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Updated: 18.12.2012 15:51
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Streiks der KCTU-Metallarbeitergewerkschaft gegen das Freihandelsabkommen mit den USA und für nationale Tarifverhandlungen

Vorbemerkung, Übersetzung aus dem Italienischen + Nachtrag: Gewerkschaftsforum Hannover, Juli 2007

Um die südkoreanische Arbeiterbewegung ist es hierzulande in der letzten Zeit etwas still geworden. Ursache dafür dürfte der Rückgang der ehedem sehr harten und zum Gutteil auch erfolgreichen Kämpfe sein, die in vielen Fällen gemeinsam mit der (sehr stark abgeflauten) linken Studentenbewegung geführt wurden und im Rahmen derer sich der unabhängige und konfliktbereite neue Gewerkschaftsdachverband KCTU herausbildete. Dieser ist zwar nach wie vor etwas kleiner als der vormals gelbe FKTU, jedoch in vielen Auseinandersetzungen tonangebend. Auch wenn er selbst inzwischen mit Korruptionsskandalen zu kämpfen hat, die im Januar 2006 sogar zum kompletten Rücktritt der Gewerkschaftsspitze (einschließlich des KCTU-Vorsitzenden Lee Soo-ho) führte.

Nachdem der vom KCTU Anfang Dezember 2005 "zur Verteidigung irregulär Beschäftigter" ausgerufene Generalstreik kaum befolgt wurde, machte international vor allem die verschärfte Repression gegen den kämpferischen Teil der Gewerkschaftsbewegung Schlagzeilen. Im November 2006 rief der KCTU zu internationalen Protesten gegen die Einschränkung von Arbeiterrechten und die Inhaftierung von Gewerkschaftern in dem ostasiatischen Land auf. In Südkorea selbst legten aus diesem Anlass - offiziellen Gewerkschaftsangaben zufolge - 138.000 KCTU-Mitglieder in verschiedenen Großstädten vier Stunden lang die Arbeit nieder. Ein politischer Massenstreik, der das repressive Gebaren der Regierung bislang allerdings nicht entscheidend veränderte.

Natürlich spielt dabei die sozioökonomische Entwicklung in Südkorea eine entscheidende Rolle. Das bundesdeutsche Außenministerium brachte sie in seinem Länderbericht vom März 2007 ebenso drastisch wie zynisch auf den Punkt. Unter der Zwischenüberschrift "Konsequente Reformpolitik" erläutern die neoliberalen Analysten des Auswärtigen Amtes:

"Korea hat seinen Wiederaufschwung nach der ,Asien-Krise' 1997/1998 vor allem mit einer konsequenten Reformpolitik erreicht. Die Asienkrise (auch ,IWF-Krise' genannt) hatte die Schwächen der koreanischen Wirtschaft nach einem allzu rasanten Wachstum auf Kreditbasis aufgedeckt. Sie führte zu spektakulären Unternehmenszusammenbrüchen und machte ein Hilfsersuchen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nötig, der eine Unterstützungszusage über 53 Mrd. US-Dollar abgab. Das Restrukturierungsprogramm des IWF im Finanz- und Unternehmenssektor wurde weitgehend erfolgreich durchgeführt und die Wirtschaft auf einen offenen, marktwirtschaftlichen Kurs getrimmt. Dass diese Entwicklung auch mit Rückschlägen konfrontiert war, zeigte die erst jetzt langsam aufgearbeitete Kreditkarten-Krise, die zuerst zu einem kurzen Aufflackern des Konsums führte, um anschließend eine lang anhaltende Depression der Inlandsnachfrage zu verursachen. Nach einer Restrukturierung dieses Schuldenbergs und der erfolgreichen Werbung um ausländische Investoren befindet sich die koreanische Wirtschaft jetzt auf einem stabilen Wachstumspfad. Dieser soll weiter durch den Export gestützt werden. Zu dessen Förderung setzt Korea auf den Abschluss von Freihandelsabkommen. 2005 wurden Freihandelsabkommen mit Singapur und der Europäischen Freihandelszone (EFTA) abgeschlossen, Derzeit werden Freihandelsabkommen mit den USA, Kanada und anderen Staaten verhandelt. Ein Freihandelsabkommen mit der EU befindet sich in Vorbereitung."

