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Updated: 18.12.2012 15:51
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La longue Lutte

Rebellierende Kosten brauchen internationale Unterstützung im Kampf gegen Accor

Vor rund einem Jahr wurde Faty Mayant, senegalesische »femme de chambre« (»Zimmermädchen«) und Delegierte der Sud-Reinigungsgewerkschaft, gekündigt wegen angeblicher Überschreitung des mühsam durchgesetzten Rechts auf gewerkschaftliche Freistellungszeiten. Trotz wöchentlicher Aktionen vor und in den Hotels der Accor-Gruppe wurde sie bislang noch nicht wieder eingestellt. Auch die nach dem erfolgreichen Arbeitskampf der »Putzfrauen«, die im Auftrag von Accor bei dem Subunternehmer Arcade tätig waren und sich gegen das enorme Arbeitstempo, die schlechte Bezahlung und die Verweigerung demokratischer Rechte gewehrt hatten, eingeräumten Versprechungen von Accor werden nicht eingehalten. Solidarität aus den Belegschaften heraus und von außen ist dringend nötig in diesem exemplarischen Kampf der doppelt Unsichtbaren: der MigrantInnen im Niedriglohnbereich. Der express plant gemeinsam mit SOFA (Soziale Fantasie und Bewegung e.V.) für Anfang Dezember d.J. eine Protestveranstaltung vor einem Accor-Hotel in Köln, zu der wir Faty und ihre Kolleginnen einladen wollen. InteressentInnen sind herzlich zur Beteiligung eingeladen. Des Weiteren bitten wir um Protest- und Solidaritätsschreiben an die unten genannte Adresse.

Faty und die hinter ihr stehende Solidaritätsbewegung bereiten derzeit den Prozess vor dem Verwaltungsgericht in Paris vor, denn das Arbeitsministerium hat die Kündigung kürzlich ausdrücklich bestätigt. Diese Entscheidung zeigt noch einmal, wie sehr das Unternehmen und die Regierung ein Interesse haben, den beginnenden Organisierungsprozess im Bereich der Fremdfirmen und Zulieferer zu erschweren oder sogar rückgängig zu machen. Hinzu kommen aber auch die Schwierigkeiten mit einigen etablierten Gewerkschaften im Bereich der festangestellten Hotelangestellten, in diesem Fall zu einer produktiven und solidarischen Kooperation zu kommen. Denn hier besteht die Schwachstelle in der Soli-Bewegung: die Mobilisierungsfähigkeit der direkt in den Hotels angestellten Beschäftigten. In dieser Frage spielen dann gewerkschaftliche Besitzstände oft eine wichtigere Rolle als das gemeinsame Bedürfnis, die Zustände in den Reinigungsbereichen und vor allem bei den Subunternehmern zu verbessern.

Und dabei hatten die »Putzfrauen« in Paris schon so viel erreicht: Vor einem Jahr reiste Faty mit ihren Kollegen von der Gewerkschaft SUD (Solidaire, Unitaire, Democratique) nach Dortmund zu der Versammlung »die Kosten rebellieren« und berichtete von dem einjährigen erfolgreichen Streik der Putzfrauen in Paris, aber auch von ihrer Kündigung und der Repression gegen gewerkschaftliche Organisierungsversuche. Daraufhin kam es zu einem gemeinsamen internationalen Aktionstag am 23. Juli 2004 in mehreren europäischen Ländern und auch in vier Städten hier in der BRD. Am diesjährigen 1. Mai kam es in Amsterdam zu einer Aktion vor einem IBIS-Hotel, und ebenfalls im Mai besuchte eine Gruppe von GewerkschafterInnen auf ihrer »Tour de France« Faty, das Solidaritätskomitee und die Kollegen der SUD-Rail (der Eisenbahnergewerkschaft innerhalb der SUD), die so etwas wie das Schutzschild für Faty und ihre Kolleginnen im Laufe des Kampfes geworden sind. Übrigens wie vor Jahren auch für die Sans-papiers - die Papierlosen. Ihnen wurden damals auch die Gewerkschaftsräume zur Verfügung gestellt, um sie vor der Verfolgung durch die Staatsmacht zu schützen. Auch dieses Mal trafen wir Faty im Lokal der SUD-Rail in St. Denis.

