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Updated: 18.12.2012 15:51
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Wenn Gewerkschafter Elite werden wollen...

"Gegenstand des Protests war die allmonatlich stattfindende Versammlung des, nach auβen hin weitgehend abgeschottet funktionierenden, Eliteclubs oder Think Tanks namens ,Le Siècle’ (wörtlich: „Das Jahrhundert“) im Pariser Club de l’Automobile. Ihm gehören rund 500 Mitglieder an, die nur „durch Kooptation“ aufgenommen werden, als auf Empfehlung eines bereits aktiven Mitglieds hin" - so aus dem kurzen Bericht "30 Festnahmen bei Gegendemonstration" von B. Schmid vom 26. November 2010.

Eliteclub trifft sich in Paris, unter der Präsidentschaft der früheren „Gewerkschafts“chefin (hüstel) Nicole Notat -

30 Festnahmen bei Gegendemonstration

Am Mittwoch dieser Woche kam es, spät Abends, zu circa 30 Festnahmen am Rande einer Protestdemonstration in der Nähe der Pariser Place de la Concorde. An ihr nahmen rund 250 Personen teil. Eine Vorgängerdemonstration hatte am selben Ort bereits Ende Oktober dieses Jahres, ohne Zwischenfälle, stattgefunden. Aufgerufen zu der Demonstration hatten die beiden Dokumentarfilmer Pierre Carles (bekannt geworden u.a. durch seinen Film ,Danger travail’, ungefähr: „Vorsicht vor Arbeit“) und Michel Fiszbin. Die beiden Veranstalter wurden ebenfalls festgenommen. Vgl. soweit http://www.lepoint.fr/societe/interpellations-lors-d-une-manifestation-contre-un-diner-du-siecle-a-paris-24-11-2010-1266694_23.php

Gegenstand des Protests war die allmonatlich stattfindende Versammlung des, nach auβen hin weitgehend abgeschottet funktionierenden, Eliteclubs oder Think Tanks namens ,Le Siècle’ (wörtlich: „Das Jahrhundert“) im Pariser Club de l’Automobile. Ihm gehören rund 500 Mitglieder an, die nur „durch Kooptation“ aufgenommen werden, als auf Empfehlung eines bereits aktiven Mitglieds hin. Aufnahmen müssen durch zwei Drittel der bei einer Versammlung anwesenden Mitglieder bestätigt werden. Dem Club gehören sowohl einflussreiche „Unternehmer“ bzw. Wirtschaftsführer als auch Politiker/innen, Pressevertreter und andere gesellschaftliche „Gröβen“ an.

Zu ihnen zählen u.a.:
der Baron Ernest-Antoine de Seillière, Erbe der Stahlfabrikanten de Wendel und früherer Chef des französischen Arbeitgeberverbands MEDEF (ab 1997 und bis im Jahr 2005) sowie später des europäischen Kapitalverbands UNICE mit Sitz in Brüssel;
Versicherungsmagnat und Kapital-Ideologe Claude Bébéar (vgl. über ihn unseren jüngsten Artikel: http://labournet.de/internationales/fr/rente2010_27.html );
Jean-Pierre Agon, Generaldirektor des aufgrund der Bettencourt-Affäre jüngst ins Gerede gekommenen Kosmetikkonzerns mit Pro-Nazi-Vergangenheit, L’Oréal;
der frühere sozialdemokratische Premierminister Lionel Jospin und die jetzige „sozialistische“ Parteivorsitzende Martine Aubry; Dominique Strauss-Kahn, seit 1997 Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, von 1997 bis 1999 sozialdemokratischer Finanzminister in Frankreich, derzeit Putativ-Präsidentschaftskandidat der französischen Sozialdemokratie;
der frischgebackene Ex-Auβenminister Bernard Kouchner (der personifizierte Inbegriff schleimigen Karrierismus’); und weitere prominente Figuren mehr…

(Zu den Mitgliedern siehe ansonsten auch http://www.syti.net/Organisations/LeSiecle.html sowie http://fr.wikipedia.org/wiki/Le_Siècle ) Die ganze Chose wird nicht besser dadurch, dass ein rechtsextremer Verschwörungstheoretiker und Antisemit mit Namen Emmanuel Ratier in den letzten Jahren eifrig zu dem Club gearbeitet und ermittelt hat, der in seinen Augen eine „Freimaurer-Versammlung“ darstellt. Die Kritik von j e n e r Seite ist selbstverständlich falsch, aber der Zirkel ,Le Siècle’ bleibt dennoch eine stattliche Ansammlung übler Finger.

Besonders delikat dabei ist, dass den Vorsitz des Clubs seit Oktober 2010 eine frühere (räusper hüstel) „Gewerkschafts“vorsitzende inne hat, nämlich Nicole Notat. Sie war von 1992 bis im Jahr 2002, unter dem innergewerkschaftlichen Spitznamen ,La tsarine’ („Die Zarin“), Generalsekretärin der CFDT, des zweitstärksten Gewerkschaftsdachverbands in Frankreich. Notat trug in diesem Amt damals maβgeblich dazu bei, den Verband - der seit Mitte der sechziger und noch bis in die späten siebziger Jahre hinein deutlich linke Einflüsse aufwies - auf stramm rechtssozialdemokratischen und pro-neoliberalen Kurs zu trimmen. Im Jahr 2002, kurz bevor sie zu Gunsten des (von ihr ausgewählten) Nachfolgers François Chérèque abtrat, wünschte sie sich eine Präsidentschaftskandidatur - statt jener des in ihren Augen „zu etatistischen“ Sozialdemokraten Lionel Jospin - des sozialliberalen bzw. offen neoliberalen Dominique Strauss-Kahn („DSK“). (Vgl. dazu unseren Artikel im Labournet: http://www.labournet.de/internationales/fr/wahlwirren.html ) Heute leitet Tante Notat eine Unternehmensberatung unter dem Namen Vigéo, die ihren Sitz in ‚Les Mercuriales’ hat - den beiden Bürohochhäusern an der Pariser Porte de Bagnolet, die in einem Wettbewerb für die Wahl der hässlichsten Gebäude des Planeten ziemlich hohe Chancen auf einen guten Platz haben dürften.

Die Demonstrant/inn/en protestierten dagegen, dass Journalisten an den Treffen teilnehmen und dadurch von einem dem Licht der Öffentlichkeit entzogenen Quasi-Geheimclub beeinflusst würden. Die aktuellen Pressemeldungen informieren darüber, dass dieses Mal - am Mittwoch - „kein prominenter Journalist an der Tür der Veranstaltung gesichtet“ worden sei.

B. Schmid, 26.11.10


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