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Updated: 18.12.2012 15:51
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25.000 EisenbahnerInnen demonstrieren

Am Donnerstag, 25. November 04 demonstrierten nach unseren Beobachtungen rund 25.000 Beschäftigte der französischen Bahngesellschaft SNCF durch Paris. (Die Polizei sprach im Anschluss von 15.000 bis 20.000 Demonstrierenden, die CGT von 50.000 TeilnehmerInnen.)

[Siehe auch den Foto-Bericht von Bernard Schmid im LabourNet Germany]

Die Demonstrantinnen und Demonstranten waren landesweit angereist, so waren Transparente aus Nizza, Marseille, Perpignan, Narbonne, Nantes, Limoges, Lille oder Nancy auszumachen.

Das Gros der Demonstrierenden gehörte der (postkommunistischen) CGT an, die nach wie vor die stärkste Gewerkschaftsorganisation bei der SNCF bildet; sie stellte allein rund 20.000 DemonstrantInnen. Der rechtssozialdemokratischen CFDT und der "unpolitisch-reformistischen" Gewerkschaft Force Ouvrière (FO) gehörten jeweils nur 300 bis 400 TeilnehmerInnen an, ebenso wie der sich ebenfalls als "unpolitisch" präsentierenden UNSA. Der christliche Gewerkschaftsbund CFTC stellte 500 bis 700 Demonstrierenden. Den Abschluss der Demo bildete ein kämpferischer Block, den die linke Basisgewerkschaft SUD Rail (SUD Schiene) zusammen mit eigens angereisten italienischen Kollegen der autonomen Transportgewerkschaft ORSA und dem Dachverband der SUD-Branchengewerkschaften, Groupe des 10 – Solidaires, stellte. Bei ihm liefen 1.000 bis 1.500 Personen mit.

Die Forderungen der EisenbahnerInnen betrafen einerseits den Erhalt des öffentlichen Diensts. Die konservative Regierung plant einerseits einen neuen Stellenabbau, nachdem bereits in den letzten Jahren (laut Gewerkschaftsangaben) 8.000 Stellen vor allem im Gütertransport-Bereich bei der SNCF verloren gingen. Derzeit ist der Abbau von 2.000 Verkäuferstellen an Bahnschaltern und in SNCF-Shops geplant, das wäre ein Fünftel der Gesamtzahl an VerkäuferInnen. Daneben ist ein weiteres Outsourcing geplant, da künftig die Plätze in besonderen Waggons in den Hochschwindigkeitszügen TGV über private Filialen (nur via Internet) verkauft werden sollen; gleichzeitig sollen diese privaten Subunternehmen aber auf SNCF-Personal zurückgreifen können. Ferner geht es um die Löhne der Beschäftigten: Die für das Jahr 2004 wirksame Lohnerhöhung von 1,8 Prozent liegt unterhalb des faktischen Preisanstiegs (der sich nur unvollkommen in der "offiziellen" Inflationsrate) widerspiegelt.

Die Demo richtet sich auch gegen Regierungsvorhaben, einen "service minimum" (einen obligatorischen Minimal-Dienst) im Streikfalle einzurichten. Ein am 28. Oktober 2004 durch 7 von 9 bei der SNCF präsenten Gewerkschaften unterzeichnetes Abkommen soll dem einen Riegel vorschieben, indem der Forderung des Regierungslagers nach "Auffangen und Abmildern von Streikfolgen im Transportbereich" teilweise entgegen gekommen wird. Dieses Abkommen sieht zwar keinen obligatorischen Zwangsdienst vor, wie er der Regierung (unter dem Label des "service minimum") vorschwebt. Allerdings sieht es einen "sozialen Vorwarnmechanismus" mit zehntägigen obligatorische Verhandlungspausen im Konfliktfall vor, die eingehalten werden müssen, bevor ein Streik ausgerufen werden kann. Die unterzeichnenden Gewerkschaften betrachten dieses Abkommen als Teilerfolg, da sie durch diese Vereinbarung zugleich den Regierungsplänen einen Riegel vorzuschieben angeben. (Vgl. Labournet, 17. 11. 2004)

Freilich ändert sich durch diese neuen Mechanismen auch der Charakter eventueller Streikbewegungen, da den Gewerkschaftsapparaten nunmehr ein stärkeres Gewicht bei der Anbahnung und Regulierung von Konflikten eingeräumt wird. Da das Streikrecht in Frankreich durch alle Beschäftigten auch unabhängig von den Gewerkschaften ausgeübt werden kann, konnten deren Apparate bisher das "Ausbrechen" von Streiks nur teilweise kanalisieren. Diese Kanalisierungsfunktion wird nunmehr verstärkt.

Die "unpolitische" und teilweise populistische FO und die linke SUD Rail haben als einzige Gewerkschaften das Abkommen nicht unterzeichnet. SUD Rail hatte ihrer Basis bis zum 16. November Zeit gegeben, um in einer Mitgliederabstimmung über eine Unterzeichnung oder Nichtunterzeichnung der Vereinbarung zu entscheiden. Innerhalb der Gewerkschaftsführung von SUD Rail hatte es durchaus Stimmen gegeben, die sich geneigt zeigten, das Abkommen zu unterschreiben (um eine "gemeinsame Front" der Gewerkschaften gegen weitergehende Regierungspläne zu unterstützen). Aber 95 Prozent der Basiseinheiten sprachen sich, mit sehr deutlicher Mehrheit, dagegen aus. Damit bleibt SUD Rail in der Opposition gegen das Abkommen.

Bernhard Schmid, Paris


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