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Updated: 18.12.2012 15:51
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Argumente GEGEN DEN KRIEG

Das brandheiße Thema drohende griechische Staatspleite wird fast ausschließlich unter ökonomischen Vorzeichen debattiert. Bereits der soziale Aspekt wird verdrängt. Dass dieses Thema auch mit der deutschen Kriegsschuld und mit aktueller Aufrüstung zu tun hat, wird dann völlig ausgeblendet. Nicht so in der Zeitung gegen den Krieg.

Behauptung 1: Die Gefahr eines griechischen Staatsbankrotts ist eine einmalige Angelegenheit. Daher muss darauf mit einmaligen Maßnahmen reagiert werden.

Antwort: Tatsächlich musste Griechenland bereits zwei Mal - 1893 und 1935 - Staatsbankrott vermelden. Beide Male war Griechenland bei den wirtschaftlich stärksten Staaten Europas bzw. deren Banken verschuldet. Damals waren dies vor allem britische und französische Gläubiger. Heute sind es vor allem französische, schweizerische und deutsche Gläubiger, die die griechischen Auslandsschulden in ihren Büchern haben.* Diese verdienen an ihren Finanzengagements solange prächtig, wie Griechenland nicht pleite geht bzw. wie Zins und Tilgung durch Sozialabbau und längere Arbeitszeiten bezahlt werden. Sollte Athen doch pleite gehen, so können diese Institute auch dann einen guten Schnitt machen, wenn die Schulden eines bankrott gegangenen Griechenland durch eine neue Konstruktion, getragen durch den IWF oder abgesichert mit EU-Garantien, aufgefangen werden.

Eine "Lösung" für den Pleite-Staat Griechenland bestand vor 110 Jahren darin, dass dieser gewissermaßen im Auftrag der Gläubiger-Banken einen katastrophalen Feldzug gegen das osmanische Reich führte. 1919, nach der Oktoberrevolution, wurden griechische Soldaten - erneut im Dienste der westlichen Gläubigerstaaten - gegen die junge russische Revolution eingesetzt. 1920-1922 griff die griechische Armee wiederum gewissermaßen im Auftrag der britischen und der französischen Gläubiger die junge bürgerliche türkische Revolution an. All diese Abenteuer führten dazu, dass sich die Finanzkrise verschärfte und dass es formal oder de facto zur internationalen Kontrolle der Finanzen des griechischen Staates kam.

Wenn heute die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident von Griechenland verlangen, das Land müsse "seine Hausaufgaben machen", dann ist damit gemeint: Die Regierung in Athen soll einen brutalen Sparkurs auf Kosten der Armen und der normal verdienenden Bevölkerung durchsetzen. Im Namen der Gläubigerstaaten wird ein Krieg gegen die eigene Bevölkerung gefordert. Dieser Krieg ist ein Exempel für alle Menschen in Europa: In Athen, Tessaloniki, in den anderen griechischen Städten, auf dem Land und auf den griechischen Inseln wird demonstriert, wie gegebenenfalls die "Lösung" einer schweren Wirtschaftskrise aussieht.

Behauptung 2: Wenn in der aktuellen Situation griechische Kreise auf eine "deutsche Kriegsschuld" verweisen, dann ist das lächerlich. Eine deutsche Kriegsschuld ist mehrfach bezahlt oder verjährt.

Antwort: Tatsächlich ist die griechische Regierung in Sachen Kriegsschuld eher zurückhaltend. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou sagt: "Die Reparationsfrage ist weiter offen. Aber ich finde es unpassend, dieses Thema gerade jetzt anzuschneiden."

Tatsächlich wurde Griechenland im Zweiten Weltkrieg von der NS-Wehrmacht überfallen und besetzt. SS und Wehrmacht begingen im Land schwerste Kriegsverbrechen. Die Gesamtzahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung wird auf 100.000 geschätzt. Hinzu kommen 60.000 griechische Juden, die deportiert und ermordet wurden. 300.000 Menschen starben an Hunger und an Kälte, weil SS und Wehrmacht die Ernten abtransportierten. 1,2 Millionen Griechinnen und Griechen wurden obdachlos, weil 1700 Dörfer und 400.000 Häuser zerstört wurden.

1946 bezifferten die Siegermächte die Höhe der Reparationsansprüche Griechenlands auf sieben Milliarden US-Dollar. Nach aktuellen Werten wären dies mehr als 50 Milliarden Euro - ohne die erforderliche Verzinsung.

