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Updated: 18.12.2012 15:51
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Diskriminierungsfälle am Flughafen Paris-Roissy: Moslem (oder Gewerkschafter !) und deshalb ein Sicherheitsrisiko ?

« Die Willkür zurückdrängen, es ist möglich » übertitelt die (eher links stehende) Transportarbeiter-Branchengewerkschaft der CFDT, die FGTE-CFDT, ihr Pressekommuniqué vom gestrigen Donnerstag. Am vorausgehenden Tag hatten zwei abhängig Beschäftigte und ihre Anwälte es vor dem Verwaltungsgericht von Cerg-Pontoise (2O Kilometer nördlich von Paris) geschafft, ihre Sicherheitsausweise zurückzubekommen. Ohne diese ist es ihnen unmöglich, am Flughafen von Roissy (nordöstlich von Paris) zu arbeiten. Unterstützt wurden sie durch die FGTE-CFDT und andere Gewerkschaften am Flughafen.

Es handelte sich um den dritten und vierten Fall von Lohnabhängigen, denen ihre am Arbeitsplatz unabdingbaren Sicherheitsausweise entzogen worden waren und die dagegen erfolgreich geklagt hatten. Zuvor hatten am Ende der vorigen Woche die ersten beiden Beschäftigten vor dem Zivilgericht in Bobigny (Bezirkshauptstadt des Départements Seine-Saint-Denis oder « 93 », wo Roissy liegt) eine Rückgabe ihrer Sicherheitsausweise erzielen können. Aber es handelt sich bei ihren « Fällen » nur um die Spitze des Eisbergs.

Insgesamt sind seit August dieses Jahres 72 Beschäftigten am Flughafen (im Reinigungsbereich, in der Gepäckabfertigung, bei Catering- und anderen Subfirmen) ihre Sicherheitsdokumente entzogen worden. Auf Entscheidung der Polizei hin, die vom Präfekten (juristischen Vertreter des Zentralstaats im Bezirk 93) gedeckt wird, hinter dem wiederum Innenminister und Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy steht. Damit werden sie definitiv daran gehindert, ihrer Arbeit nachzugehen, und verlieren in der Folge auch ihren Lohnanspruch. Und selbst bei diesen 72 handelt es sich wiederum nur um einen Ausschnitt aus einer noch weit größeren Gruppe von Lohnabhängigen, denen in den letzten Jahren ein solches Sicherheitsdokument, das Zutritt zu den Arbeitsbereichen am Flughafen verschafft, entweder verweigert oder entzogen worden ist. Aber in diesem Falle schien die Diskriminierung besonders flagrant : Zumindest in einer bestimmten Anzahl von Fällen scheinen den « Sicherheitsbedenken », die Polizei und Präfekt geltend gemacht hatten, offenkundig keine anderen Faktoren als ausschließlich die Konfessionszugehörigkeit der Lohnabhängig (alle Moslems) zugrunde zu liegen.

Doppelte Vorgeschichte

Die ganze Sache hat eine Vorgeschichte, bzw. eigentlich sogar zwei vorab passierende Geschichten. Die erste ist rasch erzählt, die zweite dafür umso politisch « heißer ». Und hier die erste : Zwischen Weihnachten und Neujahr 2002 wird quasi ganz Frankreich auf einen Beschäftigten im Gepäcksortierdienst am Flughafen von Roissy aufmerksam gemacht. Es handelt sich um einen Arbeiter algerischer Herkunft, Abderzak Besseghir. Angeblich soll er versucht haben, Sprengstoff auf den Flughafen zu schmuggeln, um terroristische Anschläge vorzubereiten. Halb Frankreich hält den Atem an. Der Name und das Gesicht des Beschuldigsten werden breitesten Kreisen bekannt gemacht, flimmern über die Fernsehbildschirmen und rauschen durch andere Medien. Da haben wir’s : Die terroristische Gefahr ist mitten unter uns, sie hat einen Namen und ein Gesicht. Pech nur, dass alles ansonsten (mit Ausnahme des Namens und der Identität des Beschuldigten) alles an der Geschichte falsch falsch ist. Es handelt sich um ein Lügengebäude, das durch die Schwiegerfamilie des Mannes – unzufrieden damit, dass ihre Tochter mit einem moslemischen Immigranten verheiratet ist – errichtet worden war. Die Explosivstoffe, die tatsächlich gefunden worden waren, hatte der werte Herr Schwager (ein französischer Ex-Militär) an Ort und Stelle befördert. Das Lügengebäude konnte einstürzen, aber für den Beschuldigten war es zu spät, seine Anonymität zurück zu erlangen. Es gab allerdings eine ausgleichende Gerechtigkeit bei der Geschichte : Ein halbes Jahr später hat der zu Unrecht Beschuldigte seine Geschichte zu einem Buch verarbeitet. Und hoffen wir, dass er viel Geld damit verdient hat...

