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Updated: 18.12.2012 15:51
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Vorbereitung der Präsidentschaftswahl in Frankreich und Rechts-Rechts-Rivalitäten

Vorbereitung der Präsidentschaftswahl in Frankreich und Rechts-Rechts-Rivalitäten: Wahl mit Marine Le Pen - oder ohne, aber mit "für Rechtsextreme wählbarem" Rechtsblock? Unterdessen faselt Innenminister Claude Guéant von der "Ungleichwertigkeit der Kulturen".

"Und wenn sie nicht dabei ist?" Ja, und dann? Dies fragt die französische Sonntagszeitung JDD (,Le journal du dimanche') vom 05. Februar 12 von ihrer Titelseite herab. "Sie", das ist Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Front National/FN. Und das Wörtchen "dabei" bezeichnet die Teilnahme an der kommenden französischen Präsidentschaftswahl. Diese findet in zwei Wahlgängen am 22. April und 06. Mai dieses Jahres statt, gefolgt von den nächsten Parlamentswahlen am 10. und 17. Juni 2012.

"Und falls sie nicht dabei wäre?"

Die Vorsitzende und Präsidentschaftskandidatin des FN wird derzeit in den Umfragen in der Regel zwischen 17 und 20 Prozent der Stimmabsichten gehandelt. Dennoch ist noch nicht gänzlich gesichert, ob sie auch wirklich an der Wahl wird teilnehmen können.

Verantwortlich dafür ist eine gesetzliche Regelung, die im Jahr 1976 verabschiedet wurde. Diese fordert von jeder/m Präsidentschaftsbewerber/in, der oder die an der Wahl teilnehmen möchte, mindestens 500 Unterstützungsunterschriften oder "Patenschaften" von gewählten Mandatsträger-inne-n beizubringen. Zu den Unterschriftsberechtigten zählen Abgeordnete in den beiden Kammern des französischen Parlaments (Nationalversammlung und Senat), im Europaparlament, in den Regionalparlamenten, sowie Bürgermeister/innen. Nicht jedoch "einfache" Kommunalparlamentarier/innen, deren Zahl natürlich weitaus höher ist. Diese Hürde zu nehmen, ist für eine Reihe politischer Kräfte durchaus eine schwierige Kraftprobe. Unter anderem aufgrund des Mehrheitswahlrechts, das in den meisten Fällen bei der Wahl der vorgenannten Protagonist-inn-en - mit Ausnahme des Europäischen Parlaments - gilt, und eine Vertretung kleinerer oder mittelgroßer Parteien erschwert. Dies gilt insbesondere für Parteien, die (im Unterschied bspw. zu KP oder Grünen im Verbund mit der Sozialdemokratie) in aller Regel keine Wahlbündnisse bei der Stichwahl eingehen können oder wollen. Wie beispielsweise der FN.

Die Regel aus dem Jahr 1976, die an die Stelle einer Verordnung aus dem Jahr 1962 trat (welche damals noch nur 100 Unterstützungsunterschriften forderte), sollte ursprünglich unernsthafte "Fantasiebewerbungen" verhindern. Auch Präsidentschaftskandidaturen von Vertreter-inne-n rein lokalistischer Interessen sollte ein Riegel vorgeschoben werden. Doch inzwischen ist das Hindernis auch zu einer Blockade für die Kandidatur "ernsthafter" Vertreter wirklich, im Land verankerter politischer Strömungen geworden. Beispielsweise ist im laufenden Jahr bislang noch fraglich, ob der Präsidentschaftskandidat der linken "Neuen Antikapitalistischen Partei" (NPA) oder die militante Katholikin Christine Boutin (PCD, "Christlich-demokratische Partei") zur Wahl werden antreten können. Beide haben bislang zwar ein dreistellige Anzahl von"Patenschaftsversprechen" sammeln können, bleiben jedoch bisher unterhalb der erforderlichen Schwelle von 500. Und es zeichnet sich ab, dass es bei diesem Mal noch weitaus schwieriger wird, die unterschriftsberechtigten Bürgermeister/innen auch wirklich zur Unterzeichnung des amtlichen Dokuments - das ihnen ab dem 16. März 12 zugestellt werden wird - zu bewegen. Der gesteigerte Druck der großen Parteien, der Konsens der Wirtschaftskrise und dem daraus resultierenden "Risiko sozialer oder politischer Polarisierung", und Skandale aufgrund der "Patenschaft" vom letzten oder vorletzten Mal (2002//2007) sorgten für wachsende Schwierigkeiten.