Und wie sah die deutsche Reaktion aus? Im Londoner Schuldenabkommen von 1953 wurde vereinbart, dass es Reparationsleistungen erst mit einem Friedensvertrag - und nach der Wiedervereinigung - geben könne. Ende der 1950er Jahre bestand die Gefahr, dass Griechenland die DDR anerkennen könnte. Um dem vorzubeugen, zahlte Bonn 1960 115 Millionen DM für "Wiedergutmachung". Seit 1990, als es zur Wiedervereinigung und zum Zwei-plus-Vier-Vertrag kam, haben sich die jeweiligen griechischen Regierungen und griechische Opferverbände mit Forderungen nach Reparationsleistungen gemeldet. Die griechische Justiz sieht diese als gerechtfertigt an. Doch die deutschen Regierungen unter Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel stellten die Ohren immer auf Durchzug.

Es ist die deutsche Seite, die seit sechzig Jahren auf Zeit spielt, um dann zu erklären, die Angelegenheit habe sich erledigt und sei "verjährt". Dabei ist es umgekehrt: Unter normalen kapitalistischen Bedingungen hat sich die deutsche Kriegsschuld mit Zins und Zinseszins enorm erhöht.

Behauptung 3: Es sind doch souveräne griechische Regierungen, die für die aktuelle Misere des Landes verantwortlich sind

Antwort: Natürlich gab es relativ frei gewählte griechische Regierungen. Allerdings hat die Fremdbestimmung in Griechenland eine noch längere Tradition als die Staatsbankrotte. Das griechische Königshaus wurde nach Gründung des griechischen Staates 1832 aus Deutschland bzw. Bayern gestellt (Wittelsbacher Königshaus; 1832-1862). Danach - 1862 bis 1924 und 1935 bis 1968 - gab es ein aus Großbritannien importiertes Königshaus.

Im Zweiten Weltkrieg überfiel - wie beschrieben - die Nazi-Armee Griechenland und besetzte es. Ende 1944 kam es zu einer britischen Besatzung und später zu einer US-amerikanischen Truppen-Präsenz, womit der antifaschistische Volksaufstand niedergeschlagen wurde.

1967 errichteten griechische Obristen eine faschistische Diktatur mit massenhafter Verhaftung von Gewerkschaftern und Linken. Der Putsch und das Obristen-Regime wurde vom US-Geheimdienst CIA und der Nato unterstützt. In Deutschland war es die CSU unter Franz-Josef Strauß, die die Diktatur finanziell unterstützte und ihr politisch Flankendeckung verschaffte. Originalton CSU-Chef Strauß nach dem Putsch: "Die griechische Drachme ist heute die stabilste Währung der Welt" (Spiegel 39/1976).

Die Athener Regierungen, die es nach dem Sturz der Diktatur 1974 gab, gerieten in neue Abhängigkeiten. 2008 sagte Reinhard Siekazcek, der ehemalige Top-Manager von Siemens und langjährige Chef der schwarzen Kasse des Elektrokonzerns vor einem Münchner Gericht aus. Danach hat allein dieser deutsche Konzern "insgesamt rund 15 Millionen Euro Schmiergeld pro Jahr" aufgewendet, um in Griechenland Politiker und die Politik zu kaufen: um Aufträge für Infrastrukturaufträge bei der Olympiade zu bekommen, um die griechische Telefongesellschaft OTE "einzukaufen" oder um Waffen- und Rüstungseinkäufe in Milliarden-Euro-Höhe zu finanzieren, sprich: zu schmieren.(Süddeutsche Zeitung vom 26.5.2008).

Behauptung 4: Es gibt keine Alternative zu den aktuell vorgeschlagenen Sparmaßnahmen.

Antwort: Das neue Sparprogramm muss die griechische Krise verschärfen. Mit ihr wird ein Staatsbankrott nur hinausgeschoben. Eine wirksame Antikrisen-Politik, für die auch die EU große Verantwortung trägt, hätte drei Elemente: Erstens ein konserquente Friedenspolitik - keinerlei Kauf neuer Waffen, massive Reduktion der allgemeinen Rüstungsausgaben und eine umfassende Friedenspolitik gegenüber der Türkei, einschließlich einer Lösung der Zypern-Frage. Rüstungslieferungen an die Türkei müssen gestoppt werden. Zweitens eine radikale Besteuerung von Vermögen und hohen Einkommen in Griechenland selbst. Drittens eine Lösung der Kriegsschuld mit Reparationszahlungen durch Deutschland, gegebenenfalls unter Einbindung von Österreich und Italien.

Winfried Wolf in der Zeitung gegen den Krieg 30 vom 26.03.2010


*) Griechenland war Ende 2009 im Ausland mit rund 303 Milliarden US-Dollar verschuldet. Davon entfielen 75,5 Mrd. Dollar auf französische Banken (= 25 %), 64 Mrd. Dollar auf schweizerische Banken (= 21%) und 43,2 Mrd. Dollar auf deutsche Institute (= 14,3 %). Die Banken dieser drei Länder vereinen sechzig Prozent der griechischen Auslandsschuld auf sich. Auf die US- und britische Banken entfallen weitere 29 Mrd. Dollar oder knapp 10 Prozent.


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