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Updated: 18.12.2012 15:51
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Kein Generalstreik : Erfolg? Enttäuschung? Machtspiele?

Überlegungen von Jesse Kabaka (Aktivist der Chemical Workers Union) vom 23.November 2004 nach der kurzfristigen Absage des Generalstreiks in Nigeria in der Woche zuvor

Die Reaktionen auf die Maßnahme der Regierung Obasanjo, die Preiserhöhung für Erdölprodukte (weitgehend) zurückzunehmen - und die darauf folgende Absage des für den nächsten Tag geplanten Generalstreiks am 15.November 2004 haben unter der Bevölkerung Nigerias sehr unterschiedliche Empfindungen hervorgerufen.

Natürlich waren all jene erleichtert, die - von einem bombastischen Medieneinsatz und dem eigenen Denken dazu gebracht - in einem Generalstreik sozusagen den Untergang des Staates sahen, und das waren nicht wenige. Wobei darunter natürlich auch viele waren, die sich über das Ergebnis der Auseinandersetzung gefreut haben: Es war nicht ohne weiteres zu erwarten, dass die Regierung vorher einen Rückzieher machen würde. Freude gab es auch unter vielen, die zum Streik bereit waren.

Dazu muss man sagen, dass die erneute (fünfte seit Regierungsantritt) Preiserhöhung mehr denn je auf einem ökonomischen Hintergrund stattfand, der für die arbeitenden (und erwerbslosen) Menschen des Landes denkbar kompliziert ist. Ob Gerichtsbedienstete oder im Gesundheitssektor, ob in der Ölindustrie (Zeitarbeiter) oder in der Stahlbranche - von der Chemie will ich jetzt gar nicht reden: Überall gab es im Oktober und November 2004 bereits Streiks, Warnstreiks, Streikankündigungen: fast alle wegen nicht ausbezahlter Löhne. Und eine regierungsamtlich für nötig erklärte Preiserhöhung ist immer zusätzlich auch ein Signal für andere Geschäfte, teuerer zu werden. Das nur kurz zur Skizzierung des Hintergrundes - wozu auch noch gehört, dass bei früheren Übereinkünften zwischen Regierung und Gewerkschaften letztere in der Regel umsonst auf die Verwirklichung positiver Bestimmungen solcher abkommen gewartet hatten, so dass intern klar war, dass der Streik sein musste.

Im Oktober hielt Präsident Obasanjo ein Rede, in der sagte, der NLC könne zwar seine Mitglieder - vielleicht - zu einem Streik führen, sonst jedoch niemanden - und genau darin lag er falsch, er hatte schlichterdings den weit verbreiteten Unmut, die weit verbreitete Sorge um das finanzielle Überleben völlig unterschätzt - dieser Unmut war die Ursache dafür, dass LASCO (Labour and Civil Society Coalition, bestehend aus den drei Gewerkschaftszentralen Trade Union Congress of Nigeria, Congress of Free Trade Union of Nigeria und Nigeria Labour Congress, sowie den "sozialen Bewegungen") entstand und erfolgreich gemeinsam mobilisierte. Das war in dieser Form für viele Gewerkschaften in Novum: mit NGOs usw zusammenzuarbeiten, eben nicht nur wenn es um "Sonntagsthemen" geht, sondern im ureigenen traditionellen (wenn auch abnehmenden) Betätigungsfeld der Gewerkschaft, im betrieblichen Kampf. Es mag sein, dass die Dynamik der Mobilisierung selbst jene überraschte, die sie sich wünschten - es gab jedenfalls kein Aufhalten mehr, auch nicht durch gerichtliche Drohungen gegen NLC Gewerkschaften.

Aber andrerseits liegen gerade in diesen beiden Faktoren auch die wesentliche Gründe für jene - ebenfalls viele - die von der Streikabsage enttäuscht sind oder gar wütend. Zum einen ist die Rücknahme der Preiserhöhung bei weitem nicht total, schon gar nicht auf die letzten Jahre berechnet - es wird teuerer und Nigeria ist schon das OPEC Land in dem Erdölprodukte für die eigene Bevölkerung am teuersten sind.

Zum anderen gab es ohnehin eine wachsende Zahl - AktivistInnen vor allem - die mehr wollten: Obasanjos Sturz, eine andere Gesellschaft, was auch immer. Aber es muss schon zu denken - und in den gewerkschaften zu diskutieren - geben, dass es bei weitem nicht nur diese "Radikalen" waren, die unzufrieden mit der Absage waren. Auch viele einfache Mitglieder waren es - das ist wohl ein Ergebnis davon, wenn die AktivistInnen allzu "strategisch" denken und dabei die Wünsche und Gefühle der Menschen vergessen, für die es eben ein "Hin und Her" war, das sie geärgert hat.

Man kann mit Streiks eben nicht umgehen wie mit einem theoretisch einzusetzenden Mittel (obwohl das auch viele Linke tun) sondern muss schon sehen, dass es für viele nicht so leicht ist, sich zu entschliessen, mitzumachen...und dann das plötzliche "Retour" - das kann auf Dauer negative Auswirkungen haben.

Jesse Kabaka

 

 

 


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