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Updated: 18.12.2012 15:51
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Demonstrationen, die sich trafen - Krankenhaus und Hochschulbeschäftigte

"Tatsächlich ähneln sich die Anliegen auf beiden Seiten. So geht es auch in den öffentlichen Krankenhäusern u.a. darum, gegen eine Verwaltung der "Einheiten" nach betriebswirtschaftlichen "Rentabilitäts"kriterien sowie gegen die Einsetzung eines wie ein Unternehmenschef waltenden, quasi allmächtigen Direktors zu protestieren" - so wird der Inhalt des Treffens zweier Demonstrationen in dem Beitrag "Streik in Gesundheits - & Bildungswesen: Demos von streikenden Krankenhaus- und Hochschulbeschäftigten vereinigen sich in Paris" von Bernard Schmid vom 29. April 2009 skizziert.

Streik in Gesundheits - & Bildungswesen: Demos von streikenden Krankenhaus- und Hochschulbeschäftigten vereinigen sich in Paris

Am gestrigen Dienstag fand, wie am selben Tag in Labournet berichtet, der erste Streik- und Aktionstag im französischen Gesundheitswesen statt: Ärztinnen, Ärzte und Beschäftigte der öffentlichen Krankenhäuser traten massiv in den Ausstand. In Paris fand eine Demonstration statt, an der lt. Tageszeitung ,Libération' "mindestens 15.000 Beschäftigte" aus den Krankenhäusern teilnahmen. (Vgl. http://www.liberation.fr/societe/0101564580-l-hopital-fait-bloc-contre-la-loi-bachelot externer Link)

Die Pariser Polizei spricht von 8.000, die Veranstalter/innen ihrerseits von 18.000 Teilnehmer/innen. In anderen französischen Städten fanden kleinere Demonstrationen oder Kundgebungen mit jeweils mehreren hundert Teilnehmer/inne/n aus verschiedenen Krankenhäusern aus demselben Anlass statt. Ihr Demonstrationszug vereinigte sich dabei am frühen Nachmittag ab circa 13.30 Uhr mit jenem der Hochschullehrer/innen, Studierenden und Universitätsbeschäftigten, der zur selben Stunde stattfand.Dieser Zusammenschluss war vorab geplant gewesen. (Vgl. http://paris.ville.orange.fr/direct/index.html?direct/listeactu/090428123402.292djoml externer Link)

Tatsächlich ähneln sich die Anliegen auf beiden Seiten. So geht es auch in den öffentlichen Krankenhäusern u.a. darum, gegen eine Verwaltung der "Einheiten" nach betriebswirtschaftlichen "Rentabilitäts"kriterien sowie gegen die Einsetzung eines wie ein Unternehmenschef waltenden, quasi allmächtigen Direktors zu protestieren.

Anlass des Protestes ist ein neues Gesetz - die x-te "Reform" im Krankenhauswesen in den letzten 10 Jahren -, die bereits durch die Nationalversammlung angenommen wurde und kommende Woche in den Senat, also das parlamentarische "Oberhaus", zur Beratung kommt. (Vgl. http://abonnes.lemonde.fr/societe/article/2009/04/28/la-loi-hopital-patients-sante-territoires-c-est-un-peu-la-reforme-de-trop_1186424_3224.html externer Link)

Der Ausstand wird von unterschiedlichen Kräften getragen, bis hin zu bislang eher konservativ auftretenden Chefärzten. Ihn unterstützen auch die Gewerkschaften CGT und SUD-Santé (letztere ist eine linke Basisgewerkschaft), die in der gestrigen Demonstration massiv präsent waren. Hingegen lehnte die Spitze des sozialliberal geführten Gewerkschaftsdachverbands CFDT eine Teilnahme ab, mit der Begründung, man wolle nicht "die Macht der Ärzte verteidigen". (Vgl. http://www.latribune.fr/actualites/economie/france/20090427trib000370896/reforme-de-lhopital-la-cfdt-refuse-de-defendre-le-pouvoir-des-medecins.html externer Link) Ihre Mitgliedschaft bei den Pariser Krankenhäusern (unter der hauptstädtischen Klinikverwaltung AP-HP) war jedoch lt. AFP ebenfalls in der Pariser Demonstration vertreten. An letzterer Demonstration nahmen zwischen 3.200, laut Polizei, und 14.000 (laut Veranstalter/inne/n) Personen teil. Insofern fiel die Beteiligung an der Demonstration der Hochschulen unterdurchschnittlich aus. (Vgl. http://actu.orange.fr/articles/a-la-une/Forte-mobilisation-hospitaliere-a-Paris-la-grogne-universitaire-s-essoufle.html externer Link)

Allerdings hat sich in den letzten Wochen gezeigt, dass die Teilnahmequoten an ihren Mobilisierungen sehr unterschiedlich ausfallen konnte - und oft wurde der Hochschulprotest schon voreilig totgesagt, um ihn acht Tage später umso stärker aufflammen und die Demos wieder unerwartet stark wachsen zu sehen.