Stand und Perspektiven des Arbeitskampfes

Am 11. Mai 2004 war Faty, die bei der Reinigungsfirma Arcade in Paris arbeitete, gekündigt worden. Diese Firma ist Zulieferer für die Hotelgruppe Accor, zu der u.a. die Hotels von Ibis, Mercure, Etap gehören, und lässt dort durch zumeist afrikanische Putzfrauen die Zimmer in einem mörderischen Tempo - »cadences infernales«, so Faty im Gespräch, putzen.

Faty war eine der bei Arcade angestellten Reinigungskräfte und hatte dort seit neun Jahren gearbeitet. Sie stand auch an der Spitze des langen Streiks, der von 2002 bis 2003 dauerte und in dem sich 34 Frauen gegen die sklavischen Arbeitsbedingungen wehrten. Die Streikenden erzwangen eine »Charta des guten Verhaltens« von Accor, dem Auftraggeber der Subunternehmen. Faty kümmerte sich als Delegierte der SUD-Reinigungsgewerkschaft um die praktische Umsetzung der vereinbarten Regelungen. Arcade kündigte ihr mit der Begründung: »Überziehung der erlaubten gewerkschaftlichen Freistunden«.

Zur großen Überraschung von Arbeitsrechtlern genehmigten die Arbeitsinspektorin und der Arbeitsminister die Kündigung - in Frankreich muss eine derartige Kündigung von den staatlichen Stellen genehmigt werden.

Faty und das Solidaritätskollektiv, das sich während des Streiks zusammengefunden hatte, nahmen daraufhin einerseits den Kampf für ihre Wiedereinstellung auf. Zugleich setzten sie sich aber auch für die Abschaffung der Fremdvergabe der Reinigung innerhalb der Accor-Gruppe und die Wiedereingliederung der ausgegliederten Putzfrauen in den Konzern ein.

Zwischenzeitlich gab es zwar Zusagen der Accor-Leitung, die Fremdvergabe einzustellen. Doch bis heute sind das Worte geblieben. Das Solidaritätskollektiv fordert daher weiterhin, dass alle Putzfrauen direkt von Accor eingestellt werden. Accor hat bisher nur die Zuliefererfirma Arcade ausgetauscht, sonst nichts. Die Firma Arcade ist gerade dabei, in Konkurs zu gehen. Unterdessen haben sich neue Zuliefererfirmen gegründet mit dem Leitungspersonal von Arcade, an die jetzt die Putzaufträge vergeben werden.

Faty ist unterdessen weiter gekündigt, und es geht darum zu überlegen, wie wir auch in der BRD den Druck auf die Hotelkette wieder praktisch verstärken können. Aktionen direkt vor und in den Hotels wie auch vorbereitende Veranstaltungen wären nützlich, und wir können dabei mithelfen. (Informations- und Solidaritätsadressen siehe S. 16)

Als internationale Hotelgruppe pflegt Accor sein öffentliches Image und präsentiert sich z.B. als Unterstützer für nachhaltigen Handel, als Verteidiger der Umwelt, als Sponsor für olympische Brüderlichkeit, sitzt im Rat gegen Diskriminierungen und war bevorzugte Hotelgruppe für die Kandidatur von Paris für die olympischen Spiele. Das macht das Unternehmen auch angreifbar.

Das Ziel der Solidaritätsbewegung ist zur Zeit: Der Kampf wird dann beendet, wenn Faty wieder die Arbeit aufgenommen hat und alle Putzfrauen direkt bei Accor eingestellt werden.

Im Rahmen unserer Rundreise hatten wir auch Gelegenheit, Faty zur aktuellen Situation und zu ihren Perspektiven zu befragen. Sie berichtete uns, dass im Mai 2005 das Soli-Komitee sich getroffen hatte, um Bilanz zu ziehen.

