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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Closed shop? SEIU streitet über Einwanderungsgesetz in den USA - William Johnson* Während hierzulande die Organisierungsstrategien der SEIU und ihre Kampagne »Justice for Janitors« als vorbildlich für den Umgang von Gewerkschaften mit Unorganisierten und MigrantInnen gelten und in Teilen sogar kopiert werden, fallen Teile der SEIU hinter eigene Einsichten zurück. Die Auseinandersetzungen um die Frage, ob die legendär gewordene »aufsuchende Gewerkschaftsarbeit« noch angemessen sei, die zuletzt zu einer Spaltung innerhalb des Reformblocks der US-Gewerkschaften geführt hatten, spitzen sich ebenso zu wie die um das sogenannte »Gastarbeiterprogramm«, das einen radikalen Bruch mit der bisherigen Legalisierungsforderung der SEIU bedeuten würde. Mitglieder der Dienstleistungsgewerkschaft SEIU in Nordkalifornien fordern eine gerechte Einwanderungsreform. Das ist nicht allzu überraschend, denn in den vergangenen zwei Jahrzehnten gehörte die SEIU zu den Gewerkschaften, die sich am stärksten für die Rechte von ImmigrantInnen einsetzten. Diese Kampagne bringt SEIU-Mitglieder jedoch nicht etwa gegen Unternehmer oder Politiker, die gegen Im-migrantInnen sind, in Stellung, sondern gegen die höchsten Vertreter ihrer eigenen Gewerkschaft. Mit der Koordinierung ihrer Kampagne »Kein Arbeiter ist illegal« beschäftigt, fordern SEIU-Mitglieder quer durch Kalifornien, dass die Vorstände ihrer Gewerkschaft ihre Unterstützung für eine Reform der Einwanderungsgesetzgebung zurückziehen, wie sie etwa die neuen Gesetzesvorlagen von Hegel-Martinez und McCain-Kennedy vorsehen. McCain-Kennedy, das wahrscheinlich das Modell für jeden Vorschlag zur Einwanderungsgesetzgebung des künftigen, von den Demokraten kontrollierten Kongresses bildet, würde ein »Gastarbeiter«-Programm auf Bundesebene beinhalten, das es den Arbeitgebern erlaubt, ImmigrantInnen befristet einzustellen, ohne ihnen auch einen Weg zur Staatsbürgerschaft zu eröffnen. McCain-Kennedy würde darüber hinaus zu einer weiteren Militarisierung der Grenze zwischen Mexiko und den USA führen sowie zu einer Angleichung der Sanktionen gegen Arbeitgeber, die ImmigrantInnen ohne Papiere einstellen. Schwächung der Gewerkschaften Renee Saucedo, Mitglied des SEIU-Locals 790 in San Francisco und einer der Verantwortlichen für die Kampagne »Kein Arbeiter ist illegal«, geht davon aus, dass diese Maßnahmen katastrophale Folgen für migrantische ArbeiterInnen und die SEIU haben werden: »Wie sollen wir die Beschäftigten organisieren mit dieser Art von Gesetzen?« »[Gastarbeiter-] Programme machen ImmigrantInnen angreifbarer, und es wird weniger wahrscheinlich, dass sie die Risiken auf sich nehmen, die eine Gewerkschaftsmitgliedschaft bedeutet... Sanktionen gegen die Arbeitgeber können zu Diskriminierung führen, da einige Arbeitgeber es vermeiden werden, überhaupt noch ImmigrantInnen einzustellen – oder irgend jemanden, der aussieht oder redet wie ein Immigrant.« Frustriert über die Position ihrer Gewerkschaftsführung, begannen Mitglieder des Gewerkschafts-Locals 790 schon im vergangenen Jahr, Kontakt zu Mitgliedern anderer Locals der SEIU in Kalifornien aufzunehmen. So interessierten sich nach Aussagen von Brian Cruz, Mitglied des Locals 790, die Locals 87, 535, 949 sowie die United Health Care Workers West (eine kalifornienweite Gesundheitsgewerkschaft) für die Entwicklung einer Kampagne zu diesem Thema. Am 12. Oktober trafen sich Mitglieder und Hauptamtliche dieser SEIU-Locals und beschlossen, ihren Hauptvorstand zu drängen, die Reform der Einwanderungsgesetzgebung auf die Tagesordnung von dessen Januar-Treffen zu setzen. Vordringlichstes Ziel war, die Aufmerksamkeit