Der FN zählt derzeit 118 Mandatsträger in den Regionalparlamenten, sowie drei Abgeordnete im Europaparlament. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts ist er nicht in Nationalversammlung oder Senat vertreten und zählt keinen Bürgermeister. Zur Zeit hat die rechtsextreme Partei es laut eigenen Angaben geschafft, dazu zusätzlich weitere rund 200 "Patenschaftsversprechen" heranzuschaffen; laut Vizepräsident Louis Aliot (Angaben vom 09. Februar 12 auf Radio ,Europe 1') hat die Partei inzwischen insgesamt "340 bis 350 Unterschriften" beisammen. Doch ihre Zahl liegt, sofern die offiziellen Zahlen der Partei zutreffen, noch knapp hinter jener zu einem vergleichbaren Zeitpunkt im Jahr 2002 oder 2007 zurück.

Beim letzten Mal, im Frühjahr 2007, hatte der damalige Innenminister und gleichzeitige konservative Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy lautstark verkündet, er trete dafür ein, dass die Kandidaten in Schwierigkeiten - dazu zählten damals Jean-Marie Le Pen ebenso wie linke Bewerber, wie Olivier Besancenot - ihre 500 Unterschriften bekommen könnten. Dies sei im Namen von gesunder Demokratie und Pluralismus erforderlich, korrekt, richtig. Indirekt forderte er dadurch zögernde Bürgermeister fast dazu auf, ihre Unterschrift abzugeben. Im Endeffekt rückten einige Mandatsträger (aus einer eigenen Partei, der regierenden UMP, oder parteilose) ihre "Patenschaft" dann kurz vor Abgabeschluss heraus.

Doch in diesem Jahr ist alles anders. Beide großen Parteien, die Sozialdemokratie als gewichtigste Oppositionskraft ebenso wie die Regierungspartei UMP, erklären, es werde "keine Sonderregelung für Marine Le Pen" geben. Premierminister François Fillon erklärte im Fernsehen persönlich, er glaube nicht an die Schwierigkeiten von Marine Le Pen, die 500 Patenschaften zusammenzubekommen, es handele sich vielmehr um "Bluff". Von einem "Bluff" sprach auch die Chefin der "Sozialistischen Partei", Martine Aubry. Beide suggerierten, die FN-Kandidatin besitze in Wirklichkeit Gewissheit darüber, dass sie die 500 Unterschriften am Ende haben werde. Als Reaktion darauf bietet die FN-Spitze inzwischen an, durch einen vereidigten Gerichtsbeamten die Anzahl der in ihrem Besitz befindlichen Patenschafts-Unterschriften überprüfen externer Link zu lassen. (Wobei es prinzipiell schwierig, das Nichtvorhandensein einer Sache - die ja eventuell verstecken bleiben könnte - zu beweisen.)

Ähnlich wie die Vorgenannten verhielt sich der sozialdemokratische Präsidentschaftskandidat François Hollande. Als offizieller Oppositionsführer erklärte er dazu: "Gesetz ist Gesetz", und dieses gelte nun einmal für alle. Auch wenn er inzwischen hinzufügt, nach der bevorstehenden Wahl könne man durchaus auch "über eine Änderung am Gesetz nachdenken", etwa in Gestalt einer Ersetzung der "Patenschaften" von Mandatsträgern durch "Unterstützungsunterschriften von Bürger/inne/n". - Aus allen etablierten Parteien kommt derzeit eine genervte Reaktion über das lautstarke Protestieren Marine Le Pens, die auf ihre "Schwierigkeiten beim Sammeln der 500 Unterschriften" hinweist und dabei auf erhebliche Aufmerksamkeit in den Medien stößt.

