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Updated: 18.12.2012 15:51
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Repression gegen StreikaktivistInnen und Solidarität

Die "Postler von Bègles" (Bègles ist die wichtigste Trabantenstadt von Bordeaux) sind mittlerweile im gesamten Land bekannt. Am 25. Mai war in ihrem Sortierzentrum der Konflikt hochgekocht, weil zukünftig 40 Arbeitsplätze wegfallen sollen. Die geplante "Modernisierung" steht im Kontext des im Februar 2005 verabschiedeten "postalischen Regulierungsgesetzes" sowie des von der Direktion aufgelegten Plans "Cap qualité courrier" (Kurs auf Qualität beim Postgut): Beide wollen die Arbeitsabläufe bei der Post "rationalisieren", bis im Jahr 2009 sollen insgesamt 60.000 von derzeit insgesamt 320.000 Arbeitsplätzen vernichtet werden - so beginnt der aktuelle Bericht von Bernhard Schmid "Repression gegen StreikaktivistInnen und Solidarität" vom 11. Juli 2005

Repression gegen StreikaktivistInnen und Solidarität

Die "Postler von Bègles" (Bègles ist die wichtigste Trabantenstadt von Bordeaux) sind mittlerweile im gesamten Land bekannt. Am 25. Mai war in ihrem Sortierzentrum der Konflikt hochgekocht, weil zukünftig 40 Arbeitsplätze wegfallen sollen. Die geplante "Modernisierung" steht im Kontext des im Februar 2005 verabschiedeten "postalischen Regulierungsgesetzes" sowie des von der Direktion aufgelegten Plans "Cap qualité courrier" (Kurs auf Qualität beim Postgut): Beide wollen die Arbeitsabläufe bei der Post "rationalisieren", bis im Jahr 2009 sollen insgesamt 60.000 von derzeit insgesamt 320.000 Arbeitsplätzen vernichtet werden.

An jenem 25. Mai 2005 also hatten die Beschäftigten des Sortierzentrums von Bègles den Direktor des Zentrums sowie vier leitende Manager zur Rede gestellt. Diese zeigten jedoch taube Ohren für die Besorgnisse hinsichtlich des Wegfalls von Arbeitsplätzen. Darauf wurden diese 5 Vertreter der Direktion durch die Beschäftigten insgesamt zwanzig Stunden lang an Ort und Stelle festgehalten. Auf Verlangen der regionalen Postdirektion (in Bordeaux) hin ließ der Präfekt, juristischer Vertreter des Zentralstaats im Département, ein Sondereinsatzkommando der Polizei einschreiten. Der GIPN (Groupement d'intervention de la police nationale), eine normalerweise für bewaffnete Auseinandersetzungen und Einsätze gegen Schwerkriminelle vorgesehene Sondereinheit, setzte der Besetzung ein Ende und verhaftete 9 bei dem Konflikt anwesende Postbedienstete. Gegen die 9 wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Die Post ihrerseits suspendierte seit dem 26. Mai insgesamt 14 ihrer Bediensteten - davon 13 verbeamtete Mitarbeiter und ein Angestellter mit privatrechtlichem Vertrag - vom Dienst, ohne Lohn. Die meisten von ihnen gehören der CGT, der linken Basisgewerkschaft SUD-PTT oder der anarchosyndikalistischen CNT an.

In diesen Tagen fielen und fallen nunmehr die Entscheidungen über die Diszplinarstrafen gegen die 14 Betroffenen. Am vorigen Donnerstag und Freitag, 7. und 8. Juli, waren sechs Postbeschäftigte vor die zentrale Postdirektion in Boulogne-Billancourt (einem Vorort, der westlich an Paris angrenzt) geladen. Drei von ihnen gehören der CGT an und drei SUD-PTT.

Am 7. Juli beschloss der Disziplinarausschuss der zentralen Postdirektion gegen Jean-Pierre Dabrin (CGT) und Jean-Paul Barra (SUD-PTT) je zwei Jahre Ausschluss vom Dienst, von denen jeweils ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt wird. Über Xavier Dauga (SUD-PTT) wurden zwei Jahre Ausschluss ohne Bewährung verhängt.

