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Updated: 18.12.2012 15:51
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Die FSLN ist nicht der ganze Sandinismus

25 Jahre nach dem Sieg der Volkserhebung 1979 und 14 Jahre nach der Wahlniederlage - was ist der Sandinismus heute?

Die FSLN hat sich auf den Weg der Wahlpartei begeben und enstprechende Strukturen entwickelt - was eben bedeutet, in Zeiten da keine Wahl ansteht ist die Organisation weitgehend untätig.

Gibt es eigentlich viele Menschen, die sich heute als Sandinisten bezeichnen, ohne der FSLN anzugehören?

Der Sandinismus ist eine sehr breite Erscheinung: Für die einen ist er antiimperialistisch, für andere nationalistisch, für viele die wahre Linke, für viele revolutionär. Und es gibt eben die Parteisoldaten der FSLN - das sind die sogenannten Danielisten (Anhänger von Daniel Ortega).

Wie sieht die Beziehung zwischen FSLN und sozialer Bewegung heute aus?

Die soziale Bewegung hat sich aus zwei Gründen von der FSLN entfernt: in manchen Gruppierungen und Strömungen haben sich die Aktiven entfernt, weil die Anführer Danielisten sind, und wieder andere werden von der FSLN schlicht missachtet.

In den letzten Jahren kann man in Nicaragua ein Auf und Ab der sozialen Bewegungen feststellen, die Studenten, die Kaffeeplantagen-Arbeiter, der Kampf gegen Privatisierungen - alle brachen nach einiger Zeit zusammen - stimmst Du dieser Einschätzung zu?

Nun, auf der einen Seite sind solche Bewegungen, solche Kämpfe in Nicaragua zum Spielball diverser Parteitaktiken geworden. Auf der anderen Seite gibt es niemand, der diese Auseinandersetzungen zentralisiert, zusammenführt. Es gibt genügend Erfahrungen aus den letzten 14 Jahren, wie Kämpfe zusammengebrochen sein, weil sie auf einen Sektor isoliert blieben. Die FSLN unterstützt solche Auseinandersetzungen solange es ihren Wahlchancen nützt. Wenn die öffentliche Meinung - und das sind die bürgerlichen Medien - meint, es sei ein negativer Kampf, wird man sehen, wie sich die FSLN davon distanziert, weil sie eben ihre Wahlchancen nicht gefährden möchte. So hält sie auch ihre Rolle: Verhindern dass eine praktikable linke Alternative sich entwickelt einerseits und andrerseits der wichtigste politische Partner für die Regierung zu bleiben, wenn es um die Beziehungen zu sozialen Bewegungen geht.

Gibt es irgendwelche ernsthaften Hinweise auf eine Stärkung der sozialen Bewegungen?

Nun, es gab im November letzten Jahres die grosse Mobiliserung gegen die (panamerikanischen Freihandelszone) ALCA, organisiert von der "Sozialen bewegung Nicaraguas" - ein Bündnis dem informell Gewerkschaften, Studenten, Frauengruppen, NGOs und so weiter angehörten. Da könnte sich etwas daraus entwickeln, zumal dieser Zusammenschluss auch ausschliesslich horizontale Strukturen hat - aber es ist noch ein weiter Weg.

Wie bewertest Du die gegenwärtige Regierung?

Die Regierung Bolanos ist meiner Meinung nach die am meisten proamerikanische, die Nicaragua bisher hatte, die jede amerikanische Einmischung akzeptiert. Was jede künftige Regierung leicht als "Feind des Imperiums" erscheinen lassen könnte - eine echte Gefahr.

Die FSLN auf der anderen Seite stösst an die Grenzen ihrer Fähigkeit, bedingungslose Anhänger zu mobilisieren - sie wird sich entweder öffnen müssen für andere Kräfte, oder als Alternative für die Macht auf Dauer ausscheiden.

Die Liberal-Konstitutionelle Partei des Expräsidenten Aleman ist von den ganzen Korruptionsaffären schwer getroffen - das könnte die Chancen für die FSLN bei den kommenden Kommunalwahlen verbessern, zumal viele Kandidaten da sind, die nichts mit der Parteispitze zu tun haben.

Zu einem zuletzt fast vergessenen Akteur: Wie stehen die Gewerkschaften Nicaraguas da?

Die Gewerkschaftsbewegung ist sich ihrer grundsätzlichen Schwäche bewusst geworden: Wo es keine formell beschäftigten Arbeiter gibt, gibt es auch keine gewerkschaftliche Kraft. Sie gehen den Weg der Vereinigung mit den unterschiedlichen sozialen Sektoren - weniger im Kampf um traditionelle Forderungen, mehr als politischer Kampf, der eine Veränderung der gesellschaftlichen Regeln erreichen will. Es gibt keinen anderen Weg: informelle Beschäftigung, Zeitarbeit, flexible Arbeit, die Zerstörung der nationalen Produktivitätsbasis als Ergebnis des Zuflusses von Billigwaren aus Freihandelszonen, all das lässt wenig Aussichten für eine traditionelle Gewerkschaftsbewegung, die so lange die Speerspitze der sozialen Bewegungen war.

Aber es gibt im Erziehungs- und Gesundheitsbereich schon gute neue Erfahrungen mit veränderter Arbeit und sie haben Erfolge beim Kampf um Mindestlöhne erzielt. Es passiert und entwickelt sich jedenfalls einiges in der Gewerkschaftsbewegung, und es gibt indizien einer neuen sozialen Dynamik. Wie weit sie gehen wird, muss die Zeit zeigen.

(Zusammengefasst, gekürzt und übersetzt von hrw - Original Artikel: "El FSLN no representa todo el sandinismo" externer Link bei Argenpress)


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