Brandbeschleuniger
statt Achtungserfolg
Nachbetrachtungen zu den Kämpfen bei DaimlerChrysler.
In ak 486 hatte Jürgen Drieling eine erste Bewertung der Kämpfe
bei DaimlerChrysler (DC) vom Juli diesen Jahres gewagt [siehe unten].
Sein Urteil der erzielten Ergebnisse war sehr differenziert ausgefallen.
Jetzt nimmt Tom Adler, Betriebsrat bei DC in Untertürkheim,
Stellung zu einer Auseinandersetzung, die es in solcher Schärfe
kaum vorher gegeben hat. Artikel
von Tom Adler in ak - analyse & kritik 489 vom 19.11.2004
Erpressung und Widerstand. Der Abschluss bei
DaimlerChrysler ist nicht nur eine Niederlage
Bewertung
von Jürgen Drieling (DC Bremen) ,
erschienen in ak 486 vom 20.8.2004
„Starker Kampf – mattes Verhandlungsergebnis“
„Liebe Kolleginnen und Kollegen, fast 4
Wochen lang haben wir gegen die erpresserischen Forderungen des
Daimler-Vorstands gekämpft,.Unser Protest und unsere Aktionen
waren so heftig wie noch nie, und ihre Wucht hat dem Vorstand und
seinen Verbündeten in der Politik Angst gemacht. Als am Freitag,
23.7. von Schrempp und Gesamtbetriebsrat die Einigung auf das geforderte
500-Millionen-Sparpaket verkündet wurde, waren Enttäuschung
und Zorn bei vielen Aktiven groß. Die bisherige offizielle
Informationspolitik lässt viele verunsichert. Bis heute liegt
keine unterschriebene Vereinbarung vor. Was steht im Kleingedruckten?
Wenn Vorstand und Gesamtbetriebsrat sich beide zum Sieger erklären
– hat wirklich niemand den kürzeren gezogen?,Wir wollen
heute über die bisher bekannten Details informieren –
ungeschminkt, ohne etwas zu verschweigen. Und die Frage beantworten:
was hat‘s gebracht. Darauf hat diese Belegschaft einen Anspruch.
Denn sie und niemand anders hat dem Vorstand die Grenzen gezeigt!...“
Flugblatt
von DC Betriebsräten und Vertrauensleuten
„Kompromiss“ bei Daimler-Chrysler
Schreiben an den IGM-Vorstand vom
Konzernbetriebsrat, Betriebsrat und IGM-VKL der ALSTOM Power
vom 29.7.04. Aus dem Text: „…Wir fordern erneut
vom Vorstand der IG Metall, dass in der Organisation endlich ohne
Tabus über Abschlüsse wie bei Siemens und Daimler Chrysler
gemeinsam geredet wird und eine Korrektur unseres gegenwärtigen
Kurses eingeleitet wird. Wir befürchten die Zerstörung
der gewerkschaftlichen Gegenmacht, wenn wir weiter in der Logik
des Standortdenkens und der Anpassung an die neoliberalen Vorgaben
verharren. …“
Zitat des Tages 23. Juli 2004
"Die Revolution geht weiter"
Holger Schmieding, Europa-Chefvolkswirt der Bank
of America, zum DaimlerChrysler-Abschluss, zitiert in: Der Arbeitszeitkampf
tobt in Deutschland. Artikel
von M. Ruch, M. Rademaker und S. Dullien
in der FTD vom 26.7.2004
Steinkühlers kleiner Finger
Interview
von Rolf Euler mit Tom Adler ,
Betriebsrat im DaimlerChrysler-Werk Untertürkheim, in der Freitag
vom 23.07.2004
Fauler Kompromiß bei DaimlerChrysler:
Flächentarifvertrag nur noch ein Torso?
jW sprach mit Detlev Fendt, IG-Metall-Vertrauensmann
bei DaimlerChrysler in Berlin-Marienfelde. Interview
von Daniel Behruzi in junge Welt
vom 24.07.2004. Aus dem Text: „… F: Nach dem Dammbruch
bei Siemens also ein weiterer Schritt zurück? Antwort: Ein
noch größerer als im Fall Siemens. Die Daimler-Belegschaft
weist einen sehr viel höheren Organisationsgrad als die von
Siemens auf und ist traditionell äußerst kampfstark.
Wenn es Firmenbossen unter solchen Vorraussetzungen gelingt, ihre
Pläne durchzuziehen, stellt dies einen gewaltigen Rückschlag
für die Gewerkschaften dar…. Wenn bei Daimler als dem
größten und stärksten Unternehmen solche Verschlechterungen
vollzogen werden, kann das nur katastrophale Folgen haben. (…)
Die Sozialpartnerschaft ist passé, Klassenkampf steht auf
der Tagesordnung….“
Angriffe bei Daimler
Erste Bewertung des Verhandlungsergebnisses vom 23.07.04
von Gerhard Kupfer, Betriebsrat
bei Daimler in Bremen
DaimlerChrysler setzt Sparziel durch
AFP-Meldung
vom 23. Juli 2004, 10:28 Uhr
Aus dem Text: „… Die Kosteneinsparungen sollen der
nach wochenlangen Verhandlungen erreichten Einigung zufolge durch
Lohnverzicht und höhere Flexibilität erreicht werden.