Am Freitag, 8. Juli erhielt der CGT-Vertreter Patrick Pret zwei Jahre Dienstausschluss ohne Bewährung. Pierre Gai von SUD-PTT erhielt zwei Jahre Ausschluss, davon soll eines zur Bewährung ausgesetzt werden. René Blanzaco von der CGT erhielt seinerzeit zwei Jahre Ausschluss auf Bewährung.

In allen Fällen hat der Beschluss des Disziplinarausschusses nur Vorschlagscharakter. Es liegt an der Direktion, die vorgeschlagenen Sanktionen letztendlich zu bestätigen oder nicht. Am 18., 19. und 20. Juli werden sieben weitere verbeamtete Postbedienstete sich vor der regionalen Postdirektion in Bordeaux zu "verantworten" haben.

Dabei ist dieselbe Instanz, die zunächst jegliche Verhandlung verweigerte und den Einsatz des Sondereinsatzkommandos GIPN veranlasste, Kläger und Richter zugleich. (Es handelt sich um Bernard Bernoula, CGT; Christian Stoldick, SUD-PTT; Patrick Lafont, SUD-PTT; Jean-Marie Baillet, CGT; D. Grenier, CGT; Pierre-Alain Ducasse, SUPTT; Gérard Danne, CGT.)

Der vierzehnte Betroffene (Fabrice Duluc, der durch die Post nach privatrechtlichem Status beschäftigt wird und bei der CNT aktiv ist) ist von Kündigung des Arbeitsverhältnisses und Entlassung bedroht.

Solidaritätsaktionen

Seit Ende Mai haben landesweit mehrere Wellen von Solidaritätsaktionen stattgefunden. Am 9. Juni wurde landesweit in den Sortierzentren zum Soldaritätsstreik aufgerufen, dessen Ergebnisse sich jedenfalls im Raum Paris bemerkbar machten. In den ersten Julitagen wurde erneut ein Aufruf zum Solidaritätsstreik befolgt, auch dieses Mal zeigten sich im Raum Paris spürbare Auswirkungen.

Am 7. Juli, an dem die Anhörungen zu den Disziplinarstrafen anfingen, demonstrierten 1.500 Postbedienstete aus dem Großraum Paris und von außerhalb vor der zentralen Postdirektion in Boulogne-Billancourt teil. Zu der ganztägigen und "lärmenden" Versammlung hatten die CGT, SUD-PTT und die CNT aufgerufen. Weitere Protestversammlungen fanden vor der regionalen Postdirektion in Bordeaux (500 Personen), in Toulouse und in Nantes statt. Es ist zu berücksichtigen, dass die Termine unter der Woche und während der Arbeitszeit, jedenfalls der meisten Postbeschäftigten, lagen.

Eine Petition von CGT und SUD-PTT für die Aufhebung der Disziplinarmaßnahmen und die sofortige Einstellung der gegen neun "Postler von Bègles" eingeleiteten Strafverfahren wurde mittlerweile von 22.000 Personen (Stand: 9. Juli) unterschrieben.

Auch bei der SNCF...

Die französische Eisenbahngesellschaft SNCF hat ihrerseits zu Sanktionen gegen "zu umtriebige" Beschäftigte gegriffen, wenngleich bislang auf einer weit weniger bedrohlichen Ebene. Im Pariser Montparnasse-Bahnhof wurden disziplinarrechtliche "Verwarnungen" gegen Mitglieder der CGT de Montparnasse verhängt, weil sie am 30. Juni und am 13. Juni Flugblätter im Inneren des Bahnhofs verteilt hatten. Die verhängte Sanktion ist eher harmlos und bleibt auf der symbolischen Ebene. Dennoch bildet sie ein Novum und setzt nach Ansicht der CGT bedenkliche Signale.

"Libération", die in ihrer Samstags-/Sonntagsausgabe darüber berichtete, zitiert den Chef der Eisenbahnergewerkschaft der CGT, Didier Le Reste, mit den Worten, er erblicke darin eine Entwicklung der Bahngesellschaft zu"Verwaltungskriterien wie im Privatsektor". Dahin läuft die Entwicklung wohl auf längere Sicht betrachtet auch hin...

Bernhard Schmid, Paris


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