der Vorstände für dieses Thema zu gewinnen. Spitzenangelegenheit Glücklicherweise hielt sich Andy Stern, Vorsitzender der SEIU, in der Region San Francisco auf, um sein neues Buch »A Country That Works« vorzustellen. Saucedo und einige ihrer KollegInnen besuchten eine der Lesungen und konnten Stern dazu überreden, sich mit ihnen zu treffen. Saucedo kommentiert das Treffen: »Wir erklärten ihm, dass [der Widerstand gegen McCain-Kennedy] nicht nur in San Francisco, sondern auch darüber hinaus verbreitet ist. Er gab uns verschiedene Antworten – die von »Kennedy-McCain war der einzig praktikable Gesetzesentwurf« bis »die SEIU-Mitgliedschaft ist in dieser Hinsicht immer noch relativ konservativ« reichten. »Wir sagten ihm, dass wir als Gewerkschaft nie irgend etwas unterstützen sollten, das ArbeiterInnen trifft, wie z.B. diese Sanktionen gegenüber GastarbeiterInnen und Arbeitgebern.« Saucedo zufolge veranlasste Stern daraufhin ein Treffen zwischen der SEIU-Verantwortlichen für Migrationspolitik, Cuc Vu, mit den Vertretern der Kampagne »Kein Arbeiter ist illegal«. »Wir hatten ein fünfstündiges Treffen mit ihr«, berichtet Saucedo, »sie diskutierte aus der Perspektive der Lobbyarbeit in Washington D.C. und brachte eine Vielzahl der Argumente vor, die auch Stern hatte«. Während die Zentrale der SEIU bislang keinen Kommentar zu diesem Thema abgegeben hat, hält Saucedo Sterns und Vus Argumente für nicht überzeugend. So habe die SEIU in der Frage des Irak-Kriegs eine strikt ablehnende Haltung eingenommen, obwohl es sicher »viele Mitglieder innerhalb der Gewerkschaft gibt, die für den Krieg waren. Wir wollen die gleiche Haltung in Bezug auf die Immigrationsgesetzgebung«. Entscheidender für die Unterstützung der Gastarbeitergesetze durch die SEIU sei weniger deren Angst vor Gegenreaktionen als die Vorstellung, dass »die Entwicklung von Partnerschaften mit den Arbeitgebern der Weg zum Aufbau der Gewerkschaft sei«. »Es ist das Konzept, das Andy Stern in seinem Buch beschreibt. Er formuliert es so: ›Team U.S.A. Beschäftigte und Arbeitgeber arbeiten Hand in Hand gegen Konkurrenten überall auf der Welt‹.« Cruz weist darauf hin, dass noch 1999 die »SEIU einen bedeutenden Anteil an der Amnestiekampagne für die ImmigrantInnen hatte. Als die Gesetzesinitiative für das Gastarbeiter-Programm veröffentlicht wurde, gehörte [SEIU-Vizepräsident] Eliseo Medina zu den Kritikern«. »Jetzt«, so Cruz weiter, »bezeichnet Medina das Gastarbeiterprogramm als Schritt in die richtige Richtung«. Cruz glaubt, dass es jenseits der Partnerschaftsstrategie »eine Menge Skepsis gegenüber der MigrantInnenbewegung gibt. Sie glauben nicht, dass wir in der Lage seien, eine starke Bewegung zu bilden, also – so die Haltung – nehmen wir das Beste, das die Politiker im Angebot haben«. Impulse setzen Derzeit bemüht sich »Kein Arbeiter ist illegal« im Zuge der Vorbereitungen auf die Januar-Sitzung weiterhin Druck auf den geschäftsführenden Vorstand auszuüben. Was auch immer passiere, die SEIU-Mitglieder würden sich weiterhin für eine General-Amnestie für ImmigrantInnen einsetzen, so Cruz. »Solange es Beschäftigte ohne Aufenthaltspapiere gibt, werden Arbeitgeber diese als Keil benutzen, um die Organisierung von Beschäftigten zu vereiteln. Der Versuch einen fairen Kompromiss rund um das Gastarbeiterprogramm zu finden, ist eine unrealistische Hoffnung.« * William Johnson ist Mitherausgeber der Zeitschrift Labor Notes (www.labornotes.org ). Genauere Informationen über die Kampagne »Kein Arbeiter ist illegal« über: brian@noworkerisillegal.org oder auf der Homepage: noworkersisillegal.org Übersetzung: Kirsten Huckenbeck, Nadja Rakowitz Quelle: Monthly Review, Nr. 1/2007 Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 1/07 |