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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Heftige Auseinandersetzungen um und massive Vorbereitungen für den "1.Mai ohne MigrantInnen"

Während im ganzen Land "Blitze" der Staatsmacht gegen MigrantInnen organisiert werden, hunderte von Betrieben DemonstrationsteilnehmerInnen entlassen und rassistische Gruppierungen den leichten Medienzugang nutzen, laufen die Vorbereitungen für den Tag ohne MigrantInnen am 1. Mai auf Hochtouren - der Kampf gilt dem neuen Einwanderungsgesetz, von dem ein Gesprächspartner nicht zu Unrecht sagte: "Die wollen deutsche Zustände einführen". Auch die Debatten unter den Organisatoren der bisherigen Proteste darum, ob Streik/Boykott zum jetzigen Zeitpunkt geeignete Aktionen seien oder nicht, werden heftiger. Und während sich auf der einen Seite auch immer mehr afroamerikanische Gruppierungen an den Aktionen beteiligen - die zunächst bescheiden ausgedrückt, sehr zurückhaltend waren, sind die Gewerkschaften zerrissen: Der Vorstand der Gewerkschaft, die wohl die meisten MigrantInnen organisiert hat, die Dienstleistungsgewerkschaft SEIU hat sich gegen den Streik/Boykott-Tag ausgesprochen, was wiederum eine Reihe ihrer örtlichen Gruppierungen nicht davon abhält, sich zu beteiligen. Ein aktueller Überblick zum Stand der "neuen Civil Rights Bewegung" kurz vor dem 1. Mai 2006

Eine neue Civil Rights Bewegung ?

In weit über 60 amerikanischen Großstädten wird es am 1. Mai zu grösseren Protestaktionen kommen - und eine ganze Reihe von Organisationen aus Kreisen verschiedener Länder von MigrantInnen haben Streik- und Boykottaktionen vorbereitet. Zu Streikaktionen dürfte es insbesondere unter den Fahrern (Truckern, Troqueros) der Häfen der Westküste, Taxifahrern verschiedener Grosstädte und Landarbeitern in Kalifornien und Florida kommen.

Jesse Clapham, Gewerkschaftsaktivist der SEIU und Basisaktivist für MigrantInnenrechte in San Francisco sagt am Telefon: "Walmart versucht bereits überall die geplanten Aktivitäten für den 1. Mai vorzuziehen, weil sie davon ausgehen, dass viele aus ihrer Belegschaft den Streikaufruf befolgen werden und erst recht die Lastwagenfahrer der Subunternehmen, aber auch, wenn sie angebliche Selbstständige sind".

Gemeinschaften aus Mexiko, Guatemala, Salvador, Korea und diversen arabischen Staaten sind jene, die in den Vorbereitungen am meisten auffallen.

(Als ein Beispiel: Organisationen die in Los Anegeles, von wo aus, mit der historischen Grossdemonstration im März der Widerstand zu einer Bewegung wurde, zum 1. Mai ohne MigrantInnen aufrufen sind unter anderem: Action LA, Alliance for Civil Justice, ANSWER-LA, Barrio Planners, the Committee on Raza Rights, the Council on American-Islamic Relations - Los Angeles, Hermandad Mexicana, the Immigrant Solidarity Network, the Industrial Workers of the World, the International Social Organization, the Islamic Shura Council of Southern California, the L.A. Latino Muslim Association, Latino Movement USA, Los Angeles Mexican National Brotherhood, Los Angeles Troquero Collective, the March 25 Coalition, the Mexican American Political Association, Mexicans Without Borders, Multi-Ethnic Immigrant Workers Organizing Network, the Muslim American Society - Los Angeles, the Muslim Public Affairs Council, the Muslim Students Association - West, the National Alliance for Human Rights, La Opinion, People's CORE-CDIR, Radical Women, Students for Amnesty, and Union del Barrio).

