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Updated: 18.12.2012 15:51
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Bilderwandel: Vom Opfer zum Plünderer - Rezept: Soldaten

Schaut mensch sich einigermaßen konzentriert die diversen TV-Nachrichtenkanäle an, fällt es ziemlich schnell auf: Ein Bilderwandel in der Berichterstattung nicht unbedingt aus, jedoch über Haiti. Waren in den ersten Tagen Bilder von Opfern des großen Bebens der Medienhit, so kommt, nach einer Woche ungefähr, immer öfter eine andere Medienfigur ins Bild: Plünderer. Und für die gibt es ein Rezept: Soldaten. Unsere neue aktuelle Materialsammlung "Soldaten als Helfer?" vom 22. Januar 2010.

Soldaten als Helfer?

Das heisst natürlich nicht, das das Opfer völlig verschwindet - etwa, wenn die Bild-Zeitung sich an ihrer Stelle bei deutschen Unternehmen bedankt (nicht bei den Touristikunternehmen die an den Elektrozäunen gegen die Bevölkerung Haitis beteiligt sind). Aber es bedeutet, dass jetzt "Feuer frei!" gilt, oder zumindest vorbereitet wird. Denn "der Plünderer" ist zwar einerseits jemand, der sich eventuell holt, was er braucht, oder aber auch jemand, der versucht, an Geld zu kommen - als Medienfigur ist er aber vor allem eines: Gefährlich. Und da müssen dann die Soldaten her. Wenn dem so ist, dass es in diesem Falle vor allem die USA sind, die Soldaten "zur Hilfe" schicken und Kritik an den USA in der BRD immer leicht zu haben ist, sollte man nie vergessen, dass es auch in Afghanistan "Plünderer" gibt oder somalische Piraten eine noch gefährlichere Variante suggerieren. Im übrigen sind es natürlich keineswegs nur US-Soldaten, die die "Helfer sichern" sollen: Die nicht eben für ihre Nettigkeit bekannten Gebirgsjäger des ehrenwerten Herrn Berlusconi kommen auch, wie in dem Beitrag "Italienische Gebirgsjäger nach Haiti" externer Link von J. de St. Leu und Matthias Monroy auf Telepolis vom 21. Januar 2010 berichtet wird.

In einem Interview mit dem US-amerikanischen Alternativradio "Democracy now" spricht Kim Ives, Journalist der Zeitung "Haiti Liberé" unter vielem anderen genau diese Tatsache an: Dass US-Marinesoldaten vor dem Krankenhaus nur auf ihren Einsatz warteten, sonst aber nichts taten ausser drohen, dass die UNO offiziell erklärt hat, sie helfe erst, wenn die Sicherheit garantiert sei - und dass auf der anderen Seite zahlreiche haitianische soziale Organisationen vom ersten Tag an zeigen, dass sie in der Lage sind, Hilfsverteilung zu organisieren. Ausführlich nachzulesen in "Kim Ives on How Western Domination Has Undermined Haiti's Ability to Recover from Natural Devastation" externer Link vom 20. Januar 2010 bei Democracy now. Ebenfalls am 20. Januar 2010 kommentiert Glen Ford in "US Humanitarian Aid Looks More Like US Invasion" externer Link im "Black Agenda Radio" die Kontinuität jeder US-Katatstrophenhilfe - "wollt ihr Hilfe, so akzeptiert unsere Soldaten" ist eine Leitlinie, die alleine in jüngster Zeit von den vom Tsunami betroffenen L ändern über Pakistan nach Haiti führt. In "Haiti - a history of intervention, occupation and resistance"externer Link von Andrew Flood, am 20. Januar 2010 bei den Anarchist Writers veröffentlicht, wird die ganze Geschichte der These von den umherziehenden bewaffneten (schwarzen, versteht sich) Gangs von Haiti nachskizziert - und wofür diese Banden (meist inexistent) herhalten mussten.

Einen guten zusammenfassenden Überblick bietet der Beitrag "Die Stunde der Heuchler" externer Link von Jörn Schulz in der Jungle-World vom 21. Januar 2010, in dessen Einleitung es heisst: "Nach dem Erdbeben in Haiti begann der Wettbewerb der Helfer. Doch die »internationale Gemeinschaft« hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Katastrophe eine schutzlose und ausgehungerte Bevölkerung traf".

Das besondere Interesse der USA wird so beschrieben: "Riesige Schulden und Desinteresse des Auslands machten Haiti schon vor den Erdbeben zum gescheiterten Staat. Sie sind wieder da. Helikopter der US-Armee landeten letzten Mittwoch auf dem Gelände des zusammengestürzten Präsidentenpalasts in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince. Soldaten mit umgehängtem Sturmgewehr übernahmen das Gelände und richteten eine Zentrale ein. Der Flughafen wird bereits seit einigen Tagen von den Marines kontrolliert. Sie entscheiden darüber, welche Maschinen mit Hilfsgütern für die Erdbebenopfer landen dürfen und welche erst einmal auf Flughäfen der benachbarten Dominikanischen Republik verharren müssen. Und sie entscheiden darüber, wer das Land verlassen darf.. Ein Flugzeug der US-Luftwaffe mit einer Radiostation an Bord kreist über dem zerstörten Haiti und funkt in der dort gesprochenen Volkssprache Creol nur eine Botschaft: Bleibt zu Hause. Versucht nicht, in die USA zu gelangen. Ihr seid dort nicht willkommen. Wen wir auf dem Meer erwischen, den schicken wir zurück. Was als grösste humanitäre Hilfsaktion der USA verkauft wird, ist im Grunde Verteidigungspolitik gegen Elendsflüchtlinge..." - und zwar in dem Artikel "Die Last der Geschichte: Ein Land ohne Chance" externer Link von Toni Keppeler in der WOZ vom 21. Januar 2010