Umgekehrt benutzt Letztere ihre - zur Schau gestellten, fingierten oder auch realen - Schwierigkeiten dazu, um sich in den Mittelpunkt der Berichterstattung zu rücken. Ähnlich, wie ihr Vater dies im März 2002 und auch im März 2007 bereits erfolgreich tat. Ein Grund mehr, weshalb viele Beobachter-innen oder politischen Akteure bereits entnervt abwinken, nach dem Motto: "Kennen wir schon, die Show hat man uns schon öfter vorgespielt." Nichtsdestotrotz können die Probleme des FN auf dieser Ebene durchaus real sein. Unter demokratiepolitischen Gesichtspunkten wäre es durchaus fatal, wenn Marine Le Pen an einem solchen formalen Hindernis - das die größeren Parteien weitgehend in der Hand haben, oder zu steuern vermögen - scheitern würde. Und nicht etwa an einer politischen (antifaschistischen) Gegenmobilisierung oder vielleicht einem inhaltlich begründeten Parteien- bzw. Kandidaturverbot, sofern dies im bestehenden gesetzlichen Rahmen möglich wäre. Die Chefin des FN spielt selbstverständlich öffentlichkeitswirksam mit diesen Elementen. So erklärte sie Ende vergangener Woche, sie sei "die Einzige, die das System herausfordern und (dabei) im zweiten Wahlgang präsent sein" könne. Deswegen wolle man sie durch administrativen Ausschluss von der Wahl fernhalten, eben weil sie für "die Systemkräfte" nun einmal gefährlich sei.

Am Sonntag, den 05. Februar 12 hielt Marine Le Pen im Rahmen des anlaufenden Wahlkampfs eine Großveranstaltung im südwestfranzösischen Toulouse ab, bei der sie sehr stark mit ihren Schwierigkeiten beim Auffinden der 500 "Patenschaften" argumentierte. Effektvoll und propagandistisch wirksam war die Redepassage, in welcher sie die Ausgabe der Sonntagszeitung JDD vom Tag selbst, mit dem Titelbild "Und wenn sie nicht dabei wäre?", ins Publikum und in die Kameras hielt. Ausrufend: "Das ist, wovon die politische Klasse träumt! externer Link (.) Welch ein Eingeständnis seitens des Systems!" agitatorisch auszuschlachten und sich als Opfer einer engstirnige Interessen verfolgenden politischen Elite zu präsentieren.

Kurz zuvor hielten Marine Le Pen und ihre Anhänger/innen am 31. Januar 12 eine Protestkundgebung vor dem Senat (dem "Oberhaus" des französischen Parlaments, das aus indirekt gewählten Vertretern der "Gebietskörperschaften" und insbesondere der Kommunen zusammengesetzt ist) ab. Vor dem Senatsgebäuden bauten sie ein Rednerpult und ein Mikrophon auf, und die Chefin des FN wandte sich an die Senatoren, die ja auch kommunale Mandatsträger sind, um ihre Schwierigkeiten zu untermalen externer Link. - Zur selben Zeit errang Marine Le Pen jedoch einen ersten Teil- oder Etappensieg auf juristischer Ebene: Ihre Partei hatte den Conseil d'Etat ("Staatsrat"), also das oberste Gericht im öffentlichen Recht - vergleichbar mit dem Bundesverwaltungsgericht in Deutschland - angerufen, um diesen entscheiden zu lassen, die Erfordernis der Öffentlichmachung aller Namen der 500 "Paten" einer/s Kandidaten/in sei rechtswidrig. Stattdessen fordert ihre Partei die rechtliche Möglichkeit, eine solche "Paten'-Unterschrift auch anonym abzugeben.

Der Conseil d'Etat hat es inzwischen akzeptiert, über das Ersuchen zu befinden, und hat die Rechtsfrage am 02. Februar 12 seinerseits an das französische Verfassungsgericht (den Conseil constitutionnel) weitergereicht, in Form einer Richteranfrage zur Verfassungsmäßigkeit des bestehenden Gesetzes. (Seit 2008 sind Verfassungsbeschwerden gegen geltende Gesetze im französischen Recht zulässig, die zuvor nicht möglich waren.) Dieses muss nun bis zum 22. Februar 12 entscheiden, ob das bislang geltende Gesetz verfassungskonform sei externer Link, oder aber eine Anonymität der "Patenschaften" erforderlich respektive zulässig sei.

Wer würde von der Abwesenheit Le Pens profitieren?

Bislang lautete die überwiegende Reaktion von anderer Seite, es handele sich mehr oder minder um Theater, und am Schluss bekomme die FN-Kandidatin ihre "Patenschaften" ohnehin. Zum allerersten Mal hat nun die Sonntagszeitung JDD das Szenario durchgespielt, wie eine Wahl ohne Beteiligung von Marine Le Pen ablaufen würde. In ihrer Vorwahlumfrage bot die Zeitung auf der einen Seite eine komplette Liste mit allen potenziellen Bewerber-inne-n an - und auf der anderen Seite jedoch eine verkürzte Liste, die um ein halbes Dutzend Kandidat-inn-en reduziert worden war, unter der Annahme, diese könnten am Erfordernis der 500 Unterschriften scheitern.

