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Updated: 18.12.2012 15:51
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Außer Spesen nichts gewesen?

Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung gegen Journalist Nick Brauns eingestellt

In aller Stille hat die Staatsanwaltschaft München I ein seit rund 2 ½ Jahren laufendes Ermittlungsverfahren gegen den Journalisten Nick Brauns wegen schweren Hausfriedensbruch, schweren Landfriedensbruch, versuchter gefährlicher Körperverletzung sowie Nötigung eingestellt.

Hintergrund war ein von einer antifaschistischen Protestaktion gestörtes Funktionärstreffen der NPD in der Münchner Gaststätte Waldfrieden am 2.Juni 2005. Damals gingen zwei Scheiben zu Bruch, verletzt wurde niemand. Zahlreiche jugendliche Antifaschisten wurden anschließend an mehreren Orten in München festgenommen. Nick Brauns, der sich zu Recherchezwecken für die "junge Welt" in der Gaststätte aufgehalten hatte, wurde in der selben Nacht von wartenden Polizisten vor seiner Haustür festgenommen, seine Wohnung ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss durchsucht und sein gesamtes journalistisches Arbeitsmaterial inklusive Computern, Telefonverzeichnissen und Notizbüchern mit vertraulichen Informationen über linke Organisationen in München aber Widerstandsgruppen aus dem Nahen Osten beschlagnahmt.

Der Staatsschutz behauptete, Nick Brauns sei der Organisator des antifaschistischen Protestes gewesen. Selbst laut eigener Pressemitteilung stützt sich die Polizei dabei auf die Aussage eines Rechtsextremisten. Der wegen Körperverletzung vorbestrafte NPD-Funktionär Norman Bordin hatte in einem Internetforum des "Nationalen Widerstands" geschrieben: ,""Dr." Nikolaus Brauns scheint Drahtzieher dieses Überfalles zu sein". Ermutigt vom Vorgehen der Polizei diskutierten andere Neonazis offen in Internetforen darüber, Nick Brauns zu überfallen und zusammenzuschlagen.

Gegenüber dem ZDF-Magazin Frontal 21, dass eine Reihe ähnlicher Fälle von Polizeiübergriffen auf Journalisten behandelte, rechtfertigte der leitende Oberstaatsanwalt August Stern die Beschlagnahme journalistischer Unterlagen damit, seiner Ansicht nach habe sich Nick Brauns nicht als Journalist sondern als "Tipgeber" der Antifaschisten im "Waldfrieden" aufgehalten.

Außer Nazimutmaßungen lieferten die umfangreichen Ermittlungen keinerlei belastende Erkenntnisse. Die Polizei hatte es sogar versäumt, rechtzeitig vor ihrer Löschung die Telefonverbindungsdaten der beschlagnahmten Mobiltelefone auszuwerten. Weil er sich gegenüber der Wirtin des "Waldfrieden" als Journalist ausgewiesen und erklärte hatte, über die regelmäßigen Treffen von rechtsextremen wie der NPD und dem Stahlhelm in der Gaststätte zu berichten", hatte die Staatsanwaltschaft zusätzlich noch ein Verfahren wegen "versuchter Nötigung" gegen Nick Brauns eingeleitet.

Doch offenbar ging es den Fahndern vor allem um Datenfreibeuterei. So konnte Nick Brauns zufällig in einer Akte der Polizei erkennen, dass seine Festplatten gezielt nach linken Strukturen wie "SDAJ", "Rote Hilfe" und "Indymedia" durchsucht wurden. Der Verdacht liegt nahe, daß die Razzia vorrangig der Durchleuchtung der linken Szene in München diente.

Die Rote Hilfe, die junge Welt und zahlreiche politische Gruppierungen und Einzelpersonen hatten gegen den Angriff auf die Pressefreiheit protestiert. Solidaritätserklärungen kamen unter anderem aus der Türkei, Rußland und Brasilien.

Gegenüber Rechtsanwalt Michael Sack erklärte Oberstaatsanwalt Stern nun, alle Verfahren gegen Nick Brauns seien nach §153, 1 StPO wegen Geringfügigkeit der Schuld eingestellt worden. Worin diese geringfügige Schuld bestehen soll, teilte die Staatsanwaltschaft nicht mit. Nun ist es fraglich, ob der Journalist eine Entschädigung für seinen aufgrund der Polizeimaßnahmen entstanden Verdienstausfall inklusive der Anwaltskosten erhalten wird.

Das polizeiliche und gerichtliche Vorgehen gegen den junge-Welt-Reporter Nick Brauns war im Jahr 2005 nur einer in einer ganzen Reihe ähnlicher Angriffe auf die Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Polizeirazzien gab es damals unter anderem beim Labournet, dem Anti-Atom-Info, der vorübergehend verbotenen kurdischen Tageszeitung Özgür Politika und sogar dem konservativen Politikmagazin Cicero.

Julius Kaiser, 14.01.2008


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