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Updated: 18.12.2012 15:51
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An die Kommission zur Überprüfung und Einhaltung der Bürgerrechte

Mansour OssanlouEin Brief von Mansour Ossanlou, den er Anfang des Fastenmonats Ramadan (25.09.2006) an die Kommission schrieb und in dem er über seine Verhaftung und seine 7-monatige Haft spricht:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender der Kommission zur Überprüfung und Einhaltung der Bürgerrechte,

mit Grüßen und Glückwünschen zum gesegneten Fastenmonat und zur Untersuchung der Angelegenheiten der Menschen!

Mit Respekt teile ich Ihnen mit, dass ich, Mansour Ossanlou, Mitarbeiter der Vahed Busbetriebe für die Stadt Teheran und Umgebung und Vorsitzender der Vahed Gewerkschaft, am 23. September 2005 um 6.00 Uhr morgen vor meinem Haus in der Golbarg-Straße durch Zivilbeamte, die sich als Beamte des Informationsministeriums vorgestellt hatten, festgenommen worden bin. Einer von ihnen, der sich ausgewiesen hatte, hieß Herr Assna Ashari.

Ich habe über sieben Monate im Ewin-Gefängnis, in der Abteilung 209, in Untersuchungshaft verbracht. Während dieser Zeit ist es mir Folgendes widerfahren, was eine Verletzung der Bürgerrechte und der Rechte der Gefangenen darstellt. Ich bitte um die Überprüfung und Anerkennung meiner Rechte, um der Gerechtigkeit Willen und zur Verbesserung der Republik und der Gesellschaft.

Ich musste mehr als 3 Monate und 23 Tage in Einzelhaft verbringen. Manchmal war ich zusammen mit einem oder zwei weiteren Gegangenen in der Zelle, die aufgrund von Anschuldigungen unterschiedlicher Natur inhaftiert waren. Einer von ihnen gehörte dem Netzwerk Al-Kaida und glaubte, wenn er 7 Schiiten umbringen würde, dann werde er ins Paradies gelangen. Die Gefangenschaft in einer gemeinsamen Zelle unter solchen Umständen bedeutet seelischen und psychischen Druck. In den Korridoren des Gefängnisses mussten wir Augenbinden tragen. Ich wurde in Begleitung von zwei Beamten in Handschellen dem Revolutionsgericht vorgeführt. Das Verhör in den Verhörzellen war oft von Druckausübung und Drohungen begleitet: "Du wirst solange, wie wir wollen, im Gefängnis bleiben. Der Richter wird uns zu 90% glauben, und Eure Verteidigung ist sinnlos." Besuchsverbot, Verbot des Hofganges, mehr als einmonatiges Verbot des Telefonierens wurden mir auferlegt, obwohl ich nicht gegen Vorschriften verstoßen hatte (ich meine damit, dass ich weder gegen geschriebene noch gegen ungeschriebene Gesetze und Vorschriften gehandelt hatte). Ich war psychischem Druck, ständigen neuen Verhörteams und ständigem Druck auf Beantwortung von Fragen, die nicht in Zusammenhang mit den gegen mich erhobenen Beschuldigungen stehen, ausgesetzt. Es wurde mit zur Last gelegt, dass ich unter dem Deckmantel meiner Funktion als Gewerkschaftsvorsitzender zur Beeinträchtigung der Sicherheit des Landes beigetragen hätte. Ich wurde dazu gezwungen, Fragen über mein Privatleben, über meine privaten und beruflichen Kontakte z Freunden und Kollegen oder über meine Reisen zu beantworten. Ich wurde dazu gebracht, mich schuldig zu fühlen, und in eine Atmosphäre der Angst um mein eigenes Leben und das meiner Familie getaucht.