Politisch brisant, und nicht ganz so (unfreiwillig) witzig, ist die zweite Story. Sie hängt mit einem rechtsradikalen französischen Politiker zusammen, dem ursprünglich nationalkonservativen Grafen Philippe de Villiers. Dieser versuchte seit Sommer und im ersten Halbjahr 2006, ein paar Monate lang, dem Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen auf seinem ureigenen Gebiet Konkurrenz zu machen. Es gelang dem Grafen de Villiers auch, Le Pen und dessen Front National (FN) rund 3.000 Mitglieder für seine eigene Micherpartei (den Mouvement pour la France, MPF, « Bewegung für Frankreich ») abzuwerben. Letztendlich hat sich der Versuch, mit den Rechtsradikalen zu schreien « nur lauter », nicht ausgezahlt. De Villiers steht derzeit in den Vorwahlumfragen bei 2 bis 4 Prozent, Le Pen hingegen bei mindestens 15 Prozent.

In seiner Kandidaturerklärung zur kommenden Präsidentschaftswahl (vom April 2007), die er am 11. September 2005 –- und wohl nicht zufällig an diesem Datum – präsentierte, prangerte Philippe de Villiers scharf die von ihm behauptete « Islamisierung Frankreich » an. Was diesen Begriff betrifft, konnte er sogar die Diskurshoheit erlangen, denn Le Pen hat ihn inzwischen tendenziell aus seinem Vokabular gestrichen. Obwohl in der Vergangenheit auch der Front National den Hinweis auf den Islam benutzte, um die « Unassimilierbarkeit » der auf französischem Boden lebenden Immigranten aufzuzeigen, hat Le Pen vom Thema des religiösen Unterschieds inzwischen (Concurrence oblige) Abschied genommen. Im Publikum des FN, wo man noch weniger ein Blatt vor den Mund nimmt als der Anführer, übersetzt man Le Pens Einwände so : « Ob die Immigranten nun muslimische Araber sind oder katholische Ivoiriens (Bürger des westafrikanischen Staats Côte d’Ivoire), die Religion macht doch im Grunde keinen Unterschied. » Denn beide möchte man nicht im Land haben...

Im April 2006 nun knüpfte Philippe de Villiers erneut öffentlichkeitswirksam an dieses Thema an, indem er ein Buch im Verlag Albin Michel veröffentlicht, das Ängste wecken und und schüren möchte. Unter dem Titel Les Mosquées de Roissy'(« Die Moscheen von Roissy»; in dieser Pariser Vorstadt Roissy liegt der Flughafen Charles de Gaulle-Roissy) breitete de Villiers sich auf 250 Seiten darüber aus, welch immensen Gefahrenherd der Pariser Großflughafen Roissy angeblich berge. Die « Islamisierung » des Personal (Philippe de Villiers spricht in diesem Zusammenhang wörtlich von einer « religiösen und ethnischen Apartheid », die zu Ungunsten der Nichtmuslime praktiziert werde) führe zum Schwindel erregenden Anstieg der Terrorismusgefahr. So behauptet de Villiers: « Ein Mitglied des Personals, das in den Sicherheitszonen arbeitet, kann ohne jegliche Kontrolle ein Gepäckstück mit Sprengstoff in den Gepäckraum eines Flugzeugs legen » Ferner behauptet Philippe de Villiers, Zugang zu einer geheimen Studie des polizeilichen Nachrichtendiensts RG (Les Renseignements Généraux ), der ähnliche Aufgaben wahrnimmt wie die Verfassungsschutzämter in Deutschland, gehabt zu haben. Dies wurde durch die RG jedoch alsbald dementiert. Auf die Informationen aus dieser Quelle stütze sich sein Buch. (Siehe das Titelblatt unter: http://www.pourlafrance.fr/images/ouvrage_villiers2.jpg externer Link)