Unter dem Titel "Enge Verbindung zwischen Wirtschaft und Politik" heißt es weiter: " Zwar wird die koreanische Wirtschaft noch immer von den großen ,Chaebols' dominiert. Durch Entflechtungen, Verbot von Überkreuzgarantien und der Beschränkung von Beteiligungsrechten an anderen Firmen versucht die Regierung jedoch, wirtschaftlichen Machtmissbrauch einzudämmen. Jüngstes Beispiel hierfür ist die öffentliche Aufarbeitung des Hyundai-Bestechungsskandals, bei dem der Konzern illegalen Einfluss auf die Politik genommen hatte. Trotz aller Reformen besteht allerdings nach wie vor eine sehr enge Wechselbeziehung zwischen Regierung und Wirtschaft. Andererseits sorgt diese enge Verbindung aber auch dafür, dass staatliche Gelder in Erfolg versprechende Zukunftssektoren gelenkt werden: Korea ist dabei, auf den Gebieten der Biotechnologie, der Nano-Technologie, der Raumfahrt und der Informationstechnologie zur Weltspitze aufzurücken."

Es wird die Frage sein, ob der Streik der zum KCTU gehörenden Metallarbeitergewerkschaft KMWU gegen das Freihandelsabkommen mit den USA vor diesem Hintergrund einen Neuaufschwung der südkoreanischen Arbeiterbewegung oder eines der letzten Rückzugsgefechte darstellt. In jedem Fall interessant ist, was die linke italienische Metallergewerkschaft FIOM am 5.7.2007 auf ihrer Website ( www.fiom.cgil.it externer Link) dazu vermeldet. Zumal auf dem Internetportal der deutschen IG Metall kein Sterbenswörtchen darüber zu finden ist. Internationale Solidarität bleibt offenbar auch unter dem ach so linken IG Metall-Chef Jürgen Peters eine sperrige Angelegenheit der man besser aus dem Weg geht. Das zeigen im Übrigen auch die Texte in den Rubriken "Globalisierung" oder Europäische Tarifpolitik der IG Metall-Homepage, die in der Regel von Mai, August oder Oktober 2005 (!) stammen. Eine Dokumentation vom Januar 2006 (!) zum Thema "Arbeitsplätze auf der Flucht" ist da fast schon eine "Breaking News" !

Die Metallarbeitergewerkschaft KMWU streikt gegen das Freihandelsabkommen mit den USA. Die KMWU fordert nationale Tarifverhandlungen.

Vom 25. bis 27.Juni 2007 fanden drei regionale Streiktage statt und am 28. und 29. Juni ein nationaler Streik gegen die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit den Vereinigten Staaten. 110.000 (von 150.000) Metallarbeitern der Korean Metalworkers Union (KMWU) legten die Produktionslinien im ganzen Land lahm und führten regionale Demonstrationen durch. Diese Aktionen fanden im Rahmen eines vom Gewerkschaftsbund KCTU lancierten Kampfes statt, der sich, zusammen mit anderen sozialen Bewegungen (Bauern, Studenten, Frauen und kulturellen Gruppen) an den Demonstrationen beteiligte.

Die Regierung erließ im Gefolge des Streiks 27 Haftbefehle gegen ebenso viele Gewerkschaftsfunktionäre (darunter den Vorsitzenden, den stellvertretenden Vorsitzenden und den Generalsekretär der KMWU), wegen krimineller Verhinderung der Arbeitstätigkeit mittels Streik, sowie 67 gerichtliche Vorladungen mit derselben Beschuldigung und darüber hinaus die Forderung nach Schadensersatz.