Los Angeles und Kalifornien sind nicht nur wegen der Zahl der dort lebenden MigrantInnen besonders wichtig in dieser Bewegung: Die Regierung des Bundesstaates und die Staatsanwaltschaft von Los Angeles gehören zu den Vorreitern jener Kräfte, die das Ziel haben, etwa Entschädigungen für gesundheitliche Schäden für ArbeiterInnen ohne Papiere abzuschaffen - deswegen wird es auch in Kalifornien am 28. April eine besondere Aktion gegen diese Vorstöße geben, von der sich viele eine mobilisierende Wirkung auch für den 1. Mai versprechen.

Aaron Clarke, Gewerkschaftsaktivist aus San Diego (UE) sagt dazu am Telefon: "Sie wollen alle Rechte, die ArbeiterInnen ohne Papiere in diesem Land haben, abschaffen, wie ich es gesehen habe, wollen sie Zustände schaffen, wie sie etwa in Deutschland herrschen, vor allem was die Gesundheitsversorgung betrifft".

Aber auch in New York gibt es besondere Mobilisierungen: dort hat gerade das Korean Workers Project eine Dokumentation veröffentlicht, nachdem die koreanischen ArbeitsmigrantInnen der ersten Generation im Durchschnitt 55 Wochenstunden arbeiten, etwa zwei Drittel keine Überstunden ausbezahlt bekommen und ein Drittel von ihnen mehr als einen Job braucht, um über die Runden zu kommen - in allen Bereichen des Dienstleistungssektors, sowie Bau und Textilwirtschaft.

"Der Streit ist da, ist wichtig, aber letztlich sekundär"

Ob Streik und Boykott die richtigen Formen sind, die Bewegung weiter zu entwickeln, ist zunehmend umstritten.

José Barbosa, brasilianischer Migrant und Bauarbeiter, der seit 12 Jahren ohne Papiere in den USA lebt - und ebenfalls Gewerkschaftsaktivist ist - sagt, die Auseinandersetzung sei letztlich sekundär, es komme vor allem darauf an, dass möglichst viele grosse Aktionen zustande kämen. "Was mich stört, ist dass viele der doch recht zahlreichen prominenteren Gegnern des Streiks nicht etwa mit Zweifeln an der potentiellen Stärke argumentieren, das könnte ich verstehen, denn bei uns am Bau sieht es diesbezüglich mau aus, aber es gibt nicht wenige, die sozusagen prinzipiell dagegen argumentieren und das kann ich nicht gut finden, schon gar nicht mit dem Argument, das werde - wen auch immer - abschrecken, weil das tut es eigentlich immer auch".

In der einstigen Stadt der Coca-Cola Olympiade, in Atlanta gibt es seit langem eine Koalition "Für ein neues Georgia", in der sich vor allem VertreterInnen des liberalen Bürgertums zusammenfanden, um - unter anderem - demokratische Rechte für MigrantInnen zu erweitern. Barbosas Landsmann José Felício da Silva - Bauarbeiter - sagte dazu, sie hätten nicht einen Gedanken daran verschwendet, sich dieser Koalition anzuschliessen, als sie sich zusammenfanden um die grösste Demonstration der Stadtgeschichte zu organisieren. Das sei noch nicht einmal eine bewusste Entscheidung gewesen, zumindest bei vielen nicht, die die neue Koalition vor Ort gegründet haben.

"Es ist einfach so, dass sehr viele entweder gar nicht wussten, dass es diese Koalition gibt, andere nicht wussten, was die eigentlich macht, obwohl sie schon von ihr gehört hatten, die war einfach für unser Leben faktisch nicht vorhanden".

Und so, wie es da Silva für Atlanta sagt, war es wohl in vielen Städten, dass eine grosse Zahl von Menschen, die erstmalig an einer gesellschaftlichen Bewegung bewusst teilnahmen, die etablierten Organisationen - auch jene, die eine Tradition in der Zusammenarbeit mit Organisationen der MigrantInnen haben - einfach ignorierten, bewusst oder unbewusst. Und das ist eine wesentliche Paralelle, die auf eine neue Civil Rights Bewegung hindeutet...

