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Updated: 18.12.2012 15:51
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»Change to Win«...

... sollte vor der eigenen Haustür beginnen - meint David Pratt*

Der größte Teil des Programms der Change to Win-Koalition (CTW) - jener Gruppe von Gewerkschaften, die den Dachverband AFL-CIO verlassen haben, um eine eigenständige Reformpolitik zu verfolgen (vgl. express, Nr. 8 und 9/2005) - dreht sich um die Organisierung in strategisch wichtigen Kernbranchen. Während manche CTW-Gewerkschaften sich diesem Programm verpflichtet fühlen, müssen Fragen erlaubt sein an die - so scheint es - »Außenseiter« der CTW, die Teamsters (IBT; International Brotherhood of Teamsters, Gewerkschaft der LKW-Fahrer).

Faktisch haben die Teamsters unter Führung ihres Vorsitzenden James P. Hoffa Jr. weder in Kernbranchen organisiert, noch planen sie, dies zu tun. Hoffa selbst gibt eben das zu. Als er von der Zeitschrift The Nation nach der Organizing-Strategie der Teamsters gefragt wurde, stellte er fest: »Wir haben in unserer Gewerkschaft Leute von A bis Z, von Airlinepiloten bis zu Zoobeschäftigten. Wir werden nie nur eine Gewerkschaft für die Transportindustrie oder die Trucker, sondern immer eine allgemeine Gewerkschaft sein, und wir geben diesen Anspruch nicht auf.«

Früher allerdings - in den 1990ern - ermöglichte der Sturz der alten Garde der Teamsters, dass sich die Tür für ein Modell strategischen Organizings öffnete, das zu dramatischen und handfesten Erfolgen führte - sowohl für die IBT als auch die Arbeiterbewegung insgesamt. Diese Fortschritte brachten auch eine neue Generation von »Rank-and File-Aktivisten« mit einem wachsenen Schatz an Fertigkeiten und Erfahrungen hervor.

Die Erfolge des in den 1990ern verwendeten Modells weisen auf die Schwächen eines >Top-down< gesteuerten Modells hin, wie es die CTW und Hoffa heute favorisieren.

Organizing von Kernindustrien

Eine der Lektionen, die man aus dem Teamsters-Experiment der 1990er lernen konnte, war, dass man auch bei den unnachgiebigsten Arbeitgebern gewerkschaftlich organisieren kann, wenn man es auf der nationalen Ebene mit adäquaten Ressourcen und mit Taktiken tut, die auf der Direktansprache >von Mitglied zu Mitglied< beruhen. Jahrzehntelang galt z.B. Overnite Transport als der WalMart der Transportindustrie. Alle Teamster-Präsidenten bis zurück zu Hoffa Sr. versprachen, dass Overnite organisiert werden solle. Nicht einer von ihnen war erfolgreich; nicht einmal eine brauchbare Kampagne bekamen sie zustande.

Das änderte sich ab 1991 mit dem Beschluss der ITB, sich auf den Transportsektor als Ganzen zu konzentrieren und diesen zu organisieren. Von den späten 1990ern an - unter dem Vorsitz von Ron Carey - hatten die Teamsters Dutzende von Overnite-Terminals im Land organisiert - einschließlich solcher in den Südstaaten. Die Kampagne nahm stetig Fahrt auf.

Sie haben dies zustande gebracht trotz der andauernden Klagen von Transportunternehmern über die hohen Kosten, die mit einer gewerkschaftlichen Organisierung ihrer Belegschaften verbunden seien und obwohl die Organizer von Teilen der Gewerkschaftsbürokratie der alten Teamsters-Garde nicht voll unterstützt wurden.

Statistiken des NLRB (National Labor Relations Board) über diese Periode zeigen, dass die IBT damit einen jahrzehntelangen Niedergang des Organizing überwinden konnte. Seit 1998 organisierte die Gewerkschaft so viele neue Arbeiter, wie sie durch Schließungen, steigende Produktivität und den anhaltenden Rückgang von gewerkschaftlich organisierten Transportbetrieben verlor - früher einmal der stärkste Sektor der Gewerkschaft. 1998 wurden vierhundert neue Betriebe organisiert.

Dieser Erfolg resultierte zum Teil aus anderen dramatischen Veränderungen in der Gewerkschaft, zum teil trug er erst zu diesen bei. In der Tat ist ein Großteil des Organizing-Erfolges der Teamsters in den 1990ern begründet in der Konzentration auf Kernbranchen, strategische Kampagnen und eine nationale Koordinierung - ganz im Stile der Programmatik von Change to Win.

Mitgliederbeteiligung

Das Bekenntnis des Gewerkschaftsvorstands unter Carey zu Demokratie- und Mitgliederbeteiligung ist jedoch genau der Punkt, der auf der Tagesordnung von CTW fehlt. Ein Beispiel für diese Haltung war Careys Politik, die Demokratie zu schützen und sicher zu stellen, indem er Briefwahlen für lokale Gewerkschaftsentscheidungen anordnete. Die Mitglieder reagierten darauf, indem sie Dutzende von korrupten und ineffektiven Funktionären auf lokaler Ebene durch neue, angriffslustigere Sekretäre ersetzten.