Das Ergebnis: Sofern Marine Le Pen (ausgestattet mit 19 % der Stimmen, falls sie teilnehmen kann) nicht antritt, dann steigen die beiden stärksten Kandidaten François Hollande und Nicolas Sarkozy auf jeweils 33 Prozent der Stimmabsichten im ersten Wahlgang an. Hauptgewinner ist dabei jedoch der konservativ-wirtschaftsliberale bisherige Amtsinhaber Sarkozy. Denn er würde um glatte 8;5 Prozent zulegen (von 24,5 % in der Hypothese einer Teilnahme Marine Le Pens, auf 33 %). Hingegen würde sein Haupt-Herausforderer Hollande nur 3,5 % gewinnen, mit 33 statt sonst 29,5 Prozent der Stimmen. Ein Stück vom Kuchen kassieren würde der vorliegenden Umfrage zufolge auch der bürgerliche EU-Kritiker und Gegner der diversen Euro-Rettungspläne, der "Gaullist" Nicolas Dupont-Aignan. Statt sonst ein Prozent würde er ihr zufolge drei Prozent der abgegeben Stimmen erwarten können.

Unmittelbar darauf, noch am selben Sonntag (05. Februar 12), formulierte die konservative und regierungsnahe Tageszeitung ,Le Figaro' es auf ihrer Startseite im Internet so: "Nicolas Sarkozy würde von einem Nichtantritt Marine Le Pens profitieren."

Regierungslager mal wieder mit Le Pen-kompatiblen Sprüchen am Start

Zur Stunde ist noch völlig unklar, ob es wirklich dazu kommen kann, dass die Wahl ohne Teilnahme von Marine Le Pen stattfindet. Bislang ist die Hypothese, dass eine Präsidentschaftswahl ohne potenzielle Teilnehmer/innen "von Gewicht" beginnt, noch nie eingetreten. Delikat wäre dies unter anderem auch unter dem Gesichtspunkt, dass ein eindeutiger "Fantasiebewerber" - der rechte Spinner, Verschwörungstheoretiker und Sektenkandidat Jacques Cheminade, welcher bei seiner letzten Kandidatur im Jahr 1995 ein Null-Komma-Ergebnis erhielt und aus der Ecke des US-Verschwörungshäuptlings Lyndon LaRouche kommt - derzeit laut hinausposaunt, er habe soeben seine 500 "Patenschaftsversprechen" beisammen bekommen.

Ob es nun im Hinblick auf eine solche Hypothese sei, oder auch "nur" im Hinblick auf dezidiert rechte Wähler/innen - die in diesem Jahr zwischen Sarkozy und Le Pen zögern könnten -, oder ab im Hinblick auf eventuelle spätere Bündnisse zwischen beiden Parteien (die heute wirklich nicht mehr ausgeschlossen erscheinen): Bestimmte Minister der aktuellen Regierung tun derzeit Alles, um ihr Lager als "kompatibel" mit den Wünschen rechtsextremer Wähler erscheinen zu lassen.

Innenminister Claude Guéant erklärte bei einer Rede vor Studierenden der zwischen Konservativen und Rechtsextremen stehenden Studentenvereinigung UNI am Abend des Samstag, 04. Februar: "Alle Kulturen sind nicht gleichwertig; entgegen dem, was der linke Relativismus besagt." Guéant rief dazu auf, "unsere Zivilisation zu beschützen", und präzisierte: "Jene (Kulturen), welche die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verteidigen, erscheinen uns überlegen gegenüber jenen, die die Tyrannei, die Minderwertigkeit von Frauen, sozialen oder ethnischen Hass akzeptieren." Auf das Munterste vermengte der Minister dabei politische und gesellschaftliche Phänomene mit angeblichen fixen "kulturellen" Tatbeständen. Ebenso wie seine Apologeten, von denen einer der wohl dümmsten und eifrigsten - der durch Nicolas Sarkozy zum Leiter des "Amts für Immigration und Integration" (OFII) erhobene Anwalt Arno Klarsfeld, welcher seit Jahren seinen heldenhaft engagierten Eltern Serge und Beate Klarsfeld zu aller Schande gereicht - am Sonntag tönte: "Falls die Linke wirklich der Auffassung ist, die französische oder britische Kultur sei gleichwertig gegenüber dem Rassismus oder den Taliban, dann soll sie Wahlkampf dazu betreiben." Als ob "Rassismus" etwas Fremdes, völlig Unbekanntes oder Außenstehendes gegenüber der britischen oder französischen Gesellschaft wäre - oder als ob die Taliban eine "Kultur" und keine politisch-ideologische Gruppierung wären.

