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Updated: 18.12.2012 15:51
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Beteiligungsrekorde am Streik der Papierlosen

"Im Laufe der zurückliegenden Woche erreichte der Streik der « travailleurs sans papiers », oder Lohnabhängigen ohne juristischen Aufenthaltsstatus, im Raum Paris neue "Rekorde". Über 5.000 lohnabhängige "illegale" Einwanderer waren zu Mitte der Woche im Ausstand (im Vergleich: beim ersten Sans Papiers-Streik ab April/Mai 2008 waren es noch 600 gewesen). Gleichzeitig erschien Ende vergangener Woche erstmals eine eigene Streikzeitung, die im Prinzip gratis ist, jedoch für einen Unterstützerpreis von mindestens zwei Euro durch Streikende und Unterstützer/innen verkauft wird: Die achtseitige, mit Photos versehene und im Mehrfarbendruck erstellte Zeitung "Ici" (Hier) wurde vorige Woche in einer ersten Auflage in Höhe von 130.000 Exemplaren gedruckt" - so beginnt der aktuelle Artikel "Neues vom Sans papiers-Ausstand" von Bernard Schmid vom 13. November 2009.

Neues vom Sans papiers-Ausstand :

Teilnahme-Rekord, Streikzeitung, Besetzungen, Räumung bei Bouygues durch private "Sicherheits"-Gorillas

Im Laufe der zurückliegenden Woche erreichte der Streik der « travailleurs sans papiers », oder Lohnabhängigen ohne juristischen Aufenthaltsstatus, im Raum Paris neue "Rekorde". Über 5.000 lohnabhängige "illegale" Einwanderer waren zu Mitte der Woche im Ausstand (im Vergleich: beim ersten Sans Papiers-Streik ab April/Mai 2008 waren es noch 600 gewesen). Gleichzeitig erschien Ende vergangener Woche erstmals eine eigene Streikzeitung, die im Prinzip gratis ist, jedoch für einen Unterstützerpreis von mindestens zwei Euro durch Streikende und Unterstützer/innen verkauft wird: Die achtseitige, mit Photos versehene und im Mehrfarbendruck erstellte Zeitung "Ici" (Hier) wurde vorige Woche in einer ersten Auflage in Höhe von 130.000 Exemplaren gedruckt.

Der Streik berührte, laut Angaben der CGT, in den letzten Tagen insgesamt 1.253 Unternehmen in verschiedenen Branchen - vor allem Bau, Reinigungsgewerbe, Gaststätten -, und über 40 Arbeitsstätten waren/sind noch immer besetzt. Ein halbes Dutzend bis ein Dutzend anderer Arbeitsstätten sind polizeilich geräumt worden, unter ihnen die Baustelle des neuen Hochhauses des Versicherungskonzerns AXA im Pariser Geschäftsviertel La Défense (vor anderthalb Wochen). Diese Räumung war im Prinzip illegal, da sie ohne gerichtliche Anordnung erfolgte.

Eine weitere Baustelle desselben Unternehmens, das auch das AXA-Hochhaus errichtet - der Baufirma ADEC - ist unterdessen derzeit besetzt. Es handelt sich um einen Ort, an dem ein Luxushotel errichtet, auf den Champs-Elysées, nahe der Métrostation Kléber. ADEC ist nun zugleich durch seine Sklavenhalterpraktiken ins Zwielicht gerückt. So wurden vier Fälle von Asbestverseuchung in den Lungen von (migrantischen) Lohnabhängigen bei der Firma, die vor allem auf Abbruch- und Abrissarbeiten spezialisiert ist, vermeldet. Mitarbeiter schufteten dort ohne Schutzmaske an asbesthaltigen Gebäuden. Ebenfalls an den Champs-Elysées gelegen, war vergangene Woche der Sitz der Unternehmervereinigung des Reinigungsgewerbes durch Sans papiers besetzt worden. Ende Oktober war zudem die Unternehmervereinigung der Baufirmen für öffentliche Aufträge, der FNTP, besetzt worden.

Das Besondere am aktuellen Streik im Vergleich zu jenem im Frühjahr/Sommer 2008 ist, dass er direkten Druck auf die Regierung und die Präfekturen (Polizei- und Ausländerbehörden) ausüben soll, die Kriterien für die "Legalisierung" bislang als "illegal" geltender Einwanderer abzuändern. Im vergangenen Jahr 2008 war es hingegen eher noch darum gegangen, durch Druck und Überzeugungsarbeit Einfluss auf einzelne Unternehmer zu nehmen, damit diese in ihrem eigenen Namen (und aufgrund ihres wirtschaftlichen Interesses am Beibehalt ihrer "illegalen" migrantischen Arbeitskräfte) die "Legalisierung" ihrer Mitarbeiter/innen bei den Präfekturen beantragten - wie es der Artikel 40 des bislang letzten Ausländergesetzes vom 20. November 2007 ausdrücklich "ausnahmsweise" erlaubt. Letzteres Gesetz sieht eine "ausnahmsweise Legalisierung" im Falle eines nachgewiesenen ökonomischen Interesses des einzelnen Arbeitgebers an der Einstellung oder Weiterbeschäftigung bislang "illegaler" Arbeitskräfte (insbesondere bei Mangelberufen und -qualifikationen) vor. Heute geht es hingegen darum, eine Abänderung der "Legalisierungs"praxis als solcher und ihre Erleichterung zugunsten der "travailleurs sans papiers" zu erreichen. Deswegen werden auch nicht so sehr einzelne Arbeitgeber, sondern eher Arbeitgebervereinigungen und zentrale Sitze ökonomisch einflussreicher Verbände vom Streik getroffen.

Im 13. Pariser Bezirk, im Süden der französischen Hauptstadt, sind erstmals die zahlreich dort lebenden & arbeitenden Asiaten (ohne "legale Aufenthaltstitel") in Bewegung geraten. Dies erforderte einen gewissen Mut, da diese Chinesen oder Vietnamesinnen häufig bei Landsleuten - mitunter aus ihren eigenen Familien - beschäftigt sind ; und umso heftigerer Ausbeutung ausgesetzt sind, als sie oft den Preis für ihre Einreise an ihre "Helfer" zurückzahlen müssen. Letztere können oftmals "zu Hause" Druck auf Angehörige in den Herkunftsländern ausüben, "wenn es Not tut". Die Betroffenen besetzen derzeit den Hotel- & Gaststättenverband.

Beim Bau-, Medien- und Betonkonzern Bouygues (dessen Konzernerbe Martin Bouygues ein persönlicher Duzfreund Nicolas Sarkozys ist) wurde unterdessen eine Baustellenbesetzung verhindert. Eine kleine Armee von privaten Sicherheitsleuten, bewaffnet mit Holzknüppeln und Eisenstangen, verhinderte die Besetzung und setzte eine ("außergerichtliche" und widerrechtliche) Räumung durch. Solche Praktiken drohen sich unterdessen auszuweiten.

Bernard Schmid, 13. November 2009


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