Alle Abteilungen bis auf die Abteilung 209 des Ewin-Gefängnisses wurden von den Abgeordneten des iranischen islamischen Parlaments besichtigt. Mein verehrter Untersuchungsrichter hat mich dazu aufgefordert, ein Gespräch mit dem Besucher zu vermeiden und niemandem von meinen Erlebnissen im Gefängnis zu erzählen. Ich wurde unter Druck gesetzt: Ich müsste entweder mit den Untersuchungsrichtern zusammenarbeiten oder aber 15 Jahren im Gefängnis verbringen.

Nach meiner Freilassung, und egal in welche Ecke der Welt ich fliehen würde, hätten jene, die mich jetzt festhielten, immer noch die Macht, mich und meine Familie zu vernichten. Nach meiner Freilassung wurde ich weiterhin unter Druck gesetzt, und die Untersuchungsrichter haben mir Forderungen gestellt. Ich wurde öfters telefonisch aufgefordert, mich mit ihnen zu treffen, worauf ich nicht reagiert habe. Ich wurde im Revolutionsgericht in einem leeren Raum im dritten Stock in intensiven Gesprächen unter Druck gesetzt, mich ein Mal die Woche zu melden und ihnen über meine Situation zu berichten.

Ich habe mich einem weiteren Schritt anders verhalten, als sie von mir verlangten. Ich habe mich, aus Angst um mich und meine Familie zum Büro der Vereinten Nationen begeben und den Verantwortlichen für die Menschenrechte über die Lebensgefahr für mich und meine Familie und meine Arbeitsunsicherheit erzählt.

Daraufhin wurde ich wieder zur Sicherheitsabteilung des Revolutionsgerichtes vorgeladen. Dort wurde ich bedroht, wieder ins Gefängnis geschickt zu werden. Ich und meine Frau wurden gezwungen, um nicht wieder inhaftiert zu werden, eine Verpflichtungserklärung dahingehend abzugeben, dass wir meine Kollegen, die wir seit 20 Jahren kennen und mit denen gut befreundet sein, nicht länger zu Besuch bei uns einzulassen, was der iranischen Gastfreundschaft widerspricht. Sie rufen ständig meine Frau auf der Arbeit und meinen Sohn auf seinem Handy an, um mir den Auftrag ausrichten zu lassen, sie anzurufen. Damit haben eine Atmosphäre der Angst um uns herum geschaffen, so dass meine Familie mir aus Angst nicht einmal erlaubt, kurz vor die Tür zu gehen oder alleine irgendwohin zu gehen. Sie begleiten mich ständig. Die Angst und Unsicherheit hat unser Leben zerstört. Die oben erwähnten Telefonate gehen weiter. Sie haben mich dazu aufgefordert, unfreiwillig zu verreisen. In meiner Abwesenheit haben sie meine Frau und meinen Sohn weiterhin ständig angerufen und mir ausrichten lassen, mich bei denen telefonisch zu melden. Als ich letzte Woche anrief, haben sie sich darüber beschwert, warum ich nicht mich gemeldet hätte.

Laut welchem Gesetzt dieses Landes sollte ich mich als jemand, der seit 8 Monaten gegen eine Kautionszahlung von 1,5 Millionen Toman aus der U-Haft freigelassen worden ist und der auf seinen Prozess wartet, der bisher noch nicht verurteilt ist, verpflichtet sehen, die Herrschaften anrufen und über meine persönliche Situation zu berichten? Ich liebe mein Land und die Republik. Ich möchte aber gerne, dass Mängel und Verstöße gegen das geltende Recht beseitigt werden und dass die ursprünglichen Forderungen der Revolution respektiert, dass Unabhängigkeit und Freiheit gefördert werden. Ich möchte, dass die Arbeitenden sich in ihrem eigenen Land wohl und glücklich fühlen können.

Deshalb bitte ich Sie, die oben geschilderten Angelegenheiten zu überprüfen. Meine Klage soll zur Verbesserung und Zufriedenheit der Menschen und zur Förderung des Rechtsstaats beitragen.

Mit Respekt, Mansour Ossanlou


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