In der Folgezeit empörte sich die sozialdemokratische und sonstige Opposition erwartungsgemäß - Präsidentschaftskandidat François Hollande erklärte, Claude Guéant solle sich "lieber um die Innere Sicherheit kümmern", was nicht mit seinem eher konservativen Profil bricht -, während das Regierungslager Guéant eher verteidigte. Allerdings traten am Sonntag und Montag, den 05./06. Februar 12 auch erste erkennbare Brüche im regierenden Bürgerblock auf. Außenminister Alain Juppé erklärte, "die Wortwahl" - die Verwendung des Begriffs "Kultur/Zivilisation" - sei "unglücklich". Auch Ex-Premierminister und Senator Jean-Pierre Raffarin meldete in Ansätzen deutliche Kritik an. Er erklärte, Claude Guéant sei "ein guter Minister, aber kein guter Ethnologe".

Nicht zum ersten Mal hat das Regierungslager in den vergangenen Wochen eindeutige Signale an rechtsextreme Wähler/innen ausgesandt. Am Freitag, den 06. Januar 2012 hatte Präsident Nicolas Sarkozy im lothringischen Domrémy den 600. Geburtstag der "Nationalheiligen" Jeanne d'Arc - alias "Jungfrau von Orléans" - mit einer Ansprache zelebriert. Jeanne d'Arc soll im 15. Jahrhundert, als damals 19jährige, die demoralisierten französischen Truppen im Hundertjährigen Krieg gegen die das Land besetzenden Engländer angeführt haben. Zuvor soll sie Stimmen gehört haben, welche ihr ihre Mission einflüsterten. Später wurde sie jedoch verraten, gefangengenommen, durch die Kirche als Ketzerin eingestuft und in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Doch erst ab dem 19. Jahrhundert wurde die (zum Teil als historische Figur existierende, aber inzwischen sehr weitgehend mystifizierte) Figur der Jeanne d'Arc zur Kultfigur erhoben. Lange Zeit war es die nationalistische Rechte, die sie zur mythischen Gestalt erhob. Seitdem steht die "Jungfrau von Orléans" - obwohl sie im 19. Jahrhundert zeitweilig auch als Figur der Emanzipation gegenüber Kirche und Königtum dargestellt wurde - vor allem für die Idee des "Widerstands gegen eine ausländische Invasion" und die Verteidigung der Nation. Obwohl die Vorstellung eines Nationalstaats während des Hundertjährigen Krieges noch völlig unbekannt war, es sich also um pure Geschichtsklitterung handelt.

Neu ist, dass ein amtierender Präsident ihren Kult in einer Weise feierte, wie man es in den letzten Jahren vorwiegend vom Front National gewohnt war. Letzterer marschiert seit 1981 jährlich in Paris "zu Ehren von Jeanne d'Arc" auf, seit 1988 immer am Ersten Mai. Sarkozy betonte jedoch in seiner Rede, nicht zufällig: "Jeanne d'Arc gehört keiner Partei, keiner Fraktion und keinem Clan." Vielmehr gehöre sieder gesamten Nation. Die rechtsextreme Partei antwortete am Samstag, den 07. Januar 2012 mit einem eigenen, kleinen Auflauf auf der Pariser Place des Pyramides - wo eine vergoldete Statue von Jeanne d'Arc steht - auf Sarkozy. Hauptredner war dieses Mal der alternde Jeanne-Marie Le Pen, nicht seine Tochter Marine. Deren Vizepräsident (und Lebensgefährte) Louis Aliot erwiderte dem amtierenden Präsidenten zugleich in den Medien, "Jeanne d'Arc steh(e) für die exakt der Politik Nicolas Sarkozy entgegen gesetzten Werte".

Unsere Fortsetzung folgt in den kommenden Tagen - zu den Persönlichkeiten des "Unterstützerkomitees" Marine Le Pens (inklusive Juden und Afrikanerinnen.), ihrem Programm und ihren wichtigsten Wahlaussagen. Und einem umstrittenen Besuch von Frau Le Pen bei deutschsprachigen Nazigestalten in Wien am 27. Januar d.J. .

Artikel von Bernard Schmid zu den Wahlkämpfen in Frankreich vom 09. Februar 2012


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