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Updated: 18.12.2012 15:51
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Sojarepublik Paraguay

In wenigen Jahren, seit 1995, ist Paraguay "dank der Gentechnik" zum drittgrössten Sojaexporteur der Welt geworden - fast die gesamte Ernte von 4,5 Millionen Tonnen wurde 2003 exportiert. 5% der gesamten Fläche des kleinen Landes, rund 2 Millionen Hektar, bestehen heute aus riesigen Sojafeldern. Was die Regierung und einige Parteien als Wirtschaftswachstum und soziale Errungenschaft feiern mögen, bezeichnen die Menschen, die von ihren Ländereien vertrieben werden, oder deren Kinder, wie mehrfach passiert, an Wolken von "Pflanzenschutzmitteln" (sprich: Agrargifte, nicht zuletzt aus deutscher Produktion) erkranken, schlicht als: "Sojakrieg". 95% aller genetisch manipulierten Samen liefert die feine Firma Monsanto, die sich ihr sogenanntes intellektuelles Eigentum teuer bezahlen lässt. Ein kurzes Telefoninterview mit Astrogilda Perez, Aktivistin einer Landfrauenorganisation in Colonel Oviedo vom 23. September 2005.

"Das ist nicht übertrieben, das Krieg zu nennen"

Astrogilda Perez ist 48 Jahre alt hat drei Kinder, die noch "zuhause" sind - und einen Mann, der an Krebs erkrankt ist und niemand darf sagen, es sei von Pflanzenschutzmitteln. In Colonel Oviedo - für die Verhältnisse Paraguays eine grössere Stadt - ist sie Aktivisten der (das gibt es) Gewerkschaft der Landarbeiterinnen und Bäuerinnen (und das gibt es, weil in den "normalen" Gewerkschaften kaum Platz für Frauen ist - auch in den linken nicht).

Als innerhalb weniger Tage gleich vier verschiedene Meldungen über Landauseinandersetzungen in Paraguay die Grenzen überschritten, stellten wir ihr am Telefon vier kurze Fragen.

Haben diese Auseinandersetzungen bei euch in der Gegend einen gemeinsamen Nenner, das heisst geht es um eine zusammenhängende Sache oder ist das Zufall, das sich das so häuft?

Gar kein Zufall, kein bißchen. Heute wird hier in der Gegend im Durchschnitt eine Familie pro Tag von ihrem Land vertrieben - und alles zugunsten der Sojaproduktion und des Sojaexports. Das sind in den letzten 10 Jahren jetzt schon 20.000 Familien - aber eben bisher in ganz Paraguay, jetzt ist es hier. und das sind etwa 100.000 Menschen,die von den Sojagangstern verjagt wurden, überleg einmal, bei der Bevölkerung von Paraguay, das sind sehr viele. Nur eben, das die Leute hier in der Gegend sich eher wehren, wie schon immer.

Was heisst das: Wehren?

Ja, was soll das schon heissen, alles eben. Von in der nächsten Stadt davon erzählen bis hin zum zurückschiessen, ist doch klar. Denen ist doch alles recht, also können wir nicht nur beten - wir beten übrigens auch. Schau, wenn du in Brasilien lebst, dann weisst Du, wie es dort ist: Alle sind für die Agrarreform, immer wieder werden Kämpfer für die Reform von Auftragsmördern erschossen und sonst tut sich gar nichts - wenn nicht die MST Feuer in der Küche macht. Hier ist das anders, hier gibt es diese Heuchelei der amtlichen Stellen, der Medienmietlinge nicht: Hier sagt der Präsident, wer Gewalt anwende, müsse sich nciht wundern, wenn er gewalt ernte. Aber er meint damit natürlich uns und nicht die brasilianischen und einheimischen Sojagangster.

Ich habe in mehreren Texten gelesen: Krieg um Sojafelder. Ist das übertrieben?

Aber gar nicht - niemand hat hier gezählt wieviele gestorben sind - durch die Staatsmacht, durch die Killer der Reichen durch euere deutschen Agrargifte - und ja, ein paar auch durch unsere Gegenwehr. Und das wird so weiter gehen...

Braucht ihr Unterstützung - und wenn ja, welche?

Schreibt darüber, sprecht darüber - niemand weiss, was hier los ist. Und ich sage Dir, hier ist der Teufel los. Und wer uns am meisten hilft, das darf ich gar nicht sagen, aber die sind nicht von weit weg, sondern kennen die Probleme sehr genau. Und sonst ist es halt wie immer: Wer die ganze Industrienahrung isst, einschliesslich pestizidierter Gensoja ist genauso selber schuld, wie der, der sie produzieren hilft - einfach Soja boykottieren würde den Landarbeitern und kleinen Bauern nicht nur in Paraguay gut helfen. Und sag allen, sie sollen sich bloß nicht erzählen lassen, Soja wäre gesund - höchstens für die Kasse von Monsanto...

(Das Telefongespräch führte hrw)


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