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Updated: 18.12.2012 15:51
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Es gibt wieder eine Gewerkschaftsbewegung in Peru...

(Interview am 18.Juli 2004. Jaime Garcia ist Aktivist der SUTEP Lehrergewerkschaft in Lima und gehört dort einer der linken Strömungen an).

Jaime, die Regierung sagt, der Generalstreik war ein Flop. Was man von weit weg mitbekommen konnte, sah anders aus. Was ist deine Meinung?

Ach weisst Du, die Regierung sagt soviel, wenn der Tag lang ist. In diesem Falle sagten vier verschiedene Minister vier unterschiedliche Einschätzungen, und wenn man noch welche gefragt hätte...Unsere E inschätzung ist ungefähr so: Ja, wir waren nicht sicher, ob es ein erfolgreicher Tag werden würde. Aber du konntest am Mittwoch in Lima aufwachen und es war - seltsam. Ruhig. Kein Verkehr. Kein Verkehr und wir sind auf die Strasse gerannt und haben nachgeschaut - denn der Transportsektor war einer der entscheidenden, und da gab es genügend Organisationen, die den Streik boykottiert haben. Aber gut - in unseren Vororten sind ohnehin vor allem private Kombis der öffentliche Transport und deren Organisation hatte zum Streik aufgerufen, also zu Fuß Richtung Innenstadt - aber auch da war fast nichts. Also: Anrufen, fragen, wie es anderswo ist - aber anrufen erwies sich als schwer, denn auch die Telefongesellschaft wurde bestreikt. Da wuchs so nach und nach das gute Gefühl, die Hoffnung und das wurde erst recht so bei den Kundgebungen in Lima im Laufe des Tages, die ja keineswegs nur in der Innenstadt stattfanden, sondern überall quer durch die Stadt. Es war schon sehr wichtig, dass kurz vor dem Streiktermin die Central Unitaria de Transportistas de Lima und die Asociación de Choferes y Cobradores del Perú sich dem Aufruf nach vielen inneren Debatten doch noch angeschlossen hatten.

Es hatte ja nicht nur die CGTP zum Streik aufgerufen - wer denn noch?

Nun zunächst einmal wir, also SUTEP - unsere Lehrergewerkschaft ist die grösste Einzelgewerkschaft und hat, trotz aller internen Probleme durchaus schon ein paar gute Resultate erzielt im Kampf gegen Privatisierung, gegen die finanzielle Austrocknung des Erziehungswesens usw. Aber auch die CUT - also der Gewerkschaftsbund, der dem IBFG angeschlossen ist, hat dazu aufgerufen und selbst der Transmissionsriemen der APRA, die CTA rief dazu auf, und, was meiner Meinung nach wichtiger war, jede Menge Organisationen aus sozialen Bereichen, aller Art, soviele wie nie, und viele sind nicht nur lebendiger als die Gewerkschaften, sondern auch mobilisierungsfähiger...und dies ging dann hin bis zu Bürgermeistern einzelner (meist kleinerer) Städte quer durchs Land.

Wie sahen denn die aktuellen politischen Umstände aus, unter denen dieser Streik stattfand - ich meine, noch vor kurzem kamen Meldungen über einen abgeschlossenen nationalen Sozialpakt und über Wirtschaftswachstum - und jetzt ein Generalstreik?

Nun, Wirtschaftswachstum: Kann sein, dass die statistischen Zahlen stimmen. aber was soll das wert sein, wenn im selben Quartal die Zahl der Erwerbslosen um 120.000 zu nimmt? Und der Sozialpakt - den gab es , ja. Sehr umstritten, nicht nur, aber auch in der Gewerkschaftsbewegung. Die CGTP war ebenso dabei wie die SUTEP - genutzt hat es nicht viel, da war einfach dieser ungeheuere Druck der massiven Unzufriedenheit, Wut und Not da, und jetzt sind alle für "Weg mit Toledo", also ich kann das gar nicht genau einschätzen, wie gross der Grad an "Freiwilligkeit" war, mit dem die Organisationen zu diesem Streik aufgerufen haben - zuerst war jedenfalls die allgemeine Empörung da. Ich meine, in Ländern wie euerem, da gibt es ja sozusagen wenigstens "Substanz", die gekürzt werden kann, wenn sich die Kapitalisten durchsetzen. In einem so armseligen Land wie Peru den Menschen den bitteren Rest an menschenwürdigem Leben nehmen durch die weltweit bekannten kapitalistischen Reformen - das ist kein Zynismus, das ist ein Verbrechen.

Aber warum kreisen dann so viele Diskussionen um die Rolle der Gewerkschaften, ihre Stärke und so weiter?

Nun, Peru war einmal ein Land mit einer starken Gewerkschaftsbewegung - ein Organisationsgrad von rund einem Drittel war für die Länder der Andenregion viel. Und dies hatte unter anderem dazu geführt, dass Gonzalez der Diktator 1977 zurücktreten musste, nach dem letzten echten Generalstreik, und eine neue Verfassung anvisiert wurde. Und jetzt hatte es ja auch in letzter Zeit die Streiks der Lehrer und jetzt gerade den im Gesundheitsbereich gegeben - da wurde spürbar, dass sich etwas verändert, und da der Streikaufruf eben ein politischer war, war die Paralelle zu 1977 von vorneherein gelegt. Und jetzt kann man eben sagen, so politisch gespalten sie auch sein mag - und damit meine ich gar nicht die Existenz mehrerer Verbände, sondern deren je inneren Zustand - es ist schon sehr deutlich geworden, dass nach der Katastrophe des kriminellen Fujimori-Kapitels (dessen Politik von einem grossen Teil der Gewerkschaften "toleriert" worden war) es wieder eine Gewerkschaftsbewegung in Peru gibt, die ihren Namen verdient hat. Und das sehen nicht nur wir, sondern auch die Gegenseite so, deshalb steht das mit im Zentrum der Debatten.

(Interview hrw)

 

 


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