Das Abkommen wurde am 30.Juni unterzeichnet. Es wird allerdings weder von der koreanischen Gewerkschaft noch von der UAW (der Automobilarbeitergewerkschaft der Vereinigten Staaten) akzeptiert. Die KMWU erklärte, dass der Schutz der Arbeitsrechte der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) obliegt, nicht aber der US-Administration. Außerdem erklärt sie, dass die koreanische Regierung in nicht legitimer Weise, ohne irgendeine wirkliche Konsultation der Zivilgesellschaft verhandelt habe und dieses Handelsabkommen daher weder als legitim noch als rechtsgültig angesehen werde und die Opposition dagegen weitergehe. Sowohl der Kongress als auch der Senat der Vereinigten Staaten sowie die nationale Gesetzgebende Versammlung Koreas müssen es ratifizieren, bevor es in Kraft tritt. Der Druck werde aufrechterhalten, damit die koreanischen Parlamentsabgeordneten gegen seine Ratifizierung stimmen.

Das koreanische Bündnis gegen das Freihandelsabkommen hat am 3.Juli 2007 eine Kampagne für die Freilassung der Verhafteten und die Aufhebung der Haftbefehle gegen alle Gewerkschaftsfunktionäre gestartet, die sich gegenwärtig auf der Flucht befinden.

In tarifpolitischer Hinsicht versucht die Metallarbeitergewerkschaft, die sich jüngst als landesweite Industriegewerkschaft formiert hat, einen Unternehmerverband an den Verhandlungstisch zu bringen oder die Unternehmer zumindest dazu zu bewegen einen mit tarifpolitischem Mandat ausgestatteten Verband ins Leben zu rufen (um bei den Kollektivverhandlungen des Industriesektors einen Gegenpart zu haben). Da die Unternehmen sich allerdings sehr viel Zeit lassen, diesbezüglich eine Entscheidung zu fällen, ist ein weiterer Streik sehr wahrscheinlich. Im Augenblick wurde beschlossen, in der kommenden Woche die Urabstimmung über einen solchen Streik durchzuführen und am 10.Juli 2007 eine Protestdemonstration vor dem Sitz des koreanischen Industriellenverbandes abzuhalten (der nicht die Befugnis hat, im Namen seiner angeschlossen Mitglieder Tarifverhandlungen zu führen) und vielleicht einen weiteren Streik der Metallarbeiter am 18.Juli zu planen.

Nachtrag:

Zum Fortgang dieser Auseinandersetzung meldete die englischsprachige Tageszeitung "Korea Times" ( www.koreatimes.co.kr externer Link) am 6.7.2007, dass KCTU-Generalsekretär Lee Yong-sik unter dem Vorwand, verschiedene gewerkschaftsfreundliche Politiker mit KCTU-Geldern "illegal" finanziell unterstützt zu haben, verhaftet worden sei. Am 12.7.2007 berichtete dieselbe Zeitung, dass sich in einer Urabstimmung 63,3% der KMWU-Mitglieder dafür ausgesprochen hätten, ab Mittwoch, den 18.Juli 2007, zunächst einmal zwei oder drei Tage lang für jeweils zwei bis vier Stunden pro Tag die Arbeit niederzulegen, um die Kapitalisten zu branchenweiten Tarifverhandlungen zu zwingen. Die Front der Metallarbeitergewerkschaft ist allerdings alles andere als geschlossen, denn während die Beschäftigten von Kia Motors und GM Daewoo Auto & Technology bereits seit dem 10.7.2007 stundenweise streiken, lehnten es die Arbeiter von Hyundai Motors, der größten und bedeutendsten Untergliederung mehrheitlich ab, sich an dem Ausstand zu beteiligen. Die Führung der KMWU versuche daher - laut "Korea Times" - bis Ende Juli 2007 ohne die Belegschaft des wichtigsten südkoreanischen Automobilbauers eine Übereinkunft mit der Kapitalseite zu erzielen.


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