Der vereinbarte Entgeltrahmentarifvertrag (ERA) zum Ausgleich von
Arbeiterlöhnen und Angestelltengehältern wird demnach
bis 2007 nach bundesweit umgesetzt. Dabei werde auf eine für
2006 eigentlich bereits vereinbarte Entgelterhöhung in Höhe
von 2,79 Prozent verzichtet, sagte Klemm. Die Arbeitnehmer willigten
zudem in die Forderung des Vorstands ein, einen neuen Tarifvertrag
für die im Dienstleistungbereich Beschäftigten einzuführen.
Dabei soll die Regelarbeitszeit auf 39 Stunden erhöht werden.
In den Bereichen Forschung, Entwicklung und zentrale Planung darf
künftig bis zu 40 Stunden pro Woche gearbeitet werden…“
DaimlerChrysler-Kompromiss. Vorstand verzichtet
auf zehn Prozent Gehalt.
Bericht
in Spiegel online vom 23. Juli 2004
Aus dem Text: „… Die Eckdaten des Kompromisses waren
bereits im Vorfeld bekannt geworden. Er umfasst unter anderem eine
Reduzierung der baden-württembergischen Tarifregelungen wie
die "Steinkühler-Pause", eine geringere Vergütung
für Dienstleister wie das Kantinenpersonal und die 40-Stunden-Woche
in den Entwicklungs- und Planungsbereichen. Das Sparvolumen erreicht
die vom Vorstand geforderten jährlich 500 Millionen Euro ab
2007. Im Gegenzug hat der Konzern dem Betriebsrat eine Beschäftigungsgarantie
bis zum Jahr 2012 zugesichert. (…) In der Vereinbarung ist
auch die Einführung der 40-Stunden-Woche für rund 20.000
Beschäftigte in Forschung und Entwicklung gegen Mehrbezahlung
enthalten. Zudem soll ein Tarifvertrag für Dienstleister unterzeichnet
werden, wonach Arbeitnehmer in Kantinen, Druckereien und Werksschutz
weniger verdienen würden als Metaller in der Autoproduktion.
Einen Eingriff in den Flächentarifvertrag hatten Betriebsrat
und IG Metall kategorisch abgelehnt….“
„Die Arbeitsplätze bei DaimlerChrysler
sind langfristig gesichert. Die Belegschaft hat Sicherheit über
ihr Einkommen. In Tarifverträge wird nicht eingegriffen - darauf
einigten sich IG Metall, Gesamtbetriebsrat und Unternehmensleitung
des Konzerns am 23. Juli 2004.“
IG-Metall-Meldung
mit Eckpunkten der Vereinbarung
Aus dem Text: „…Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erich
Klemm sagte, man habe "letztendlich den hohen Preis von
annähernd 500 Millionen Euro akzeptiert". Die Alternative
wäre gewesen, "künftig jedes Jahr neue Auseinandersetzungen
um Investitionsentscheidungen, Arbeitsplätze und Einkommen
führen zu müssen". Den Ausschlag für die
Zustimmung habe gegeben, dass "ein langfristig sicherer
Arbeitsplatz von unschätzbarem Wert ist"….“
In harter Konkurrenz hierzu daraus auch unser Zitat des
Tages 23.7.04: der baden-württembergische
IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann schafft den Kapitalismus
ab:
"Niemand muss sich mehr fragen, ob sein Standort
in den nächsten Jahren noch existiert, ob sein Einkommen sicher
ist und inwieweit er privat überhaupt noch planen kann."
Peters: Daimler-Kompromiss ist eine gute
Lösung für den Standort und eine Absage an Arbeitszeitverlängerung
IGM-Pressemitteilung
Nr. 074/2004 vom 23. Juli 2004
Aus dem Text: . „In einer Zeit, in der einige den Kündigungsschutz
abschaffen wollen, um angeblich Arbeitsplätze zu schaffen,
ist der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für acht
Jahre ein wichtiges Signal“. Dabei dürfe man aber nicht
verkennen, dass die Beschäftigten dafür schmerzliche Opfer
gebracht hätten. „Die Belegschaften werden jedoch sehr
wohl abwägen zwischen den Opfern, die ihnen abverlangt werden
und der Sicherheit, die jetzt da ist“, sagte Peters….“
Also doch, der Kapitalismus ist abgeschafft und die
Arbeitsplätze sicher… |