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Updated: 18.12.2012 15:51
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Telefonüberwachung wegen Interesse an Kurdenfrage. Gericht rechtfertigt polizeiliche Verfolgung von Journalisten auch mit dessen Artikeln

Weil er sich „seit Jahren für das kurdische Volk engagiert“ war die monatelange polizeiliche Überwachung der Telekommunikation von junge Welt-Autor Nick Brauns rechtens. Dies entschied das Amtsgericht München am 8.April. Gegen den Journalisten war 2006 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Unterstützung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK eingeleitet worden, nachdem er als Versammlungsleiter einer kurdischen Kundgebung in München festgenommen wurde. Auf der Versammlung waren von Teilnehmern Bilder gefallener Guerillakämpfer mit einem von der Polizei als verbotenen eingestuften Symbol im Hintergrund gezeigt worden. Nick Brauns hatte als Versammlungsleiter dazu aufgerufen, der Forderung der Polizei nachzukommen und diese Plakate nicht mehr zu zeigen. Das Verfahren gegen Brauns wegen Verdachts auf Verstoß gegen das Vereinsgesetz §20 Abs. 4 endete im Sommer 2008 mit einer Einstellung. In der Begründung hieß es, Brauns interessiere sich zwar stark für kurdische Belange und habe auch Kontakte zu PKK-Funktionären. "Doch eine unterstützende Tätigkeit für die PKK konnte ihm nicht nachgewiesen werden“.

Ein ausreichender Tatverdacht zur Anordnung der Telekommunikationsüberwachung bestand nach Meinung des Amtsgerichts dennoch, da Nick Brauns immer wieder „im Zusammenhang mit Vereinen und Versammlungen“ auftauche, „an denen sich auch bekannte PKK-Aktivisten beteiligen“. Zudem habe er 2001 einen „Aufruf an die Bundesregierung zur Aufhebung des Betätigungsverbots der PKK in Deutschland“ mitunterzeichnet. Weiterhin seien auf seiner Internetseite www.raeterepublik.de externer Link Fotoreportagen über die Kurdenproblematik veröffentlicht, die auch Bilder von PKK-Chef Abdullah Öcalan und verbotene Fahnen enthielten. Bei diesen Reportagen handelt es sich um Artikel, die zuvor in der junge Welt erschienen waren, sowie um Fotos von Newroz-Festen, die Brauns in den kurdischen Gebieten der Türkei aufgenommen hatte. Dort waren auch Bilder von Öcalan und PKK-Fahnen gezeigt worden.

Bei Einstellung des Verfahrens hatte die Staatsanwaltschaft Nick Brauns darüber informiert, dass zwischen Januar und April 2007 seine Handy- und Festnetznummern sowie mehrere Internetadressen überwacht und Bankkonten überprüft wurden. Unter den abgehörten und in der Ermittlungsakte als „relevant“ aufgelisteten Gesprächen befinden sich neben privaten Telefonaten über eine Wohnungssuche in Berlin auch Telefonate mit Mitarbeitern der jungen Welt und weiteren journalistischen Kontakten sowie Gespräche, die im Rahmen von Nick Brauns Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Bundestagsabgeordneten erfolgten.

Auch über eine von Brauns bearbeitete Kleine Anfrage der Linksfraktion zur Tätigkeit eines auch im Auftrag der UNO im Nahen Osten tätigen BKA-Beamten informierte der Staatsschutz das Bundeskriminalamt noch ehe der Regierung die Anfrage zur Beantwortung vorlag. Die unge Welt hatte mehrfach über die Aktivitäten dieses „Mannes fürs Grobe“ beim BKA berichtet, der sich in einem Buch als erfolgreichster deutscher Terroristenfahnder feiern ließ. Der Agent überzog die Junge Welt deswegen mit zahlreichen Klagen. Abgehört wurden in diesem Zusammenhang Telefonate von Brauns mit einer Journalistin im Libanon. Als Begründung für die Weiterleitung dieser „Zufallsfunde“ an das BKA gab der Staatsschutz an, die Sicherheit des BKA-Agenten könne durch Recherchen gefährdet sein. Außedem bestände Verdacht auf Geheimnisverrat. Dass hier in unzulässiger Weise sowohl in die Pressefreiheit wie auch in die Arbeit einer Parlamentsfraktion eingegriffen wurde, schien die Schnüffler nicht zu irritieren.

Unter Verweis auf das „Persönlichkeitsrecht Dritter“ hatte das Landgericht München I Ende März letztinstanzlich das Ansinnen von Nick Brauns zurückgewiesen, Einblick in eine 967-Seiten lange Liste aller 2902 bei ihm abgehörten Gespräche zu bekommen. Wieweit auch Telefonate mit Rechtsanwälten und weitere journalistische Recherchen abgehört wurden, lässt sich so nicht mehr nachweisen.

Gegen die jetzige Entscheidung des Amtsgerichts über die Rechtmäßigkeit der Überwachung hat Brauns Anwalt Michael Sack Beschwerde eingelegt.

Artikel von Julius Kaiser aus Junge Welt vom 16.4.09, in ergänzter und überarbeiteter Fassung


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