Wenn man als entfernter Autor dann versucht, jene Kräfte, die sich gegen Streik und Boykott aussprechen irgendwie zusammen zu sehen, fällt als erstes auf, dass es sehr viele sind, Komitees oder Koalitionen oder Ausschüsse - unterschiedlichste Organisationsformen - in denen schon lange gewerkschaftliche Gruppierungen mitarbeiten, wie es beispielsweise aus Washington deutlich wird, wo die National Capital Immigration Coalition, in der traditionell (nicht nur Latino-) GewerkschafterInnen mitarbeiten, sich sowohl gegen den Streik- Boykottag wenden, als auch - gegenüber der Presse - sehr deutlich sagen, sie wüssten nicht, welche Personen es seien, die zum Streik aufrufen. Dies sind die Worte von Jaime Contreras, Vorsitzender dieser örtlichen Koalition und Chairman der Washingtoner Service Employees International Union.

Gewerkschaftsbasis und unabhängige Gewerkschaften

Einmal mehr wäre es falsch, in der ablehnenden Haltung führender Gewerkschaftsfunktionäre gegen Aktionen eine politische Linie zu sehen, die sie in Gegensatz zur gesamten Mitgliedschaft oder auch nur der Mehrheit setzte. es sind vor allem linke Gruppierungen, von denen viele als BasisaktivistInnen GewerkschafterInnen sind, die sich dem - weitgehend unausgesprochenen - Verdikt der Gewerkschaften widersetzen, sei es in New York oder San Francisco oder irgendwo dazwischen. Und es sind die unabhängigen Kräfte aus der Gewerkschaftsbewegung, wie die UE, die allmählich wieder zum Leben erwachenden IWW-Wobblies oder gewerkschaftsähnliche Migrantenvereinigungen, die sich nicht nur an den ersten Grossaktionen beteiligten, sondern auch zum "Kampfmai" aufrufen und dafür mobilisieren, während die Gewerkschaftszentralen in allen Statements auf den Senat schauen und die Ängste des weissen Amerikaners aller Klassen wegen "sicherer Grenzen" stets bedienen.

Und es sind jene Kräfte innerhalb der Gewerkschaften, die auch im Widerstand gegen den Krieg gegen das irakische Volk sich befinden - nicht zuletzt, weil die Profiteure oft dieselben sind. Das aus dem Irak wegen zahlloser Vergehen berüchtigte Unternehmen KBR-Halliburton etwa, das gerade von der Regierung einen Vertrag über beinahe 400 Millionen Dollars erhalten hat zum Bau und Unterhalt von Sammellagern für illegale MigrantInnen - auch das eine Erscheinung übrigens, die in den USA im Gegensatz zu diversen EU-Staaten bisher weitgehend unbekannt war.

Das "National Public Radio" der USA hat am 27. April 2006 eine kurze Sondersendung "Organized Labor and Immigrant Workers" externer Link ausgestrahlt, in der die grundsätzlichen Gewerkschaftspositionen und ihre aktuelle Haltung zusammengefasst werden.

"The enemies of immigrants say that you must obey the law. We say that not all laws are just laws or fair laws. There were laws that prohibited Black people from voting; from attending schools with whites; from riding in the front of the bus. They were wrong and we fought against them; we disobeyed them. HB 4437 is wrong and we must challenge it with all of our resources".

Das ist ein Auszug aus der Demonstrationsrede in North Carolina von Ajamu Dillahunt von den Black Workers for Justice, ein Beweis dafür, dass die progressiven Kräfte unter der afroamerikanischen Gemeinschaft dafür arbeiten, bisher bestehende Gräben zu überwinden und einen gemeinsamen Widerstand zu entfalten - ein wesentlicher Partner, der von Boykottaktionen usw bestimmt nicht abgeschreckt wird...

(Zusammengestellt und kommentiert von Helmut Weiss am 27. April 2006 - mit Materialien etwa aus dem LabourNet USA, sowie diversen "Rank and File" Netzseiten oder Mailinglisten, und natürlich in Gesprächen mit Menschen, die bekannt sind, was zumeist auch bedeutet, dass sie sich im wesentlichen in denselben bzw ähnlichen politischen Gefilden herumtreiben, im Konkreten lauter Bekanntschaften vom Weltsozialforum).


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