio), danach Brasilien (0,5 Mio). Der Organisationsgrad der amerikanischen Autoindustrie liegt unter 40% - keine 400.000 Autoarbeiter sind Gewerkschaftsmitglied, die Löhne der Neueinsteiger zu halbieren ist seit Jahren erklärtes Ziel der Detroiter. GM ist der größte Kunde der privaten Krankenversicherungen – diese für rund 1,1 Millionen Menschen bezahlen zu müssen seien größere Kosten als etwa für Stahl ausgegeben werde, betonte das Management bei den ständigen Versuchungen, hier zu kürzen

Ob die nun endgültig kontinuierliche weltweite Konkurrenzschlacht eine wirkliche Perspektive bietet, ist fraglich: die aufstrebende Mittelklasse in Ländern wie China und Brasilien – von den Selbstständigen bis zur festangestellten Industriearbeiterschaft - ist zwar zahlreich, aber eben auch begrenzt, und von der aktuellen Krise betroffen.

Der von Gewerkschaftslinken der USA vertretene Standpunkt, man müsse die Tendenz bekämpfen, dass anstelle von GM ein Unternehmen wie Walmart Trendsetter im Lohn werde erscheint einigermaßen verspätet.

Eine größere Debatte über Produktkonversion findet bisher jedenfalls nicht statt.

Technologische und logistische Voraussetzungen für die Verlagerung der gesamten Massenproduktion in „billigere“ Länder sind offensichtlich vorhanden.

Material zu den Debatten um die Perspektiven


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