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Updated: 18.12.2012 16:07
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Frankreich wird durch die International Labour Organisation (ILO) verurteilt - wegen der Aushebelung des Kündigungsschutzes durch den CNE

Es war in den letzten Wochen von vielfacher Seite erwartet worden, jetzt ist es offiziell: Die International Labour Organisation (ILO) mit Sitz in Genf hat am Mittwoch, den 14. November 2007 Frankreich offiziell verurteilt. Ursache der Rüge ist die faktische Aushebelung des Kündigungsschutzes, die durch den CNE ( Contrat nouvelle embauche ) oder "Neueinstellungsvertrag" bewerkstelligt wird. Eine zweijährige Periode ohne rechtskräftigen Kündigungsschutz sei "nicht angemessen", befand der Verwaltungsrat der ILO, der im Moment und noch bis Freitag dieser Woche in der schweizerischen Stadt zusammentritt. Maximal sechs Monate kündigungsschutzfreier Periode zu Anfang eines Arbeitsverhältnisses (Stichwort Probezeit), wie sie das französische Recht bis zur Schaffung des CNE als Höchstwert - für leitende Angestellte, cadres - vorsah, seien noch hinnehmbar. Seitens der drei Führungsgremien der ILO, in denen respektive Gewerkschafts-, Arbeitgeber- und Regierungsvertreter aus den verschiedenen Mitgliedsländern der ILO vertreten sind, verlautbarte, in allen drei Instanzen sei die Annahme einer entsprechenden Resolution zur französischen Situation unproblematisch. Damit erhält die französische Politik - welche den CNE unter der konservativen Vorgängerregierung unter Dominique de Villepin angenommen hatte - einen erheblichen, obwohl erwarteten Dämpfer.

Der CNE, der durch eine hochsommerliche Notverordnung der Regierung ( ordonnance ) - gerechtfertigt durch die Dringlichkeit der Beschaffung von Arbeitsplätzen - vom 2. August 2005 geschaffen wurde, ist ein Arbeitsvertrag, der bislang in mittelständischen Unternehmen bis maximal 20 Beschäftigte abgeschlossen werden konnte. Das betrifft aber 90 Prozent der französischen Betriebe. Im Laufe der ersten zwei Jahre (24 Monate, 730 Tage) des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber eine Kündigung OHNE Angabe von Rechtfertigungsgründen aussprechen. Die Lohnabhängigen werden so behandelt, als befänden sie sich während dieser 24 Monate in einer "Super-Probezeit".

Der "kleine Bruder" des CNE, der geplante "Ersteinstellungsvertrag" oder CPE ( Contrat première embauche ), konnte im April 2006 durch massive Proteste gekippt werden, nachdem der entsprechende Gesetzesartikel bereits am 31. März desselben Jahres durch die Unterschrift des damaligen Präsidenten Jacques Chirac in Kraft gesetzt worden war. Der CNE blieb hingegen juristisch in Kraft, wurde aber faktisch durch die französische Arbeitsgerichtsbarkeit ausgehebelt. Die ,Conseils de prud'hommes' , gewählte Laienarbeitsgerichte mit paritätischer Besetzung ("Arbeitnehmer-" und "Arbeitgeber-"Vertreter), aber auch die als Berufungsrichter firmierenden professionellen Richter beharrten zunächst darauf, dass auch die Entlassungen unter dem Regime des CNE zumindest auf den Verdacht einer grundsätzlich rechtswidrigen Diskriminierung hin überprüft werden müssten. Damit stellten sie, ab Februar 2006, einen minimalen Rechtsschutz wieder her. Im Juli 2007 entschied dann ein Berufsgericht in Paris, dass der CNE nicht mit der ILO-Konvention Nr. 158 (die vorschreibt, dass Kündigungen nicht ohne triftiges Motiv ausgesprochen werden dürfen) und damit höherrangigem internationalem Recht vereinbar sei.

Das Arbeitgeberlager rückte im Laufe dieses Prozess seinerseits vom CNE ab, und führt seit dem 7. September 2007 jetzt - durch die Regierung unter Präsident Nicolass Sarkozy anberaumte - Verhandlungen mit den Gewerkschaften über die "Zukunft des Arbeitsvertrags", bei denen es insbesondere um den Kündigungsschutz geht. Nunmehr möchte das Arbeitgeberlager bei diesen Verhandlungen vor allem erreichen, dass eine "freundschaftliche Trennung" ( rupture à l'amiable ) - unter vermeintlich freiwiligem Einverständnis beider Seiten, "Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber" - als rechtliche Möglichkeit im Arbeitsrecht verankert werden soll. Bislang sind die Verhandlungen jedoch noch nicht richtig vorwärts gekommen, da die Gewerkschaften von den Vorschlägen der anderen Seite nicht hellauf begeistert sind, aber auch weil der Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite (zunächst der Metall-Arbeitgeberpräsident Denis Gauthier-Sauvagnac) infolge des "Schwarze Kassen-Skandals" beim Metallarbeitgeberverband mitten in der Verhandlungsperiode ausgetauscht werden musste. Neue Verhandlungsführerin ist jetzt Cathy Kopp von der Hotelkette ACCOR.

Bernard Schmid, Paris, 15.11.2007


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