Zur Erinnerung - Auslöser des Streiks waren:

  • die zu hohe Leistungsdichte: Die bei Arcade angestellten Frauen mussten mit fünf Zimmern pro Stunde doppelt so viele Zimmer reinigen wie die Accor-Leute, für die 2,5 Zimmer pro Stunde als Vorgabe galten. Schafften sie ihr Soll nicht, dann musste unbezahlt weiter gearbeitet werden.
  • Es gab keine Pausen.
  • Es waren keine Umkleide- und Pausenräume vorhanden.
  • Vorgesetzte zeigten sich respektlos und behandelten die Angestellten wie Sklaven.

Von Anfang an wurden die Streikenden von SUD-Solidaires und einem Soli-Komitee unterstützt. Es gab zahlreiche Besetzungen der Arcade-Zentrale, die anfangs jede Verhandlung verweigerte, wie auch von Accor-Hotels. An Hotelgäste wurden Flugblätter und Postkarten verteilt, in denen die Arbeitsbedingungen des Putzpersonals geschildert wurden. Bis zu 200 Unterstützer nahmen an diesen regelmäßig freitags stattfindenden Aktionen teil.

Obwohl von 1500 Beschäftigten von Arcade »nur« 34 streikten, erreichte der Arbeitskampf eine breite Medienöffentlichkeit und erhielt eine große Solidarität, so dass er für die streikenden Frauen auch materiell durchzuhalten war.

Der Streik endete mit einem Sieg. Nach einem Jahr wurde eine »Verhaltenscharta« unterzeichnet mit folgenden Zusagen:

  • Umkleideräume (wurden zugesagt und unter ständigem Druck auch eingeführt)
  • Die Arbeitsdichte wurde auf 2,5 Zimmer pro Stunde gesenkt
  • Fünf der zwölf Streikmonate wurden bezahlt
  • Sieben ausgesprochene Entlassungen wurden zurückgenommen

Offenbar als Rache wurde Faty, so vermutet sie, am 11. Juni 2004 wegen Überschreitung gewerkschaftlicher Freistellungszeiten entlassen. Hinzu kommt: Mit Faty ist diejenige Person getroffen, die auf die Umsetzung und Einhaltung der Verhaltenscharta achten sollte. Aufgrund fehlender gewerkschaftlicher Kontrolle werden mittlerweile viele der erstrittenen Regelungen vom Unternehmen nicht mehr eingehalten: Pausen-zeiten, Arbeitsdruck etc.

Der Kampf läuft jetzt sowohl auf der juristischen Ebene - Faty hatte zwar die zweite Instanz gewonnen, aber das Arbeitsministerium hat das Urteil aufgehoben - als auch auf der direkten Aktionsebene weiter. Jeden Freitag finden Aktionen vor oder in einem Hotel der Accor-Gruppe statt, um sichtbar zu machen, dass die Auseinandersetzung nicht beendet ist und die Solidarität mit Faty noch lebt.

Bisher ist es allerdings noch nicht gelungen, von innen heraus, d.h. von den festangestellten Beschäftigten aus die Solidarität zu organisieren.

Willi Hajek, Kirsten Huckenbeck


  • Protestschreiben:
    An die Geschäftsleitung von Accor: DRH
    33 avenue du Maine
    75015 Paris
  • Kontakt zum Solidaritätskollektiv in Frankreich:
    fatysolidarite@hotmail.com
  • Kontakt zur SUD: 0033/1/42431224 oder federation-sudrail@wanadoo.fr
  • Schecks (ausgestellt auf »SUD Nettoyage« und auf der Rückseite versehen mit dem Vermerk »solidarité avec Faty«) an:
    SUD Rail
    17 Boulevard de la Liberation
    F-93200 Saint-Denis,
  • Informationen über den Streik bei Arcade: www.ac.eu.org externer Link (auf Französisch)
  • Flugblätter und Informationen auf Deutsch: express-afp@t-online.de
    wir empfehlen auch die Broschüre: »Das Solidaritätskollektiv«, in der der Streik der Arcade-Arbeiterinnen ausführlich dokumentiert ist.

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 6-7/05


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