Leider ergaben einige kritische Recherchen jedoch ziemlich schnell, dass die präsentierten Informationen hinten und vorne nicht stimmten. Die moderate Boulevardzeitung Le Parisien etwa zog in ihrer Ausgabe vom 28. April 2006 die Herkunft des Dokuments in Zweifel, und das linke Wochenmagazin L'Humanité Hebdo publizierte am 18. Mai 06 eine umfangreiche « Gegenrecherche ». Den vorliegenden Ergebnissen zufolge stammt die angebliche Studie, auf die Philippe de Villiers sich berief, nicht von den RG. Es handelt sich vielmehr um ein inoffizielles Dokument, das im Auftrag des Inlandsgeheimdiensts und Spionageabwehrdiensts DST (Direction de surveillance du territoire) erstellt worden war. (Philippe de Villiers hat inzwischen auch öffentlich zugegeben, dass seine Quellenangabe – die die Herkunft seiner « Studie » den RG zuschrieb – falsch sei; und schob nunmehr nach, dass er angeblich durch die DST informiert worden sei.) Und in dem Originaldokument der DST geht es auch überhaupt nicht um Terrorismus. Vielmehr hatte der Nachrichtendienst eine Kanzlei für Wirtschaftsspionage bzw. –aufklärung, C3P, damit beauftragt, über Diebstähle durch das Flughafenpersonal und Vetternwirtschaft bei der Einstellungspraxis zu ermitteln. « Islamistische Propaganda/Missionierung haben wir nicht festgestellt », erklärte C3P-Direktor Patrick Séguy ausdrücklich (vgl. Nouvelobs.com externer Link, Homepage des Wochenmagazins, Nachricht vom 28. April 2006). Ganz im Gegensatz zu dem, was Philippe de Villiers später behauptet!

Dass der Inlandsgeheimdienst sich für solche Dinge interessiert, erklärt sich daraus, dass der gesamte Flughafenbereich als « hoch sensible » Zone gilt und deshalb intensiv durch unterschiedliche Nachrichtendienste durchleuchtet wird. Infolge der Studie konnten tatsächlich einige Diebstähle konnten tatsächlich aufgeklärt werden, es kam zunächst zu 30 Verhaftungen, aber sechs der Festgenommenen erwiesen sich später als unschuldig. 4 Personen wurden strafrechtlich verurteilt, gegen die übrigen Betroffenen halten die gerichtlichen Untersuchungen an. Infolge der Ermittlungen für den Nachrichtendienst erhärtete sich ferner der Verdacht, dass es bei bestimmten Firmen, die vom Flughafenbetreiber als Subunternehmen in der Gepäckabfertigung eingesetzt werden, eine Einstellungspraxis aufgrund von « Seilschaften » gegeben hatte. Demnach wurden rund 100 Personen, die alle aus derselben algerischen Kleinstadt (Gazhaouet) stammen, bei derselben Subfirma eingestellt, da Familienmitglieder oder ehemalige Dorfnachbarn sich für die Einstellung dieser Zuwanderer eingesetzt hatten.

Bei Philippe de Villiers wird daraus jedoch das terroristische « Netzwerk von Gazhaouet », was jedoch völliger Unfug ist. Generell lässt sich feststellen, dass die Methode des Grafen de Villiers als Buchautor darin besteht, Fakten unterschiedlicher (sozialer, ökonomischer) Natur in sein vorgegebenes ideologisches Schema einzupassen und im Sinne einer « moslemischen Verschwörung » zu deuten. Aus der überdurchschnittlich häufigen Einstellung maghrebinischer Immigranten bzw. maghrebinischstämmiger Einwandererkinder mit französischem Pass, die sich leicht durch sozio-ökonomische Faktoren erklären lässt (es handelt sich um « undankbare », schlecht bezahlte Jobs unter oft miesen Arbeitsbedingungen, die bei « gebürtigen Franzosen » höchst unbeliebt sind) interpretiert er ein angebliches « islamisches Komplott » heraus.

Nachdem de Villiers mit seinem Hetzbuch einigen Staub aufgewirbelt hat, beruhigen sich die Dinge zunächst wieder. Bis im August dieses Jahres. Am 10. 08. teilen die britischen Behörden mit, sie hätten eine Serie von geplanten Anschlägen auf Flüge von den oder in die USA verhindert. Die Mitteilung lässt viele Skeptiker zurück, beispielsweise zweifelt Florian Rötzer im Internetmagazin telepolis die angeblich aufgedeckten umfangreichen Komplotts an. Die britische Behörden behaupten, präventiv gehandelt zu haben. Nun kehrt allem Anschein nach die « Affäre » rund um den Pariser Flughafen Roissy in die Köpfe zurück.

Ab dem 17. August, eine Woche später, treffen bei einigen Beschäftigten des Flughafenkomploxes (überwiegend Moslems) die ersten Briefe ein.