Die Carey-Vorstandsriege demonstrierte, dass sie bereit war, die Rechte der Mitglieder zu verteidigen, und dass sie in der Lage war, um Verträge zu ringen und Bedürfnisse und Themen der Arbeiter aufzugreifen. Als UPS 1994 einseitig die Gewichtsgrenzen von Paketen, mit denen die Arbeiter zu tun hatten, heraufsetzte, rief Carey einen kurzen landesweiten Streik aus. Carey setzte sich auch gegen Frachtunternehmen und ihre Forderungen nach Einstellung von Teilzeitarbeitern und gegen Abschleppunternehmern, die Arbeitsverträge unterhalb der Standards anboten, durch.

Und trotz der Opposition von Rentenfonds-Treuhändern aus der alten Garde war es unter Carey auch möglich, eine saftige Erhöhung der Renten durchzusetzen.

Zurück in die Zukunft

Machen wir einen Sprung ins Jahr 2005 - wie steht es um das Organizing unter Hoffa? Kurz nachdem er sein Amt 1999 übernommen hatte, kündigte Hoffa an, das Overnite »erobert« werden würde. Aber anstatt dies in die laufende und erfolgreiche Kampagne zur Organisierung im Transportbereich einzubeziehen, rief er überstürzt einen Streik aus.

Von Beginn an zum Scheitern verurteilt verpuffte der Streik schnell und die zuvor organisierten Terminals waren wieder verloren. Im Ergebnis war alles zuvor Erreichte wieder verloren.

Seitdem Hoffa im Amt war, hat die IBT von Jahr zu Jahr weniger Wahlen gewonnen und weniger neue Arbeiter organisiert. Die Organisierungsrate von 400 Betrieben im Jahr 1998 ist bis zum Jahr 2000 um 50 Prozent gefallen. Trotz Umstrukturierungen in der Abteilung für Organizing und eines grö-ßeren Budgets dafür (über gestiegene Beiträge), liegt die Organisierungsrate derzeit immer noch bei unter dreihundert pro Jahr.

Im gleichen Zeitraum stiegen die Verluste bei den Mitgliederzahlen - das schließt zum Beispiel jene 11000 Flugbegleiter von Northwest und Tausende von Flugzeugmechaniker bei Southwest ein.

Die Reformer bei den Teamsters dachten, dass ein neues Tief erreicht worden sei, als sich einige Spitzenfunktionäre unter Hoffa freuten, dass die »bitches and fags« (etwa: Hostessen und Kofferkulis), wie die Hoffa-Leute die Flugbegleiter auf dem IBT-Kongress 2001 nannten, dafür stimmen, die IBT zu verlassen. Das war aber nicht der Fall, der Tiefpunkt noch nicht erreicht: Während einer Anerkennungswahl bei der Firma Tyson Foods half Hoffa öffentlich dem Management dabei, die Autorität der Führung der örtlichen Gewerkschaft zu untergraben - kurz vor der Wahl. Tyson gewann sehr knapp, und weitere 1500 Mitglieder waren für die ITB verloren.

Außerhalb der industriellen Kerne

Einige der größten Mitgliedergewinne der letzten Jahren haben die Teamster im Gesundheitssektor, im öffentlichen Sektor und bei Fluggesellschaften gemacht. Wird diese Tendenz, außerhalb der Kernbranchen der Gewerkschaft zu organisieren, zunehmen oder mit dem Austritt der IBT aus dem AFL-CIO beendet?

Hoffa hat öffentlich angekündigt, dass die IBT weiterhin in allen Sektoren organisieren will. Die Wetten stehen gut, dass dies auch >Wilderei< einschließt. So hat Hoffa lokale Gewerkschaften bereits auf eine bestimmte Vorgehensweise verpflichtet, die zu verfolgen sei, wenn Betriebseinheiten von anderen Gewerkschaften vertreten werden.

Hoffas einzige erfolgreiche Entwicklungsstrategie sind Fusionen mit Gewerkschaften außerhalb der traditionellen Kernbranchen der IBT gewesen. Zwei Eisenbahngewerkschaften haben sich mit der IBT vereint - die Brotherhood of Locomotive Engineers und die Brotherhood of Maintenance of Way Employees - wie auch die Graphic Communications International Union.

Viele Teamster-Locals, Mitglieder und Organizer fahren - trotz Hoffas gescheiterten politischen Strategien - fort, in wichtigen Sektoren zu organisieren, wie z.B. der Müllabfuhr. Aber die Organisierungserfolge, die man bräuchte, können nicht an den Rändern erzielt werden.

Keine noch so ehrgeizige Politik eines Locals kann landesweite Kampagnen ersetzen, die wirkliche Ergebnisse erzielen und die zu den Formen von Veränderungen führen, die sich CTW vorstellt.

Hoffa, der das Rampenlicht liebt, hat man öffentlich gedankt dafür, dass er sich CTW angeschlossen hat. Aber wenn die IBT unter Hoffa ein Modell für eine neue bzw. neu belebte Arbeiterbewegung sein soll, dann ist CTW in ernsten Schwierigkeiten.

Übersetzung: NaRa, KH, JW

* David Pratt ist gewerkschaftlicher Bildungsarbeiter, Gesundheits- und Sicherheitsexperte in New York City. Gegenwärtig arbeitet er als Organizer der Teamsters for a democratic union.

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 1/06


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