Die andere Sicht - und Tat

Die andere Seite der Medaille: eine ganze Reihe von NGOs und Hilfsorganisationen haben sich mit einem Aufruf "NGO's and Relief Groups Call for Immediate and Widespread Distribution of Water and Other Aid Supplies" externer Link am 20. Januar 2010 (beim CEPR) an die Weltöffentlichkeit gewandt, endlich Wasser zu verteilen - in einer Woche seien nur 12.000 Flaschen Wasser verteilt worden - nicht zuletzt wegen Streitigkeiten untereinander, wegen sogenannter Sicherheitsbedenken sowohl der USA als auch der UNO (wobei alle Aufrufenden versichern, es gäbe keinen Grund dafür und auch zahlreiche internationale Befürworter dieser Haltung zitieren) und weil die Struktur der Hilfsorganisation nur die Versorgung großer Zentren ermögliche, nicht aber kleinerer oder gar abseits gelegener Sammelstellen flüchtiger Menschen. Und es gibt nicht nur aus Venezuela und Cuba praktische Hilfe von Volksorganisationen - die neubegründete US-Amerikanische Krankenschwestergewerkschaft NNU erließ einen Aufruf an ihre Mitglieder, für je 2 Wochen nach Haiti zu gehen - und bereits bis zum 14. Januar hatten sich 3.400 Freiwillige gemeldet, siehe dazu "National Conference Call TODAY For 3,400 RN Volunteers for Haiti Relief Effort" externer Link vom 14. Januar 2010 auf der Gewerkschaftsseite.

Die Globale Initiative IAI (Zusammenschluss urbaner sozialer Bewegungen) hat in ihrem Aufruf "Haiti: straight from the united urban social movements" externer Link vom 15. Januar 2010 nicht nur ihre eigene "direkte Aktion" der Hilfe bekannt gemacht, sondern auch die Forderung nach Beschlagnahme von Räumen für die Betroffenen erhoben - etwa der hinter elektrozäunen befindlichen Tourismusanlagen...

"Dahinter verbirgt sich eine Haltung, die weiß, dass Nothilfe, darunter auch psychologischer Beistand, in erster Linie von den Betroffenen selbst geleistet wird. Sie darin zu stärken und zu unterstützen, muss die erste Aufgabe von Hilfe sein" - so lautet eine zentrale Passage in einem der laufenden aktuellen Blogberichte von medico international "Helden von Haiti?" externer Link vom 21. Januar 2010 auf deren Seite medico-hausblog.

Heuchler, Lügner, Profiteure

Nur eines von einer ganzen Reihe möglicher Beispiele: Die Major Baseball League der USA läßt sich dafür feiern, dass sie 1 Million Dollar gespendet habe. Wenig genug, angesichts ihrer Umsätze, Einkommen und Gewinne findet in "Haiti: Blood, Sweat and Baseball" externer Link Autor Jean Damu am 21. Januar 2010 im linksgewerkschaftlichen Portal portside. Nicht vor allem, weil prominente Einzelpersonen das auch gemacht haben, sondern: Dieselbe MLB hat den ganzen haitianischen Subunternehmen der Textilbranche (nicht nur Mannschaftsdress, sondern auch und vor allem: Fanartikel) die Aufträge entzogen, als der Mindestlohn erhöht werden musste...

"US Security Company Offers to Perform "High Threat Terminations" and to Confront "Worker Unrest" in Haiti" externer Link ist ein Beitrag von Jeremy Scahill - bekannt von seinen Baghdad-Reportagen und Berichten über die Geschäfte der Blackwater Sicherheitsfirma" - der bereits am 18. Januar 2010 in den "Rebel Reports" erschienen ist. Darin zeichnet er nach, wie sich private US-Firmen vom ersten Tag an "ein Stück vom Kuchen sichern wollen" in diesem Falle eine, die sich als darauf spezialisiert bezeichnet, Produktionsstätten gegen Vandalen und Plünderer zu sichern.

Die Paralellen zur Vertreibung farbiger Bevölkerung nach Katrina in New Orleans - und den Profiteuren jener Aktion - zieht in "Haiti 2010: An Unwelcome Katrina Redux" externer Link Cynthia McKinney im ZSpace am 20. Januar 2010. Auch dort wurden "Plünderer" verjagt - von der Armee. Und Zusammenrottungen von Nichtweissen sind per se gefährlich - überall auf der Welt. In "The Right Testicle of Hell: History of a Haitian Holocaust" externer Link vom 17. Januar 2010 hält der amerikanische Journalist Greg Palast bei der Huffington Post fest, dass die Ursache der Zusammenballung von Menschen auf engstem Raum die internationale Ausbeutung Haitis sei - so habe etwa Frankreich bis 1947 Reparationen für die Revolutionsschäden bezogen...Um diese Rolle anschliessend dem IWF abzutreten. Dieser meldete sich auch sofort für sein Zielgebiet Haiti zu Wort: In "IMF to Haiti: Freeze Public Wages" externer Link bewertet Richard Kim im blog von The Nation bereits am 15. Januar 2010 den mit Fanfarenstößen verkündeten neuen IWF-Kredit an Haiti - er werde zu den üblichen Konditionen vergeben, heisst es. Was bedeutet: Strompreise rauf, Bezahlung im Öffentlichen Dienst runter.

Wenns um Kapital geht, beansprucht dieses die ganze Nothilfe alleine.

Zusammengestellt von hrw


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