Eine bequeme Art der Kündigung

Einer der brisanten Punkte im Zusammenhang mit der Affäre ist, dass es aufgrund der behördlichen Kontrolle über die Sicherheitsausweise möglich ist, einen Beschäftigten auf höchst « bequeme » Art und Weise loszuwerden. Ohne nämlich die üblichen Kündigungsschutzregeln einzuhalten : Ein Abbruch des Arbeitsverhältnisse muss nicht mehr näher begründet werden, da durch den Entzug des unabdingbaren Dokuments gewissermaßen die Geschäftsgrundlage des Arbeitsvertrags entfällt.

Um überhaupt im Sicherheitsbereich am FLughafen tätig sein zu können, benötigt jeder abhängig Beschäftigte eine spezielle maschinenlesbare Karte, die er am Arbeitsanzug befestigen muss. Die Ausgabe wird in enger Absprache mit den am Flughafen tätigen Polizeikräften sowie dem polizeilichen Nachrichtendienst (den RG) vorgenommen, ihr Besitz wird streng kontrolliert. In der sozialen Praxis liegen die Dinge oftmals so, dass die Drohung mit dem Entzug dieser Karte –- die der Arbeitgeber einer Subfirma durch einen einfachen Anruf bei der Polizei, die den maschinenlesbaren Arbeitsausweis daraufhin sofort sperrt, auslösen kann –- als probates Druck- und Erpressungsmittel eingesetzt wird. Es erspart den Arbeitgebern nämlich, eine Kündigung auszusprechen und sie auch noch begründen zu müssen. Wer einen unliebsam gewordenen (oder etwa im Zuge eines Streiks negativ aufgefallenen...) Beschäftigten los werden möchte, braucht gar nicht erst ein Kündigungsverfahren einzuleiten, sondern sorgt einfach für die Sperrung des Sicherheitsausweises als unabdingbare Zugangsvoraussetzung zur Arbeit. Wer über dieses Zugangsmittel nicht verfügt, erfüllt die Einstellungsvoraussetzung nicht mehr, und eine Kündigung muss nicht näher begründet werden. Der abhängig Beschäftigte verliert zunächst seinen Lohnanspruch und dann, mittelfristig, auch seinen Arbeitsplatz.

Ein Hauch von Diskriminierungsverdacht...

Und so scheint auch in diesem Falle der praktische Aspekt der Möglichkeit, den Flughafenmitarbeitern ihr Sicherheitsdokument zu entziehen, durchaus gesehen und genutzt worden zu sein... So erklärt in einer Meldung der französischen Nachrichtenagentur AFP vom 07. November 2006 der ehemalige Beschäftigte Hassan Tariqi, der in diesem Zusammenhang seinen Arbeitsplatz verloren hat, gegenüber der Öffentlichkeit : « Drei von vier Personen, die (in meinem Unternehmen) vom Entzug ihres Sicherheitsausweises betroffen sind, waren Gewerkschafter. » Hassan Tariqi selbst war der oberste gewerkschaftliche Vertrauensmann (délégué syndical central) der CFDT im Unternehmen ACNA, das circa 1.200 Mitarbeiter beschäftigt und in der Reinigung der Flugzeuge tätig ist. Das alles wirkt nicht sehr, als ob man es mit islamistischen Gotteskriegern zu tun hätte....

Einige andere der (seit August) unmittelbar betroffenen 72 Beschäftigten wurden anscheinend ausschließlich deshalb getroffen, weil sie moslemischen Glaubens sind und/oder ihren Glauben praktizieren. Das entspricht ja auch der Feindbild- bzw. Bedrohungsvorstellung, die bspw. Philippe de Villiers in der Öffentlichkeit ausmalte. Nur die allerwenigsten unter den Betroffenen, so scheint es jedenfalls, weisen eine über die pure religiöse Praxis hinausgehende ideologische Einstellung auf, die in Richtung « politischer Islam » gehen könnte. Philippe Decrulles von der Sektion der Transportarbeiterföderation FGTE-CFDT, erklärt gegenüber dem Autor dieser Zeilen : « Nur in einem einzigen Fall der von uns (der CFDT) vor Gericht mit vertretenen Beschäftigten könnte es Zweifel in dieser Hinsicht geben. Es handelt sich um einen gebürtigen Franzosen, einen Konvertiten. Bei allen anderen haben wir keinen Hinweis auf Verbindungen zum politischen Islam... »