Bei ihnen handelt sich bereits um den elften Demonstrations- und Aktionstag in Folge: Im Hochschulsektor begann der Streik, der mit starken örtlichen Disparitäten (zwischen verschiedenen Hochschulen) abläuft, am o2. Februar dieses Jahres. Unterdessen wurde, neben der Universität Paris-IV (Nouvelle Sorbonne), auch u.a. an der Hochschule Bordeaux-III eine Fortsetzung des Streiks und auch der Blockade der Hochschulgebäude beschlossen. Eine Reihe von Universitäten - neben den o.g. auch Grenoble-III, Toulouse-III, Montpellier-III oder Amiens - werden nach wie vor durch Streikende blockiert. Hingegen war an der Hochschule Lyon-II (die eher links geprägt ist; diese Universität entstand nach dem Mai 1968 als Abspaltung von der reaktionären, später so getauften Hochschule Lyon-III, weil sowohl Studierende als auch Lehrpersonal am späteren Lyon-II den damaligen Streik unterstützen) am Dienstag ein erhebliches Durcheinander eingetreten. Die Universitätsleitung, obwohl selbst unzweideutig gegen die "Reform" von Forschung & Lehre in Gestalt des neuen Dekrets zur Unterrichtszeit - das am 22. April vom Kabinett verabschiedet und am Montag dieser Woche im Amtsblatt (Journal officiell) publiziert wurde - , hatte eine geheime Urabstimmung zur Beendigung der Blockaden angesetzt. Diese ergab, bei einer Beteiligung von knapp 15 Prozent der eingeschriebenen Studierenden, eine Mehrheit von gut 80 Prozent für eine Wiederaufnahme des Vorlesungsbetriebs; die Abschlussexamen nahen heran. Doch minoritäre, d.h. nur durch eine aktivistische Minderheit getragene, Störaktionen von Blockadeaktivisten sorgten für ein - angekündigtes- Durcheinander: Aktivisten der ziemlich linksradikalistisch ausgerichteten, kleinen Studierendengewerkschaft FSE (Fédération syndicale étudiante) warfen Sylvesterknaller und Rauchentwickler in den Raum, wo die geheime Abstimmung stattfand. Diese ultra-minoritäre Aktion - an einer Hochschule, die kaum irgendeinen Befürworter der umstrittenen Hochschul"Reform" zählt und wo die Spaltungslinie vor allem zwischen Befürwortern und Gegnern der Blockade des Unterrichtsbetriebs verläuft - schadet weitaus eher, denn dass sie Nutzen brächte. (Vgl. http://www.lyoncapitale.fr/index.php?menu=12&article=7711 externer Link, mitsamt Video) Dennoch nahm, im Anschluss daran, eine Vollversammlung - die durch die Aktivisten als einzig demokratisch legitimiertes Gremium anerkannt wird - noch mit Mehrheit der Anwesenden einen Beschluss zur Fortsetzung der Blockade an. (Vgl. http://www.lyoncapitale.fr/index.php?menu=01&article=7672 externer Link)

Die Urabstimmung selbst war von ihrer Methode her höchst umstritten, da sie ohne vorherige Aussprache, ohne Rede und Gegenrede anberaumt worden war. In Paris geht Ende dieser Woche die ,Rondes des obstinés', ein Rundgang von Protestlern während 24 Stunden am Tag und in der Nacht vor dem Rathaus, Ende dieser Woche in ihre 1.000 Stunde ohne Unterbrechung. Sie findet seit dem 23. März dieses Jahres statt. Unterdessen hat sie Nachahmer/innen in mehreren anderen französischen Städten ((Lyon Strasbourg, Dijon ...), etwa 20 an der Zahl, gefunden. Allerdings dort mit geringeren Präsenzzeiten als 24 Stunden pro Tag.

Bernard Schmid, 29. April 2009


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