Und sogar die konservative Tageszeitung Le Figaro, die in ihrer Donnerstagsausgabe scharf die Linie der Polizei und der Präfektur verteidigt und den betroffenen Beschäftigten « Fanatismus » vorwirft, weiß letztendlich nur von « circa 10 beunruhigenden Fällen ». Dabei misst der Figaro ihre Zahl nicht an den 72 Fällen (seit August), sondern spricht von 135 Entscheidungen : Die konservative Tageszeitung zieht nämlich alle jene Fälle heran, die seit dem Frühjahr 2005 dem Innenminister (Sarkozy) persönlich zur Entscheidung vorgelegt worden sind. Also wohl die schwersten Fälle. Dabei weiß sie von einem (einem !) Fall detailliert zu berichten, in dem man (trifft die gegebene Beschreibung der Situation zu) wohl tatsächlich von einer Verbindung zu islamistischen Terroristenkreisen ausgehen kann, und schreibt ansonsten vage von « circa 10 beunruhigenden Fällen ». (Beunruhigend bedeutet dabei nicht, dass es sich bei den Beschäftigten um potenzielle Terroristen handele, sondern lediglich, dass sie Kontakte zu Dritten aufweisen, die – so die Idee – eventuell Druck auf sie ausüben und ihre Stellung für irgendwelche Pläne ausnutzen könnten.) Und was, so fragt man sich doch unwillkürlich, ist dann aber mit allen übrigen... ?

Die Justiz hebt manche Entscheidungen auf

Rund ein Dutzend Lohnabhängige haben bisher gegen die Entscheidung zum Entzug ihrer Sicherheitsausweise geklagt, vor dem Verwaltungsgericht in Cergy-Pontoise. (Da es sich am Ausgangspunkt nicht um eine Arbeitgeber-, sondern um eine behördliche Entscheidung handelt, ist das Verwaltungsgericht zuständig.)

Gleichzeitig erhoben Gewerkschaften vom Flughafen zusammen mit mehreren Beschäftigten eine Klage vor dem Zivilgericht von Bobigny gegen den Präfekten und gegen Innenminister Sarkozy. Ihnen wird vorsätzliche Schâdigung durch Verletzung der Unschuldsvermutung vorgeworfen. Bei der Anhörung in der vorigen Woche ließ die Verteidigung dann erst einmal Ballast ab : OK OK, in zwei Fällen möge man nunmehr so einsichtig sein und den Betroffenen ihre Sicherheitskärtchen zurückgeben. In zwei Fällen von mehreren Dutzend Betroffenen der Maßnahme...

Die Anhörung vor dem Verwaltungsgericht am Mittwoch dieser Woche ergab, dass auch ein dritter und ein vierter Lohnabhängiger ihre Sicherheitsausweise zurück bekommen. Weitere Anhörungen finden noch am kommenden Montag statt. Bisher ging es allerdings nur um die Formrichtigkeit der Entscheidung (zum Entzug der Sicherheitsausweise), und noch nicht um ihre Begründung und Rechtfertigung in der Sache selbst. Denn die Lohnabhängigen waren beim Eintreffen der an ihre Adresse versandten Briefe, ab August, dazu aufgefordert worden, binnen von 14 Tagen Stellung zu nehmen. Widrigenfalls oder falls ihre Antwort nicht überzeugte (in der Praxis aber in den allermeisten Fällen) werde hinterher die Entscheidung zur Aberkennung des Sicherheitsausweises gefällt. Einige Lohnabhängige hatten aber gar nicht einmal die Möglichkeit, sich zu den ihnen gegenüber erhobenen (oft vage formulierten) Vorwürfen zu äußern : Dieser hier das Einschreiben nicht einmal erhalten, jener war damals im Sommerurlaub und konnte also gar nicht reagieren... Um die Rechtfertigung, oder den Mangel an Rechtfertigungsgründen, der Entscheidung in der Sache selbst wird es also später noch gehen.

Wie sich aus diesem Anlass herausstellte, ist die gesamte Gruppe der heute Betroffenen aber wiederum nur eine Spitze eines (wesentlich größeren) Eisbergs. In 3.500 Fällen seit dem Jahr 2001, so stellte sich jetzt heraus, sind Sicherheitsausweise entweder verweigert oder entzogen worden. In der Regel nach der Konsultation polizeilicher (Computer-)Dateien, wie beispielsweise des berühmt-berüchtigten polizeilichen Straftatenregisters STIC. In dieser Datei, in welcher 4 bis 5 Millionen Personen mit namentlichen Daten eingetragen sind, finden sich aber keineswegs nur überführte und verurteilte Straftäter wieder. Sondern eben auch lediglich (zu einem Zeitpunkt) verdächtigte Personen, ZeugInnen, unter Umständen auch Opfer von Straftaten... Im STIC-Register aufzutauchen, kann aber mitunter schon genügen, um sich für die Erteilung eines Sicherheitsausweises gesperrt zu sehen.

Bernard Schmid 17.11.2006


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